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TVR 2012 Nr. 41

Vereinfachte Nachbesteuerung von Erben


Art. 153 a Abs. 1 DBG, § 206 a Abs. 1 StG, Art. 53 a Abs. 1 StHG


Wenn die Erben ihre Mitwirkungspflicht erfüllt haben, indem sie sämtliche Vermögenswerte im Inventar und/oder die Vermögens- und Einkommenswerte in den noch zu veranlagenden Steuerjahren des Erblasser vollständig deklarieren, gelangt das vereinfachte Verfahren der Nachbesteuerung von Erben zur Anwendung. Eine explizite Anzeige- oder Meldepflicht besteht nicht, damit das Verfahren der vereinfachten Erbenbesteuerung greifen kann.


Die Erblasserin E verstarb am 30. März 2010. In den Steuererklärungen 2009 und 2010 der Erblasserin deklarierten die Erben Vermögenswerte, die bisher nicht angegeben wurden, ohne explizit darauf hinzuweisen. Der Veranlagungsbehörde fielen Abweichungen beim Vermögen zwischen der Steuererklärung 2008 der Erblasserin und den von den Erben eingereichten Steuerklärungen 2009 und 2010 auf; der Mittelzufluss liess sich nicht erklären. Ermittlungen der Steuerverwaltung ergaben, dass die Erblasserin in den Steuerjahren 2000 bis 2008 Einnahmen und Depotwerte nicht deklariert hatte. Daraufhin leitete die Vorinstanz am 11. August 2010 ein Nachsteuerverfahren betreffend die Staats- und Gemeindesteuern 2000 bis 2010 ein. In der Nachsteuerverfügung der Steuerjahre 2000 bis 2008 vom 23. März 2011 veranlagte die Vorinstanz die hinterzogenen Steuerbeträge für die Staats- und Gemeindesteuern 2000-2008. Gegen die Nachsteuerverfügung liessen die Rekurrenten am 21. April 2011 Einsprache erheben mit dem Antrag, die Nachbesteuerung von Einnahmen und Vermögen von E selig sei gemäss § 206a StG als vereinfachte Nachbesteuerung von Erben durchzuführen. Mit Entscheid vom 1. Juli 2011 wurde die erhobene Einsprache abgewiesen, mit der Begründung, die Erben hätten die hinterzogenen Steuerwerte nicht explizit als solche deklariert. Einen gegen den Entscheid erhobenen Rekurs heisst die Steuerrekurskommission gut.

Aus den Erwägungen:

3. Strittig ist vorliegend, ob für das Nachsteuerverfahren der Staats- und Gemeindesteuern 2000 bis 2008 das Recht der ordentlichen Nachsteuer gemäss § 204 StG oder - wie von den Rekurrenten beantragt - das Recht der vereinfachten Nachbesteuerung von Erben gemäss § 206a StG respektive Art. 53a StHG zur Anwendung gelangen soll. (…)

3.1 Nach Art. 53a Abs. 1 StHG haben alle Erben unabhängig voneinander Anspruch auf eine vereinfachte Nachbesteuerung der vom Erblasser hinterzogenen Bestandteile von Vermögen und Einkommen, wenn kumulativ folgende Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Die Hinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist (lit. a), die Erben die Verwaltung bei der Feststellung der hinterzogenen Vermögens- und Einkommenselemente vorbehaltlos unterstützen (lit. b), und wenn die Erben sich ernstlich um die Bezahlung der geschuldeten Nachsteuer bemühen (lit. c). Die vereinfachte Nachbesteuerung ist ausgeschlossen, wenn die Erbschaft amtlich oder konkursamtlich liquidiert wird (Abs. 3). Sind die genannten Bedingungen von lit. a-c kumulativ erfüllt, so wird die Nachsteuer für die letzten drei vor dem Todesjahr abgelaufenen Steuerperioden nach den Vorschriften über die ordentliche Veranlagung berechnet und samt Verzugszinsen nachgefordert (Abs. 2). Diese Bestimmung des StHG wurde mit dem neuen § 206a StG, mit Wirkung per 1. Januar 2011, im Wortlaut gleich lautend (abgesehen von den Begriffen Verzugszins und Ausgleichszins) ins kantonale Recht aufgenommen. Nach Art. 72i Abs. 2 StHG gelangt Art. 53a StHG nach dem Inkrafttreten der Änderung vom 20. März 2008 - am 1. Januar 2010 - direkt zur Anwendung, wenn ihm das kantonale Recht widerspricht. Da § 206a StG erst per 1. Januar 2011 in Kraft trat, gelangt Art. 53a StHG für das kantonale Recht ab 1. Januar 2010 direkt zur Anwendung.Die Erblasserin ist am 30. März 2010 verstorben, womit Art. 53a StHG in diesem Fall direkt zur Anwendung gelangt. (…)

