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TVR 2015 Nr. 26

Bewilligungspflicht einer Zweigniederlassung bei gewerbsmässigem Personalverleih für Spitexdienste


Art. 12 Abs. 1 AVG, Art. 12 Abs. 3 AVG, Art. 2 Abs. 6 BGBM


1. Art. 2 Abs. 6 BGBM, wonach der Feststellungsentscheid einer kantonalen Behörde schweizweit gilt, steht der kantonalen Bewilligungspflicht nach Art. 12 Abs. 3 AVG für eine Zweigniederlassung nicht entgegen, selbst wenn in einem anderen Kanton die Geschäftstätigkeit einer weiteren Zweigniederlassung bewilligt oder erst gar nicht der Bewilligungspflicht unterstellt wurde (E. 2).

2. Der gesetzliche Zwang, die Zweigniederlassung eines Personalverleihers der Bewilligungspflicht zu unterstellen, verstösst nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV (E. 3).

3. Gewerbsmässiger Personalverleih liegt vor, wenn vom Verleiher wenigstens ein Teil der Weisungsbefugnis auf einen Dritten übertragen wird und wenn mit der Überlassung des Personals regelmässig Gewinn erzielt werden soll, wobei die Regelmässigkeit gegeben ist, sofern während zwölf Monaten wenigstens zehn Verleihverträge abgeschlossen werden. Massgeblich ist hierbei der Inhalt der Verträge und die Umschreibung der konkreten Tätigkeit in den Einsatzbetrieben (E. 5).


Die X AG bezweckt gemäss dem Auszug aus dem Handelsregister die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen jeder Alterskategorie in Form eines Spitex-Dienstes sowie das Erbringen aller damit zusammenhängenden Dienstleistungen, insbesondere auch Haushaltsleistungen. Sie hat ihren Sitz in M (Kanton Appenzell Ausserrhoden) und weitere Adressen in N (Kanton St. Gallen) und O (Kanton Thurgau). Am 7. November 2012 teilte das Amt für Wirtschaft des Kantons Thurgau (AWA) der X AG mit, es werde angenommen, dass es sich bei ihrer Geschäftstätigkeit um Personalverleih handle. In der Folge stellte das AWA verfügungsweise fest, bei der Filiale im Kanton Thurgau handle es sich um einen bewilligungspflichtigen Personalverleih. Den hiergegen erhobenen Rekurs wies das DIV ab. Auch das Verwaltungsgericht weist eine gegen den Rekursentscheid erhobene Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, nachdem der Kanton St. Gallen ihre Tätigkeit als nicht bewilligungspflichtig anerkannt habe, müsse unter Anwendung von Art. 2 Abs. 6 BGBM auch der Kanton Thurgau diese Tätigkeit ohne weitere Bewilligungspflicht zulassen.

2.2 Hat eine zuständige kantonale Vollzugsbehörde festgestellt, dass der Marktzugang für eine Ware, Dienstleistung oder Arbeitsleistung mit dem Bundesrecht übereinstimmt, oder hat sie den Marktzugang bewilligt, so gilt dieser Entscheid für die ganze Schweiz. Der für den einheitlichen Gesetzesvollzug zuständigen Bundesbehörde steht das Beschwerderecht zu. Sie kann von der kantonalen Behörde die Eröffnung der Verfügung verlangen (Art. 2 Abs. 6 BGBM). Dem steht Art. 12 Abs. 1 AVG entgegen. Diese Bestimmung sieht vor, dass Arbeitgeber (Verleiher), die Dritten (Einsatzbetriebe) gewerbsmässig Arbeitnehmer überlassen, eine Betriebsbewilligung des kantonalen Arbeitsamtes benötigen. Zweigniederlassungen, die in einem anderen Kanton liegen als der Hauptsitz, benötigen ebenfalls eine Betriebsbewilligung. Liegen sie im gleichen Kanton, so müssen sie dem kantonalen Arbeitsamt gemeldet werden (Art. 12 Abs. 3 AVG). Die Bewilligung wird unbefristet erteilt und berechtigt zum Personalverleih in der ganzen Schweiz (Art. 15 Abs. 1 AVG). Der Bundesrat erlässt nach Anhörung der Kantone und der beteiligten Organisationen die Ausführungsbestimmungen (Art. 41 Abs. 1 AVG).

