TVR 2004 Nr. 15
Besuchsrechtsregelung durch Vormundschaftsbehörde. Unentgeltliche Rechtspflege und Offizialverbeiständung. zulässiger monatlicher Überschuss
§ 81 VRG, Art. 273 Abs. 1 ZGB, Art. 308 Abs. 2 ZGB
1. Das Besuchsrecht umfasst heute in der Regel nicht mehr nur ein Wochenende pro Monat. Gerade für einen Buben ist in seiner Entwicklung die Orientierungsmöglichkeit an einer väterlichen Identifikationsfigur von grosser Bedeutung, weshalb ein grosszügigeres Besuchsrecht von zwei Wochenenden pro Monat gerechtfertigt sein kann.
2. Zur Überwachung des Besuchsrechts kann ein Beistand ermächtigt werden. Dabei hat der Beistand nicht jedes Handeln persönlich wahrzunehmen. Eine Delegation an geeignete Dritte hat diesfalls unter der Verantwortlichkeit des Beistandes zu erfolgen.
3. Bei der Berechnung der Bedürftigkeit als Voraussetzung für die unentgeltliche Rechtspflege und Offizialverbeiständung ist vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum zuzüglich insbesondere Steuern auszugehen. Auf den Grundbetrag erfolgt in Abweichung der Praxis des Obergerichts kein Zuschlag von 30%. Aus einem Einkommensüberschuss müssen nur die mutmasslichen Gerichtskosten und die eigenen Anwaltskosten, nicht aber jene der Gegenpartei, getilgt werden können.
Daniel (Name geändert) wurde am 19. April 1997 als aussereheliches Kind der Eltern W und R geboren. Am 9. Januar 1998 anerkannte R Daniel als sein Kind im Sinne von Art. 260 Abs. 1 ZGB. Am 5. März 1998 unterzeichneten die Eltern einen Unterhaltsvertrag, wonach sich der Kindsvater R verpflichtete, monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge zu entrichten. Eine Vereinbarung über ein Besuchsrecht wurde nicht getroffen.
Offenbar war der Kontakt von R zu seinem Sohn in dessen ersten beiden Lebensjahren nicht eng. In der Zeit vom Herbst 1999 bis Herbst 2000 wohnten die Eltern zusammen. In dieser Zeit vertiefte sich nach Angaben des Kindsvaters seine Beziehung zu seinem Sohn wesentlich, was die Mutter aber in Abrede stellt. Im November 2000 zog W mit ihrem Sohn aus dem gemeinsamen Haus aus. R nahm in der Folge seinen Sohn nur sporadisch auf Besuch zu sich. Am 21. März 2001 bat W die Vormundschaftsbehörde um Hilfe in dem Sinne, dass R für ca. 3 Monate auf sein Besuchsrecht verzichte und dass er seine ausstehenden Alimente in der Höhe von Fr. 6’690.– begleiche. Der Vater lehnte es ab, auf sein Besuchsrecht zu verzichten und bot Schuldentilgung in monatlichen Raten von Fr. 100.– an, da er zur Zeit arbeitslos sei. Im Januar 2003 stellte R bei der Vormundschaftsbehörde einen Antrag auf Regelung seines väterlichen Besuchsrechts. Am 10. Februar 2003 teilte ihm die Behörde mit, ein Gespräch mit W habe ergeben, dass diese nicht gewillt sei, das Besuchsrecht zwischen Vater und Sohn zu tolerieren. Gründe für diese gewünschte Sistierung des Besuchsrechts habe sie aber keine nennen können. Auch ein kinderpsychologisches Gutachten habe sie vehement abgelehnt.
