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TVR 2016 Nr. 15

Realisierungszeitpunkt stiller Reserven; definitive Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit


Art. 18 Abs. 1 DBG, Art. 18 Abs. 2 DBG, Art. 37 b DBG, § 20 Abs. 1 StG, § 38 b StG


1. Wenn ein Einzelunternehmer für seine Unternehmung Buch geführt hat, ist beim Verkauf der Unternehmung für die Bestimmung des Realisationszeitpunktes der stillen Reserven - unabhängig davon, ob die Einzelunternehmung buchführungspflichtig war - die Soll-Methode massgeblich. Sofern die Erfüllung der Forderung nicht als besonders unsicher zu bezeichnen ist, ist der Realisationszeitpunkt der Zeitpunkt des Forderungserwerbs (E. 3).

2. Ob eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben wurde, damit eine privilegierte Besteuerung nach Art. 37b DBG bzw. § 38b StG erfolgen kann, beurteilt sich nach den vom Steuerpflichtigen eingereichten Buchhaltungsabschlüssen, bei denen er sich behaften lassen muss (E. 4).


R betrieb bis 2010 eine Einzelunternehmung mit dem Zweck „Spenglerei und sanitäre Installationen“. Mit Kaufvertrag vom 28. September 2010 übertrug er „die Aktivposten Fahrzeuge, Maschinen, Geräte, EDV, Einrichtungen, Materialvorräte und angefangene Arbeiten“ an Z. Als Vollzugsdatum wurde der 1. Januar 2011 vereinbart. Gemäss Kaufvertrag wurde ein Kaufpreis von Fr. 550‘000.-- festgesetzt, der im Betrage von Fr. 350’00.-- am 1. Januar 2011 an R zu überweisen war. Sodann gewährte R in Höhe von Fr. 200‘000.-- Z ein zinsloses Darlehen, welches zusätzlich in einem separaten Darlehensvertrag geregelt wurde. In diesem Darlehensvertrag wurde vereinbart, dass Z „als Sicherheit für den Darlehensgeber“ eine Todesfall/Invaliditäts­versicherung abschliesst. Eine entsprechende Verpflichtung zum Abschluss einer solchen Versicherung war auch im Kaufvertrag geregelt. Weiter wurde im Kaufvertrag vereinbart, dass R weiterhin als Brunnenmeister tätig sei und dafür sowie für Unterhaltsarbeiten an den eigenen Liegenschaften die Einrichtungen des Käufers benützen könne. Für das Jahr 2010 veranlagte die Kantonale Steuerverwaltung in der Folge die Eheleute R für die Staats- und Gemeindesteuern mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 299‘100.-- und für die direkte Bundessteuer mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 294‘200.--. Dabei wurden die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 274‘643.-- gemäss der Erfolgsrechnung 2010 übernommen. Gemäss den Buchhaltungsabschlüssen für die Jahre 2011 und 2012 erzielte R mit seiner Einzelunternehmung „Sanitäre Anlagen / Spenglerei“ im Jahr 2011 einen Gewinn von Fr. 193‘212.60 und im Jahr 2012 einen Gewinn von Fr. 43‘731.09. Am 11. November 2013 teilte die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau den Eheleuten R mit, es werde ein Nachsteuerverfahren betreffend direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern für die Steuerperiode 2010 eingeleitet. Mit zwei Nachsteuerverfügungen wurde für das Steuerjahr 2010 der Steuerbetrag für die Staats- und Gemeindesteuern für die einfache Steuer zu 100% von bisher Fr. 20‘446.75 auf neu Fr. 64‘804.05 und für die direkte Bundessteuer von bisher Fr. 25‘592.-- auf neu Fr. 90‘592.-- festgesetzt. Dabei zog die Steuerverwaltung vom Verkaufserlös von Fr. 550‘000.-- eine Rückstellung für die AHV-Beiträge von Fr. 50‘000.-- ab und rechnete den Betrag von Fr. 500‘000.-- zu den steuerbaren Einkünften hinzu, was zu einem steuerbaren Einkommen bei der Staats- und Gemeindesteuer von Fr. 799‘100.-- bzw. bei der direkten Bundessteuer von Fr. 794‘200.00 führte. Gegen diesen Entscheid erhoben die Eheleute R Einsprache, die abgewiesen wurde. Dagegen erhoben die Eheleute R Rekurs bzw. Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau, die mit separaten Entscheiden für die Staats- und Gemeindesteuern 2010 und für die direkte Bundessteuer 2010 abgewiesen wurden. Die dagegen erhobene Beschwerde weist das Verwaltungsgericht ebenfalls ab.