2.3 Art. 2 Abs. 6 BGBM bezweckt eine Erhöhung der beruflichen Mobilität und Intensivierung des Wettbewerbs, werden doch durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 2 BGBM einschränkende kantonale Regulierungen zugunsten liberaler Regelungen zurückgedrängt (Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung, 4. Aufl., Bern 2006, § 14 N. 23). Art. 2 Abs. 6 BGBM will lediglich ausschliessen, dass ein Kanton die Geschäftstätigkeit einer Unternehmung oder einer Person einer Bewilligungspflicht unterstellt, wenn diese Geschäftstätigkeit aus einem anderen Kanton heraus auch im eigenen Kanton angeboten wird, der andere Kanton aber bereits festgestellt hat, dass die Geschäftstätigkeit mit dem Bundesrecht übereinstimmt und mithin festgestellt hat, dass keine Bewilligung erforderlich ist, oder aber ihren Marktzutritt bewilligt hat. Art. 2 Abs. 6 BGBM schliesst aber nicht aus, dass der Bundesgesetzgeber selbst Bestimmungen erlässt, wonach in jenem Kanton eine Bewilligung eingeholt werden muss, in welchem eine Geschäftstätigkeit einer Unternehmung über eine Zweigniederlassung, Betriebsstätte oder Filiale ausgeübt wird, wenn sich diese in einem anderen Kanton als dem Hauptsitzkanton befindet. Genau eine solche Bewilligungspflicht sieht das AVG vor, indem für gewerbsmässigen Arbeitsverleih eine Betriebsbewilligung des kantonalen Arbeitsamtes eingeholt werden muss und auch Zweigniederlassungen, die in einem anderen Kanton liegen als der Hauptsitz, ausdrücklich eine Betriebsbewilligung benötigen. Zweck dieser Bestimmung ist, dass den kantonalen Behörden der direkte Zugriff auf fehlbare Personalverleiher ermöglicht wird (Botschaft zum revidierten Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und dem Personalverleih, BBl 1985 III 556 Ziff. 233.1, S. 610).

2.4 Gestützt auf diese Überlegungen wird ersichtlich, dass der Kanton St. Gallen lediglich feststellen konnte, die Geschäftstätigkeit, welche die Beschwerdeführerin über die Adresse/Filiale in St. Gallen abwickelt, unterstehe keiner Bewilligungspflicht. Soweit jedoch eine (bewilligungspflichtige, was noch zu prüfen sein wird) Verleihtätigkeit im Kanton Thurgau besteht, kann diese Bewilligung hier nicht verbindlich sein, da ansonsten die Bestimmung, wonach Zweigniederlassungen in einem anderen Kanton als jenem des Hauptsitzes eine eigene Betriebsbewilligung benötigen, keinen Sinn machen würde (Art. 12 Abs. 3 AVG). Daran ändert auch nichts, dass die Bestimmung aus dem BGBM zeitlich erst nach Art. 12 Abs. 3 AVG erlassen wurde.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, sie solle gezwungen werden, im Kanton Thurgau eine Zweigniederlassung einzutragen. Hierfür fehle es jedoch an der gesetzlichen Grundlage. Die Beschwerdeführerin werde durch eine solche Auflage massiv in ihrer Wirtschaftsfreiheit tangiert. Dabei habe sich das AWA in unzulässiger Weise auf die Weisungen des SECO gestützt, denen kein Gesetzescharakter zukomme.

3.2 Die Rechtsprechung orientiert sich zumindest als Hilfskriterium für Abgrenzungsfragen beim AVG auch an den Weisungen und Erläuterungen zum Arbeitsvermittlungsgesetz des SECO (Urteil des Bundesgerichts 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 3.5). Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanz in ihrem Entscheid - auch im Sinne einer rechtsgleichen Behandlung gleichgelagerter Fälle in der ganzen Schweiz - ebenfalls an diesen Weisungen orientiert hat, auch wenn ihnen kein Gesetzescharakter zukommt.

