Skip to main content

TVR 2016 Nr. 13

Steuerrechtlicher Wohnsitz


Art. 3 Abs. 1 DBG, Art. 3 Abs. 2 DBG, Art. 8 Abs. 2 DBG, § 7 StG, § 11 Abs. 2 StG


Damit der steuerrechtliche Wohnsitz in der Schweiz erlöschen kann, muss im Ausland zweifelsfrei ein neuer Wohnsitz begründet werden. Davon ist bei befristeten Auslandseinsätzen für die Armee oder vergleichbaren Einsätzen praktisch nie auszugehen.


T hielt sich vom 2. Oktober 2010 bis 15. Januar 2011 als Schweizer Militärbeobachter bei der United Nations Mission in Nepal (UNMIN) auf. Deshalb meldete er sich per 30. September 2010 bei seiner damaligen Thurgauer Wohnsitzgemeinde in F ab. Nachdem der Aufenthalt in Nepal vorzeitig beendet worden war, kehrte T für einen Einsatzvorbereitungskurs vom 31. Januar 2011 bis 4. Februar 2011 in die Schweiz zurück. Vom 24. März 2011 bis 23. März 2012 absolvierte T einen Einsatz bei der Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC) in Korea. Am 12. April 2012 meldete er sich wieder in F an. Am 2. Mai 2013 erliess die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau einen Steuerdomizilentscheid mit der Feststellung, T sei ab 26. November 1999 bis 31. Dezember 2012 unbeschränkt in F steuerpflichtig. Die dagegen erhobene Einsprache wies die kantonale Steuerverwaltung ab. T erhob dagegen Rekurs bzw. Beschwerde bei der Steuerrekurskommission, welche abgewiesen wurden. Gegen diesen Entscheid gelangte T beschwerdeweise ans Verwaltungsgericht, das ebenfalls abweist.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Laut § 7 StG sind natürliche Personen unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie im Kanton ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt haben. Steuerrechtlichen Wohnsitz hat, wer sich mit der Absicht dauernden Verbleibens hier aufhält oder nach Bundesrecht einen besonderen gesetzlichen Wohnsitz hat. Steuerrechtlicher Aufenthalt hat, wer hier ungeachtet vorübergehender Unterbrechung während mindestens 30 Tagen verweilt und im Kanton erwerbstätig ist (§ 7 Abs. 2 und Abs. 4 Ziff. 1 StG). Praktisch wortwörtlich identische Vorschriften enthält Art. 3 Abs. 1 bis 3 DBG. Für die Auslegung der kantonalen Bestimmung kann daher auf die bundesrechtlichen Vorschriften abgestellt werden (Urteil des Bundesgerichts 2C_855/2014 vom 11. September 2015 E 4.1). Die Steuerpflicht beginnt mit dem Tag, an dem der Steuerpflichtige in der Schweiz (direkte Bundessteuer) bzw. im Kanton (Staats- und Gemeindesteuern) steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt nimmt oder in der Schweiz respektive im Kanton steuerbare Werte erwirbt (Art. 8 Abs. 1 DBG und § 11 Abs. 1 StG). Die Steuerpflicht endet mit dem Tode oder dem Wegzug des Steuerpflichtigen aus der Schweiz bzw. dem Kanton oder mit dem Wegfall der in der Schweiz respektive dem Kanton gelegenen steuerbaren Werte (Art. 8 Abs. 2 DBG und § 11 Abs. 2 StG). Dabei genügt es für eine Wohnsitzverlegung ins Ausland aber nicht, die Verbindungen zum bisherigen Wohnsitz zu lösen. Entscheidend ist vielmehr, dass nach den gesamten Umständen ein neuer Wohnsitz begründet worden ist. Obschon das DBG zur Umschreibung des steuerlichen Wohnsitzes nicht mehr ausdrücklich auf das ZGB verweist, hat sich der rechtliche Gehalt dieses Begriffs nicht verändert und lehnt sich weitgehend an den Wohnsitzbegriff des ZGB an. Nach wie vor gilt grundsätzlich, dass niemand an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben kann. Gleichermassen bleibt der einmal begründete Wohnsitz grundsätzlich bis zum Erwerb eines neuen bestehen. Nicht entscheidend ist deshalb, wann sich der Steuerpflichtige am bisherigen Wohnort abgemeldet oder diesen verlassen hat. Begibt er sich ins Ausland, so hat er die direkte Bundessteuer zu entrichten, bis er nachweisbar im Ausland einen neuen Wohnsitz begründet (BGE 138 II 300 E. 3.3 mit Hinweisen).