Aus den Erwägungen:

2. Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist offenbar eine Anfrage des Steueramtes S an den Treuhänder der Beschwerdeführer. Das Hilfsblatt zur Ermittlung des Liquidationsgewinns war dann am 1. Juli 2013 eingereicht worden. Einem Schreiben des Treuhänders der Beschwerdeführer kann entnommen werden, dass beim Zustellen der Steuererklärung 2010 festgehalten worden sei, der Liquidationsgewinn für den Verkauf des Sanitär-/Spenglereigeschäfts gehöre nicht in die Steuererklärung 2010, sondern sei mit einer separaten Liquidationsgewinnsteuerabrechnung zu erledigen. Die Steuerverwaltung leitete darauf hin das Nachsteuerverfahren ein. In einem weiteren Schreiben führte der Treuhänder der Beschwerdeführer aus, die stillen Reserven seien bei der Geschäftsübergabe als Liquidationsgewinn privilegiert und getrennt vom übrigen Einkommen zu besteuern. Sie würden nicht mit dem Eintritt des Liquidationsgrundes, sondern erst mit der Beendigung der materiellen Liquidation echt realisiert. Demgegenüber gelangte die kantonale Steuerverwaltung gemäss der Nachsteuerverfügung zur Auffassung, dass der Ertrag aus dem Verkaufsgeschäft vom 28. September 2010 im Jahr 2010 zu besteuern sei. Zudem war die Steuerverwaltung, wie sich aus der Rekursantwort ergibt, der Auffassung, die privilegierte Liquidationsgewinnbesteuerung sei grundsätzlich auszuschliessen, da die selbständige Erwerbstätigkeit bis mindestens 2012 fortgeführt worden sei.
Zu prüfen ist demnach zunächst, in welchem Jahr der Verkaufserlös aus dem Verkaufsgeschäft vom 28. September 2010 bei den Beschwerdeführern zu versteuern ist. Ergibt sich, dass die Besteuerung grundsätzlich im Jahr 2010 erfolgen muss, so ist weiter zu prüfen, ob eine gesonderte Besteuerung im Sinne von § 38b StG bzw. Art. 37 DBG zu erfolgen hat.

3.
3.1
3.1.1 Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte (§ 18 Abs. 1 StG, Art. 16 Abs. 1 DBG) mit Ausnahme der Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3 DBG). Bei selbständiger Erwerbstätigkeit sind insbesondere auch alle Einkünfte aus dem Betrieb eines Unternehmens, namentlich aus Handel, Industrie, Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft, aus freiberuflicher sowie jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar. Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit zählen auch Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen sowie Kapitalgewinne aus der Überführung von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen oder in ausländische Betriebe oder Betriebsstätten (§ 20 Abs. 1 und 2 StG, Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG). Die Einkommenssteuer wird für jede Steuerperiode festgesetzt und erhoben, wobei als Steuerperiode das Kalenderjahr gilt (§ 55 StG, Art. 40 DBG).

3.1.2 Ein Einkommen gilt nach steuerrechtlichen Grundsätzen dann als zugeflossen und ist damit als erzielt zu betrachten, wenn die steuerpflichtige Person Leistungen vereinnahmt oder einen festen Rechtsanspruch darauf erwirbt, über den sie tatsächlich verfügen kann. Voraussetzung des Zufliessens ist ein abgeschlossener Rechtserwerb, der Forderungserwerb oder Eigentumserwerb sein kann. Der Forderungserwerb ist in der Regel Vorstufe der Geldleistung. Bei diesem zweistufigen Erwerb erfolgt die Besteuerung entweder beim Forderungserwerb oder beim Eigentumserwerb. Vorherrschend ist in solchen Fällen die Besteuerung beim Forderungserwerb. Von diesem Grundsatz wird in der Steuerpraxis nur ausnahmsweise abgewichen; namentlich wenn die Erfüllung der Forderung - die Leistung - als unsicher betrachtet werden muss, wird mit der Besteuerung bis zur Erfüllung zugewartet (Urteil des Bundesgerichts 2A.250/2006 vom 11. Oktober 2006 E. 2.1, publ. in: StE 2007, B21.2, Nr. 24, E. 2.1 mit weiteren Hinweisen).

