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TVR 2009 Nr. 4

Feststellungsbegehren und Feststellungsinteresse


§ 4 Abs. 1 Ziff. 2 VRG


Auf ein Begehren um Feststellung, dass eine Person zu Unrecht bzw. zu lange im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE) festgehalten und damit das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 5 Abs. 4 EMRK verletzt worden sei, ist – nachdem der Beschwerdeführer bereits wieder aus der FFE entlassen wurde – mangels Feststellungsinteresses nicht einzutreten.


D, geboren am 16. Juni 1982, wurde aufgrund einer chronisch paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde X vom 2. / 4. April 2008 im Rahmen einer FFE in die Psychiatrische Klinik Y eingewiesen. Am 29. Mai 2008 verfügte die Vormundschaftsbehörde gegenüber D den vorläufigen Entzug seiner Handlungsfähigkeit. Auf Empfehlung der Fachkommission Psychiatrie wurde die FFE über D mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 5. / 6. Juni 2008 wieder aufgehoben, wobei die Entlassung mit verschiedenen Auflagen verbunden wurde. Gegen diese beiden Beschlüsse erhob D mit Eingabe vom 11. Juni 2008 beim DJS Vormundschaftsbeschwerde und beantragte, er sei ohne Auflagen zu entlassen und die mit Verfügung vom 29. Mai 2008 entzogene Handlungsfähigkeit sei ihm wieder zuzuerkennen. Mit Beschluss vom 29. / 30. September 2008 verfügte die Vormundschaftsbehörde die Aufhebung des vorläufigen Entzuges der Handlungsfähigkeit. Die provisorisch eingerichtete Vormundschaft werde wieder in die bereits früher bestehende Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft überführt. Die mit der Entlassung aus der FFE verfügten Auflagen würden als aufgehoben gelten beziehungsweise es werde D überlassen, ob und in welchem Rahmen er davon Gebrauch zu machen gedenke. Aufgrund dieser Verfügung schrieb das DJS die Vormundschaftsbeschwerde als gegenstandslos ab. Dagegen liess D beim Verwaltungsgericht Beschwerde erheben und unter anderem beantragen, es sei festzustellen, dass Art. 5 EMRK und Art. 397a ff. ZGB verletzt worden seien. Das Verwaltungsgericht tritt auf dieses Feststellungsbegehren nicht ein.

Aus den Erwägungen:

2.2 Beim betreffenden Antrag des Beschwerdeführers handelt es sich um ein Feststellungsbegehren. Dem Begehren um Erlass eines Feststellungsentscheides ist zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung nachweist (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 19 N. 60 f., mit weiteren Hinweisen). Für das schutzwürdige Interesse an einem Feststellungsentscheid sind weitgehend die gleichen Kriterien wie beim gleichlautenden Erfordernis für die Rechtsmittellegitimation massgebend. Ein rechtlich geschütztes Interesse ist nicht erforderlich; es genügen tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 19 N. 60). Ein Feststellungsanspruch besteht grundsätzlich dann nicht, wenn der Gesuchsteller ein Gestaltungsurteil erwirken kann; in diesem Sinne ist der Feststellungsanspruch subsidiär (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 19 N. 62).

2.3 Ein aktuelles Feststellungsinteresse ist vorliegend nicht gegeben. Zum einen wurde der Beschwerdeführer am 27. Oktober 2008 bereits wieder in die Psychiatrische Klinik Y eingewiesen und gemäss Entscheid der Vormundschaftsbehörde vom 18. / 19. November 2008 – wiederum gestützt auf eine Beurteilung der Fachkommission Psychiatrie – im Rahmen der FFE dort zurückbehalten. Des Weiteren ist das Obergericht des Kantons Thurgau in einem Entscheid vom 9. Juni 2008 bereits auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit seiner Entlassung eingegangen. Dabei stellte das Obergericht fest, dass das ZGB der Vormundschaftsbehörde keine Frist setze, innert der sie zu entscheiden habe. Die Vorgabe eines raschen Verfahrens gemäss Art. 397f Abs. 1 ZGB beziehe sich einzig auf das Verfahren vor Gericht. Zwar habe die Vormundschaftsbehörde eine gewisse Verfahrensverzögerung zu verantworten, indem sie die ärztliche Direktion der Psychiatrischen Klinik und die Fachkommission Psychiatrie erst am 16. Mai 2008 zur Stellungnahme aufgefordert und diese Aufforderung nicht mit einer Fristansetzung verbunden habe. Rechtsverzögerung aber berechtige noch nicht, direkt an das Gericht zu gelangen; vielmehr wäre Aufsichtsbeschwerde beim DJS zu erheben. Des Weiteren stellte das Obergericht fest, dass das Problem der bisweilen zu langen Verfahrensdauer bei der FFE erkannt und die Ergreifung geeigneter Massnahmen zwar vorgesehen sei. In Ermangelung kantonalrechtlicher Grundlagen bestehe derzeit jedoch keine Möglichkeit, ein Entlassungsgesuch im Fall von Rechtsverzögerung von der nach Bundesrecht grundsätzlich zuständigen Vormundschaftsbehörde ohne weiteres an die Justiz zu ziehen.
Eine Aufsichtsbeschwerde an die Vorinstanz, wie vom Obergericht angeführt, wurde vom Beschwerdeführer offensichtlich nicht erhoben. Das Obergericht ist auf die von ihm gerügten Probleme im FFE-Verfahren in seinem Urteil vom 9. Juni 2008, welches der Beschwerdeführer im Übrigen selbst im vorliegenden Verfahren eingereicht hat, bereits eingegangen. Sollte der Beschwerdeführer aus den erkannten Verfahrensverzögerungen irgendwelche – allerdings nicht näher substantiierte – finanzielle Ansprüche ableiten wollen, so hätte er diese mittels verwaltungsrechtlicher Klage gemäss VerantwG (vgl. § 12 desselben) geltend zu machen. Gegenüber einer derartigen Leistungsklage wäre das vorliegende Feststellungsbegehren subsidiär (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 19 N. 62).

2.4 Unter den gegebenen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beschwerdeführer ein aktuelles Feststellungsinteresse bezüglich einer allfälligen Verletzung der von ihm angeführten Gesetzesbestimmungen zukommen sollte. Auf das Feststellungsbegehren ist somit nicht einzutreten.

Entscheid vom 25. März 2009

Das Bundesgericht hat eine dagegen gerichtete Beschwerde in Zivilsachen mit Urteil 5A_347/2009 vom 6. August 2009 abgewiesen.

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