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TVR 2013 Nr. 9

Fehlende Rechtsmittellegitimation der Schulbehörde bei Rekurs gegen Entscheid betreffend Sonderschulbedürftigkeit eines Schülers


§ 41 VSG, § 41 a VSG, § 3 SonderschulV, § 11 SonderschulV, § 44 VRG


Die Schulbehörde ist nicht legitimiert, einen Entscheid des Amtes für Volksschule anzufechten, mit welchem die Sonderschulbedürftigkeit eines Schülers verneint wird.


Mit Entscheid vom 18. März 2013 verfügte das Amt für Volksschule (nachfolgend: AVS), dass A nicht mehr sonderschulbedürftig sei. Dementsprechend ende eine vormals erteilte Kostengutsprache per 31. Juli 2013 und werde nicht mehr verlängert. Am 28. März 2013 erhoben D als Präsident und E als Schulpfleger für die Sekundarschulgemeinde C gegen den Entscheid des AVS Rekurs beim DEK. Sie stellten den Antrag, dass „bei A während der Sekundarschule weiterhin der Sonderschulstatus beibehalten bzw. die Verlängerung der IS (integrative Sonderschulung) vorgenommen wird“. Zur Begründung führten sie aus, die Sekundarschulgemeinde C habe entschieden, A aufgrund seiner körperlichen Entwicklung vorzeitig von der Primarschule T als IS-Schüler zu übernehmen. Grundlage dieser Bewilligung sei das Konzept zur Betreuung von A gewesen. Da A eindeutig sonderschulbedürftig sei, könne die Verneinung des Sonderschulstatus durch den schulpsychologischen Dienst nicht nachvollzogen werden. Mit Entscheid vom 10. Mai 2013 trat das DEK auf den Rekurs nicht ein. Gegen diesen Entscheid reichte D am 29. Mai 2013 für die Sekundarschulgemeinde C beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

Aus den Erwägungen:

1. Gemäss § 62 i.V. mit § 44 VRG ist zur Beschwerde legitimiert, wer durch einen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (§ 44 Ziff. 1 VRG) sowie jede durch ein Gesetz dazu ermächtigte Person, Organisation oder Behörde (§ 44 Ziff. 2 VRG). Vorliegend hat die Beschwerdeführerin ein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung des angefochtenen Entscheids durch das Verwaltungsgericht, weshalb die Beschwerdeführerin in Bezug auf das Nichteintreten der Vorinstanz zur Beschwerde legitimiert ist. Die Beschwerdeführerin ist zur Rüge, auf ihren Rekurs sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, ungeachtet der Frage ihrer Legitimation in der Sache befugt. Unter diesem Gesichtspunkt ist auf die Beschwerde einzutreten. Obwohl gemäss Aktenlage unklar ist, ob der für die Beschwerdeführerin handelnde Präsident der Sekundarschulgemeinde C, wie von ihm geltend gemacht, von der Gesamtbehörde zur Beschwerdeergreifung ermächtigt worden ist, ist eine allfällige Prozessführungsbefugnis des Präsidenten der Beschwerdeführerin nicht weiter zu überprüfen. Dies deshalb, weil die Beschwerde - wie die nachstehenden Erwägungen deutlich machen - ohnehin abzuweisen ist, soweit auf sie einzutreten ist. Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der für die Beschwerdeführerin handelnde Präsident in der vorliegenden Angelegenheit über eine Einzelzeichnungsberechtigung verfügte, verhält es sich doch so, dass er in seiner Funktion als Präsident die Beschwerdeführerin auch in anderen Angelegenheiten nach Aussen hin vertritt.

(…)

2.
2.1 Zu prüfen ist vorliegend, ob der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz gerechtfertigt war bzw. ob die Beschwerdeführerin zur Rechtsmittelerhebung im Rekursverfahren legitimiert war.

2.2 Zum Rekurs ist berechtigt wer durch einen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (§ 44 Ziff. 1 VRG) sowie jede durch ein Gesetz dazu ermächtigte Person, Organisation oder Behörde (§ 44 Ziff. 2 VRG). Eine spezialgesetzliche Ermächtigung, welche die Beschwerdeführerin zum Rekurs legitimiert hätte, liegt nicht vor. Ein schutzwürdiges Interesse kommt einer Gemeinde zu, wenn der angefochtene Entscheid entweder den Bereich kommunaler Rechtsetzung oder kommunaler Selbstverwaltung betrifft, soweit das kantonale Recht eine erhebliche Entscheidungsfreiheit, das heisst eine qualifizierte Eigenständigkeit belässt (TVR 1998 Nr. 35, E. 2a.). Gemäss bundesgerichtlicher Praxis ist ein Gemeinwesen dann zur Beschwerde berechtigt, wenn es gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen ist (vgl. BGE 136 II 383 E. 2.3). Dies ist nur dann zu bejahen, wenn sich die Gemeinde auf dem Boden des Privatrechts bewegt oder sonst wie als dem Bürger gleichgeordnetes Rechtssubjekt auftritt, und gilt insbesondere dann, wenn sie gleich oder ähnlich wie ein Privater in ihren vermögensrechtlichen Interessen betroffen ist. Darüber hinaus ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein Gemeinwesen beschwerdelegitimiert, wenn es durch die angefochtene Verfügung in seinen hoheitlichen Befugnissen berührt ist und ein schutzwürdiges, eigenes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (BGE 123 II 545; 123 II 374). Hingegen begründet das blosse allgemeine Interesse an einer richtigen Anwendung des objektiven Rechts keine Rechtsmittellegitimation des Gemeinwesens; insbesondere ist die in einem Rechtsmittelverfahren unterlegene Vorinstanz nicht legitimiert. Legitimiert sind sodann grundsätzlich nur Gemeinwesen als solche, nicht hingegen einzelne Behörden oder Verwaltungszweige ohne eigene Rechtspersönlichkeit.

