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TVR 2013 Nr. 22

Leuchtreklame am Strassenrand, Wirtschaftsfreiheit


§ 86 Ziff. 9 aPBG, Art. 27 BV, Art. 96 Abs. 1 lit. a SSV, § 52 StrWG, Art. 6 SVG


Führt das Aufstellen einer LED-Leuchtreklame an Orten mit viel Verkehr und unübersichtlichen Verhältnissen zu einem zusätzlichen Gefährdungspotential, so ist die Baubewilligung zu verweigern.


E ersuchte bei der Politischen Gemeinde Weinfelden um eine Baubewilligung für den Betrieb eines mobilen LED-Werbebildschirms während vier Tagen pro Monat. Als Standort war eine in der Gewerbezone liegende Parzelle vorgesehen. Das Grundstück gehört der K. Das zur Stellungnahme eingeladene kantonale Tiefbauamt reichte bei der Gemeinde Weinfelden einen negativen Bericht ein, weshalb die Baubewilligung verweigert wurde. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das DBU ab, weshalb G mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht gelangte, das ebenfalls abweist.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Laut § 86 Ziff. 9 PBG (in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) bedürfen Reklameanlagen einer Baubewilligung. Diese wird erteilt, wenn das Bauvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht (§ 93 Abs. 1 PBG). Im Bereich der für Motorfahrzeuge oder Fahrräder offenen Strassen sind Reklamen und andere Ankündigungen untersagt, die zur Verwechslung mit Signalen oder Markierungen Anlass geben oder sonst, namentlich durch Ablenkung der Strassenbenützer, die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten (Art. 6 SVG). Als Strassenreklamen gelten alle Werbeformen und andere Ankündigungen in Schrift, Bild, Licht, Ton usw., die im Wahrnehmungsbereich der Fahrzeugführenden liegen, während diese ihre Aufmerksamkeit dem Verkehr zuwenden (Art. 95 SSV). Untersagt sind insbesondere Strassenreklamen, welche die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten, namentlich wenn sie im näheren Bereich von Fussgängerstreifen, Verzweigungen oder Ausfahrten das Erkennen anderer Verkehrsteilnehmer erschweren (Art. 96 Abs. 1 lit. a SSV).
Hinzuweisen ist auch auf § 52 StrWG, wonach das Anbringen und Ändern von Strassenreklamen im Sinne von Art. 6 SVG der Bewilligung der Gemeindebehörde bedarf. § 18 StrWV verlangt zudem, dass vor der Erteilung einer Bewilligung nach § 52 StrWG eine Stellungnahme des Tiefbauamtes einzuholen ist, soweit Staatsstrassen betroffen sind.

3.2 Der Begriff der möglichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der seinen Inhalt aus dem Sinn und Zweck von Art. 6 Abs. 1 SVG sowie seiner Stellung im Gesetz und im Rechtssystem gewinnt. Der Behörde, die einen solchen Begriff anzuwenden hat, ist ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt. Grundsätzlich misst das Bundesgericht bei der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 SVG bzw. von Art. 96 SSV dem Aspekt der Verkehrssicherheit unter Berücksichtigung des gesetzlichen Willens im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Interessen grosses Gewicht bei. Es bestätigt die Kantone in ihren Bemühen, bei der Bewilligung von Reklamen eine strenge Praxis anzuwenden. Bereits eine potentielle Beeinträchtigung oder eine entfernte, nicht einmal in der Regel eintretende mittelbare Gefährdung reicht aus, um die Verkehrssicherheit beeinträchtigen zu können, wie sich bereits aus dem Gesetzestext von Art. 6 Abs. 1 SVG („beeinträchtigen könnten“) ergibt (Urteil des Bundesgerichts 2A.112/2007 vom 30. Juli 2007, E. 3.2 f.).
Das kantonale Tiefbauamt hat Richtlinien zur weiteren Konkretisierung der Bestimmungen der SSV über die Strassenreklamen aufgestellt. Nach diesen Richtlinien muss eine stationäre bzw. mobile, aber regelmässig am gleichen Standort wieder installierte Strassenreklame innerorts zu Fussgängerstreifen einen Mindestabstand von 20 m, im Bereich von Verzweigungen und Kreuzungen einen solchen von 5 m und bei Kreiseln von 10 m wahren. Zudem sind Strassenreklamen, die blenden, reflektieren, blinken und wechselnde Lichteffekte aufweisen, untersagt.