3.2 Von den drei kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzungen (Art. 53a Abs. 1 lit. a-c StHG) für eine vereinfachte Nachbesteuerung von Erben, ist vorliegend einzig die Voraussetzung von lit. a umstritten; diese verlangt, dass „die Hinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist“. (…)

3.3 (…)

3.4 Das Nachsteuerverfahren ist ein selbständiges Institut nachträglicher Richtigstellung einer Steuerveranlagung. Hierbei geht es um die Nachforderung einer dem Gemeinwesen zu Unrecht entgangenen Steuer, welche im Gegensatz zum Steuerstrafverfahren nicht die finale Funktion hat, ein unrechtmässiges Verhalten des Steuerpflichtigen zu ahnden (vgl. Vallender/Looser, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2. Aufl., Basel 2008, Art. 151 N. 5). (…)
Die Prüfung der Rechtsanwendung von § 206a StG respektive Art. 53a StHG erfolgt vor Steuerrekurskommission mit vorliegendem Fall erstmalig. Weder auf kantonaler Ebene noch von Seiten des Bundesgerichts besteht zur Anwendung der genannten Rechtsnormen für das vereinfachte Verfahren der Nachbesteuerung von Erben eine (gefestigte) Praxis. (…)
Aufgrund des Eventualantrags erachtet die Vorinstanz auch eine gemischte Betrachtungsweise als möglich. Dabei würden unversteuerte Werte (in casu Vermögenswerte), welche ohne explizite Bezeichnung durch die Erben offen gelegt werden, nach Art. 53a StHG veranlagt; unversteuerte Werte, die im Anschluss an die vollständige Erbendeklaration durch vertiefte Untersuchungen der Steuerbehörde zusätzlich ermittelt werden (in casu unversteuerte Einkommen) wären dagegen im Verfahren der ordentlichen Nachsteuer (§ 204 StG) zu veranlagen (10-Jahresfrist). Diese gemischte Betrachtungsweise weist auf komplexe Abgrenzungsfragen betreffend die Kausalität einer vollständigen Deklaration beim Inventar respektive bei ausstehenden Steuererklärungen der Erben hin.

3.4.1 bis 3.4.6 (Eingehende Auseinandersetzung mit den Materialien zu Art. 53a StHG, Art. 153a DBG und § 206a StG. Hinweis, dass sich weder in der bundesgerichtlichen noch in der kantonalen Rechtsprechung Präjudizien für die sich vorliegend stellende Frage finden lassen. Feststellung, dass gemäss dem Willen des Gesetzgebers auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene bei den Voraussetzungen für die vereinfachte Erbennachbesteuerung insofern ein Unterschied zu den Voraussetzungen für die straflose Selbstanzeige [mit pönalem Charakter] besteht, als eine aktive Selbstanzeige einzig bei der straflosen Selbstanzeige, nicht aber bei der Erbennachbesteuerung normiert wurde)

