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TVR 2005 Nr. 36

Kostenbeteiligung der Eltern bei Fremdplatzierung ihres Kindes


§ 19 Abs. 2 SHG, Art. 289 Abs. 2 ZGB, Art. 293 Abs. 2 ZGB


1. Weder gibt noch kann das SHG einer Fürsorgebehörde die Grundlage geben, die Eltern verfügungsweise zu einem Beitrag an die Kosten für die Fremdplatzierung ihres Kindes zu verpflichten.

2. Kommt die Gemeinde für den Unterhalt auf, so hat sie beim Zivilrichter auf Leistung des Unterhalts gegen die Eltern zu klagen, wenn diese sich nicht vertraglich dazu verpflichtet haben ( E. 2e und f).


Mit Präsidialbeschluss der Vormundschaftsbehörde der Gemeinde F vom 22. Dezember 2004 wurde den Eltern N die Obhut über ihre Tochter gestützt auf Art. 310 Abs. 2 ZGB entzogen. Die Tochter wurde bei Pflegeeltern fremdplatziert und ihr ein Beistand gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB beigegeben. Dessen Aufgabe bestand unter anderem in der Ausarbeitung des Pflegevertrages. Nachdem sich die Eltern weigerten, den Pflegevertrag zu unterschreiben, wurden sie von der Politischen Gemeinde F zu einer Besprechung aufgeboten. Die Fürsorge der Politischen Gemeinde F entschied, sie hätten Elternbeiträge an Unkosten / Pflegeplatzkosten im Betrag von Fr. 700.– pro Monat zu entrichten. Dagegen legten die Eltern N Rekurs beim DFS ein, das diesen guthiess und ihnen eine ausseramtliche Entschädigung im Betrag von Fr. 3’857.–, zuzüglich Mehrwertsteuer zusprach. Das DFS begründete seinen Entscheid insbesondere damit, dass die Zuständigkeit zur Festlegung von Elternbeiträgen an die Unterhaltskosten von Kindern beim Zivilrichter und nicht bei der Fürsorge liege. Das mit Beschwerde der Fürsorgekommission angegangene Verwaltungsgericht weist ab.

Aus den Erwägungen:

2. a) Mit Art. 289 Abs. 2 ZGB hat der Privatrechtsgesetzgeber auf eidgenössischer Ebene das Verhältnis zwischen öffentlichrechtlicher Unterstützung und privatrechtlicher Unterhaltspflicht der Eltern geregelt. Wenn aufgrund des öffentlichen Rechts Unterstützung geleistet werden muss, weil die primär unterhaltspflichtigen Eltern ihrer Verpflichtung nicht fristgemäss nachkommen (Vorfinanzierung gemäss Art. 293 Abs. 2 ZGB), gehen die Ansprüche des bedürftigen Kindes gegenüber seinen Eltern per gesetzlicher Subrogation auf das Gemeinwesen über. Der Anspruch bleibt dabei zivilrechtlicher Natur und wird ausschliesslich durch das Bundesprivatrecht geregelt. Für kantonales öffentliches Recht bleibt höchstens insoweit Raum, als es die Rückforderung der vom Gemeinwesen erbrachten Leistungen durch den Unterstützten selber regelt (vgl. AGVE 1997, S. 63 ff.).

b) Aufgrund von § 19 Abs. 2 SHG können die Unterstützungsbeiträge, welche für die Tochter vor Vollendung des 18. Altersjahres ausgerichtet wurden, nicht von der Tochter zurückverlangt werden.

