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TVR 2008 Nr. 14

Bemessungsfaktoren der Entschädigungshöhe


§ 21 Abs. 2 RSV, § 26 Abs. 1 RSV


1. Sachlich zureichende Gründe für eine Kündigung müssen in ihrer Schwere den in § 21 Abs. 2 RSV exemplarisch aufgezählten entsprechen.

2. Die Höhe einer Entschädigung nach Kündigung ohne sachlichen Grund darf nicht a priori dem gesetzlich zulässigen Maximalbetrag entsprechen (E. 3d).


Am 20. Dezember 2004 unterzeichneten S und die Vertreter der Gemeinde W einen Arbeitsvertrag, gemäss welchem er als Leiter des Sozialamtes und Amtsvormund mit Stellenantritt per 1. März 2005 angestellt wurde. Schon bald ergaben sich jedoch – zumindest für die Gemeinde – verschiedene Schwierigkeiten, weshalb S am 28. Juni 2005 per sofort freigestellt wurde. Gleichzeitig räumte ihm die Gemeinde W die Möglichkeit ein, bis zum 20. Juli 2005 selbst zu kündigen. S machte davon jedoch keinen Gebrauch. Am 21. Juli 2005 kündigte daher die Gemeinde W das Anstellungsverhältnis per 31. August 2005.
Dagegen liess S bei der Personalrekurskommission Rekurs erheben, der teilweise geschützt wurde. Die Personalrekurskommission stellte fest, dass das Dienstverhältnis zwischen S und der Gemeinde W zwar per 31. August 2005 geendet habe. Die Gemeinde habe ihm jedoch eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen brutto, nämlich insgesamt Fr. 48’000.–, zu bezahlen.
Gegen diesen Entscheid erhob die Gemeinde W Beschwerde, welche das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 30. August 2006 (= TVR 2006 Nr. 4) insofern teilweise guthiess, als die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens (Zeugenbefragung) und zum Neuentscheid an die Personalrekurskommission zurückgewiesen wurde.
In der Folge führte die Personalrekurskommission die vom Verwaltungsgericht verlangten Zeugenbefragungen durch und entschied erneut, es werde festge­stellt, dass das Dienstverhältnis zwischen S und der Gemeinde W per 31. Au­gust 2005 geendet habe und dass die Gemeinde eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen brutto zu bezahlen habe. Die Gemeinde W lässt beim Verwal­tungsgericht wiederum Beschwerde erheben, die teilweise gutgeheissen wird.

Aus den Erwägungen:

3. a) Wie im Entscheid vom 30. August 2006 (= TVR 2006 Nr. 4) dargelegt, löst die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ohne sachlich zureichenden Grund eine Entschädigungspflicht aus. Laut § 21 Abs. 2 RSV sind sachliche Gründe insbesondere: die Aufhebung einer Stellung aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen (Ziff. 1); ungenügende Leistung oder unbefriedigendes Verhalten (Ziff. 2); Verletzung gesetzlicher oder vereinbarter Pflichten (Ziff. 3); fehlende Eignung oder Wegfall beziehungsweise Nichterfüllung gesetzlicher oder vereinbarter Anstellungsvoraussetzungen (Ziff. 4). Die Beschwerdeführerin macht nun geltend, die Vorinstanz habe überdehnte Anforderungen an die Entlassungsgründe gestellt und nicht alle von ihr angebotenen Zeugen angehört. Zudem seien die Zeugenaussagen willkürlich gewürdigt worden.

b) Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Kritik zu den Anforderungen an die Entlassungsgründe vermag nicht zu überzeugen. Mit der Formulierung «sachlich zureichende Gründe» bringt der Gesetz-beziehungsweise Verordnungsgeber zum Ausdruck, dass nicht jeder Grund für eine Kündigung ausreicht. Vielmehr müssen diese Gründe in ihrer Schwere mindestens den in § 21 Abs. 2 Ziff. 1 bis 4 RSV exemplarisch Aufgezählten entsprechen. Eine chaotische Büroorganisation, soweit sie den Ablauf des Betriebs nicht stört, eine heftige Auseinandersetzung mit einer Mitarbeiterin, eine andere Arbeitsmethode (als der bisherige Mitarbeiter) und dergleichen sind zweifelsfrei noch keine sachlich ernsthaften Gründe für eine Kündigung. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz den Begriff der «sachlich zureichenden Gründe» nicht überdehnt und hat im Übrigen zu Recht geprüft, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Entlassungsgründe überhaupt vorhanden waren.