3.3 Art. 12 Abs. 3 AVG spricht mit Bezug auf die Bewilligungen einerseits vom Hauptsitz, andererseits von Zweigniederlassungen. In seinen Weisungen und Erläuterungen zum AVG führt das SECO auf S. 61 (i.V. mit S. 21 ff.) aus, je nach rechtlicher und wirtschaftlicher Struktur eines Unternehmens werde unterschieden zwischen Hauptsitz, Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung und Betriebsstätte. Tochtergesellschaften seien rechtlich vom Hauptsitz unabhängige Unternehmen und immer bewilligungspflichtig nach AVG. Als Zweigniederlassungen würden gemäss Rechtsprechung zu Art. 935 OR Betriebe gelten, die rechtlich zwar vom Hauptsitz abhängig seien, mithin zur gleichen juristischen Person oder Geschäftsstelle gehörten, wirtschaftlich jedoch eine gewisse Selbständigkeit aufwiesen und daher im Handelsregister eingetragen werden müssten. Nicht nur rechtlich selbständige Unternehmen, sondern auch Zweigniederlassungen seien bewilligungspflichtig. In Bezug auf das Bewilligungsverfahren werde unterschieden zwischen Zweigniederlassungen, die nicht im gleichen Kanton wie der Hauptsitz domiziliert seien, und solchen, die im gleichen Kanton wie der Hauptsitz lägen. Lediglich als Betriebsstätten würden demgegenüber Betriebsteile gelten, welche die Kriterien einer Zweigniederlassung nach Art. 935 OR mangels genügender wirtschaftlicher Selbständigkeit nicht erfüllten. Sie seien als zusätzliche Geschäftsadressen in der Bewilligung des Hauptsitzes respektive einer Zweigniederlassung aufzuführen. Betriebsstätten bedürften nur dann keiner eigenen Bewilligung, wenn sie in einem Kanton betrieben würden, in dem sich ausserdem entweder der Hauptsitz oder eine Zweigniederlassung befinde. Daraus folge, dass Betriebsstätten in einem Kanton, in dem weder ein Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung derselben Unternehmung ihren Sitz habe, nicht zulässig seien. Sie müssten ihre Tätigkeit einstellen oder zu einer eintragungsfähigen Zweigniederlassung aufgewertet werden und um eine eigenständige Bewilligung ersuchen.

3.4 Der Sinn der Bestimmung von Art. 12 Abs. 3 AVG, der nur von Zweigniederlassungen und Hauptsitz spricht, ist offensichtlich. Es geht darum, dass derjenige, der regelmässig und gegen Entgelt in einem anderen Kanton als dem des Hauptsitzes Arbeit vermittelt und lediglich eine Geschäftsstelle, Filiale, Betriebsstätte oder „zusätzliche Adresse“ unterhält, die für eine Zweigniederlassung in einem anderen Kanton als dem Hauptsitzkanton statuierte Bewilligungspflicht von Art. 12 Abs. 3 AVG nicht umgehen kann. Die Vorinstanz und das SECO folgern daher zu Recht daraus, dass einer blossen Geschäftsstelle, Filiale oder Betriebsstätte gar keine Bewilligung erteilt werden kann. Wenn und soweit die Beschwerdeführerin gewerbsmässig Arbeitsverleih von einer Adresse im Kanton Thurgau aus abwickeln will, kann sie dies bei ausserkantonalem Hauptsitz lediglich dann tun, wenn sie im Kanton Thurgau eine eigene Zweigniederlassung unterhält. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen die Beschwerdeführerin verpflichten, ihre Betriebsstätte in O zu einer eintragungsfähigen Zweigniederlassung aufzuwerten. Dies ist logische Folge der Bestimmung von Art. 12 Abs. 3 AVG. Es verstösst daher nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV, wenn von der Beschwerdeführerin verlangt wird, eine eintragungsfähige Zweigniederlassung zu errichten. Ohne eine solche Zweigniederlassung darf die Beschwerdeführerin überhaupt keine geschäftlichen Aktivitäten vom Kanton Thurgau aus ausführen.

4. (Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör)

5.
5.1 Der Bundesrat hat von seiner Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen im Sinne von Art. 41 Abs. 1 AVG Gebrauch gemacht. In der AVV definiert er, dass als Verleiher gilt, wer einen Arbeitnehmer einem Einsatzbetrieb überlässt, indem er ihm Weisungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitnehmer abtritt. Die Weisungsbefugnis muss dabei nicht vollständig beim Dritten liegen; vielmehr reicht für das Bestehen eines Personalverleihverhältnisses die Übertragung wesentlicher Weisungsbefugnisse auf den Dritten (Art. 26 AVV). Das Weisungsrecht zwischen dem rechtlichen Arbeitgeber (Personalverleiher) und dem Einsatzbetrieb wird aufgespalten. Gemäss Art. 29 Abs. 1 AVV verleiht gewerbsmässig Arbeitskräfte, wer Arbeitnehmer Einsatzbetrieben regelmässig mit der Absicht überlässt, Gewinn zu erzielen oder mit seiner Verleihtätigkeit einen jährlichen Umsatz von mindestens Fr. 100‘000.-- erzielt. Die erforderliche Regelmässigkeit liegt gemäss Art. 29 Abs. 2 AVV vor, wenn mit Einsatzbetrieben innerhalb von zwölf Monaten mehr als zehn Verleihverträge bezüglich des ununterbrochenen Einsatzes eines einzelnen oder einer Gruppe von Arbeitnehmenden abgeschlossen werden (Urteil des Bundesgerichtes 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 3.1).