Am 10. März 2003 beschloss die Vormundschaftsbehörde, dem Kindsvater stehe grundsätzlich das Recht zu, sein Besuchsund Ferienrecht gegenüber seinem Sohn Daniel an jedem zweiten Wochenende und für zwei Wochen Ferien pro Jahr auszuüben:
Dagegen liess W Beschwerde beim DJS erheben. Am 18. Dezember 2003 entschied das DJS Folgendes:
1. | Die Beschwerde wird abgewiesen. | ||
2. | Das Recht von R, seinen Sohn zu sich auf Besuch zu nehmen, wird wie folgt geregelt: | ||
| a. | R steht grundsätzlich ein Besuchsrecht von jedem zweiten Wochenende (im Streitfall die ungeraden Wochenenden eines Jahres) und ein Ferienrecht von zwei Wochen pro Jahr zu. Die Ferien sind während der offiziellen Schulferien abzuhalten und gehen auf Kosten des Vaters. Das Ferienbesuchsrecht muss so früh wie möglich mindestens jedoch einen Monat im Voraus angekündigt wer den. Die Ferien können erstmals nach Ablauf der unter Ziff. 2.b. genannten vier Phasen durchgeführt werden. | |
| b. | Das väterliche Besuchsrecht soll grundsätzlich sofort beginnen und wird in vier aufeinanderfolgenden Phasen von je drei Monaten auf gebaut: | |
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| - | 1. Phase: zwei halbe Samstage pro Monat, jeweils von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr; |
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| - | 2. Phase: zwei ganze Samstage pro Monat, jeweils von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr; |
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| 3. Phase: 1 Samstag pro Monat von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr und ein Wochenende von Samstag, 10.00 Uhr bis Sonntag, 18.00 Uhr |
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| 4. Phase: 2 Wochenende pro Monat, jeweils von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr; |
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| Nach Ablauf der 4. Phase tritt das unter Ziff. 2.a. genannte Besuchsund Ferienrecht in Kraft. |
3. | Der Beistand wird beauftragt, zwischen den Eltern zu vermitteln und insbesondere den Vollzug des Besuchsrechts verantwortlich zu überwachen. Er hat das Besuchsrecht allenfalls auch gegen den Willen von W durchzusetzen. Er wird ermächtigt, den Termin für ein grundsätzlich nachholbares Besuchsrecht in eigener Kompetenz festzulegen. | ||
4. | In der dreimonatigen Anfangsphase sowie später nach Bedarf hat der Beistand oder eine von ihm dazu beauftragte Person die Übergabe und den Verlauf der Besuche persönlich zu überwachen. | ||
5. | W wird unter Androhung einer Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB angewiesen, alles zu tun, dass das unter Ziff. 2 festgelegte Besuchsrecht effektiv ausgeübt werden kann. | ||
6. | Die Vorinstanz wird angewiesen, nötigenfalls auch gegen den Willen der Kindsmutter eine gutachterliche Abklärung von Daniel beim Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst des Kantons Thurgau (KJPD) in Auftrag zu geben. | ||
7. | Auf die Erhebung von Verfahrenskosten wird verzichtet. | ||
8. | Das Gesuch um Bestellung eines Offizialanwaltes wird abgewiesen.» |
Mit Eingabe vom 9. Januar 2004 lässt W dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgericht erheben. Dieses weist die Beschwerde ab und verweigert die unentgeltliche Rechtspflege sowie die Offizialverbeiständung.
Aus den Erwägungen:
2. a) Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, haben Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr mit den Kindern (Art. 273 Abs. 1 ZGB). Bei der Ausübung des persönlichen Verkehrs haben der Vater und die Mutter alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert (Art. 274 Abs. 1 ZGB). Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden (Art. 274 Abs. 2 ZGB).
Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid die zu dieser gesetzlichen Regelung geltende und dazu entwickelte Lehre und Praxis ausführlich dargestellt. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann daher an dieser Stelle darauf verwiesen werden. (...)
b) Was die Beschwerdeführerin mit ihrem Hauptantrag verlangt, geht klar an den Fakten vorbei. Zwar ist bei einer Gefährdung des Kindeswohls eine gänzliche Verweigerung des Besuchsrechts möglich, doch gewissermassen nur als ultima ratio. Dafür liegen aber keinerlei belegte Anhaltspunkte vor, lässt es doch die Beschwerdeführerin allein bei Behauptungen bewenden und eine psychiatrische Begutachtung ihres Sohnes zur Abklärung des Kindeswohls bezüglich des Besuchsrechts lehnt sie ab. Auch von einem sich nicht ernsthaft um das Kind Kümmern gemäss Art. 274 Abs. 2 ZGB kann nicht gesprochen werden (vgl. zum Massstab zum Beispiel TVR 1994 Nr. 13 E. 2a). Zwar mag sein, dass dem anfänglich so war, doch bemühte sich der Vater seit dem inzwischen wieder aufgegebenen Zusammenleben und auch nachher um seinen Sohn. Daran ändert nichts, dass er seiner Unterhaltspflicht offenbar nicht stets zeitgerecht und voll nachgekommen ist. Das aber ist für die Mutter alles andere als angenehm und ist auch sicherlich eine der Ursachen ihrer Verweigerungshaltung.
c) Entgegen der Auffassung des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin mit dessen Verweis auf RBOG 1987 Nr. 1 hat sich in den letzten Jahren die Gerichtspraxis dahingehend verändert, wonach es üblich ist, zwei Besuchswochenenden pro Monat festzulegen, wenn nichts gegen die Ausübung des Besuchsrechts spricht (vgl. Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2002, Art. 273 Nr. 15). Wie erwähnt, lässt es die Beschwerdeführerin bei entsprechenden Behauptungen bewenden und bietet keine Hand für eine gutachterliche Abklärung. Verhält es sich so, besteht kein Anlass, von dieser neueren Gerichtspraxis, die das DJS seinem Entscheid zugrunde gelegt hat, abzuweichen. (...) Das Kindeswohl verlangt, dass nun das Besuchsrecht seinen geordneten Anfang nimmt. Die von der Vorinstanz angeordnete phasenweise Steigerung des Besuchsrechts ist ebenso nicht zu beanstanden, vielmehr zu Recht so angeordnet worden.
d) (...)
e) (...)
3. (Ausführungen zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Offizialverbeiständung mit Verweis auf TVR 2001 Nr. 8).
Entscheid vom 5. Mai 2004
Die Beschwerdeführerin liess dagegen sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erheben.
Aus den Erwägungen des Bundesgerichts im Berufungsverfahren:
2. Die Berufungsklägerin stützt sich auf die Praxis des Obergerichts, wonach das übliche Besuchsrecht darin zu erblicken sei, dass dem Elternteil, dem die elterliche Obhut nicht zukomme, ein Besuchsrecht von einem Wochenende pro Monat einzuräumen sei (unter Hinweis auf RBOG 1987 Nr. 1). Das Verwaltungsgericht, das nur ausnahmsweise in Zivilrechtssachen zu entscheiden habe, sei nicht befugt, von dieser Praxis des Obergerichts abzuweichen, in dessen Hand die Zivilrechtspflege im Kanton Thurgau in erster Linie liege. Auch würden keine sachlichen Gründe für ein Abweichen von dieser Praxis genannt.