c) Zur Frage, ob die genannten Entlassungsgründe vorhanden waren, hat die Vorinstanz, wie dies vom Verwaltungsgericht verlangt wurde, eine ausführliche Zeugeneinvernahme durchgeführt. Deren Ergebnisse sind in einem 50-seitigen Protokoll festgehalten. Gestützt darauf hat die Vorinstanz ihren Entscheid gefällt. Laut § 16 VRG, der auch für das Rekursverfahren massgebend ist, ist in freier Würdigung der Beweise zu entscheiden. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist die Überzeugung der entscheidenden Behörde massgebend dafür, ob eine bestimmte Tatsache aufgrund des bestehenden Beweismaterials als eingetreten zu betrachten ist oder nicht (TVR 2005 Nr. 12).
Die Vorinstanz hat in aller wünschenswerten Ausführlichkeit die Beweisthemen formuliert und den Parteien Gelegenheit gegeben, zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen. Anlässlich der Beweiswürdigung kritisierte die Beschwerdeführerin die Anzahl der abgenommenen Zeugen nicht. Solches wird erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht. Was nun die Wertung der Zeugenaussagen anbetrifft, so schliesst sich das Verwaltungsgericht voll und ganz der Beurteilung im vorinstanzlichen Entscheid an. In der Tat hat sich im Rahmen der Beweisverhandlung ergeben, dass die dem verfahrensbeteiligten S gemachten Vorwürfe kaum haltbar sind und dass jedenfalls keine «sachlich zureichenden Gründe» für eine Kündigung zu Tage gefördert werden konnten. Bezeichnend scheint die Aussage des Gemeindeammanns, der ausführte, zwischen dem Rekurrenten und Frau T habe es ein unheilbares Zerwürfnis gegeben. Zwischen ihnen habe «Eiszeit» geherrscht und über kurz oder lang habe der eine oder die andere gehen müssen. Die Formulierung eines Teils der Vorwürfe, die die Beschwerdeführerin erhob, lassen durchaus den Schluss zu, dass die Mitarbeiterin T offensichtlich mit dem Arbeitsstil des Verfahrensbeteiligten nicht zurecht kam. Das kommt in Aussagen wie «chaotische Büroorganisation», «heftige Auseinandersetzung mit der Mitarbeiterin», «andere Arbeitsmethoden als der Vorgänger» oder der Verfahrensbeteiligte sei komplizierter gewesen als sein Vorgänger zum Ausdruck. Solche Vorwürfe sind äusserst vage und deuten auf Differenzen persönlicher Art und nicht auf sachliche Fehler hin.
Offenbar hat es am 3. beziehungsweise 4. Mai 2005 eine Auseinandersetzung zwischen dem Gemeinderat G, der Mitarbeiterin T und dem Verfahrensbeteiligten gegeben. In ihrer Zeugenaussage weist jedoch die Mitarbeiterin T darauf hin, sie (die Zeugin und der Verfahrensbeteiligte) hätten nach dem Feiertag (gemeint war Auffahrt 2005) ein langes Gespräch miteinander geführt. Am Ende dieses Gespräches seien sie der Meinung gewesen, sie fingen noch einmal von vorne an. Nach diesem Vorfall habe es bis zuletzt im persönlichen Umgang keine Probleme mehr gegeben. Insofern relativieren sich sogar die Aussagen des Gemeindeammanns, der offenbar der Auffassung war, dass es zwischen der Mitarbeiterin T und dem verfahrensbeteiligten S zu einem unheilbaren Zerwürfnis gekommen sei. Entweder hat die Mitarbeiterin anlässlich der Zeugenbefragung nicht die Wahrheit gesagt, oder aber der Eindruck des Gemeindeammanns, es liege ein unheilbares Zerwürfnis vor, täuschte. Zwar kann es in einem kleinen Team durchaus einmal vorkommen, dass sich zwei Mitarbeiter überhaupt nicht vertragen und deswegen einer von beiden ausscheiden muss. Sachliche Kündigungsgründe können aber unter solchen Umständen nur dann gegeben sein, wenn den Mitarbeitern konkrete Vorgaben gemacht wurden und trotz dieser Vorgaben sich eine Besserung des Verhältnisses nicht einstellt. Vorliegend ist jedoch in keiner Weise nachgewiesen, dass dem verfahrensbeteiligten S solche konkrete Vorgaben gemacht worden wären. Protokolle von derartigen Besprechungen oder schriftliche Anweisungen, was genau er in seinem Verhalten konkret hätte ändern sollen, liegen nicht vor. Es kann daher als Zwischenergebnis festgestellt werden, dass die Kündigung gegenüber dem verfahrensbeteiligten S ohne sachlich zureichende Gründe ausgesprochen wurde. An diesem Ergebnis vermöchten auch weitere Zeugenaussagen, wie sie die Beschwerdeführerin angeboten hat, nichts mehr zu ändern.