3.1.3 Bei der entgeltlichen Unternehmensnachfolge eines Einzelunternehmens durch ein Bargeschäft handelt es sich steuerlich betrachtet um eine echte Realisierung stiller Reserven auf Geschäftsvermögen des Übergebers. Im Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit haben sich in der Praxis für die Frage des Zeitpunkts der Realisation von Einkommen bzw. Kapitalgewinn drei Methoden etabliert, nämlich einerseits die Soll- und andererseits die Ist-Methode und dazwischen liegend die Mischmethode. Die Soll-Methode gilt für alle buchführungspflichtigen und freiwillig buchführenden Selbständigerwerbenden. Der Realisationszeitpunkt wird bei der Soll-Methode für Einzelunternehmen primär nach den Regeln des Vorsichts- und insbesondere des Realisationsprinzips des allgemeinen Buchführungsrechts bestimmt. Die Soll-Methode stellt für die Frage des Zufliessens eines Einkommens auf den Zeitpunkt des Forderungserwerbs ab, wonach ein Einkommen bzw. Kapitalgewinn in dem Zeitpunkt als erzielt gilt, in welchem die steuerpflichtige Person einen definitiven Anspruch auf die steuerbare Leistung erworben hat. Voraussetzung des steuerauslösenden Zuflusses ist demnach ein abgeschlossener Rechtserwerb, welcher Forderungserwerb oder Eigentumserwerb sein kann, wobei der Forderungserwerb in der Regel die Vorstufe des Eigentumserwerbs, nämlich der Geldzahlung, darstellt. Für den Forderungserwerb ist nicht primär der Bestand der Forderung entscheidend, welcher Vorbedingung der Einkommens- bzw. Kapitalgewinnrealisation ist, sondern vielmehr, dass die Forderung rechtlich und tatsächlich durchsetzbar, das heisst, fest und unentziehbar ist. Das bedeutet, dass der Anspruch auf die Leistung mit keinen für die Realisation bedeutenden Risiken mehr belastet sein darf. Es ist dies der Zeitpunkt, in welchem die Forderung nur noch den Risiken des Wertzerfalls und der künftigen Verpflichtung ausgesetzt ist. Bei der entgeltlichen Unternehmensnachfolge mittels Bargeschäft erfolgt der abgeschlossene Rechtserwerb bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmensnachfolgevertrags und ist auf diese Art unmittelbar Eigentumserwerb, sofern das Unternehmensnachfolgegeschäft unbedingt ist und die gegenseitigen Leistungen von Übergeber und Übernehmer Zug-um-Zug bei Abschluss des Unternehmensnachfolgevertrags erbracht werden. Werden die gegenseitigen Leistungen von Übergeber und Übernehmer Zug-um-Zug in einem späteren Zeitpunkt erbracht, ist zu unterscheiden. Allgemein ist der Anspruch des Übergebers auf die Bezahlung des Unternehmenspreises durch den Übernehmer vor Erbringung der eigenen Verpflichtung auf Übertragung des Einzelunternehmens mit hohen zivilrechtlichen Risiken behaftet, sodass die Erfüllung der Forderung vielfach unsicher erscheint. So kann beispielsweise die Leistung des Übergebers verschuldet oder unverschuldet teilweise oder vollständig unmöglich werden, womit dieser entweder schadenersatzpflichtig wird oder seine Forderung verliert. Diese Betrachtung hat zur Folge, dass sein Einkommen bzw. Kapitalgewinn grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt erzielt wird, in dem die gegenseitigen Leistungen von Übergeber und Übernehmer Zug-um-Zug erbracht werden. Dieser Realisationszeitpunkt ist jedenfalls dann massgeblich, wenn die Vertragserfüllung bei Vertragsabschluss besonders unsicher erscheint. Umgekehrt, und allgemein praktiziert, wird ein Einkommen bzw. Kapitalgewinn aus der Veräusserung von Geschäftsvermögen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als realisiert erachtet, sofern die Vertragserfüllung bei Vertragsabschluss nicht besonders unsicher erscheint. Die Realisation von Einkommen bzw. Kapitalgewinn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist bei reduzierter Unsicherheit auch mit dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip vereinbar, mit der Folge, dass das kaufmännische Vollständigkeitsprinzip vorgeht und die Forderung aus dem Unternehmensnachfolgegeschäft beim Übergeber bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszuweisen ist. Im Unterschied zum Bargeschäft erbringt der Übernehmer beim Kreditgeschäft seine Leistung, nämlich die Unternehmenspreiszahlung, erst nach der Übertragung des Einzelunternehmens durch den Übergeber, sodass zwischen Übergeber und Übernehmer eine Forderung bzw. ein klassisches Darlehen begründet wird. Der Zeitpunkt der Realisierung von Kapitalgewinnen beim Kreditgeschäft ist mit demjenigen beim Bargeschäft identisch. Das Darlehen ist Entgeltsform und Geldsurrogat und die Darlehensgewährung führt deshalb zu keiner zeitlichen Verzögerung des Zeitpunkts der Realisierung von Kapitalgewinnen (vgl. zum Ganzen: Meier-Mazzucato, Entgeltliche Unternehmensnachfolge von KMU mit Schwerpunkt steuerliche Aspekte, Bern 2009, S. 410 ff. und S. 426 ff. mit weiteren Hinweisen).