2.1 (...) Die Vorstellung darüber, was in durchschnittlichen Verhältnissen als angemessenes Besuchsrecht zu gelten habe, gehen in der Lehre und der Praxis auseinander, wobei auch regionale Unterschiede festzustellen sind: Während das Besuchsrecht in der Westschweiz üblicherweise jedes zweite Wochenende mit einer Übernachtung oder sogar zwei Übernachtungen, die Hälfte der Schulferien und alternierend die Doppelfeiertage umfasst, wird in der Deutschschweiz – im Streitfall – das Besuchsrecht üblicherweise für Kinder im Vorschulalter auf ein bis zwei Halbtage monatlich, für Schulkinder auf ein Wochenende mit einer Übernachtung und zwei bis drei Wochen Ferien jährlich festgesetzt. Dabei ist eine Tendenz zur Ausdehnung des Besuchsrechts feststellbar. Auch wenn solchen Übungen bei der Bemessung des Besuchsrechtes eine gewisse Bedeutung zukommt, kann im Einzelfall nicht allein darauf abgestellt werden. Das Recht auf angemessenen persönlichen Verkehr steht Eltern und Kindern um ihrer Persönlichkeit willen zu. In erster Linie dient das Besuchsrecht indessen dem Interesse des Kindes. Bei dessen Festsetzung geht es nicht darum, einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Eltern zu finden, sondern den elterlichen Kontakt mit dem Kind in dessen Interesse zu regeln. Als oberste Richtschnur für die Ausgestaltung des Besuchsrechts gilt somit immer das Kindeswohl, das anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist; allfällige Interessen der Eltern haben zurückzustehen (vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung im Urteil des Bundesgerichts 5C.176/2001 vom 15. November 2001, E. 2a, in: FamPra.ch 2002 S. 402; BGE 5C.123/2004 vom 15. Juli 2004, E. 2.1).
2.2 Mit der ZGB-Revision von 1998/2000 ist die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde, den persönlichen Verkehr zu regeln, erweitert worden (vgl. Botschaft, BBl. 1996 I 1, S. 130 ff. Ziff. 233.63). Je nach dem, ob die Vormundschaftsbehörde oder ein Gericht über den persönlichen Verkehr entschieden hat, kann der Rechtsmittelweg kantonal letztinstanzlich an das Verwaltungsgericht oder das Obergericht führen. Da die Kantone für die Organisation der Gerichte zuständig sind (Art. 122 Abs. 2 BV), muss die Entscheidzuständigkeit verschiedener oberer kantonaler Gerichtsbehörden in der gleichen Zivilsache hingenommen werden. Entgegen der Annahme der Berufungsklägerin hat das Bundesgericht nicht die Aufgabe, einem der beiden Gerichte den Vorrang in der Rechtsprechung einzuräumen, sondern auf Berufung hin (Art. 44 lit. d OG) dafür zu sorgen, dass Bundesrecht einheitlich angewendet wird.
Die Berufungsklägerin verweist auf ein Urteil des kantonalen Obergerichts, das im Jahre 1987 veröffentlicht wurde. Das Verwaltungsgericht hat die darin festgelegte Praxis nicht befolgt und darauf hingewiesen, dass sich in den letzten Jahren die Gerichtspraxis verändert habe und dass es danach üblich sei, zwei Besuchswochenenden pro Monat festzulegen, wenn nichts gegen die Ausübung des Besuchsrechts spreche. Es trifft zu, dass die Gerichtspraxis neuerer Erkenntnis Rechnung trägt, wonach auf Grund des schicksalshaften Eltern-Kind-Verhältnisses die Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen sehr wichtig ist und bei dessen Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen kann. Gerade für einen Buben ist in seiner Entwicklung die Orientierungsmöglichkeit an einer väterlichen Identifikationsfigur von grosser Bedeutung (vgl. BGE 5C.123/2004 vom 15. Juli 2004, E. 2.2.2). Es kann deshalb kein Bundesrecht verletzen, dass das Verwaltungsgericht eine offenbar aus dem Jahre 1987 stammende Praxis überdacht hat und anhand sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls geprüft hat, was im Lichte des Kindeswohls gegen ein grosszügigeres Besuchsrecht des Berufungsbeklagten gegenüber seinem Sohn sprechen könnte.