3.4.7 Die von der Vorinstanz vertretene Ansicht, dass (in der Regel unwissende) Erben hinterzogene Steuerwerte selbst anzeigen müssten - und diese Anzeige kausal zur Entdeckung sämtlicher unversteuerter Werte sein muss, damit die Erben in den Genuss des vereinfachten Verfahrens gelangen - wird durch die oben dargelegte Auslegung von Art. 53a Abs. 1 StHG (Art. 153a Abs. 1 DBG; § 206a Abs. 1 StG) nicht gestützt; diese teleologische Erweiterung des Wortlauts - begründet mit der Analogie zur straflosen Selbstanzeige - lässt sich nicht halten. Das ergibt sich alleine schon aus dem klaren Wortlaut. Weder in der Entstehungsgeschichte noch den Materialien des Bundesgesetzgebers lassen sich Indizien finden, welche einen solchen Schluss zuliessen; auch wird die in den Materialien des thurgauischen Gesetzgebers genannte Meldepflicht im Wortlaut von § 206a StG nicht wiedergegeben, weshalb eine solche unbeachtlich bleibt.
Der Gesetzgeber bezweckt eine einfache Regelung der Erbennachbesteuerung, sofern die im Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt werden. Gerade dieser Sinn würde Art. 53a Abs. 1 StHG (Art. 153a Abs. 1 DBG; § 206a Abs. 1 StG) genommen, wenn von den Erben ein aktives Hinweisen auf hinterzogene Steuerwerte verlangt würde. In diesem Fall hätten die Erben sämtliche Steuerakten und weitere dienliche Unterlagen eines Erblassers der letzten zehn Steuerjahre zu ermitteln und daraus festzustellen, ob unversteuerte Werte vorliegen. Dazu wäre in der Regel eine entsprechende Fachperson beizuziehen. Dass sich in diesem Fall die Untersuchung der Erben nicht lediglich auf die letzten drei Jahre vor dem Todesjahr beschränken könnte, zeigen die Überlegungen der Vorinstanz betreffend die Kausalität der Meldung. Nach dieser genügt eine Teilanzeige von offensichtlich nicht versteuerten Werten nicht, weshalb durch ergänzende Untersuchungen der Steuerbehörde aufgedeckte unversteuerte Werte ebenfalls dem ordentlichen Verfahren unterstellt werden müssten. Eine solche Rechtsanwendung kann aus Art. 53a Abs. 1 StHG (Art. 153a Abs. 1 DBG; § 206a Abs. 1 StG) nicht abgleitet werden.

3.4.8 Als Ergebnis der Auslegung von Art. 53a Abs. 1 StHG (Art. 153a Abs. 1 DBG; § 206a Abs. 1 StG) ist festzuhalten, dass wenn die Erben ihre Mitwirkungspflicht erfüllt haben - indem sie sämtliche Vermögenswerte im Inventar und/oder die Vermögens- und Einkommenswerte in den noch zu veranlagenden Steuerjahren des Erblasser vollständig deklarieren - das vereinfachte Verfahren der Nachbesteuerung von Erben zur Anwendung gelangt. Eine explizite Anzeige- oder Meldepflicht besteht nicht, damit das Verfahren der vereinfachten Erbenbesteuerung greifen kann.

3.5 Obige Erwägungen führen zum Schluss, dass im vorliegenden Fall die nichtversteuerten Einkommens- und Vermögenswerte der Erblasserin im vereinfachten Verfahren der Nachbesteuerung von Erben nach Art. 53a StHG (Art. 153a DBG, § 206 StG) zu erfolgen hat. (…)

3.6 Der Todestag der Erblasserin ist der 30. März 2010, weshalb nach Art. 53a Abs. 2 StHG (Art. 153a Abs. 2 DBG, § 206a Abs. 2 StG) das vereinfachte Nachsteuerverfahren lediglich auf die Steuerjahre 2010 (per Todestag) und die drei vor dem Todesjahr abgelaufenen Steuerperioden 2009, 2008 und 2007 zu beziehen ist. Von der vereinfachten Nachbesteuerung und der damit verbundenen zeitlichen Limitierung werden auch nicht versteuerte Werte erfasst, welche von der Steuerbehörde im Rahmen ihrer eigenen Untersuchungen im Anschluss an die vollständige Deklaration der Erben festgestellt wurden. (…)

Entscheid der Steuerrekurskommission vom 24. Februar 2012

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