5.2
5.2.1 Im Rahmen des Verleihvertrages verpflichtet sich der Personalverleiher demnach nicht zur Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung, die er durch Hilfspersonen ausführen lässt, sondern vielmehr dazu, dass er entsprechende Arbeitnehmer sorgfältig auswählt und gegen Entgelt dem Einsatzbetrieb unter Einräumung wesentlicher Weisungsbefugnisse überlässt (Botschaft zum revidierten Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih, BBl 1985 III 556 Ziff. 233.11; Drechsler, Personalverleih: unscharfe Grenzen, in AJP 3/2010, S. 315). Der wesentliche Unterschied zwischen Personalverleih und einem Auftragsverhältnis besteht darin, dass beim Auftrag kein Subordinationsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne zwischen dem Dienstleistungserbringer und dem Empfänger der Dienstleistung besteht. Der Beauftragte sucht und akquiriert seine Einsätze für sich selbst und ist für verschiedene Auftraggeber gleichzeitig tätig, ohne von einem einzigen Auftraggeber wirtschaftlich oder organisatorisch abhängig zu sein. Demgegenüber ist der durch Personalverleih entliehene Arbeitnehmer den Weisungen des Dritten bzw. des Arbeitsbetriebes unterstellt: Er wird in die Betriebsorganisation eines Dritten eingegliedert, wobei Letzterem dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, Personen wie Arbeitnehmer zu beschäftigen, ohne mit ihnen ein Arbeitsverhältnis einzugehen; das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher besteht fort (Urteil des Bundesgerichts 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 3.2).

