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TVR 2007 Nr. 29

Form­fehler im Submissionsverfahren


§ 3 GöB, Art. 7 IVöB, § 10 VöB, § 39 Abs. 1 VöB, § 79 VRG


1. Trotz Nichtleisten eines Kostenvorschusses kann es das öffentliche Interesse am Aufzeigen der richtigen Durchführung des Submissionsrechts gebieten, auf eine Beschwerde gegen einen Zuschlagsentscheid einzutreten (E. 1b).

2. Die Feststellung diverser Formfehler in Submissionsverfahren würde nur dann zur Aufhebung des Zuschlags führen, wenn der Zuschlag bei ordnungs­gemässer Abwicklung des Verfahrens an die beschwerdeführende Anbieterin hätte erfolgen müssen (E. 2 und 3).


Die Politische Gemeinde U schrieb die Baumeisterarbeiten BKP 211 sowie die Beton- und Stahlbetonarbeiten BKP 211 (in zwei separaten Losen) für den Bau ihrer neuen Sportanlage im freihändigen Verfahren aus. Eingabe­termin war der 20. August 2007. Auf Ersuchen der A GmbH stellte die Gemeinde ihr die Offertunterlagen ebenfalls zu. Am 22. August 2007 erfolg­ten die beiden Offertöffnungen der insgesamt je fünf Anbieter.
Danach wurde eine Abgebotsrunde durchgeführt, wobei angeführt wurde, die Bauherrschaft habe das Zertifikat abzugeben. Daraufhin reduzierten unter anderem die S AG ihr Angebot auf insgesamt Fr. 299'471.37 und die A auf Fr. 303'000.–. Der Gemeinderat U hielt mit Beschluss vom 17. September 2007 fest, die S AG habe das preisgünstigste Angebot der fünf Anbieter abge­geben. Mit Fax-Schreiben vom 24. September 2007 teilten die mit der Submission beauftragten Architekten der A mit, der Gemeinderat habe die Baumeisterarbeiten an die S AG zum Preise von Fr. 299'471.37 vergeben. Als Rechtsmittelbelehrung ist angegeben, dass es jedem Unternehmer freistehe, innert 10 Tagen ab Vergabedatum Einsprache zu erheben. Die A erhob am 26. September 2007 bei der Gemeinde Einsprache und verlangte Übertragung der Arbeiten beider Lose an sie, da ihr Angebot per Saldo das wirtschaftlich günstigste sei. Am 2. Oktober 2007 teilte die Gemeinde der A mit, sie habe bei ihrer Vergabe nicht nur den Preis, sondern gemäss Abgebotsschreiben auch das Vorliegen des «Zertifikats» der Anbieter geprüft. Die A habe dieses nicht beibringen können. Ebenso wenig habe der Beleg der AHV-Stelle den gestellten Anforderungen entsprochen. Gegen diesen Entscheid könne innert 20 Tagen seit Zustellung schriftlich und begründet Rekurs beim DBU geführt werden. Davon machte die A mit einer «Einsprache» Gebrauch. Am 22. Oktober 2007 unterzeichnete die Gemeinde den Werkvertrag für beide Lose zum Pauschalpreis über insgesamt Fr. 300'000.– mit der S AG.
Das DBU überwies die «Einsprache» der A vom 20. Oktober 2007 am 29. Oktober 2007 zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht. Dieses for­derte die A auf, innert 14 Tagen einen Kostenvorschuss von Fr. 500.– zu leis­ten. Die A teilte dem Gericht mit, sie verzichte auf die Leistung eines Kostenvorschusses, nachdem entgegen dem anhängig gemachten Verfahren gebaut werden könne. Im Verfahren seien Formfehler gemacht worden.
Das Verwaltungsgericht tritt auf die Beschwerde trotzdem ein, weist sie ab und stellt gleichzeitig fest, dass das Submissionsverfahren nicht rechtskon­form abgewickelt worden ist.

Aus den Erwägungen:

1. b) Zu prüfen ist, ob auch die weiteren Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind. Auch wenn die fristgerechte Leistung eines Kostenvorschusses nicht primäre gesetzliche Prozessvoraussetzung ist, kann diese Prüfung gleichwohl vorgezogen werden. Gemäss § 79 VRG kann die Behörde und damit das Verwaltungsgericht einen Kostenvorschuss verlangen. Wird der Vorschuss trotz Hinweis auf die Säumnisfolge nicht geleistet, kann das Verfahren abge­schrieben, beziehungsweise auf die als Beschwerde entgegenzunehmende «Einsprache» nicht eingetreten werden, sofern nicht öffentliche Interessen entgegenstehen. Die fristgerechte Leistung eines Kostenvorschusses im Sinne einer Prozessvoraussetzung entspricht der Praxis (vgl. TVR 1999 Nr. 8 S. 63). Nachdem die Beschwerdeführerin den Kostenvorschuss erklärtermassen nicht einbezahlt hat, wäre praxisgemäss auf die Beschwerde nicht einzutreten. Aufgrund der vorliegenden Spezialverhältnisse ergibt sich jedoch – wie noch zu zeigen ist – dass einer solchen Erledigung das öffentliche Interesse am Aufzeigen der richtigen Durchführung des Rechts entgegenstehen würde. Die Einhaltung der Verfahrensbestimmungen hat aufgrund von Art. 19 IVöB einen besonderen Stellenwert. Das ergibt sich auch aus dem Zweck des Submissionswesens (vgl. Art. 1 IVöB).