2.2 Der steuerrechtliche Wohnsitz einer Person befindet sich demnach dort, wo der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liegt. Die „Absicht dauernden Verbleibens“ setzt nicht voraus, dass die steuerpflichtige Person an einem Ort für immer oder doch für unbestimmte Zeit verbleibt. Es genügt, den Aufenthaltsort bis auf Weiteres zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen und ihm dadurch eine gewisse Stabilität zu verleihen, selbst wenn mit der Möglichkeit des Wechselns aus bestimmten Gründen zu rechnen ist oder sogar feststeht, dass der Aufenthalt nach einiger Zeit wieder aufhört. Dagegen ist ein bloss vorübergehender (Ausland-)Aufenthalt mit fortdauerndem Willen, den bisherigen Wohnort als Mittelpunkt der Lebensverhältnisse aufrecht zu erhalten, nicht geeignet, einen neuen Wohnsitz zu begründen (Urteil des Bundesgerichts 2C_678/2013, 2C_680/2013 vom 28. April 2014 E. 2.2). Bei der Bestimmung des Lebensmittelpunktes ist von objektiven, äusseren Umständen auf innere Tatsachen zu schliessen (Urteil des Bundesgerichts 2C_1267/2012 vom 1. Juli 2013 E. 3.2). Darüber kann gemeinhin kein klarer Beweis geführt werden, sondern es ist aufgrund von Indizien eine Gewichtung vorzunehmen. Hierzu ist eine sorgfältige Berücksichtigung und Würdigung sämtlicher Berufs-, Familien- und Lebensumstände notwendig (Urteil des Bundesgerichts 2C_397/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 2.4.2, in: StE 2011 A24.21 Nr. 22). Auf die bloss geäusserten Wünsche der steuerpflichtigen Person oder die gefühlsmässige Bevorzugung eines Ortes kommt es nicht an. Der steuerrechtliche Wohnsitz ist insofern nicht frei wählbar. Gleichermassen spielt das polizeiliche Domizil, an welchem die Schriften hinterlegt sind oder wo die politischen Rechte ausgeübt werden, keine entscheidende Rolle (BGE 132 I 29 E. 4.1). Das Bundesgericht hielt sodann in seinem Urteil 2C_855/2014 vom 11. September 2015 in E. 7.3 fest, es sei nichts dagegen einzuwenden, einen friedensfördernden Einsatz bei der NNSC analog der Praxis, wie sie für Swisscoy-Angehörige gelte, zu behandeln, wenn die Umstände des konkret zu beurteilenden Einsatzes nicht etwas anderes nahelegten. Das Kreisschreiben Nr. 1 der Schweizerischen Steuerkonferenz vom 30. Juni 2010, Ziff. 2, auf welches das Bundesgericht in seinem Urteil 2C_855/2014 vom 11. September 2015 in E. 7.2 und 7.3 ausdrücklich Bezug nimmt, führt hierzu aus, obwohl sich Swisscoy-Angehörige zu Erwerbszwecken bis zu 18 Monate im Ausland aufhielten, begründeten sie dort keinen Wohnsitz, da die Absicht des dauernden Verbleibens am Einsatzort regelmässig fehle.