5.2.2 Ob die von der Beschwerdeführerin angebotenen Dienstleistungen als bewilligungspflichtiger Personalverleih zu qualifizieren sind oder ob es sich dabei um andere Arten von Dienstleistungen handelt, die von einem Dritten erbracht werden, ergibt sich nach bundesgerichtlicher Praxis aus einer Abgrenzung im Einzelfall. Massgeblich ist hierbei der Inhalt des Vertrags und die Umschreibung der konkreten Tätigkeit im Einsatzbetrieb. Hingegen kann die Bezeichnung des Vertrags durch die Parteien nicht entscheidend sein. Zur Abgrenzung des Vorliegens eines Personalverleihverhältnisses gegenüber einer anderen Vertragsart können folgende Kriterien herangezogen werden: Der Dritte bzw. Einsatzbetrieb verfügt über keinerlei, das heisst auch über keine geteilte Weisungsbefugnis; der Arbeitnehmer bedient sich keiner Werkzeuge, Utensilien oder weiterer Materialien im Einsatzbetrieb; der Arbeitnehmer arbeitet nicht ausschliesslich am Sitz und im Rahmen der Arbeitszeiten des Einsatzbetriebes; der primäre Zweck des Vertragsverhältnisses besteht nicht in einer Verrechnung von Einzelstunden, sondern in einer klar definierten Arbeitsleistung (bzw. eines Arbeitsziels) für eine bestimmte Vergütung; der Unternehmer haftet im Fall einer Nichterfüllung dem Einsatzbetrieb für Nachbesserung oder Preisminderung (Urteil des Bundesgerichts 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 3.5). Die Verpflichtung zur Abrechnung der konkret geleisteten Arbeitsstunden (ohne Festpreis für eine Leistung) spricht für ein Verleihverhältnis; Gleiches gilt, wenn dem Einsatzbetrieb lediglich für gute Auswahl des Arbeitnehmers gehaftet wird, nicht aber für einen vertraglich vereinbarten Erfolg, mithin bei Nichterreichung des Ziels keine unentgeltliche Nachbesserung zu erfolgen hat oder auch keine Preisreduktion möglich ist (SECO, Weisungen und Erläuterungen zum AVG, Bern 2003, S. 66 ff.).
Auch Betreuungs- und Hausdienstleistungen können grundsätzlich vom AVG erfasst werden. Ob eine Betreuungsorganisation unter die Bewilligungspflicht des AVG fällt, ist aufgrund der konkret vereinbarten Tätigkeit zwischen der betreffenden Organisation und den Kunden sowie den tatsächlichen Gegebenheiten beim Dritten bzw. im Einsatzbetrieb zu beurteilen. Die Tätigkeit kann in solchen Fällen bewilligungspflichtig sein, wenn der Privathaushalt, welcher die Dienstleistung in Anspruch nimmt, in einem konkreten Fall das „zumindest geteilte“ Weisungsrecht im Sinne eines Arbeitgebers ausübt. Ebenso soll Gewerbsmässigkeit vorliegen (Regelmässigkeit und Gewinnabsicht oder ein Jahresumsatz von Fr. 100‘000.--). Zudem muss der Privathaushalt, als Nutzniesser von Dienstleistungen, als Einsatzbetrieb oder „Dritter“ bezeichnet werden können. Demgegenüber besteht keine Bewilligungspflicht, wenn die Person, welche die Dienstleistung in Anspruch nimmt, kein derartiges Weisungsrecht ausüben kann, das Pflegepersonal nach den eigenen Fachkenntnissen arbeitet oder das Rechtsverhältnis einen Auftrag oder Werkvertrag darstellt (Urteil des Bundesgerichts 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 3.6). Hinsichtlich des Übergangs des Weisungsrechts ist für Betreuungs- und Haushaltsdienste speziell zu beachten, dass es Kunden bzw. Patienten jederzeit frei steht, in medizinische Eingriffe einzuwilligen oder diese zu verweigern und letztlich selbst über die Behandlung zu bestimmen; ein so verstandenes Weisungsrecht bzw. das Recht auf Selbstbestimmung besteht, ungeachtet der Qualifikation der Rechtsbeziehung als Auftragsverhältnis, als Personalverleih oder als anderer Vertrag. Das hier interessierende Weisungsrecht ist demgegenüber in einem weiteren, arbeitsrechtlichen Sinne zu verstehen: Es verlangt, dass ein Teil der Weisungsbefugnisse, wie sie sonst basierend auf Art. 321d OR dem Arbeitgeber zur einseitigen konkretisierenden Bestimmung des Arbeitsvertrages zukommt, auf den Kunden übergehen. Dieser kann demnach weitergehende Anordnungen über die Ausführungen der Arbeiten und das Verhalten der Hilfskraft im Haushalt treffen, als dies im Rahmen der Erfüllung des Auftrags möglich wäre. Für die Frage, ob Personalverleih vorliegt, ist bei hauswirtschaftlichen und sozialbetreuerischen Leistungen darauf abzustellen, inwiefern eine solche Leistung durch die Unternehmung planbar ist, dass eine konkretisierende Weisung durch den Klienten nicht mehr erforderlich erscheint. Aber auch bei den hauswirtschaftlichen Leistungen muss sich das Personal auf den aktuellen Bedarf einstellen. Im Einzelfall wird entscheidend sein, wie konkret die Aufgabe im Pflegevertrag definiert wurde bzw. definiert werden kann. Ebenso ist von Bedeutung, wer die Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellt sowie, ob der Klient sein Weisungsrecht ausüben kann (Eggenberger, Spitexdienste unter dem Aspekt des Personalverleihs, Masterarbeit an der Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen [HSG] 2013, S. 25 und 44). Das Bundesgericht hat den Übergang in der Weisungsbefugnis im Sinne einer bewilligungspflichtigen Arbeitsvermittlung bejaht in einem Fall, in welchem die im Einsatzbetrieb geleisteten Tätigkeiten hauptsächlich in der Erbringung von Haushalts- und Betreuungsdiensten im Rahmen einer vollständigen Einordnung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin in den Kundenbetrieb nach den individuellen Bedürfnissen und Wünschen der Kunden bestand (Urteil des Bundesgerichts 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 4).

5.3
5.3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, im Rahmen einer neuen Mandatierung würden die Bedürfnisse des Kunden mit diesem (oder zusammen mit seinen Angehörigen) vor Ort durch die Pflegedienstleitung abgeklärt. Die zu erbringenden Leistungen würden festgelegt. Basierend darauf und auf den ermittelten Allgemeinzustand werde den Mitarbeitern der Beschwerdeführerin einerseits eine detaillierte Hilfe- und Pflegeplanung und andererseits ein Leistungsblatt erstellt, nach welchen sich die Pflegepersonen zu richten hätten. Mit diesem Planblatt werde eine individuelle Stellenbeschreibung für die einzelnen, den Kunden betreuenden Mitarbeiter aufgesetzt.