3.2
3.2.1 Im Lichte dieser Ausführungen lässt sich der Standpunkt der Beschwerdeführer, wonach die Realisierung bzw. Vertragserfüllung am 1. Januar 2011 massgebend sein soll, nicht halten. Dabei ist zu betonen, dass die Frage, wann eine Liquidation abgeschlossen ist (was für eine gesonderte Besteuerung nach § 38b StG bzw. Art. 37b DBG durchaus entscheidend sein kann), nichts mit der Frage zu tun hat, in welcher Steuerperiode ein im Rahmen einer Geschäftsübergabe erzielter Kapitalgewinn zu versteuern ist.
Unbestritten ist, dass der Kaufvertrag, mit welchem der Beschwerdeführer Aktiven seines Einzelunternehmens für den Betrag von Fr. 550‘000.-- verkaufte, am 28. September 2010 abgeschlossen worden war. Aufgrund der Umstände kann nicht gesagt werden, dass die Erfüllung dieses Kaufvertrags als besonders unsicher angesehen werden muss. Zum einen ist, auch wenn sich hierüber in den Akten keine Belege finden, davon auszugehen, dass, wie bei solchen Geschäften üblich, zumindest für den Betrag von Fr. 350‘000.--, welcher am 1. Januar 2011 fällig wurde, bei Abschluss des Kaufvertrags das Zahlungsversprechen einer Bank oder eine andere Sicherheit vorgewiesen werden musste. Die Beschwerdeführer machen denn auch nicht geltend, die Erfüllung des ersten Teils der Kaufpreisforderung von Fr. 350‘000.-- sei irgendwie unsicher gewesen. Zum andern ist darauf hinzuweisen, dass sich der Käufer am 28. September 2010 sowohl im Kaufvertrag als auch im Darlehensvertrag verpflichtete, zur Sicherung der Kaufpreisforderung für den Todesfall/Invaliditätsfall eine entsprechende Versicherung abzuschliessen.

3.2.2 Weil der Beschwerdeführer für seine Einzelunternehmung Buch geführt hat, ist für die Bestimmung des Realisationszeitpunktes - unabhängig davon, ob die Einzelunternehmung buchführungspflichtig war (wie vorstehend in E. 3.1.3 erläutert) - die Soll-Methode massgeblich. Da im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 28. September 2010 die Erfüllung dieses Kaufvertrags nicht besonders unsicher war, ist somit der Kapitalgewinn von Fr. 500‘000.-- als am 28. September 2010 realisiert zu betrachten, womit er in der Steuerperiode 2010 zu versteuern war.