Die Einräumung eines Besuchsrechts von zwei Wochenenden pro Monat verletzt als solche deshalb kein Bundesrecht. Die dagegen erhobenen Einwände der Berufungsklägerin sind nicht stichhaltig. Dass die Eltern des Kindes nur kurze Zeit miteinander zusammengelebt haben sollen, ist an sich nicht ungewöhnlich, wenn die Kindsmutter – nach ihren eigenen Angaben – zur Zeit der Schwangerschaft und Geburt des Kindes mit einem Dritten verheiratet gewesen ist und in ungetrennter Ehe gelebt hat. Diese familiären Verhältnisse rechtfertigen weder eine Einschränkung noch eine Verweigerung des persönlichen Verkehrs, zumal dann nicht, wenn – wie hier – eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls nicht einmal behauptet wird (vgl. nur BGE 127 III 295 E. 4 S. 298 f.). Dem Umstand, dass zwischen dem Berufungsbeklagten und dem Kind bislang keine besonders intensive Beziehung entstehen konnte, haben die kantonalen Behörde durch einen sukzessiven Aufbau des persönlichen Kontakts über ein Jahr hinweg genügend Rechnung getragen.
3. (...)
4. Die Berufungsklägerin macht geltend, es gehe nicht an, einer bestimmten Person Aufträge zur Begleitung und Überwachung der Besuchsrechtsausübung zu erteilen. Die Kompetenzen, die dem Beistand eingeräumt würden, entbehrten der gesetzlichen Grundlage.
4.1 Gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB kann die Vormundschaftsbehörde dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich «die Überwachung des persönlichen Verkehrs». Die Erteilung von Aufträgen an den Beistand findet darin eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
4.2 Die Berufungsklägerin verweist zu Recht darauf, dass es unzulässig wäre, wenn dem Beistand die Anpassung oder gar die Festlegung des Besuchsrechts übertragen würde (vgl. BGE 118 II 241 E. 2d S. 242 f.). Entgegen ihrer Annahme hat eine derartige Delegation, das Besuchsrecht festzulegen, hier nicht stattgefunden. Die vormundschaftlichen Beschwerdeinstanzen haben den Umfang des Besuchsrechts vielmehr genau umschrieben. Zulässig ist dabei die Ermächtigung des Beistands, eine Drittperson mit der Überwachung der Übergabe des Kindes an den Berufungsbeklagten und den Verlauf der Besuche zu beauftragen. Lehre und Praxis anerkennen, dass der Beistand konkrete Aufgabenbereiche, die nicht unmittelbar der Betreuung des Kindes dienen wie die Zuführung des Kindes an den Besuchsberechtigten und die Anwesenheit bei der Übergabe und gegebenenfalls während des Besuches, an geeignete Dritte delegieren darf. Die Delegation erfolgt unter der Verantwortlichkeit des behördlich ernannten Beistands. Dem Dritten kommt damit gleichsam die Funktion einer Hilfsperson des Beistands zu. Entgegen der Annahme der Berufungsklägerin geht es nicht um die Übertragung hoheitlicher Aufgaben, sondern um Hilfestellung bei deren Vollzug (vgl. dazu die Basler Kommentatoren, 2002: Schwenzer, N. 25 zu Art. 273 ZGB, und Breitschmid, N. 15 zu Art. 308 ZGB, mit Hinweisen; Biderbost, Die Erziehungsbeistandschaft (Art. 308 ZGB), Diss. Freiburg i.Üe. 1996, S. 431 ff.; Urteil 5C.1/1993 vom 28. April 1993, E. 1a und 3d).