5.3.2 Die Beschwerdeführerin hat diverse Vereinbarungen mit Kunden (Auftragsbestätigungen) ins Recht gelegt. Hierzu hielt das verfahrensbeteiligte Amt fest, bei Frau A werde auch Haushaltshilfe angeboten, wobei die vereinbarten Einsatzzeiten jederzeit angepasst werden könnten. Bei der Kundin B werde ausdrücklich festgehalten, die Einsatzzeiten für die Haushaltshilfen würden direkt mit der Mitarbeiterin der Beschwerdeführerin abgesprochen. Beim Kunden C wurde ebenfalls festgehalten, die Einsatzzeiten für die Betreuung würden direkt mit den Mitarbeitenden der Beschwerdeführerin abgesprochen. Zumindest teilweise lässt sich den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin, welche zum integrierenden Bestandteil des Vertragsverhältnisses zwischen Kunde und Beschwerdeführerin erklärt werden, entnehmen, dass die Mitarbeiterinnen der Beschwerdeführerin verpflichtet sind, sich den Weisungen des Kunden zu unterziehen. Den Allgemeinen Geschäftsbedingungen lässt sich auch entnehmen, dass sich die Arbeitszeiten generell nach den Gepflogenheiten des Kunden richten (Ziff. 5 der AGB). Weiter wird in sämtlichen AGB, teilweise auch in den Auftragsbestätigungen selbst, darauf verwiesen, dass die AGB sich nach dem AVG richten würden. Der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 10. Mai 2013, welche an das verfahrensbeteiligte Amt gerichtet war, lagen „Anweisungen an die Angestellten nach Abklärung“ bzw. eine Stellenbeschreibung Gesundheits- und Krankenpflege bei C und D bei. Der Stellenbeschrieb für C ist für diverse Funktionen ganz allgemein gehalten. Hinsichtlich spezieller Vereinbarungen mit der Stelleninhaberin wurde für den Haushaltsplan lediglich „Aufräumen, Ordnung, Küche, Mittagessen kochen“ erwähnt, ohne dies in irgendeiner Art und Weise genauer zu definieren. Unter „speziell“ wurde darüber hinaus vermerkt, die Mitarbeiterin sei im Oktober 2010 durch Frau E, Lebenspartnerin des Kunden, in das Aufgabengebiet eingeführt worden. Der Stellenbeschrieb für die Tätigkeiten bei D ist ebenfalls lediglich in einem Formular und sehr allgemein festgehalten. Das im vorinstanzlichen Verfahren mit der Replik eingereichte Formular „Hauswirtschaft“ Kundennr. 290 weist darauf hin, dass diverse Tätigkeiten (Waschen, Bügeln) nach Absprache mit der Ehefrau erfolgen sollen. Putzmittel und Putzgeräte würden nicht fehlen, es sei der Einkauf zu erledigen und das Mittagessen für zwei Personen zuzubereiten.

5.3.3 Die Hilfe- und Pflegeplanung hält zwar teilweise recht detailliert fest, welche Hilfeleistungen wie häufig zu erbringen sind. Wie diese vor Ort beim Kunden umzusetzen sind, bleibt jedoch einigermassen offen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Leistungsplanblatt, auch wenn darin erwähnt wird, wieviel Zeit eine Mitarbeiterin für die jeweiligen Aufgaben (Bett frisch beziehen, Waschen Hand/Maschine, Bügeln, Flicken, Aufräumen, Ordnung, Küche/Bad reinigen, Abfall/Altpapier entsorgen, Mittagessen kochen etc.) aufwenden soll und darf. Den drei eingereichten Stellenbeschrieben lassen sich ebenso nur die einzelnen Tätigkeiten entnehmen, wobei offensichtlich jeweils die Mitarbeiterin der Beschwerdeführerin durch den Kunden bzw. einen seiner Angehörigen in das Aufgabengebiet eingeführt wurde, was sich jeweils der letzten Seite des Stellenbeschriebs entnehmen lässt. Die Abrechnung gegenüber dem Kunden erfolgt offensichtlich nach Arbeitsstunden und nicht zu einem Festpreis für die nach Angaben der Beschwerdeführerin konkret vereinbarte Leistung, was ebenso für Verleihtätigkeit spricht wie der Umstand, dass offensichtlich Materialien zumindest auch vom Kunden selbst zur Verfügung gestellt werden und die Beschwerdeführerin grundsätzlich einzig für die sorgfältige Auswahl der Mitarbeiterinnen haftet. Abgesehen davon können diese durch den Kunden innert vier Arbeitsstunden zurückgewiesen werden, wenn sie den Anforderungen nicht gewachsen sind. Unentgeltliche Nachbesserung oder eine Preisreduktion bei mangelhafter Leistungserbringung in der Zeit danach ist vertraglich nicht vorgesehen. Im Übrigen bietet die Beschwerdeführerin noch eine Haftpflichtversicherung „Versicherungsschutz für grobfahrlässig verursachte Schäden“ an.

