TVR 2015 Nr. 24
Kostenübernahme einer Zahnbehandlung, Verrechnung
§ 19 Abs. 2 SHG, § 19 Abs. 1 SHG, § 25 Abs. 3 SHV
Das Vorgehen der verfahrensbeteiligten Gemeinde, die zur medizinischen Grundversorgung gehörenden Zahnbehandlungskosten faktisch nur vorzuschiessen und in der Folge mit laufenden Unterstützungsleistungen zu verrechnen, ist mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig.
O wird von der Sozialhilfe unterstützt. Im November 2014 beantragte sie bei der Gemeinde M die Übernahme der Kosten für eine Zahnbehandlung und reichte zusammen mit ihrem Gesuch eine zahnärztliche Kostenschätzung vom 3. November 2014 über den Betrag von Fr. 388.50 ein. Offenbar erhielt sie einen abschlägigen Bescheid, weshalb sie mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 nochmals an die Gemeinde M gelangte, mit dem Ersuchen, die Zahnarztkosten entsprechend den SKOS-Richtlinien zu übernehmen. Die effektiven Kosten beliefen sich gemäss Rechnung vom 5. März 2015 auf Fr. 290.95. Am 10. März 2015 entschied die Gemeinde M, die entsprechenden Kosten zu übernehmen, diese jedoch bei den künftigen Sozialhilfeleistungen „in mit der Klientin zu vereinbarenden Raten wieder zu berücksichtigen“. Eine volle Kostenübernahme der Zahnbehandlung werde nicht bewilligt. Den hiergegen erhobenen Rekurs wies das DFS mit Entscheid vom 10. Juni 2015 ab. Das Verwaltungsgericht heisst die hiergegen erhobene Beschwerde gut.
Aus den Erwägungen:
3. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig eine Kostenschätzung eingereicht. Aufgrund der Bestätigung der behandelnden Zahnärztin vom 31. März 2015 kann davon ausgegangen werden, dass die durchgeführte Zahnbehandlung notwendig, einfach und zweckmässig war. Dies wurde denn auch weder von der verfahrensbeteiligten Gemeinde noch von der Vorinstanz in Frage gestellt. Damit ist erstellt, dass diese Zahnbehandlung zur medizinischen Grundversorgung gehört. Diese wird durch die Sozialhilfe gewährleistet. Die entsprechenden Kosten gehören damit zur materiellen Grundsicherung und sind zusätzlich zum Grundbedarf für den Lebensunterhalt und den Wohnkosten, welche ebenfalls zur materiellen Grundsicherung gehören, auszurichten (vgl. B.1 der SKOS-Richtlinien). Die Beschwerdeführerin hat somit einen Anspruch auf Übernahme der entstandenen Kosten von Fr. 290.95.
4. Es bleibt die Frage zu prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage dafür besteht, die Beschwerdeführerin zu verpflichten, diese Kosten ratenweise durch Verrechnung mit laufenden Leistungen zu erstatten. § 19 Abs. 1 SHG sieht vor, dass zu Unrecht bezogene Leistungen zurückzuerstatten sind. Die Beschwerdeführerin hat diese Leistungen aber nicht zu Unrecht bezogen. Im Rahmen von § 19 Abs. 2 SHG sind auch zu Recht bezogene Leistungen zurückzuerstatten, soweit dies zumutbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Zumutbarkeit ist auslegungsbedürftig. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Entscheid V 208 vom 22. September 2004 festgehalten, aufgrund des Kriteriums der Zumutbarkeit könne die Rückerstattungspflicht nicht beginnen, bevor die Unterstützungsbedürftigkeit, welche laut § 2a Abs. 1 SHV nach den SKOS-Richtlinien zu berechnen ist, aufgehört habe. Die wirtschaftliche Lage der unterstützten Person müsse sich grundlegend verbessert haben. In diesem Rahmen habe sich das Ermessen der Fürsorgebehörde zu bewegen. Da die Beschwerdeführerin immer noch unterstützungsbedürftig ist, ist ihr eine Rückerstattung aktuell nicht zumutbar, auch nicht auf dem Wege einer Verrechnung. § 25 Abs. 3 SHG sieht schliesslich vor, dass Hilfsbedürftigen, die Anordnungen der Behörden nicht befolgen oder deren Hilfe missbrauchen, die Unterstützung nach Verwarnung gekürzt oder eingestellt wird. Der Beschwerdeführerin wird weder vorgeworfen, Anordnungen der Behörde nicht befolgt zu haben, noch wird ihr vorgeworfen, deren Hilfe missbraucht zu haben (vgl. zum Ganzen auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. März 2003, BVR 2003 S. 361 ff., und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2002.00417 vom 11. März 2003).
Das Vorgehen der verfahrensbeteiligten Gemeinde, die zur medizinischen Grundversorgung gehörenden Zahnbehandlungskosten faktisch nur vorzuschiessen und in der Folge mit laufenden Unterstützungsleistungen zu verrechnen, erweist sich somit mangels gesetzlicher Grundlage als rechtswidrig. Folglich ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben, soweit damit eine Rückzahlungspflicht der Beschwerdeführerin für die Kosten der Zahnbehandlung vom 24. Februar 2015 bestätigt wurde.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.121/E vom 23. September 2015