4.
4.1 Die Beschwerdeführer verlangen, dass der Nettoerlös von Fr. 500‘000.-- aus dem Verkauf des Geschäfts gemäss § 38b StG bzw. Art. 37b DBG getrennt zu besteuern sei.

4.2
4.2.1 § 38b StG lautet wie folgt:
„Wird die selbständige Erwerbstätigkeit nach dem vollendeten 55. Altersjahr oder wegen Unfähigkeit zur Weiterführung infolge Invalidität definitiv aufgegeben, ist die Summe der in den letzten zwei Geschäftsjahren realisierten stillen Reserven getrennt vom übrigen Einkommen zu besteuern. Einkaufsbeiträge gemäss § 34 Absatz 1 Ziffer 6 sind abziehbar. Werden keine solchen Einkäufe vorgenommen, wird die Steuer auf dem Betrag der realisierten stillen Reserven, für den der Steuerpflichtige die Zulässigkeit eines Einkaufs gemäss § 34 Absatz 1 Ziffer 6 nachweist, in gleicher Weise wie Kapital­leistungen aus Vorsorge gemäss § 39 erhoben. Der Restbetrag der realisierten stillen Reserven wird zum Satz der einfachen Steuer von 5 Prozent besteuert.“
Art. 37b DBG ist sinngemäss identisch mit § 38b StG. Insbesondere ist der erste Satz von Art. 37b Abs. 1 DBG, der vorliegend interessiert, wörtlich identisch mit dem 1. Satz von § 38b Abs. StG.

4.2.2 Zu Art. 37b DBG hat der Bundesrat die LGBV erlassen. Art. 2 LGBV hält fest, dass als Liquidationsjahr dasjenige Geschäftsjahr gilt, in dem die Liquidation abgeschlossen wird. Das Kreisschreiben Nr. 28 der ESTV vom 3. November 2010 über die Besteuerung der Liquidationsgewinne bei definitiver Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit führt unter Ziff. 3 (S. 4) denn auch aus, der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation sei im Einzelfall zu klären. In der Regel sei eine Liquidation abgeschlossen, wenn die letzten Inkassohandlungen eingeleitet seien. Von diesem Zeitpunkt an können die in den letzten zwei Jahren aufgelösten stillen Reserven der Sonderbesteuerung nach Art. 37b DBG bzw. § 38b StG zugeführt werden. Voraussetzung für eine gesonderte Besteuerung ist aber in jedem Fall, dass die selbständige Erwerbstätigkeit nach dem vollendeten 55. Altersjahr oder wegen Unfähigkeit zur Weiterführung infolge Invalidität definitiv aufgegeben wird.

4.2.3 Die Auslegung von § 38b StG bzw. Art. 37b DBG hat im Sinne der vertikalen Steuerharmonisierung identisch zu erfolgen. Die ESTV hat im Kreisschreiben Nr. 28 zur Frage, wann eine selbständige Erwerbstätigkeit beendet wird, in Ziff. 2.1. ausgeführt, was folgt:
„Der Liquidationsgewinn aus der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit wird gemäss Artikel 37b DBG und LGBV besteuert, wenn die steuerpflichtige Person das 55. Altersjahr erreicht hat oder infolge Invalidität unfähig geworden ist, ihre selbständige Erwerbstätigkeit weiter auszuüben. Dies betrifft sowohl Einzelunternehmen als auch Beteiligungen an Personengesellschaften.
Die Besteuerung gemäss Artikel 37b DBG kommt nach dem Wortlaut des Gesetzes nur dann zur Anwendung, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit definitiv aufgegeben wird. Eine geringfügige selbständige Erwerbstätigkeit ohne feste Einrichtungen und ohne Personal soll jedoch auch nach der Anwendung von Artikel 37b DBG möglich sein, sofern das mutmassliche jährliche Nettoeinkommen aus dieser Tätigkeit inskünftig nicht höher als der Betrag (Eintrittsschwelle) nach Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) ist.“
Unbestritten ist, dass die Eintrittsschwelle BVG im Jahr 2010 bei Fr. 20‘520.-- und im Jahr 2011 und 2012 bei Fr. 20‘880.-- lag. Auch aus den Erläuterungen der Stabsstelle Gesetzgebung der ESTV vom Januar 2010 zu Art. 1 Abs. 3 LGBV (Anhang II zum Kreisschreiben Nr. 28) geht klar hervor, dass die privilegierte Besteuerung die definitive Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit voraussetzt und ausschliesslich für die im Vorjahr und im Liquidationsjahr realisierten stillen Reserven gilt. Vor der definitiven Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne von § 38b StG bzw. Art. 37b DBG bleibt somit kein Raum für eine privilegierte Besteuerung. Damit also die gemäss vorstehender Erwägung 3.2.2 im Jahre 2010 realisierten stillen Reserven privilegiert besteuert werden können, müsste den Beschwerdeführern vorerst der Nachweis gelingen, dass die selbständige Erwerbstätigkeit definitiv im Jahre 2011 aufgegeben wurde.

