TVR 2011 Nr. 16
Ersatzbeschaffung, Fristerstreckung
§ 129 Abs. 1 Ziff. 9 StG, Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG, § 25 Abs. 2 VRG
Die Praxis der Steuerverwaltung, wonach die Frist für eine Ersatzbeschaffung von selbst genutztem Wohneigentum auf zwei Jahre zu beschränken ist, ist nicht zu beanstanden. Eine Fristerstreckung könnte nur bei zureichenden Gründen gewährt werden.
E veräusserte 2008 eine Liegenschaft. In der Steuererklärung für Grundstückgewinne machte E einen Steueraufschubgrund nach § 129 Ziff. 9 StG geltend. Eine Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer fand daher vorerst nicht statt. Mit Eingabe vom 21. Juni 2010 beantragte E eine Verlängerung der Ersatzbeschaffungsfrist, weil er in den nächsten Tagen in T ein Baugrundstück erwerbe, das er überbauen wolle. Die Steuerverwaltung lehnte die Verlängerung der Frist ab und verfügte einen steuerbaren Grundstückgewinn von Fr. 926'300.-- für die 2008 verkaufte Liegenschaft. Gegen diesen Entscheid erhob E Rekurs bei der Steuerrekurskommission, der abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab.
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Die Grundstückgewinnsteuer bzw. deren Aufschub wird auf Bundesebene im StHG geregelt. Laut Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG wird die Besteuerung aufgeschoben bei Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbst genutzten Wohnliegenschaft (Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung), soweit der dabei erzielte Erlös innert angemessener Frist zum Erwerb oder zum Bau einer gleich genutzten Ersatzliegenschaft in der Schweiz verwendet wird. Auf kantonaler Ebene regelt § 129 Abs. 1 Ziff. 9 StG den Steueraufschub. Danach wird die Besteuerung bei Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbst genutzten Wohnliegenschaft, soweit der Erlös innert angemessener Frist vor und nach der Veräusserung zum Erwerb oder zum Bau einer gleich genutzten Ersatzliegenschaft in der Schweiz verwendet wird, aufgeschoben. Der Steueraufschub wird nur soweit gewährt, als der in die Ersatzliegenschaft reinvestierte Betrag die Anlagekosten der veräusserten Liegenschaft übersteigt (§ 129 Abs. 2 StG).
2.2 Das Bundesgericht äusserte sich zu Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG in seinem Entscheid 2A.445/2004 vom 7. Juni 2005. Darin führte es aus, was folgt: „Die Kantone haben Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG nicht einheitlich umgesetzt. Zum Teil übernahmen sie in ihre kantonalen Gesetze den Wortlaut des Steuerharmonisierungsgesetzes oder lehnten sich daran an und verlangen für die Ersatzbeschaffung eine „angemessene“ Frist. Einige dieser Kantone überlassen die Fristbestimmung vollständig der Praxis, andere haben in Ausführungsverordnungen zu den kantonalen Steuergesetzen die Fristen konkretisiert. […] Bei den Kantonen, welche die Frist konkretisiert haben, reicht die zeitliche Spanne von einem bis zu fünf Jahren.“Im Urteil des Bundesgerichts 2C_215/2008 vom 21. August 2008 hatte das Bundesgericht die Angemessenheit der ausdrücklichen Regelung der „angemessenen Frist“ in der Vollzugsverordnung zum Steuergesetz des Kantons Obwalden zu beurteilen, wo diese auf zwei Jahre vor und zwei Jahre nach der steuerbegründenden Veräusserung festgelegt wurde. Das Bundesgericht hielt in E. 3.2 fest:
„Die Zweijahresfrist entspricht dem, was auch sonst vielfach unter einer „angemessenen Frist“ verstanden wird und ist nicht zu beanstanden. Daraus erhellt, dass die Regelung der Ersatzbeschaffung von selbst genutztem Wohneigentum mit den Vorgaben von Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG harmoniert.“Schliesslich findet sich in der Praxis auch ein Entscheid des Luzerner Verwaltungsgerichts (LGVE 1998 II Nr. 35), der folgende Überlegungen enthält:„Die Bestimmung über die Erstreckung der Ersatzbeschaffung ist restriktiv zu handhaben. Insbesondere bei Verwendung des Veräusserungserlöses für Neubauten oder Sanierungen wird sich eine Erstreckung kaum je begründen lassen. Eine Verlängerung der Zweijahresfrist wird in aller Regel nur dann gewährt werden können, wenn die steuerpflichtige Person aufgrund von Umständen, die nicht von ihr zu vertreten sind, in eine eigentliche Notlage gerät. So kann sich bei einer beabsichtigten Ersatzbeschaffung eine Erstreckung aufgrund des ausgetrockneten Liegenschaftenmarktes als notwendig erweisen.“
2.3 Im Kanton Thurgau wird die „angemessene Frist“ im Sinne von § 129 Abs. 1 Ziff. 9 StG weder im Gesetz noch in der Verordnung zum Steuergesetz konkretisiert. Hinweise zur Praxis der Steuerverwaltung finden sich in der Steuerpraxis (StP) § 129 Nr. 1. Hinsichtlich der angemessenen Frist lässt sich entnehmen, dass mit Bezug auf den Fall, dass die (Ersatz-) Liegenschaft vor dem Verkauf der zu veräussernden Liegenschaft erworben wird, die angemessene Frist maximal zwei Jahre betragen soll. Per analogiam kann daher geschlossen werden, dass diese Frist auch dann Gültigkeit beansprucht, wenn zunächst die Liegenschaft verkauft und die Ersatzbeschaffung erst später getätigt wird.