d) Wird festgestellt, dass dem Mitarbeiter ohne «sachlich zureichende Gründe» gekündigt wurde, so hat dies – wie im Entscheid vom 30. August 2005 festgehalten (= TVR 2006 Nr. 4) – zur Folge, dass die Gemeinde W dem verfahrensbeteiligten S eine Entschädigung auszurichten hat. Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid vom 17. September 2007 erneut eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen brutto zugesprochen.
Laut § 26 Abs. 1 RSV gelten bei missbräuchlicher oder ohne ausreichenden Grund ausgesprochener Kündigung für die Folgen und die Verwirkung der Ansprüche die Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts sinngemäss. Nach Art. 336a OR hat die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, der anderen eine Entschädigung auszurichten. Die Entschädigung wird vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt, darf aber den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate entspricht (Abs. 1 und 2). Bei der Bemessung der Entschädigung ist in erster Linie die objektive Schwere der Rechtsverletzung massgebend, die ihrerseits abhängt von der Enge der arbeitsvertraglichen Beziehung, dem Zeitpunkt der Kündigung, der Art, wie die Kündigung erteilt wurde und der Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeit des Gekündigten. Zu berücksichtigen ist auch das subjektive Verschulden und die soziale und wirtschaftliche Lage des Kündigenden; unmassgeblich sind demgegenüber die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gekündigten und die wirtschaftlichen Auswirkungen bei demselben. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung zur Frage, ob sich die Dauer des Rechtsverhältnisses direkt auf die Höhe der Entschädigung auswirken kann (AGVE 2002 Nr. 138, S. 581 E. 6a).
Zwar gibt der Gesetzgeber dem Richter die Möglichkeit, im Falle der missbräuchlichen Kündigung – oder wie hier der Kündigung ohne sachlich zureichenden Grund – eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen zuzusprechen. Die Entschädigungshöhe ist somit nach richterlichem Ermessen festzusetzen, das nur insoweit eingeschränkt wird, als der Richter höchstens sechs Monatslöhne zusprechen darf. Allerdings darf die Entschädigung nicht a priori dem Maximalbetrag entsprechen. Dies wäre nicht mit Art. 337c Abs. 3 OR zu vereinbaren, der Entschädigungen zugunsten fristlos entlassener Arbeitnehmer auf sechs Monatslöhne beschränkt und vom Bundesgericht dahin ausgelegt worden ist, dass auch solche Entschädigungen bis zum gesetzlichen Höchstbetrag nach richterlichem Ermessen festgesetzt werden (Schürer, Arbeitsrecht in der Gerichtspraxis, Zürich 1995, I/11.2,26). Auch das Bundesgericht schöpft den «Strafrahmen» von Art. 336a Abs. 2 OR sehr selten aus (Koller, Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2006, in ZBJV 2008, Nr. 4, S. 340 f.).
Mit der Zusprechung von sechs Monatslöhnen hat die Vorinstanz ihr Ermessen im vorliegenden Fall missbräuchlich ausgeübt, was eine Rechtsverletzung darstellt. Damit dieser «Strafrahmen» voll ausgeschöpft werden darf, muss nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel ein krasser Fall mit mehreren schwerwiegenden Verstössen gegen das Arbeitsrecht vorliegen. Eine Kündigung ohne sachlich zureichenden Grund ist zwar Grundlage für die Zusprechung einer entsprechenden Entschädigung, doch kann dieser Umstand selber nicht auch noch Bemessungsfaktor für die Höhe der Entschädigung sein. Vorliegend fällt, zumal es sich um ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis handelte, in dem der Grundsatz der Verhältnismässigkeit trotz des generellen Verweises auf das OR eine gewisse Rolle spielt, ins Gewicht, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Verfahrensbeteiligten lediglich vier Monate gedauert hat. Wie bereits dargestellt, kann es für eine kleine Gemeinde durchaus ein Problem werden, wenn sich ein neu angestellter Arbeitnehmer mit seinen Mitarbeitern überhaupt nicht versteht. Allerdings hat die Gemeinde nie ernsthaft und unter Formulierung konkreter Ziele und Fristen versucht, für die Verbesserung des Betriebsklimas zu sorgen. Die Gemeinde hat den Weg des geringsten Widerstandes gewählt und den Verfahrensbeteiligten einfach wieder entlassen. Ins Gewicht fallen zudem – was der Verfahrensbeteiligte zu Recht geltend macht – die nicht geringen medialen Nebengeräusche, die es ihm für eine gewisse Zeit zweifelsfrei schwierig gemacht haben, eine neue Stelle zu finden. Dem gegenüber wirkt sein Hinweis auf die Höhe der möglichen Entschädigungen im Bundespersonalgesetz beziehungsweise bei Entlassung eines Verwaltungsrichters eher bemühend. Zum einen ist vorliegend einzig das kantonale/kommunale Recht – unter Verweis auf das Bundesprivatrecht – massgebend, zum andern könnten Verwaltungsrichter (und auch Oberrichter), selbst wenn sie völlig ungerechtfertigt abgewählt würden, höchstens eine Entschädigung von drei Monatslöhnen geltend machen. In Anbetracht der relativen Untätigkeit der Gemeinde, die Situation konkret zu verbessern, und der mit der medialen Präsenz verbundenen Schwierigkeit des Entlassenen, schnell wieder eine Arbeitsstelle zu finden, erscheint vorliegend eine Entschädigung von höchstens vier Monatslöhnen noch als gerechtfertigt. In diesem Sinne ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die zugesprochene Entschädigung von sechs auf vier Monatslöhne zu reduzieren.

Entscheid vom 18. Juni 2008

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