4.3 Die vom Beschwerdeführer eingereichte Erfolgsrechnung für das Jahr 2011 weist einen Betriebserfolg von Fr. 193‘212.60 aus. Die für das Jahr 2012 eingereichte Erfolgsrechnung weist einen Betriebserfolg von Fr. 43‘731.09 aus. Die Vorinstanzen schlossen hieraus, dass der Beschwerdeführer seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht aufgegeben oder nur geringfügig im Sinne des Kreisschreibens weiter betrieben habe, da beide Betriebsergebnisse die BVG-Eintrittsschwelle bei Weitem überstiegen.
Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, dass sowohl im Jahr 2011 als auch im Jahr 2012 erhebliche stille Reserven aufgelöst worden seien, die nichts mit der eigentlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Brunnenmeister zu tun hätten. Diese Reserven dürften bei der Beurteilung, ob die BVG-Eintrittsschwelle erreicht worden sei, nicht berücksichtigt werden. Da zudem das Einkommen aus dieser Tätigkeit erhebliche Schwankungen aufweise, müsse grundsätzlich für die Frage, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit als Brunnenmeister die BVG-Eintrittsschwelle erreicht werde, jeweils der Durchschnitt der letzten Jahre (2011 - 2013) berücksichtigt werden.

4.4
4.4.1 Im Steuerrecht gilt das Prinzip der Massgeblichkeit der nach den Regeln des Handelsrechts ausgestellten Handelsbilanz auch für die Steuerbilanz unter Vorbehalt der steuerrechtlichen Korrekturvorschriften sowie der zwingenden handelsrechtlichen Vorschriften (BGE 137 II 353 E. 6.2). Die steuerpflichtige Gesellschaft muss sich nach diesem Prinzip grundsätzlich bei der von ihr in ihren ordnungsgemäss geführten Büchern erscheinenden Darstellung der Vermögenslage und des Jahresergebnisses behaften lassen (Urteil des Bundesgerichts 2C_515/2010 vom 13. September 2011 E. 2.2). Bilanzberichtigungen und Bilanzkorrekturen sind nur unter ganz bestimmten Voraus­setzungen zulässig. Bei der Bilanzberichtigung wird ein handelsrechtswidriger durch einen handelsrechtskonformen Wertansatz ersetzt, während bei der Bilanzänderung ein handelsrechtskonformer Wertansatz durch eine andere, ebenfalls handelsrechtskonforme Bewertung ersetzt wird. Bilanzberichtigungen können immer vorgenommen werden und sind von Amtes wegen durchzuführen, weil damit die Richtigstellung einer Bilanzposition erreicht wird, welche gegen zwingende handelsrechtliche Vorschriften verstösst. Ist indessen die Veranlagung in Rechtskraft erwachsen, ist eine Bilanzberichtigung nur bei einem Revisionsgrund zulässig (zugunsten des Steuerpflichtigen) oder im Fall eines Nachsteuerverfahrens (zu Ungunsten des Steuerpflichtigen). Bei Bilanzänderungen ist vom Grundsatz auszugehen, dass die Bilanz von einem gewissen Zeitpunkt an endgültig ist und nachträgliche Änderungen nicht mehr vorgenommen werden können. Nach der Rechtsprechung ist eine Änderung der Bilanz nur bis zur Einreichung der Steuererklärung zulässig (Urteil des Bundesgerichts 2C_515/2010 vom 13. September 2011 E. 2.2). Eine Änderung der Bilanz durch die steuerpflichtige Gesellschaft im Laufe des Veranlagungsverfahrens ist grundsätzlich nur noch zulässig, wenn sich zeigt, dass der Steuerpflichtige in einem gewissen entschuldbaren Irrtum über die steuerlichen Folgen gewisse Buchungen vorgenommen hat. In der Regel ausgeschlossen sind hingegen Bilanzänderungen, mit denen Wertänderungen zum Ausgleich von Aufrechnungen im Veranlagungsverfahren erfolgen oder die lediglich aus Gründen der Steuerersparnis vorgenommen werden (BGE 141 II 83 E. 3.3 f.).

