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TVR 2001 Nr. 38

Krankenkassenprämie für den Sterbemonat


Art. 90 KVV


Im KVG findet sich keine Bestimmung für die Prämie für den Sterbemonat. Eine Regelung einer Krankenkasse, wonach die volle Prämie zu leisten ist, widerspricht deshalb übergeordnetem Recht nicht und ist zulässig.


Aus den Erwägungen:

2. a) Streitig ist allein, ob die volle Prämie für den Sterbemonat geschuldet ist. Die Krankenkasse beruft sich einerseits auf Art. 90 KVV, wonach die Prämien in der Regel monatlich zu bezahlen sind. Art. 90 KVV bezeichne eine Versicherungsperiode, nach welcher die Prämie berechnet werde. Zudem beruft sie sich auf Art. 5.3 ihres «Reglements für die Versicherungen nach KVG, Ausgabe Januar 1998», wonach die vollen Prämien bis zum Ende des Todesmonats geschuldet sind, wenn ein Versicherter stirbt. Schliesslich beruft sie sich auch auf Art. 24 VVG. Danach wird die für die laufende Versicherungsperiode vereinbarte Prämie auch dann ganz geschuldet, wenn der Versicherer die Gefahr nur für einen Teil dieser Zeit getragen hat. Diese Bestimmung statuiere den sogenannten Unteilbarkeitsgrundsatz; es finde mit anderen Worten keine zeitanteilige Aufspaltung im Sinne einer pro rata temporis berechneten Prämie statt. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, Art. 90 KVV spreche davon, dass die Prämien «in der Regel» monatlich zu bezahlen seien. Der Tod der Versicherten sei nicht durch menschliches Verhalten, sondern durch höhere Gewalt eingetreten und darum rechtfertige sich eine Ausnahmebehandlung, auf die ein Anspruch bestehe. Die Bestimmung von Art. 90 KVV lasse einen gewissen Spielraum zu und dürfe sich nicht zum Schaden der Versicherten beziehungsweise zum Vorteil der Krankenkasse auswirken. Deren Berufung auf Art. 24 VVG gehe nicht an, betreffe diese Bestimmung doch die Privatversicherungen. Auf Grund der Regelung von Art. 90 KVV bestehe keine Gesetzeslücke, für welche die Bestimmungen des VVG herangezogen werden müssten. Art. 90 KVV lasse zu, dass von der Unteilbarkeit der Monatsprämie abgewichen werden könne. Das Festhalten der Krankenkasse am Prämienanteil über den Tod des Versicherten hinaus sei ungerechtfertigte Bereicherung. Beim heutigen Stand der EDV könne sich die Kasse nicht auf die Einfachheit der Rechnungsstellung berufen. Genau gleich wie die Erfassung des genauen Tages des Eintritts, könne auch der genaue Tage des Austritts durch Tod erfasst werden.

b) Weder Art. 90 KVV noch eine andere Bestimmung der KVV regelt die hier zu entscheidende Frage. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Krankenkassenprämien Monatsprämien sind. Es sind aber auch halbjährliche oder jährliche Prämienzahlungen verbreitet (mit Rabatt). Eine eindeutige Regelung enthält jedoch das Reglement der Krankenkasse. Es fragt sich deshalb vorab, ob die Kassen befugt sind, derartige Reglemente zu erlassen.

aa) Art. 1 des alten KVG enthielt den Satz «Soweit das Gesetz keine entgegenstehenden Vorschriften enthält, richten sich die Krankenkassen nach ihrem Gutfinden ein». Damit wurde den Kassen ein grosser Spielraum eingeräumt, durch kasseninterne Bestimmungen, durch Reglemente und so weiter verschiedenste Sachverhalte zu regeln. Das wurde als Autonomie der Kassen bezeichnet. Im neuen KVG fehlt eine analoge Bestimmung. Trotz der grösseren Regelungsdichte des KVG muss aber eine gewisse Autonomie auch nach neuem Gesetz gelten, wie sich dies aus seinem Sinn, insbesondere aber aus Art. 12 Abs. 2 lit. b KVV ergibt. Die Aufsichtsbehörde prüft derartige kasseninterne Bestimmungen auf ihre Gesetzmässigkeit hin (sogenannte abstrakte Normenkontrolle). Die Gerichte sind jedoch nicht an die Ergebnisse dieser Überprüfungen gebunden. Sie haben vielmehr im konkreten Fall die Gesetzmässigkeit von Bestimmungen der Kassen frei zu beurteilen (sogenannte konkrete Normenkontrolle, vgl. Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 9 f.).

bb) Sind also Kassenreglemente grundsätzlich zulässig, fragt sich somit, ob Art. 5.3 des Reglements vor übergeordnetem Recht standhält. Zu Art. 90 KVV besteht ganz offensichtlich kein Widerspruch, regelt dieser doch nur die Prämienerhebung. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann aus der Wendung «in der Regel» kein Anspruch auf «Ausnahmebehandlung» (in welche Richtung auch immer) abgeleitet werden.
Art. 90 KVV will mit der Wendung «in der Regel» den Kassen die Möglichkeit geben, kundengerechte Regelungen der Prämienerhebungen zu treffen. Dass die von der Krankenkasse getroffene Regelung für die Prämien im Sterbemonat nicht gerade kundenfreundlich ist, liegt auf der Hand; ein Verstoss gegen das übergeordnete Recht besteht jedoch nicht.

cc) Die gewählte Bestimmung lehnt sich vielmehr an die Regelung im privaten Versicherungswesen an. Zwar geht es im KVG um einen Teil des Sozialversicherungswesens, doch findet sich auch im übrigen Sozialversicherungswesen keine ähnliche Prämienregelung wie im KVG. So ist der Bezug auf Art. 24 VVG nicht abwegig. Selbst Eugster in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, Krankenversicherung, Basel-Genf-München 1998, Rz 338, macht diesen Bezug, wie der Beschwerdeführer ausführt. Daraus kann der Beschwerdeführer aber nichts zu seinen Gunsten ableiten, wird doch dort gerade festgehalten, dass die Frage, ob die Prämien nur pro rata temporis geschuldet sind, wenn das Versicherungsverhältnis im Laufe eines Kalendermonats beginnt oder endet, noch nicht geklärt ist. Allerdings heisst es in der dortigen Fussnummer 819, die Wendung «in der Regel» solle unannehmbare Ergebnisse der Unteilbarkeit der Prämie verhindern. Unannehmbar ist die Regelung gemäss Art. 5.3 der Krankenkasse jedoch nicht. Gerade weil in einer Vielzahl neben der Grundversicherung auch Zusatzversicherungen bestehen, ist die analoge Anwendung der VVG-Regelung nicht von der Hand zu weisen (vgl. Art. 12 Abs. 3 KVG).

Entscheid vom 29. August 2001

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