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TVR 2013 Nr. 15

Letztinstanzliche kantonale Zuständigkeit, Vollstreckung eines Tierhalteverbots


§ 54 KV, Art. 86 Abs. 3 OG, § 86 VRG


1. Art. 86 Abs. 3 BGG schreibt in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten eine oberste kantonale Gerichtsinstanz vor. Im Zweifelsfall ist dies das Verwaltungsgericht (E.1).

2. Es ist zulässig, die Androhung der Zwangsvollstreckung zusammen mit der Verfügung über dieselbe zu verbinden (E. 2.2). 3. Im Zwangsvollstreckungsverfahren betreffend Tierhalteverbot hat der Verfügungsadressat den Nachweis zu erbringen, dass der Grund für die eigentliche Zwangsvollstreckung dahin gefallen ist. Versuchte Umgehung des Halteverbots durch Scheinverpachtung (E. 2.4).


Mit Entscheid VG.2010.172/E vom 11. Mai 2011 bestätigte das Verwaltungsgericht das gegen N erlassene Tierhalteverbot, das auch alle im gleichen Haushalt wohnenden Personen betraf. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil 2C_635/2011 vom 11. März 2012 bestätigt. In der Folge erliess das Veterinäramt die Vollzugsverfügung, die N beim DIV erfolglos anfocht. Hiergegen erhob N Beschwerde beim Regierungsrat, der darauf nicht eintrat. Gegen diesen Entscheid gelangte N an das Bundesgericht, das jedoch mit präsidialer Verfügung feststellte, es sei zur Behandlung dieser Beschwerde nicht zuständig. Gleichzeitig überwies es die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als zuständige Rechtsmittelinstanz. Dieses weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

1. Laut § 86 Abs. 3 VRG ist der Entscheid über die Zwangsvollstreckung innert fünf Tagen beim Regierungsrat anfechtbar. Entscheide des Regierungsrates können grundsätzlich nicht an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (§ 54 VRG). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Art. 86 Abs. 2 BGG ausdrücklich als Vorinstanz für eine Beschwerde ans Bundesgericht ein kantonales oberes Gericht vorsieht. Das Bundesgericht trat daher auf die Beschwerde von N nicht ein und überwies die Sache zur Behandlung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Da das Verwaltungsgericht letztinstanzlich die Verwaltungsrechtspflege im Kanton ausübt (§ 54 KV), ist das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat auf § 86 Abs. 3 VRG und den Entscheid des Bundesgerichts denn auch schon reagiert. De lege ferenda wird neu für Beschwerden gegen Zwangsvollstreckungsmassnahmen das Verwaltungsgericht zuständig sein.

2.
2.1 Nach § 86 Abs. 1 VRG muss bei einem Entscheid, der auf Vornahme einer Handlung, auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist und wo nicht Gefahr in Verzug ist, die Zwangsvollstreckung unter Ansetzung einer angemessenen Frist zunächst angedroht werden. Die Androhung ist nicht anfechtbar. Bleibt die Frist unbenutzt, erfolgt die Zwangsvollstreckung, wenn nötig mit polizeilicher Hilfe, auf dem Weg der Ersatzvornahme oder durch unmittelbaren Zwang. Die Behörde kann einen Dritten mit der Ersatzvornahme beauftragen.
Das VRG geht von einer Funktionsteilung zwischen Entscheidungs- und Vollstreckungsverfahren aus. Im Entscheidungsverfahren wird über den Bestand oder Nichtbestand öffentlicher Rechte und Pflichten, im Vollstreckungsverfahren hingegen über die Art und Weise der Durchsetzung entschieden (Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1984, § 83 N. 1). Ergebnis des Entscheidungsverfahrens ist die Sachverfügung, jenes des Vollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsverfügung. Die Ersatzvornahme als Zwangsmittel kommt daher erst zur Anwendung, wenn die zu vollstreckende Anordnung einer Verwaltungsbehörde, also die Sachverfügung nicht mehr weitergezogen werden kann, oder wenn dem Weiterzug keine aufschiebende Wirkung zukommt (TVR 2003 Nr. 46, E. 2.3).