5.3.4 Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass die durch die Mitarbeiterin der Beschwerdeführerin vor Ort auszuübenden Tätigkeiten jeweils lediglich im Grundsatz und pauschal umschrieben sind, teilweise sogar ausdrücklich nach Absprache mit dem Ehepartner zu erfolgen haben. Daran ändert nichts, dass Uhrzeiten, Wochentage und Anzahl der Wiederholungen der Tätigkeit erwähnt werden. Vor Ort müssen die Tätigkeiten zwingend mit dem Kunden und/oder Angehörigen detailliert besprochen werden, insbesondere wie die allgemein formulierten Tätigkeiten genau auszuüben sind. Dies gilt sowohl für Reinigungsarbeiten und Aufräumen, insbesondere aber auch für die Zubereitung von Mahlzeiten und den Einkauf. Weitere Abklärungen dazu erübrigen sich daher. Mit den vorliegenden Dokumenten ist klar erstellt, dass der Kunde und/oder seine Angehörigen erhebliche Weisungsbefugnisse hinsichtlich der Umsetzung der Haushaltstätigkeiten gegenüber der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin haben. Die Beschwerdeführerin lässt denn auch nur vage ausführen, Weisungen würden erteilt, dies geschehe jedoch in der Praxis kaum. Diese Weisungsbefugnisse gehen offensichtlich aber weit über ein Auftragsverhältnis hinaus und haben arbeitsverhältnisähnlichen Charakter. Damit ist das Kriterium der Verleiharbeit, wonach dem Kunden wesentliche Weisungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin zustehen, zweifellos gegeben. Unerheblich bleibt in diesem Zusammenhang, dass bei den hier zur Diskussion stehenden Vertragsverhältnissen zwischen Kunden und Beschwerdeführerin nicht von der vollständigen Einordnung des Mitarbeiters in den Kundenbetrieb die Rede ist. Immerhin hat aber auch die Beschwerdeführerin eine 24-Stunden-Betreuung für Kunden gemäss Angaben auf der eigenen Homepage immer noch im Angebot. Der Einwand der Beschwerdeführerin, ihr Geschäftsmodell sehe nicht vor, dass die im Einsatz stehenden Mitarbeiter Weisungen der Kunden oder ihrer Angehörigen empfingen, vermag die gegenteiligen Angaben in den eigenen Dokumenten der Beschwerdeführerin nicht zu entkräften. Zu Recht wies die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht von Bedeutung sei, ob tatsächlich Weisungen empfangen würden, wovon aber auszugehen ist. Diese Weisungsbefugnis bzw. der Umstand, dass Weisungsbefugnisse übertragen werden, ist ausreichend für das Vorliegen eines bewilligungspflichtigen Verleihgeschäfts. Zutreffend hielt die Vorinstanz daher fest, unerheblich sei, ob der Kunde selbst oder aber ein nahestehender Angehöriger diese Weisungsbefugnis ausübe.

5.4 Dass die Beschwerdeführerin eine Gewinnabsicht hegt, kann nicht ernsthaft verneint werden. Sie hält hierzu im Beschwerdeverfahren einzig fest, mit den Tarifen, für welche sie ihre Dienste anbiete, könne kaum von einer Gewinnmarge die Rede sein. Unbestritten blieben aber die Ausführungen des verfahrensbeteiligten Amtes in der Vernehmlassung an die Vorinstanz, wonach die Haushaltshilfe pro Stunde mit einem Betrag von Fr. 23.-- vergütet werde, während dem Patienten die Dienstleistung mit einem Stundenansatz von Fr. 33.-- bis Fr. 35.-- verrechnet würden. Die Marge von 43% entspreche der in der Personalverleih-Branche üblichen Gewinnmarge, woraus sich die Gewinnabsicht ergebe. Dem ist beizupflichten. Die Beschwerdeführerin räumt denn auch ein, dass ein Gewinn erzielt wird, wenn dieser auch sehr gering ausfalle. Die Gewinnabsicht ist damit erstellt. Damit bleibt aber die Frage des jährlichen Umsatzes für die Bewilligungspflicht unerheblich.