c) Aus dem der Beschwerdeführerin bekannten Entscheid V 208 des Verwaltungsgerichts vom 22. September 2004 geht hervor, dass sich die Einschränkung des Rückerstattungsanspruchs auf Leistungen nach dem 18. Altersjahr gemäss § 19 Abs. 2 SHG aber nicht auf jenen Fall bezieht, in welchem die Unterstützungsbeiträge den Eltern gewährt werden, das heisst die Eltern Bezüger der Unterstützungsbeiträge sind. Ebenso geht daraus auch hervor, dass bei Fremdplatzierung (ohne vertragliche Einbindung der Eltern) das Kind eine eigene Unterstützungseinheit bildet. Es ist somit der Vorinstanz zuzustimmen, dass die von der Gemeinde erbrachten Leistungen der Tochter und nicht den Eltern zuzurechnen sind und die Eltern nicht unter dem Titel «Rückerstattung durch Private gemäss § 19 SHG» verpflichtet werden können. Vielmehr steht der Gemeinde aufgrund der Bevorschussung der Unterhaltsansprüche der Tochter gegenüber ihren Eltern (Art. 293 Abs. 2 ZGB) ein Anspruch (Forderungsanspruch gemäss ZGB und nicht Rückforderungsanspruch gemäss SHG) infolge der Subrogation gemäss Art. 289 Abs. 2 ZGB zu. Gesetzliche Grundlage für die Forderung der Beschwerdeführerin ist somit ausschliesslich Art. 289 Abs. 2 ZGB. Die Forderung muss aber auf dem Zivilweg durchgesetzt werden.
Dem DFS ist deshalb darin zuzustimmen, dass weder das SHG noch das Zivilrecht der Gemeinde ermöglichen, die Eltern per Verfügung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen zu verpflichten und dass deshalb die Verfügung wegen Unzuständigkeit der verfügenden Behörde als nichtig zu betrachten ist.

d) Der Verweis der Gemeinde auf den Rekursentscheid des DFS vom 19. September 2002 ändert an der klaren Rechtslage nichts. Zwar kann der Beschwerdeführerin zugute gehalten werden, dass das DFS in jenem Entscheid noch teilweise einen anderen Standpunkt einnahm. Es wäre deshalb angezeigt gewesen, dass sich das DFS mit seiner früheren Praxis auseinandergesetzt hätte. Der Umstand, dass das DFS dies nicht getan hat, kann an der klaren Rechtslage nichts ändern.

e) Nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG begründet das unmündige Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz (vgl. Art. 7 Abs. 1 und 2 ZUG), wenn es dauernd nicht bei den Eltern oder einem Elternteil wohnt. Das fremdplatzierte unmündige Kind begründet somit eine selbständige Unterstützungseinheit. Wird es durch das Gemeinwesen unterstützt, geht der Unterhaltsanspruch auf dieses über und dieses hat ihn in Anwendung von Art. 279 ZGB beim Zivilrichter einzuklagen (BGE 123 III 161= Pra 86 [1997] Nr. 105). Es ist somit der Vorinstanz zuzustimmen, wenn sie unter Verweis auf Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, Bern 1993, S. 136, festhält, dass grundsätzlich die Einzelperson Unterstützungseinheit darstellt und die Familie als Unterstützungseinheit lediglich insofern ein Thema ist, wenn es um die Mitberücksichtigung von Vermögen und Einkommen der im gleichen Haushalt lebenden Personen geht. Bei Fremdplatzierung ist diese Hausgemeinschaft aufgehoben, womit das Kind als eigenständige Unterstützungseinheit zu betrachten ist. Dass die Gemeinden Unterstützungspflichtige durch Fremdplatzierung zu Lasten anderer Gemeinden abschieben könnten, ist eine unzutreffende Folgerung. Schliesslich ist auch auf den Pflegevertrag hinzuweisen, demgemäss die Bezahlung des Pflegegeldes der Gemeinde obliegt. Sie schuldet damit das Pflegegeld. Rückfordern (im Umfang gemäss Art. 279 Abs. 1 ZGB) kann sie es aber von den Eltern – wie gesagt – nicht durch Verfügung, sondern durch Klage beim Zivilrichter, der auch über die Zumutbarkeit der Leistungen zu befinden hat.

f) Nicht zu beurteilen ist vorliegend der Fall, wenn sich die Eltern vertraglich zur Übernahme der Kosten der Fremdplatzierung verpflichtet hätten. Dazu kann auf die Ausführungen des DFS verwiesen werden (vgl. S. 4 der Vernehmlassung vom 26. Oktober 2005). Für diesen Fall liegt eine Leistung an die Eltern vor, welche gestützt auf § 19 Abs. 2 SHG auf dem öffentlichrechtlichen Wege zurückgefordert werden kann.

Entscheid vom 14. Dezember 2005

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