c) Zu prüfen ist, ob die als Beschwerde entgegenzunehmende «Einsprache» rechtzeitig erfolgte. Im vorliegenden Fall fällt auf, dass auf der Fax-Mitteilungder für das Submissionsverfahren beauftragten Architekten auf das «Recht zur Einsprache innert 10 Tagen ab Vergabedatum» hingewiesen wurde. Gemäss Art. 15 IVöB gibt es aber nur die «Beschwerde an eine unabhängige kantonale Instanz ... innert 10 Tagen seit Eröffnung der Verfügungen». Das ist allein das Verwaltungsgericht (vgl. § 3 GöB). Gemäss seiner an sich folge­richtigen Vorstellung entschied dann der Gemeinderat über die «Einsprache». Gesetzlich hätte er das allerdings nicht dürfen. Indem die Gemeinde dann in ihrem Einspracheentscheid vom 2. Oktober 2007 auf das Recht zum «Rekurs» innert 20 Tagen beim DBU hinwies, lag sie gleich nochmals falsch.
Zwar gilt der Grundsatz, dass dem Rechtsuchenden aus der Angabe einer falschen Rechtsmittelbelehrung in der Regel kein Nachteil erwachsen soll. Wo aber ein Blick in die Gesetzesgrundlagen den Fehler offenbar machen würde, käme dieser Grundsatz bei anwaltlich vertretenen Rechtsuchenden nicht zur Anwendung (vgl. BGE 5A_531/2007). Indem der Gemeinderat aber auf die Einsprache eintrat und diese nicht schon in Anwendung von § 5 Abs. 3 1. Satz VRG an das Verwaltungsgericht überwies, war für die Beschwerde­führerin die Angabe des Rekurses innert 20 Tagen an das DBU an sich nicht als Fehler ersichtlich. So ergibt sich denn, dass in Anwendung von § 5 Abs. 3 2. Satz VRG von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde auszugehen ist.

d) (…)

e) Nachdem die Gemeinde den Werkvertrag mit der S AG bereits am 22.Ok­tober 2007 abgeschlossen und das DBU die Eingabe erst am 29. Oktober 2007 an das Verwaltungsgericht überwiesen hatte, war die Erteilung der aufschie­benden Wirkung angesichts dieses »fait accompli» obsolet. Die Beschwer­deinstanz kann aber die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung fest­stellen, wenn sich die Beschwerde als begründet erweisen sollte (vgl. Art. 18 Abs. 2 IVöB). Diesfalls wäre zu prüfen, ob der beschwerdeführenden Partei auch Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Vergabe- und Rechts-mittelverfahren zuzusprechen wären (vgl. § 6 GöB; TVR 2000 Nr. 29).

2. Die IVöB und mit ihr die VöB unterscheiden zwischen folgenden Verfahrensarten (Art. 12 IVöB, §§ 11 bis 15 VöB): offenes Verfahren, selekti­ves Verfahren, Einladungsverfahren und freihändiges Verfahren. Massgebend für die Wahl des richtigen Verfahrens sind sogenannte Schwellenwerte (§ 11 VöB), ohne Mehrwertsteuer (§ 5 VöB); diese sind zu schätzen (vgl. Art. 7 Abs. 1ter IVöB).Vorliegend geht es um die Baukostenposition (BKP) 211, also um Arbeiten, die zum Bauhauptgewerbe gehören. Eine solche Schätzung des Auftragswertes durch das beigezogene Büro fehlt in den Akten. Die Gemeinde hat jedoch das «freihändige Verfahren» gewählt. Dieses Verfahren ist nur zulässig, wenn der Auftrag im Bauhauptgewerbe unter Fr. 300'000.– liegt (vgl. Anhang 2 der IVöB beziehungsweise § 11 Abs. 3 Ziff. 3 VöB).
Ins Auge springt, dass die Gemeinde die BKP 211, die als Baumeisterarbeiten des Bauhauptgewerbes definiert ist (vgl. § 2 Abs. 4 VöB beziehungsweise Anhang), in zwei Lose aufgeteilt hat, nämlich in «Baumeisterarbeiten» und «Beton- und Stahlbetonarbeiten». Dass Letztere ebenfalls zur BKP 211 gehören, ist der Gemeinde klar bewusst, hat sie diese doch nicht unter die BKP 212, sondern unter die BKP 211 subsumiert, denn um «Montagebau in Beton und vorfabriziertem Mauerwerk» geht es hier offensichtlich nicht.
Gemäss § 8 Abs. 2 VöB ist bei Vergaben im von Staatsverträgen nicht erfas­sten Bereich der Auftragswert pro Einzelauftrag massgebend, wobei – wie gesagt – zwischen Bauhaupt- und Baunebengewerbe unterschieden wird. Nach § 10 VöB darf ein Auftrag nicht in der Absicht aufgeteilt werden, die Anwendung der Vergabebestimmungen zu umgehen. Vieles spricht dafür, dass mit der Aufteilung in zwei Lose genau dies geschehen ist. Nach der ersten Angebotsrunde lagen die Angebote für BKP 211 exklusive Mehrwertsteuer im Durchschnitt bei rund Fr. 317'000.–. Dass dieser Wert nach einer gemäss § 39 Abs. 1 VöB verbotenen Abgebotsrunde auf rund Fr. 279'000.– exklusive Mehrwertsteuer gesenkt werden konnte, rechtfertigt aber in keiner Weise, dass überhaupt das freihändige Verfahren angewandt wor­den ist (denn ein besonderer Fall gemäss § 15 VöB liegt offensichtlich nicht vor). Massgebend ist der (aufgrund von Einheitspreisen) geschätzte Wert (vgl. § 7 Abs. 1ter IVöB) und es kommt nicht auf den durch eine verbotene Abgebotsrunde resultierenden Vergabepreis an. Anwendbar wäre also nicht das freihändige Verfahren, sondern vielmehr das Einladungsverfahren gewe­sen. Geändert hätte sich allerdings wenig (vgl. § 14 VöB), ausgeschlossen wären jedoch Verhandlungen (also eine Abgebotsrunde) gewesen. Die Aufteilung in zwei Lose war ebenfalls nicht zulässig und die Erklärung der Gemeinde, man habe die Möglichkeit bieten wollen, dass zwei Unternehmer berücksichtigt werden könnten, ist zu durchsichtig und nicht zu hören.