2.3 In sachverhaltlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer vom 2. Oktober 2010 bis 15. Januar 2011, also rund 3,5 Monate, als Schweizer Militärbeobachter bei der UNMIN im Einsatz stand und anschliessend in die Schweiz zurückkehrte, wo er einen Einsatzvorbereitungskurs in Stans besuchte. Vom 24. März 2011 bis 23. März 2012 absolvierte er dann einen Auslandseinsatz bei der NNSC in Korea, danach verweilte er wieder in der Schweiz zur Vorbereitung eines weiteren Einsatzes. Der Beschwerdeführer hatte sich per 30. September 2010 bei seiner damaligen Wohnsitzgemeinde F ab- und per 1. April 2012 wieder angemeldet. Der Beschwerdeführer stand während beider Auslandseinsätze in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis mit dem Bund. Bei den Einsätzen, die der Beschwerdeführer bei der UNMIN und bei der NNSC absolvierte, handelte es sich klar um befristete (maximal ein Jahr) Einsätze. Hier liegt der Unterschied zu einem Fall, den das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid VG.2013.33/E vom 26. Juni 2013 zu beurteilen hatte. In jenem Fall war von Anfang an ein Aufenthalt von drei Jahren in Saudi Arabien geplant, der dann aber letztlich doch nicht ganz so lange dauerte. Aufgrund dieser Tatsache sowie der weiteren Indizien schützte das Bundesgericht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei im Ausland ein neuer Wohnsitz begründet worden (Urteil des Bundesgerichts 2C_625/2013 vom 28. April 2014). Im Fall des Beschwerdeführers war ein Anschlusseinsatz nach dem Aufenthalt in Nepal nicht geplant, sondern ergab sich erst nach der Rückkehr in die Schweiz. Selbst wenn also die Absicht bestand, mehrere solche Dienste zu leisten, wird es steuerrechtlich betrachtet daher regelmässig nicht so sein, dass der Dienstpflichtige in einem bestimmten Land Wohnsitz nimmt. Es liegen auch keine Umstände vor, die einen gegenteiligen Schluss nahelegten. Die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer am 1. April 2012 wieder bei der Gemeinde F angemeldet hatte, zeigt, dass er nach seiner Rückkehr vom zweiten Einsatz grundsätzlich nicht die Absicht hatte, dauernd an einem Ort im Ausland zu verweilen. Ob sich dies in der Zwischenzeit möglicherweise mit dem Aufenthalt in Singapur geändert hat, kann offen bleiben und ist hier nicht zu beurteilen. Der Beschwerdeführer behauptet denn auch nicht, während der Zeit in Nepal oder in Korea tatsächlich einen neuen Wohnsitz im Sinne der zitierten Rechtsprechung begründet zu haben. Er führte lediglich aus, dass er die Absicht dazu hatte und Vorkehrungen traf, am neuen Ort länger zu verweilen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers, welche Vorkehrungen er in Bezug auf seinen Weggang ins Ausland getroffen hatte, genügen nicht für den Nachweis einer Wohnsitzbegründung im Ausland. Das gilt sowohl mit Bezug auf die Aufgabe seines Kassieramtes im Danceclub als auch auf die Abklärungen hinsichtlich einer Erwerbstätigkeit der Freundin in Korea oder eines Umzugs der Freundin nach Nepal, der letztlich auch gar nie zustande gekommen ist. Wie das Bundesgericht in BGE 138 II 300 festhielt, genügt es nicht, den bisherigen Wohnsitz aufzugeben. Es muss ein neuer Wohnsitz im Ausland begründet werden, was beim Beschwerdeführer gerade nicht der Fall war. Die effektive Aufenthaltsdauer in Nepal war ohnehin zu kurz. Seine Rückkehr nach dem Nepal-Aufenthalt und die Vorbereitung auf einen neuen, zeitlich wiederum limitierten Einsatz in Korea und die Anmeldung in F nach der Rückkehr aus Korea zeigen zudem, dass kein Wohnsitz im Ausland begründet worden war, selbst wenn der Beschwerdeführer möglicherweise am Anfang vorhatte, sich für längere Zeit und für mehrere Einsätze hintereinander zu verpflichten. Daher spielt es auch keine Rolle, ob die Fahrzeuge im Besitz des Beschwerdeführers auf seinen Namen lauteten oder nicht. Ebenso wenig ist ein Indiz, dass der Beschwerdeführer mit seinen Verwandten und Freunden nur noch über Telefon und Skype kommunizierte. Dies ist in der heutigen Zeit bei jeder Art von Auslandaufenthalten ohnehin üblich. Auch der Hinweis auf einen Wohnungsbezug in Nepal respektive Korea ausserhalb des UN-Camps hilft ihm nicht weiter. Auch wenn sich der Beschwerdeführer ausserhalb des Camps eine Wohnung genommen hatte, ist es nur schwer denkbar, dass bei einem friedensfördernden Einsatz der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen an den Einsatzort verlegt wird. Dem steht nämlich entgegen, dass es sich dabei um Entsendungen in Krisengebiete handelt, die zudem regelmässig auf einem zeitlich begrenzten Dienstverhältnis mit der Schweizer Armee gründen. Ein dauernder Verbleib ist daher bei solchen Missionen in aller Regel nicht gegeben, weshalb im rechtlichen Sinn auch keine Absicht des dauernden Verbleibs entstehen kann, wie sie zur Begründung eines Wohnsitzes notwendig wäre. Wie bereits erwähnt, müsste der Beschwerdeführer im Ausland zweifelsfrei einen neuen Wohnsitz begründen, damit der steuerrechtliche Wohnsitz in der Schweiz erlöschen könnte. Davon ist - wie bereits erwähnt - mit Blick auf das Urteil 2C_855/2014 vom 11. September 2015 bei befristeten Auslandseinsätzen für die Armee oder in vergleichbaren Einsätzen praktisch nie auszugehen, so auch im vorliegenden Fall. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.144/E vom 2. Dezember 2015

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.