5.5
5.5.1 Zu prüfen bleibt einzig noch, ob Regelmässigkeit gegeben ist. Die Beschwerdeführerin verneint dies. Voraussetzung dafür ist, dass mit Einsatzbetrieben innerhalb von zwölf Monaten mehr als zehn Verleihverträge bezüglich des ununterbrochenen Einsatzes eines einzelnen oder einer Gruppe von Arbeitnehmenden abgeschlossen wurden (Art. 29 Abs. 2 AVV).
In ihrer Replik im Rekursverfahren hielt die Beschwerdeführerin fest, von den 27 Kunden seien gerade einmal 13 überhaupt gewillt oder in der Lage, der bei ihr Haushaltsdienst verrichtenden Kraft Weisungen zu erteilen. 14 Kunden seien dazu nicht in der Lage; Angehörige der Kunden würden entsprechende Entscheidungen treffen. Von den 13 Kunden, welche Weisungen erteilen könnten, würden 4 lediglich Spitexleistungen in Anspruch nehmen. Davon würden 3 Kunden in absehbarer Zeit keine Leistungen der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen. In der Beschwerdeschrift hielt die Beschwerdeführerin dann fest, dass nicht 14 Vertragsverhältnisse vorliegen würden, welche als Verleihverhältnisse qualifiziert werden könnten.

5.5.2 Die Ausführungen der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vom 3. Oktober 2014 decken sich mit der von der Beschwerdeführerin selbst eingereichten Kundenliste. Daraus ergibt sich, dass Haushaltsdienstleistungen von Kunden, welche selber Entscheide fällen, bei den Vertragsbeziehungen mit den Kundennummern (… [9 Kunden]) vorliegen, in Anspruch genommen werden. Sodann werden Haushaltsdienstleistungen von Kunden in Anspruch genommen, bei welchen die Lebenspartnerin bzw. der Ehepartner Entscheidungsbefugnis hat, in den Fällen mit den Kundennummern (… [3 Kunden]) sowie im Fall eines Kunden, mit welchem ab 1. Oktober 2013 ein Vertragsverhältnis bestehen soll, welcher noch keine Kundennummer aufweist. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass die Kunden mit den Nummern XX und YY, welche in den obengenannten Verträgen nicht enthalten sind, nun keine Haushaltshilfe mehr in Anspruch nehmen sollten, verbleiben damit mehr als zehn Vertragsverhältnisse, in welchen Haushaltsdienstleistungen ausgeführt werden und bei welchen der Kunde selbst und/oder ein Lebenspartner Weisungs- und Entscheidbefugnis hat. Die Angaben der Vorinstanz in den Vernehmlassungen vom 3. Oktober 2014 werden denn auch nicht generell in Abrede gestellt; vielmehr beschränkt sich die Beschwerdeführerin darauf, auszuführen, ihr Geschäftsmodell sehe nicht vor, dass die im Einsatz stehenden Mitarbeiterinnen Weisungen der Kunden oder ihrer Angehörigen empfingen. Wenn in Art. 29 Abs. 2 AVV auch davon die Rede ist, es müssten „innerhalb von zwölf Monaten mehr als zehn Verleihverträge bezüglich des ununterbrochenen Einsatzes“ abgeschlossen werden, um das Kriterium der Regelmässigkeit zu erfüllen, so ist Folgendes festzuhalten: Einerseits wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass die Vertragsabschlüsse gemäss der von ihr eingereichten Kundenliste innerhalb von zwölf Monaten erfolgten, andererseits müssten Verleihverträge, welche langfristig für die Dauer von über einem Jahr abgeschlossen werden, ohnehin mitgezählt werden.

5.6 Gestützt auf all diese Umstände bejahte die Vorinstanz zu Recht die Bewilligungspflicht für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin von ihrer Adresse in O (TG) im Sinne von Art. 12 Abs. 1 und 3 AVG i.V. mit Art. 26 AVV (Verleihtätigkeit mit wesentlicher Weisungsbefugnis des Einsatzbetriebes gegenüber dem Arbeitnehmer) und Art. 29 AVV (Gewerbsmässigkeit durch Vorliegen von Gewinnabsicht und Regelmässigkeit des Personalverleihs). Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie vollumfänglich abzuweisen ist.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2014.198/E vom 18. März 2015

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