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Verfahrensrechte seien nicht beachtet worden, da in der Verfügung des Veterinäramtes die Androhung der Zwangsvollstreckung mit der Verfügung korrekterweise zunächst für sich alleine hätte ausgesprochen werden müssen. Die Verfügung über die Zwangsvollstreckung wäre hernach separat zu erlassen gewesen.Diese Auffassung ist unzutreffend. Mit der Androhung soll dem Betroffenen nach der Rechtskraft der materiellen Verfügung klar gemacht werden, dass ihm nun eine Frist angesetzt wird, innert welcher er selbständig für den Vollzug der Verfügung zu sorgen hat. Solche Androhungen werden in der Praxis häufig mit der Vollstreckungsverfügung verknüpft. Dies ist auch unproblematisch. Die Zwangsvollstreckungsverfügung tritt nicht in Kraft, wenn der Betroffene der damit verbundenen Androhung nachkommt. Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ersichtlich. Zu Recht hat der Regierungsrat darauf verwiesen, dass dem Beschwerdeführer im regierungsrätlichen, erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahren gegen die Vollstreckungsverfügung sämtliche Einwände offen standen und der Regierungsrat die Beschwerde ohne Beschränkung der Kognition prüfen musste. Die Aufhebung des Vollstreckungsentscheids wäre nicht verhältnismässig gewesen und hätte zu einem formalistischen Leerlauf geführt.

2.3 (…)

2.4 Die Vorinstanz hat ausgeführt, das neue Pachtverhältnis zum Neffen U sei lediglich ein Scheinverhältnis. Der Beschwerdeführer verweist auf den eingelegten Pachtvertrag und die Tatsache, dass der Neffe seine Stelle bei der bisherigen Arbeitgeberin aufgegeben habe.

2.4.1 Wie auch das Bundesgericht festgestellt hatte, liegt der Grund des Tierhalterverbots in der nachgewiesenen Unfähigkeit des Beschwerdeführers, seine Tiere artgerecht und nach den Vorschriften des Tierschutzgesetzes zu halten. Wenn nun zur Vollstreckung dieses Urteils übergegangen wird, so geht es darum, die Tiere vor dem Einfluss des Beschwerdeführers und seiner schlechten Haltung zu schützen. Im Vollstreckungsverfahren muss es demnach darum gehen, diesen Schutz so schnell als möglich zu verwirklichen. Gesetzliche Grundlage hierfür bilden § 83 ff., insbesondere § 86 VRG. Soll die Zwangsvollstreckung unterbleiben, so liegt es am Beschwerdeführer, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nicht mehr gegeben sind bzw. dass sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit so erheblich verändert haben, dass für die dort lebenden Tiere keinerlei Gefahr mehr besteht, unter dem Einfluss des Beschwerdeführers wieder schlecht gehalten und behandelt zu werden.

