TVR 2015 Nr. 36
Privatanteil an den Fahrzeugkosten bei selbständiger Erwerbstätigkeit; „Mehrwertsteuer-Regel“
Bei der pauschalen Ermittlung des Privatanteils an den Fahrzeugkosten sind unselbständig und selbständig Erwerbende gleich zu behandeln. Anzuwenden ist die „Mehrwertsteuer-Regel“. In Ausnahmefällen bleibt der Veranlagungsbehörde eine Erhöhung des so ermittelten Privatanteils vorbehalten.
Der Rekurrent ist selbständig erwerbstätig als Karosseriespengler und besitzt vier Geschäftsfahrzeuge. Im Veranlagungsentscheid vom 17. Juli 2014 betreffend Steuerperiode 2013 erhöhte die Veranlagungsbehörde den vom Rekurrenten deklarierten Privatanteil an den Fahrzeugkosten von Fr. 1‘800.-- auf Fr. 3‘600.--. Zur Begründung führte sie an, der Rekurrent habe den Nachweis nicht erbracht, dass die Ermittlung des Privatanteils nach der sogenannten „Mehrwertsteuer-Regel“ den tatsächlichen Verhältnissen ausreichend Rechnung trage. Die dagegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 14. August 2014 abgewiesen. Die Steuerrekurskommission heisst den dagegen erhobenen Rekurs gut.
Aus den Erwägungen:
5. Bei selbständiger Erwerbstätigkeit wird der geschäftsmässig begründete Aufwand abgezogen (§ 30 Abs. 1 StG). (…) Benützt eine steuerpflichtige Person ein Fahrzeug sowohl für berufliche als auch für private Fahrten, sind die Aufwendungen anteilsmässig auf den beruflichen und den privaten Bereich aufzuteilen.
5.1 und 5.2 (…)
5.3 Auch der Privatanteil der Autokosten kann entweder aufgrund der tatsächlichen Kosten oder pauschal ermittelt werden. In der Praxis folgen die Kantone bei der pauschalen Ermittlung der Autokosten bei unselbständig Erwerbenden der von der Schweizerischen Steuerkonferenz und der Eidgenössischen Steuerverwaltung herausgegebenen Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung (Formular 11) vom 20. Januar 2010 (nachfolgend als „Wegleitung“ zitiert). Demnach beträgt der im Lohnausweis zu deklarierende Betrag pro Monat 0.8% des Kaufpreises (exklusiv Mehrwertsteuer), mindestens aber Fr. 150.-- pro Monat, wenn der Arbeitgeber sämtliche Kosten des Geschäftsfahrzeugs übernimmt und der Arbeitnehmer lediglich die Benzinkosten für grössere Privatfahrten am Wochenende oder in den Ferien zu bezahlen hat (Wegleitung, Rz. 21, nachfolgend als „MWST-Regel“ zitiert).
Neben der pauschalen Ermittlung besteht für die Steuerpflichtigen die Möglichkeit der effektiven Erfassung der Privatnutzung. Voraussetzung ist, dass die geschäftlich und privat gefahrenen Kilometer lückenlos in einem Bordbuch geführt werden (Wegleitung, Rz. 23).
5.4 Diese Methoden (pauschale Ermittlung oder Möglichkeit der effektiven Ermittlung mittels Bordbuch) werden denn auch von der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau bei unselbständig Erwerbenden angewandt (StP 19 Nr. 5). (…)
5.5 Eine Gleichbehandlung von selbständig und unselbständig Erwerbenden bezüglich der pauschalen Ermittlung des Privatanteils an den Fahrzeugkosten erfolgt in der Einschätzungspraxis diverser Kantone. Beispielsweise gilt im Kanton Zürich seit Erlass einer Weisung des kantonalen Steueramts sowohl bei Unselbständigerwerbenden als auch bei Selbständigerwerbenden grundsätzlich die MWST-Regel bei der pauschalen Ermittlung. In Ausnahmefällen bleibt eine Erhöhung des Privatanteils vorbehalten. Vorbehalten bleibt dem selbständig Erwerbenden zudem der Nachweis, dass er dem Geschäftsaufwand ausschliesslich die Kosten für geschäftlich bedingte Fahrten belastet bzw. den Aufwand für das Geschäftsauto um die tatsächlichen Kosten vermindert, die auf private Fahrten entfallen (Weisung Nr. 12/502 über die Ermittlung des Naturaleinkommens aus der Verwendung eines Geschäftsautos für private Fahrten bei Unselbständigerwerbenden und des Privatanteils an den Autokosten bei Selbständigerwerbenden vom 13. Oktober 2011).
Die gleiche Regelung gilt im Kanton Schwyz. (…) Auch im Kanton Bern wird für Selbständigerwerbende die MWST-Regel angewendet, wenn die Betriebskosten des sowohl privat als auch geschäftlich benützten Fahrzeugs nicht genau ausgeschieden werden können. (…)
Auch gemäss dem Merkblatt N1/2007 der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreffend Naturalbezüge von Selbständigerwerbenden ist für die Selbständigerwerbenden eine effektive und eine pauschale Ermittlung des Privatanteils an den Autokosten vorgesehen. (…) Falls die gesamten Betriebskosten des zum Teil privat genützten Fahrzeuges und die geschäftlich sowie privat zurückgelegten Kilometer anhand eines Bordbuches nicht nachgewiesen werden, ist der Privatanteil gemäss der MWST-Regel zu berechnen. Eine andere Methode der pauschalen Ermittlung als die MWST-Regel, wie dies die Vorinstanz vorgenommen hat, ist im Merkblatt nicht vorgesehen.
5.6 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zur Beurteilung von berufs- oder geschäftsmässig begründeten Aufwendungen dürfen bei unselbständig und selbständig Erwerbenden nicht grundsätzlich unterschiedliche Kriterien herangezogen werden (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl., Zürich 2009, Art. 26 N. 3 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung; Leuch/Nanzer, in: Leuch/Kästli/Langenegger [Hrsg.], Praxiskommentar zum Berner Steuergesetz, Band 1, Muri-Bern 2014, Art. 32 N. 8).
Daher rechtfertigt es sich nach Auffassung der Steuerrekurskommission unselbständig und selbständig Erwerbende bezüglich der Ermittlung des Privatanteils an den Autokosten - wie dies diverse Kantone bereits handhaben - gleich zu behandeln. Dies hat zur Folge, dass auch bei selbständig Erwerbenden bei der pauschalen Ermittlung die MWST-Regel anzuwenden ist. Dem Steuerpflichtigen steht indes, sofern er einen tieferen Privatanteil bzw. höhere geschäftsmässig begründete Kosten geltend machen will, die Möglichkeit offen, die effektiv privat bzw. geschäftlich gefahrenen Kilometer (beispielsweise mittels eines Bordbuches) nachzuweisen. Bei Anwendung der pauschalen Methode bleibt der Veranlagungsbehörde nur in Ausnahmefällen eine Erhöhung des Privatanteils vorbehalten. Ein Ausnahmefall kann etwa dann vorliegen, wenn ausser dem Steuerpflichtigen weitere Personen die Geschäftsfahrzeuge für private Zwecke verwenden oder wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Fahrzeugtyp (luxuriöses Fahrzeug) und der Geschäftstätigkeit besteht. Steht indes die Anzahl der deklarierten Geschäftsfahrzeuge in einem Missverhältnis zur Geschäftstätigkeit, ist dies dadurch zu korrigieren, dass eines oder mehrere Fahrzeuge nicht dem Geschäftsvermögen zuzuweisen sind.
Entscheid der Steuerrekurskommission vom 24. Juni 2015