4.3 Eine unzulässige Delegation von Befugnissen erblickt die Berufungsklägerin insbesondere darin, dass die Behörden den Beistand ermächtigt haben, den Termin für ein grundsätzlich nachholbares Besuchsrecht in eigener Kompetenz festzulegen. Was «ein grundsätzlich nachholbares Besuchsrecht» ist, ergibt sich ohne weiteres aus dem Zusammenhang mit den Bestimmungen, wonach das Besuchsrecht allenfalls gegen den Willen der Berufungsklägerin durchzusetzen ist (Dispositiv Ziff. 3) und die Berufungsklägerin unter Androhung einer Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB angewiesen wird, alles zu tun, dass das angeordnete Besuchsrecht effektiv ausgeübt werden kann (Dispositiv Ziff. 5 des bestätigten Departementsentscheids). Nachholbar ist somit der Besuchsrechtstag, der aus Gründen nicht hat bezogen werden können, die beim Inhaber der elterlichen Sorge liegen. Eine derartige Anordnung ist zulässig (Urteil des Bundesgerichts 5C.146/2001 vom 26. Oktober 2001, E. 2a, in: FamPra.ch 2002 S. 399). Entgegen der Darstellung der Berufungsklägerin hat der Beistand auch in diesem Bereich kein Besuchsrecht selbstständig festzulegen oder abzuändern, sondern den Vollzug behördlich bestimmter, aber verpasster Besuchstage zu regeln. Dazu darf er ermächtigt werden, wie das Verwaltungsgericht das zutreffend festgehalten hat (vgl. Hausheer, Die drittüberwachte Besuchsrechtsausübung, ZVW 53/1998 S. 17 ff., S. 33 bei Anm. 94, und Biderbost, a.a.O., S. 318/319, je mit Hinweisen).
Urteil vom 1. September 2004 (5C.146/2004)
Aus den Erwägungen des Bundesgerichts zur staatsrechtlichen Beschwerde:
2. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Bedürftigkeit. Sie erblickt eine verfassungswidrige Anwendung von § 81 VRG/TG darin, dass das Verwaltungsgericht ihr einen Zuschlag auf dem Grundbetrag verweigert habe, den sie in einem Verfahren vor Obergericht hätte beanspruchen können. Die Anwendung zweier verschiedener Beurteilungskriterien für die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für die materiell gleiche Sache innerhalb des gleichen Rechtskreises sei willkürlich (Art. 9 BV) und verletze den verfassungsmässigen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV).
2.1 Nach § 81 Abs. 1 VRG/TG (RB 170.1) kann einem bedürftigen Beteiligten auf Antrag die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt werden, sofern das Verfahren nicht als aussichtslos oder mutwillig erscheint. Das Verwaltungsgericht hat die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin verneint. Es ist davon ausgegangen, nach Abzug des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (zuzüglich Steuern) von den Einnahmen verbleibe der Beschwerdeführerin ein monatlicher Freibetrag von Fr. 400.–, mit dem sie die Gerichtsgebühr von Fr. 800.– sowie die Entschädigung an die private Gegenpartei von Fr. 1’000.– bezahlen könne.
2.2 Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Satz 1). Bedürftig im Sinne der verfassungsrechtlichen Garantie ist eine Person, die nicht in der Lage ist, für die Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur Deckung des Grundbedarfs für sich und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232). Diese Bedürftigkeit hat die Rechtsprechung dahin gehend konkretisiert, dass nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt werden darf, sondern die individuellen Umstände zu berücksichtigen sind (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2 f.).
Dem verfassungsrechtlichen Begriff der Bedürftigkeit entsprechen die Kantone, indem sie zusätzlich privat- und öffentlichrechtliche Verpflichtungen berücksichtigen, die nicht zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum gehören (z.B. Steuerschulden), und in der Regel einen Prozentzuschlag auf dem Grundbetrag oder auf dem Gesamtbedarf gewähren (vgl. dazu Bühler, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 131 ff., S. 180 ff., mit Hinweisen auf die teilweise nicht veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesgerichts).