3.3 Zu prüfen ist, ob die geplante Strassenreklame im Hinblick auf die konkrete Verkehrssituation sich als Gefährdungspotential für Fahrzeuglenker erweist. Geplant ist, die mobile LED-Strassenreklame auf dem Grundstück Nr. 3502 an der Dunantstrasse aufzustellen. Die Anlage ist gegen Süden ausgerichtet und spricht den auf der gegenüberliegenden Fahrbahn entgegen kommenden, Richtung Westen fahrenden Verkehr an. Ca. 50 m südlich des geplanten Standorts befindet sich der Zelgli-Kreisel, wo die (von Süden nach Norden führende) Dunantstrasse und die (von Osten nach Westen führende) Dufourstrasse aufeinandertreffen. In einem Abstand von etwa 60 m bzw. 30 m zum besagten Standort überqueren zwei Fussgängerstreifen die Kreisel Ein- bzw. Ausgänge. Der nördliche Kreiselausgang wird hauptsächlich vom Schwerverkehr des Lidl-Verteilerzentrums, der Hasler Transporte AG, aber auch von der bis zur Model AG und zur Meyerhans Mühlen AG reichenden Südspange benutzt und geht auf einer rund 30 m langen, erst nach dem Reklamestandort endenden Einspurstrecke in den vortrittsberechtigten, mit einem DTV (durchschnittlicher täglicher Verkehr) von über 10'000 Fahrzeugen intensiv befahrenen Bypass über. Etwa 15 m nach dem Reklamestandort biegt zudem eine schmale, enge Strasse ab. 60 m weiter nördlich mündet auf der gegenüberliegenden Strassenseite die Ausfahrt vom MIGROS-Markt Weinfelden West in die Dunantstrasse ein. Wie zudem in Erfahrung zu bringen war, hat der Gemeinderat Weinfelden der McDonald’s Schweiz auf der Parzelle Nr. 1173, die nördlich an die Parzelle Nr. 3502 grenzt, den Bau eines Restaurants mit einer auf der Höhe der Kuppe zur SBB-Unterführung, vis à vis der ALDI-Ausfahrt liegenden Hauptzufahrt/-ausfahrt und einer zweiten, etwas näher beim Reklamestandort liegenden, nur nach Süden offenen Ausfahrt bewilligt. Auch wenn diese Tatsache der neuen Ein-/Ausfahrt im Entscheid der Vorinstanz noch nicht berücksichtigt werden konnte, so war das vom McDonald’s zu überbauende Grundstück bereits damals der Gewerbezone zugeteilt und es war mit einer zusätzlichen Ein-/Ausfahrt in näherer Zukunft zu rechnen. Letztlich ist diese zusätzliche Ein-/Ausfahrt für den vorliegenden Entscheid nicht entscheidend, zeigt aber doch auf, dass um den geplanten Standort der Reklametafel mit erheblichem, richtungswechselndem Verkehr zu rechnen ist.

3.4 Der von der Beschwerdeführerin vorgesehene Standort ist dem Verwaltungsgericht als ansässigem Gericht bekannt. In der Tat handelt es sich - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin - um eine sehr unübersichtliche Verkehrssituation, die von den Verkehrsteilnehmern erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts würde das Aufstellen einer LED-Leuchtreklame ein zusätzliches Gefährdungspotential mit sich bringen. Sinn der aufzustellenden LED-Strassenreklame ist ja, dass diese durch den Spotwechsel auffällt und dadurch die Aufmerksamkeit der vorbeifahrenden Fahrzeuglenker vermehrt auf sich zieht. Ob dabei die vom Tiefbauamt erarbeiteten Richtlinien zur Anwendung gelangen oder nicht, kann daher offen bleiben. Daran ändert auch nichts, dass die Helligkeit der LED-Reklame gemessen und reguliert werden kann. Auch braucht es hierfür gar nicht die Gefahr, dass vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer geblendet werden könnten. Die Fahrzeuglenker werden vom regelmässigen Spotwechsel, der in Intervallen von 20 Sekunden erfolgen soll, in ihrer Aufmerksamkeit gestört. Auch wenn es nicht bei jeder Vorbeifahrt zu einem Spotwechsel kommt, so ist nicht zu übersehen, dass Fahrzeuglenker, die vom Spotwechsel betroffen sind, dadurch in einer bereits schwierigen Verkehrssituation, die ihre ganze Aufmerksamkeit beansprucht, zusätzlich abgelenkt werden. Die von der Gemeinde im Rahmen ihres Ermessens ausgesprochene Verweigerung der Baubewilligung lässt sich daher ohne weiteres gestützt auf Art. 6 SVG sowie Art. 95 f. SSV begründen.

3.5 (…)

3.6 Soweit die Beschwerdeführerin Art. 27 BV anruft, der die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet und insbesondere auch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen enthält, vermag dies nichts am Ergebnis zu ändern. Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Gewerbegenossen sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren bzw. nicht wettbewerbsneutral sind, namentlich, wenn sie bezwecken, in den Wettbewerb einzugreifen, um einzelne Konkurrenten oder Gruppen von Konkurrenten gegenüber anderen zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Als direkte Konkurrenten gelten Unternehmungen der gleichen Branche, die sich mit dem gleichen Angebot an dasselbe Publikum richten, um das gleiche Bedürfnis zu befriedigen (BGE 125 I 431 E. 4b).
Wie bereits erläutert, müsste jedem anderen Konkurrenten in der gleichen Situation die Bewilligung ebenfalls verweigert werden. Art. 36 BV hält zudem fest, dass Einschränkungen von Grundrechten bei genügender gesetzlicher Grundlage, einem entsprechenden öffentlichen Interesse sowie bei gegebener Verhältnismässigkeit zulässig sind. Mit Art. 6 Abs. 1 SVG sowie Art. 95 f. SSV sind die notwendigen gesetzlichen Grundlagen vorhanden. Auch das öffentliche Interesse der Verkehrssicherheit ist zweifelsfrei gegeben. Die Massnahme ist auch verhältnismässig, weil an dieser schwierig zu bewältigenden Verkehrsstelle keine andere Massnahme als das Verbot von solchen Anlagen die Verkehrssicherheit gewähren kann. Entsprechende Auflagen könnten an dieser grundsätzlichen Problematik nichts ändern. Die Beschwerde ist daher vollumfänglich abzuweisen.

Entscheid VG.2012.164/E vom 13. März 2013

Das Bundesgericht hat eine dagegen gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 1C_458/2013 vom 21. November 2013 abgewiesen.

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