2.3 Wird bei einem Kind ein besonderer Förder- oder Unterstützungsbedarf festgestellt, sind sonderpädagogische Massnahmen zu ergreifen (§ 41 Abs. 1 VSG). Soweit es möglich ist und dem Wohl des Kindes dient, sind sonderpädagogische Massnahmen im Rahmen der Regelschule integrativ oder separativ durchzuführen (§ 41 Abs. 2 VSG). Sonderpädagogische Massnahmen sind periodisch auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen (§ 41 Abs. 3 VSG). Der Kanton ist zuständig für eine angemessene heilpädagogische Früherziehung, spezielle Unterstützungsangebote, die Spitalschulung und die Sonderschulung (§ 41a Abs. 1 VSG). Die Schulgemeinden sind für die übrigen sonderpädagogischen Massnahmen zuständig. Sie gewährleisten insbesondere Logopädie und Psychomotorik (§ 41 a Abs. 2 VSG). Die Sonderschulverordnung regelt unter anderem die Sonderschulung und spezielle Unterstützungsangebote (vgl. § 1 Abs. 1 SonderschulV). Das AVS entscheidet über die Massnahmen gemäss Sonderschulverordnung (vgl. § 3 Abs. 1 SonderschulV). Wenn das Amt die Möglichkeit einer integrativen Sonderschulung unterstützt, entscheidet die Schulgemeinde, ob eine solche durchgeführt wird. In diesem Fall trifft sie mit einer anerkannten Sonderschule eine Vereinbarung über die fachliche Begleitung (§ 11 Abs. 3 SonderschulV). Das Amt entscheidet bei einer integrativen Sonderschulung über die Sonderschulbedürftigkeit, die Dauer der Massnahmen und die Finanzierung (§ 11 Abs. 4 SonderschulV).

3.
3.1 Aus den oben erwähnten Bestimmungen geht hervor, dass es sich bei der Sonderschulung grundsätzlich um eine sonderpädagogische Massnahme handelt. Zudem geht aus § 41a Abs. 1 VSG hervor, dass für die Anordnung einer Sonderschulung, für die sowohl bei der integrativen als auch bei der separativen Sonderschulung zusätzliche Kosten entstehen, der Kanton grundsätzlich verfügende Stelle ist; er bestimmt über die Sonderschulbedürftigkeit. (…) Kommt eine Schulgemeinde zum Schluss, ein Kind sei sonderschulbedürftig, so ist diese Sonderschulbedürftigkeit durch das AVS festzustellen (§ 11 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 4 Ziff. 1 SonderschulV). (…)

3.2 Es ist also festzuhalten, dass die Kompetenz betreffend Anordnung einer Sonderschulung für einen Schüler ausschliesslich beim Kanton bzw. beim AVS liegt. Eine allfällige Sonderschulbedürftigkeit von A kann daher nur durch das AVS festgestellt werden. Eine Schulgemeinde kann im Rahmen der Anordnung einer integrativen Sonderschulung durch das AVS höchstens entscheiden, ob eine solche durchgeführt wird. Der Entscheid des AVS, A die Sonderschulbedürftigkeit abzusprechen, griff daher nicht in die Entscheidungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein, womit sie in ihren hoheitlichen Befugnissen nicht berührt worden ist.

3.3 Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin durch den erteilten Unterricht eine ihr vom Gesetz zugewiesene Aufgabe erfüllt und als Schule die persönlichen Verhältnisse der Kinder im Auge behalten muss. Jedoch gilt es diesbezüglich festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin den ihr zugewiesenen Schulauftrag vorliegend - unter Vorbehalt der Rechtskraft des Entscheids des AVS - einzig und allein im Rahmen der im Entscheid vom 18. März 2013 des AVS vorgegebenen Anordnungen zu erfüllen hat. Vorliegend bedeutet dies, dass - wiederum unter Vorbehalt der Rechtskraft des Entscheids des AVS - den persönlichen Bedürfnissen von A ausschliesslich unter Berücksichtigung des Entzugs der Sonderschulbedürftigkeit Rechnung zu tragen ist. Dies verhält sich deshalb so, weil die Kompetenz betreffend Anordnung einer Sonderschulung ausschliesslich dem AVS zukommt. Aufgrund des Entzugs der Sonderschulbedürftigkeit von A durch das AVS ist die Beschwerdeführerin somit auch nicht dazu verpflichtet, den Sonderschulstatus von A auf eigene Kosten aufrecht zu erhalten. Dass die Beschwerdeführerin zum Schluss gelangt, dass aus ihrer Sicht der Sonderschulstatus für A aufrecht zu erhalten sei, vermag keine diesbezügliche Leistungspflicht der Beschwerdeführerin gegenüber A zu begründen.

3.4 (…) Die Beschwerdeführerin ist durch den Entscheid also auch nicht unmittelbar in ihren vermögensrechtlichen Interessen betroffen. Der Beschwerdeführerin kommt dementsprechend keine Rekurslegitimation zu. (..)

3.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin durch den Entscheid des AVS weder in ihren hoheitlichen Befugnissen noch in ihren vermögensrechtlichen Interessen unmittelbar betroffen ist. Zudem ist sie auch nicht aufgrund einer spezialgesetzlichen Regelung zum Rekurs legitimiert. Demzufolge hat die Vorinstanz die Rekurslegitimation der Beschwerdeführerin zu Recht verneint.

Entscheid VG.2013.83/E vom 25. September 2013

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