2.4.2 Der neue Pächter, notabene der Neffe des Beschwerdeführers, geboren 1992, weist zweifelsfrei wenig Erfahrung in der Haltung von Tieren auf, auch wenn es sich bei ihm um einen ausgebildeten Landwirt mit Fähigkeitszeugnis handelt. Die verwandtschaftliche Nähe des Pächters zum Beschwerdeführer, sein jugendliches Alter und die damit verbundenen fehlenden beruflichen Erfahrungen sind ein gewichtiges Indiz dafür, dass hier eine Scheinverpachtung vorliegt. Dieser hätte sich auch erfahrungsgemäss zu Beginn einer Pacht zeitlich voll für seine neue Aufgabe als selbständig erwerbender Landwirt einarbeiten müssen. Besonders während der morgendlichen und abendlichen Fütterungs-, Melk- und Betreuungszeit war er zumindest bis Ende 2012 nur beschränkt verfügbar. Der Hinweis des Beschwerdeführers, der Pächter lasse die anfallenden Arbeiten deshalb von einem Angestellten und von Aushilfen erledigen, verfängt nicht, da nicht geklärt ist, ob der Pächter den Mitarbeiter vom Beschwerdeführer übernommen hat und ob er ihm weisungsgemäss wirklich untersteht. Die Vermutung, dass der Beschwerdeführer den Pächter und das Personal weiterhin beeinflusst und dass er den Betrieb in personeller, organisatorischer und betrieblicher Hinsicht weiterhin aus dem Hintergrund führt, wird dadurch bestärkt, dass es nur zu einer partiellen Verpachtung des Hofes gekommen ist. Verpachtet wurde nur der Ökonomieteil des Gewerbes. Üblicherweise nimmt jedoch ein Pächter eines Tierhaltungsbetriebs vor Ort Wohnsitz, um den Bestand zu jeder Tages- und Nachtzeit betreuen und beaufsichtigen zu können. Gerade die Tatsache, dass der Beschwerdeführer weiterhin in seinem Wohnhaus bleibt, zeigt, dass es ihm nicht leicht fällt, sich vom Betrieb zu lösen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass er sich vollkommen aus der Tierhaltung heraushält, wenn sein neuer Pächter nicht da ist.
Gemäss dem Kaufvertrag für das Inventar vom 1. Mai 2012 wurde ein Kaufpreis über Fr. 340'000.--, mit dem der Pächter die Vorräte, den Tierbestand und die Maschinen und Geräte übernimmt, vereinbart. Da es sich - wie bereits erwähnt - vorliegend um das Vollstreckungsverfahren handelt, in dem der Beschwerdeführer verpflichtet wäre, alles nur Erdenkbare darzulegen, dass sich die Verhältnisse nun grundlegend geändert haben, wäre es auch seine Aufgabe gewesen, nachzuweisen, wodurch der neue Pächter als Zwanzigjähriger über eine so hohe Summe verfügt, um den Kaufpreis begleichen zu können. Einen solchen Betrag erhält er von keinem Geldinstitut ohne weiteres geliehen, auch nicht von einer landwirtschaftlichen Kreditstelle. Zudem wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, nachzuweisen, dass dieses Geld tatsächlich geflossen ist, und dass es sich nicht nur um eine Scheinübernahme mittels Darlehen handelt. Diesbezüglich wird ebenfalls nichts ins Recht gelegt. Hieran ändert auch der vorgelegte Ausdruck aus der AGATE-Datenbank nichts. Auch dieser Eintrag kann lediglich zum Schein geändert worden sein.

2.4.3 Zusammengefasst sprechen bei objektiver Betrachtung sämtliche wesentlichen Umstände dafür, dass es sich bei der Verpachtung an den Neffen lediglich um eine Scheinverpachtung handelt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Bedingungen der Verfügung vom 23. Juli 2010 nicht eingehalten. Aufgrund der gesamten Umstände muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nach wie vor einen erheblichen Einfluss auf die Tierhaltung hat und dass es sich beim Pachtvertrag vom 1. Mai 2012 lediglich um eine Scheinverpachtung handelt. Hierfür spricht auch, dass der Beschwerdeführer in seiner ursprünglichen Beschwerdeschrift vom 14. Mai 2012, die er noch eigenhändig verfasst hatte, lediglich davon sprach, er beabsichtige, den gesamten Viehbestand einem Nachfolger zu übergeben. Gemäss den Verträgen, die auf den 1. Mai 2012 datiert sind, hatte die Hofübergabe bereits stattgefunden. Auch von einem unbeholfenen Rekurrenten wäre daher zu erwarten gewesen, dass er sich diesbezüglich deutlich und klarer äussert und nicht nur die Möglichkeit einer Übergabe andeutet. Gemäss den eingereichten Unterlagen (Inventurverkauf und Pachtvertrag, je vom 1. Mai 2012) waren die Verträge zu jenem Zeitpunkt bereits unterschrieben. Aus all diesen Gründen gelangt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass es sich vorliegend lediglich um eine Scheinverpachtung handelt und dass der Einfluss des Beschwerdeführers, der nach wie vor im Wohnhausteil des landwirtschaftlichen Gebäudes wohnt, erheblichen Einfluss auf die Tierhaltung hat. Ob der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit seinen Stall gemäss den Vorschriften des Tierschutzgesetzes ausgestaltet hat oder nicht, spielt demnach lediglich eine untergeordnete Rolle. Nachgewiesen ist dies allerdings aufgrund der im Recht liegenden Akten immer noch nicht. Hierfür hätte der Beschwerdeführer mittels Rapporten und Rechnungen nachweisen müssen, dass die entsprechenden Renovierungsarbeiten vorgenommen wurden. Dies ist nicht geschehen. Daher kann auch die Frage offen bleiben, ob das Veterinäramt die Abnahme des Stalles zu Recht verweigert hat.

Entscheid VG.2012.136/E vom 19. Dezember 2012

Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hat das Bundesgericht mit Urteil 2C_196/2013 vom 27. Oktober 2013 abgewiesen.

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