2.4 Die Kantonale Steuerverwaltung hat in ihrer provisorischen Berechnung für die Grundstückgewinnsteuer 2008 vom 15. Juli 2008 auf der zweiten Seite explizit darauf hingewiesen, die Ersatzbeschaffung müsse innert zwei Jahren ab Grundbucheintrag erfolgen. Diese Zweijahresfrist entspricht - wie oben dargestellt - nicht nur der Praxis des Kantons Thurgau, sondern gilt auch in vielen anderen Kantonen. Der Beschwerdeführer wusste daher, dass er seine Ersatzbeschaffung innerhalb von zwei Jahren zu tätigen hat. Nachdem er dies unterlassen hatte, lag es im Ermessen der Steuerverwaltung, eine weitere Fristerstreckung zu gewähren. Dem Verwaltungsgericht ist es verwehrt, in das Ermessen der Steuerverwaltung einzugreifen, das diese pflichtgemäss ausgeübt hat. Das Verweigern der Fristverlängerung ist daher nicht zu beanstanden.
3.
3.1 Laut § 25 Abs. 2 VRG können behördlich eingesetzte Fristen aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn vor Ablauf derselben darum nachgesucht wird.
3.2 Vorliegend kann nicht gesagt werden, es lägen für eine Fristerstreckung zureichende Gründe vor. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zwar das Grundstück, auf dem er die geplante Überbauung realisieren will, in der Zwischenzeit käuflich erworben hat. Nicht ganz klar dargelegt wird allerdings, weshalb dies nicht schon früher geschehen ist, denn die Architektur AG des Beschwerdeführers war bereits zur Hälfte Eigentümerin dieses Grundstücks. Zudem gilt für das Grundstück die Gestaltungsplanpflicht. Der Gestaltungsplan ist jedoch bis heute nicht aufgelegt worden und unter Berücksichtigung eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens kann es noch Jahre dauern, bis der Beschwerdeführer für seine „Ersatzbaute“ eine rechtskräftige Baubewilligung in den Händen hält. Es ist daher überhaupt nicht absehbar, ob der Beschwerdeführer je eine „angemessene Frist“ wird einhalten können.
3.3 Der Beschwerdeführer hat bereits nach dem Verkauf der Liegenschaft eine Ersatzwohnung gekauft. Dabei handelt es sich um eine 6½-Zimmerwohnung, die er am 30. September 2008 erstanden hat. Es ist offensichtlich, dass dies die Ersatzwohnung für die verkaufte Liegenschaft ist. Dies ergibt sich bereits aus der Zeitnähe der beiden Rechtsgeschäfte (Verkauf der Liegenschaft, Kauf der 6½-Zimmerwohnung). Ein Hinweis dafür, dass die 6½-Zimmerwohnung die Ersatzbeschaffung für das Wohneigentum ist, ergibt sich auch daraus, dass diese Parzelle (beurkundet am 19. Juni 2008, also kurz vor Verkauf der ursprünglichen Liegenschaft) sowohl dem Beschwerdeführer als auch seiner Ehefrau je zur Hälfte übertragen wurde. Das neue Grundstück, auf dem eine grössere Überbauung geplant ist, wurde jedoch nur auf den Beschwerdeführer übertragen und gehörte vorher nota bene zumindest zur Hälfte der ihm gehörenden E Architektur AG. Der Sinn der Bestimmung von § 129 Abs. 1 Ziff. 9 StG liegt darin, dass beim Ersatz von selbstgenutztem Wohneigentum nicht eine „Strafe“ in Form der Grundstückgewinnsteuer anfallen soll. Deshalb kann in der Regel der Steueraufschub nur für diejenige Liegenschaft gewährt werden, die auch tatsächlich nachfolgend selbst genutzt wird. Es kann nicht im Ermessen des Steuerpflichtigen liegen, den Steueraufschub auf eine ihm beliebige Liegenschaft, die noch gar nicht erstellt wurde und deren Erstellung auch bei weitem noch nicht sicher ist, zu übertragen. Offensichtlich versucht der Beschwerdeführer über die geplante Überbauung die grundsätzlich geschuldete Grundstückgewinnsteuer doch noch zu umgehen. Zureichende Gründe für eine Fristerstreckung sind nicht ersichtlich, weshalb die Vorinstanz zu Recht den Rekurs abgewiesen hat und auch mit der vorliegenden Beschwerde so zu verfahren ist.
Entscheid vom 13. Juli 2011