Ergibt die Gegenüberstellung der Einnahmen und des Bedarfs keinen oder nur einen geringfügigen Einkommensüberschuss, ist Bedürftigkeit zu bejahen. Als geringfügig wird ein Einkommensüberschuss angesehen, wenn er nicht mehr als 20 % der mutmasslichen Gerichtskosten und der eigenen Anwaltskosten ausmacht und es dem Gesuchsteller nicht möglich ist, damit seinen Prozesskostenanteil innert einer Frist von einem Jahr, bei kostspieligen Prozessen innert zweier Jahre ratenweise abzuzahlen. Der Einkommensüberschuss ist somit in Beziehung zu setzen zu den auf Seiten des Gesuchstellers zu erwartenden Gerichtsund Anwaltskosten. Nicht zu berücksichtigen ist bei der Ermittlung der mutmasslichen Prozesskosten die der obsiegenden Gegenpartei geschuldete Parteientschädigung, zumal der verfassungsrechtliche Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nicht davon befreit, den Prozessgegner für seine Umtriebe im gerichtlichen Verfahren angemessen zu entschädigen (vgl. dazu Bühler, a.a.O., S. 182 und S. 185, mit Hinweisen auf die teilweise nicht veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesgerichts; seither z.B. Urteile 5P.457/2003 vom 19. Januar 2004, E. 2, und 5P.209/2004 vom 29. Juni 2004, E. 3).
2.3 Der unangefochtenen Berechnung des Verwaltungsgerichts zufolge beträgt der Grundbetrag der Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn monatlich Fr. 1’600.–. Ihrem um die laufende Steuerlast erweiterten betreibungsrechtlichen Existenzminimum von Fr. 3’717.– stehen Einnahmen von Fr. 4’120.– gegenüber, so dass ein monatlicher Einkommensüberschuss von rund Fr. 400.– errechnet werden kann. Zur Bestreitung von Prozesskosten vermöchte die Beschwerdeführerin insoweit Fr. 4’800.– pro Jahr (Fr. 400.– x 12 Monate) aufzubringen. Die mutmasslichen Prozesskosten belaufen sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf etwa die Hälfte dieses Betrags (vgl. zu den Einzelheiten: E. 2.4.2 sogleich).Der Beschwerdeführerin verbleibt damit von ihrem Überschuss rund die Hälfte. Dieser Betrag von monatlich Fr. 200. – zu ihrer freien Verfügung macht etwas mehr als 10 % ihres Grundbetrags von Fr. 1’600.– aus. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin hat das Verwaltungsgericht zur Bestimmung der Bedürftigkeit nicht einfach auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern dieses um die laufende Steuerlast erweitert und im Ergebnis durch einen Zuschlag von gut 10 % auf dem Grundbetrag angemessen erhöht. Der angefochtene Entscheid verletzt die aus der verfassungsrechtlichen Minimalgarantie abgeleiteten Grundsätze (E. 2.2 soeben) nicht.
2.4 Die Beschwerdeführerin erhebt dagegen drei Einwände:
2.4.1 Die Beschwerdeführerin behauptet, der Einkommensüberschuss müsse auch die Parteientschädigung an die Gegenpartei decken. Diese Annahme trifft nicht zu. Die verfassungsrechtliche Minimalgarantie befreit – wie gesagt (E. 2.2 soeben) – nicht von der Bezahlung einer im Endurteil auferlegten Parteientschädigung an die Gegenpartei. Verfassungsmässig richtig lautet die hier zu beantwortenden Frage, ob eine Prozesspartei mit dem monatlichen Einkommensüberschuss die Gerichtsund Anwaltskostenvorschüsse innert angemessener Frist zu bezahlen in der Lage ist (BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370), d.h. mit ihren Mitteln auf dem freien Markt einen entgeltlichen Rechtsbeistand zur Wahrung ihrer Interessen finden und die Gerichtskosten vorschiessen könnte (Urteil des Bundesgerichts 5P.317/1995 vom 12. Oktober 1995, E. 4c, zit. bei Bohnet, Jurisprudence fédérale et neuchâteloise en matière d’assistance judiciaire, Neuchâtel 1997, S. 16, 3. Lemma).