4.4.2 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sich die Beschwerdeführer bei den von ihnen eingereichten Buchhaltungsabschlüssen behaften lassen müssen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern handelsrechtswidrige Buchungen vorliegen, die von Amtes wegen durch handelsrechtskonforme Buchungen zu ersetzen wären (Bilanzberichtigung). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Korrekturen einzig dem Zweck dienen, den Erfolg in den Jahren 2011 und 2012 auf eine Höhe zu reduzieren, welche die Anrufung von § 38b StG und Art. 37b DBG ermöglicht. Eine nachträgliche Bilanzänderung lediglich aus Gründen der Steuerersparnis stellt aber eine unzulässige Bilanzänderung dar.

4.4.3 Die Erfolgsrechnung für das Jahr 2011 weist beim „Waren- und Materialaufwand“ einen Positivsaldo von Fr. 69‘888.77 auf. Da aus den gezeigten Gründen von der Massgeblichkeit der Buchhaltung auszugehen ist, muss mit den Vorinstanzen davon ausgegangen werden, dass hier verkaufte Aktiven ausgebucht wurden. Die Begründung der Beschwerdeführer, es handle sich dabei um stille Reserven, die am 1. Januar 2011 auf Fr. 140‘000.-- aufgewertet und hernach am 31. Dezember 2011 zur Bildung von stillen Reserven wiederum auf Fr. 70‘000.-- abgewertet worden seien, überzeugt nicht. Selbst wenn man aber von der Richtigkeit dieser Aussage ausgehen würde, so änderte dies nichts daran, dass sich die Aufwertung von Reserven erfolgswirksam auswirkt und somit zu steuerbarem Einkommen führt. Wie dieses erzielt wurde, ist unerheblich. Im Übrigen ist aber auf folgenden Umstand hinzuweisen: Gemäss dem Kaufvertrag vom 28. September 2010 wurden an den Käufer die Aktivposten Fahrzeuge, Maschinen, Geräte, EDV, Einrichtungen, Materialvorräte und angefangene Arbeiten verkauft. Beim Materialvorrat ist ersichtlich, dass von den seit 2005 - 2009 verbuchten Fr. 5‘500.-- für den Materialvorrat im Jahr 2010 erstmals lediglich noch Fr. 500.-- aufgeführt wurden. Im Hilfsblatt zur Ermittlung des Liquidationsergebnisses wurde das verkaufte Material mit Fr. 15‘500.-- angegeben. Mit andern Worten ist davon auszugehen, dass die meisten stillen Reserven auf dem Material im Rahmen des Verkaufs aufgelöst wurden. Die Vorinstanz weist unter diesen Umständen aufgrund der Beweislastverteilung im Steuerrecht, wonach die Steuerbehörde die Beweislast für steuerbegründende und -erhöhende Tatsachen und die steuerpflichtige Person für steueraufhebende oder -mindernde Tatsachen trägt (Urteil des Bundesgerichts 2C_180/2011 vom 22. September 2011 E. 3.3; TVR 2014 Nr. 17, E. 2.3), zu Recht darauf hin, dass es an den Beschwerdeführern gelegen hätte, hier detaillierte Angaben über die Veränderungen bei den Materialvorräten sowohl im Rahmen der Liquidation bzw. Geschäftsübergabe als auch danach für das Jahr 2011 aufzuführen. Entsprechende Angaben oder Belege enthalten die Eingaben der Beschwerdeführer jedoch nicht.