Zusammenfassend machte sich die Gemeinde somit folgender Fehler schuldig:
– Aufteilung in zwei Lose (vgl. § 10 VöB)
– falsche Verfahrensart (vgl. §§ 11,14 und 15 VöB)
– verbotene Abgebotsrunde (vgl. § 39 Abs. 1 VöB)
– Hinweis auf das Recht zur Einsprache bei der Gemeindebehörde und damit Entscheid über die Einsprache
anstelle des Hinweises auf die Beschwerde ans Verwaltungsgericht (vgl. § 3 GöB)
– Hinweis auf das Rekursrecht gegen den Einspracheentscheid beim DBU anstelle der Beschwerde ans
Verwaltungsgericht (vgl. § 3 GöB)
– Abschluss des Werkvertrages vor Ablauf der Rechtsmittelfrist (vgl. Art. 14 Abs. 1 IVöB)

3. Daraus ergibt sich aber nicht die Gutheissung der Beschwerde, denn entge­gen der Ansicht der Beschwerdeführerin hatte die Gemeinde klar das Recht, das «Zertifikat» zu verlangen. Unter «Position 200 Ausschreibung. Eignungs­und Zuschlagskriterien» heisst es, dass die «Nachweise über finanzielle... Voraussetzungen» (die Inhalt der vom DBU erteilten Zertifikate sind, vgl. § 33 VöB) auf späteres Verlangen (der Vergeberin) einzureichen seien. Mit der Einladung zum neuen Angebot im Rahmen der Abgebotsrunde wurde die Einreichung des «Zertifikats» ausdrücklich verlangt. Dass die Beschwerdeführerin aus zeitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, sich um das Zertifikat zu bemühen, liegt auf der Hand. Gemäss § 33 Abs. 2 VöB hatte sie jedoch das Recht, die für die Erlangung des Zertifikats erforderlichen Bescheinigungen und Angaben im Einzelfall mit dem Angebot einzureichen. So ging die Beschwerdeführerin ja (teilweise) auch vor, reichte sie doch ver­schiedene «Bestätigungen» ein. Wenn sie allerdings meint, sie hätte damit die für die Erlangung des Zertifikates erforderlichen Bescheinigungen abgege­ben, irrt sie sich. So bescheinigt das Amt für AHV und IV am 4. September 2007, dass die Sozialversicherungsbeiträge im Betreibungsverfahren eingefor­dert und teilweise bezahlt worden seien (also klar nicht vollständige Bezahlung der Beiträge). Die Eidgenössische Steuerverwaltung bestätigt ebenfalls am 4. September 2007 nur, dass die Beschwerdeführerin ihrer Abrechnungspflicht bis 31. Oktober 2006 nachgekommen sei, die deklarier­ten Steuern zum Teil abbezahlt oder nach Erhalt des Verlustscheines abge­schrieben worden seien. Damit erfüllt die Beschwerdeführerin klar die Voraussetzungen gemäss § 36 Abs. 1 Ziff. 3 VöB nicht. Die Beschwerde­führerin hätte damit von vornherein von der Teilnahme ausgeschlossen wer­den können. Damit ist die Beschwerde abzuweisen, hätte der Beschwerde­führerin der Zuschlag doch auch bei ordnungsgemässer Abwicklung des Verfahrens nicht erteilt werden können.

Entscheid vom 12. Dezember 2007

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