2.4.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass sie in der Lage sei, ihren eigenen Anwalt zu bezahlen. Sie beziffert ihre eigenen Anwaltskosten – ohne nähere Begründung – auf Fr. 2’500.–. Das Vorbringen ist zwar mit Blick auf die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen neu, aber dennoch zulässig und zu überprüfen, weil erst die Begründung des angefochtenen Entscheids (E. 2.1 soeben) zu seiner Geltendmachung Anlass gegeben hat (BGE 129 I 49 E. 3 S. 57). Gemäss der Verordnung des Verwaltungsgerichtes über den Anwaltstarif für Streitigkeiten vor dem Verwaltungsgericht (RB 176.6) beträgt die Grundgebühr im Beschwerdeverfahren 800 bis 6000 Franken und bemisst sich innerhalb dieses Rahmens nach dem Zeitaufwand, der Bedeutung und der Schwierigkeit der Sache sowie nach dem Streitwert, soweit dieser bestimmbar ist (§ 2). Sinn gemäss sind die Grundsätze und Bestimmungen des Zivil- und Straftarifs anzuwenden (§ 5). Gemäss der verwiesenen Verordnung des Obergerichts über den Anwaltstarif für Zivil- und Strafsachen (RB 176.3) beträgt die Grundgebühr in familienrechtlichen Prozessen in der Regel 1000 bis 5000 Franken (§ 4 Abs. 1), wobei für das Verfahren vor der Berufungsinstanz die Hälfte bis zwei Drittel der Grundgebühr berechnet werden (§ 7 Abs. 1). Der Rechtsbeistand hat im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren betreffend persönlichen Verkehr eine zehnseitige Beschwerdeschrift, drei Gesuche um Fristerstreckung zur Einreichung des «UP-Formulars» sowie ein Begleitschreiben zum «UP-Formular» verfasst. Zuschläge für besonderen Aufwand oder aus anderen Gründen, wie sie in den Verordnungen des Verwaltungsgerichts und des Obergerichts umschrieben werden, sind weder ersichtlich noch dargetan. Unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel wäre insoweit mit Anwaltskosten von Fr. 750. – bis Fr. 1’500.– sowie mit Gerichtskosten von Fr. 800.– bis Fr. 1’000.– zu rechnen gewesen. Innert Jahresfrist wären diese mutmasslichen Prozesskosten bezahlbar gewesen, ohne dass die Beschwerdeführerin den jährlichen Einkommensüberschuss von rund Fr. 4’800.– gesamthaft hätte in Anspruch nehmen müssen. Es wäre ihr vielmehr knapp die Hälfte davon verblieben, was – wie gesagt (E. 2.3 soeben) – einen monatlichen Betrag von etwa Fr. 200.– oder rund 10 % auf dem Grundbetrag von Fr. 1’600.– ausgemacht hätte. Die Rüge der Beschwerdeführerin entbehrt auch der rechnerischen Grundlage.
2.4.3 Die Beschwerdeführerin wendet schliesslich ein, das Obergericht gewähre einen Zuschlag von 30 % auf dem Grundbetrag. Es sei aus verfassungsrechtlicher Sicht unannehmbar, dass die beiden oberen kantonalen Gerichte die Frage der Bedürftigkeit verschieden beurteilten, zumal in einer Zivilsache, deren Weiterziehung an die jeweilige kantonale Letztinstanz nur vom zufälligerweise eingeschlagenen Rechtsweg, sei es über die Vormundschaftsbehörden oder sei es über die Gerichtsbehörden, abhängig sei. Die Rüge ist unbegründet. Dem ins Recht gelegten Schreiben des Obergerichts vom 25. Mai 2001 betreffend «Grundsätze für die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung» zufolge soll der Zuschlag auf dem Grundbetrag gemäss betreibungsrechtlichen Richtlinien in der Regel 30 % betragen. Das schliesst Abweichungen nach oben oder unten nicht aus, so dass der vorliegende Zuschlag von rund 10% mit den erwähnten Richtlinien nicht als unvereinbar und auch diesbezüglich nicht als verfassungswidrig erscheint.
Urteil vom 1. September 2004 (5P.257/2004)