4.4.4 Ähnlich verhält es sich auch mit dem Konto 6200 „Erlöse aus Arbeiten“ in der Erfolgsrechnung 2011 über den Betrag von Fr. 83‘432.41. Die Beschwerdeführer behaupten hier, dass der Umsatz aus Kundenarbeiten im Jahr 2011 im Umfang von Fr. 75‘608.76 Zahlungen für Arbeiten, welche der Beschwerdeführer bis Ende 2010 auf seine Rechnung geleistet habe und die ab 2011 durch den Käufer weiter geführt worden seien, enthalte. Die Bilanz für den Abschluss 2010 enthält unter dem Konto 1070 „angefangene Arbeiten“ jedoch keinen wertmässigen Betrag (Fr. 0.--). Gemäss dem Kaufvertrag vom 28. September 2010 wurde der Wert für die angefangenen Arbeiten denn auch verkauft. In der Replik zum Rekurs brachten die Beschwerdeführer ja auch vor, alle angefangenen Arbeiten seien per 31. Dezember 2010 fakturiert und deshalb ausgebucht worden, was sich im Vergleich zum Vorjahr im deutlich höheren Bestand der Debitoren zeige. Wörtlich heisst es in der Rekursreplik hierzu: „Dies hat damit zu tun, dass an diesem Bilanzstichtag keine angefangenen Arbeiten mehr vorhanden waren, sondern alle Arbeiten auf diesen Bilanzstichtag hin abgerechnet worden sind“. Damit widersprechen sich aber die Beschwerdeführer selber, wenn in diesem Verfahren geltend gemacht wird, dass es sich bei der Position 6020 „Erlös aus Arbeiten“ um „geldwerte Auflösung von stillen Reserven“ auf angefangenen Arbeiten aus dem Jahr 2010 handeln soll. Unter diesen Umständen muss auch hier der beweisrechtliche Grundsatz gelten, wonach die steueraufhebenden Tatsachen vom Steuerpflichtigen zu beweisen wären. Der Beschwerdeführer legt aber keinerlei Rechnungen oder Arbeitsrapporte ins Recht, die nachweisen könnten, dass er im Jahr 2010 noch Arbeiten ausgeführt hat, die jedoch erst im Jahr 2011 fakturiert wurden. Aufgrund der Massgeblichkeit der Handelsbilanz ist daher davon auszugehen, dass es sich beim Erlös in der Höhe von Fr. 83‘432.41 in der Jahresrechnung 2011 um Erlös aus Arbeiten handelt, die in diesem Jahr ausgeführt wurden. Zurecht wurde deshalb dieser Erlös bei der Ermittlung des Einkommens im Jahr 2011 berücksichtigt.

4.4.5 Nachdem die Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst ausgeführt haben, dass im Jahr 2012 das Einkommen aus Berater- und Brunnenmeistertätigkeit von Fr. 29‘431.09 den Grenzwert BVG auch in diesem Jahr überschritten hat und mit den vorstehend gemachten Ausführungen offensichtlich wird, dass dies auch für das Jahr 2011 der Fall ist, sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass für den Beschwerdeführer sowohl für das Jahr 2011 als auch für das Jahr 2012 weiterhin von einer Fortführung der selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen ist. Unter diesen Umständen erübrigen sich weitere Ausführungen zu den beschwerde­führerischen Erläuterungen bezüglich der Buchungen auf dem Konto Rückvergütungen EO/SUVA/KK im Betrag von Fr. 16‘577.--, auf dem Konto Pensionskasse/BVG im Betrag von Fr. 37‘600.--, auf dem Konto Betriebsversicherungen im Betrag von Fr. 2‘349.30 und auf dem Konto Fahrzeugversicherungen im Betrag von Fr. 5‘504.90.

4.4.6 Aus den vom Beschwerdeführer eingereichten Erfolgsrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 ist zu schliessen, dass weder für das Jahr 2011 noch für das Jahr 2012 von der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen ist, was aber nach § 38b StG und Art. 37b DBG Voraussetzung wäre, damit die in den letzten beiden Geschäftsjahren aufgelösten stillen Reserven nach diesen Bestimmungen privilegiert und gesondert zu besteuern wären. Der steuerbare Verkaufserlös von Fr. 500‘000.-- ist daher, wie von der Steuerverwaltung veranlagt, im Jahr 2010 unprivilegiert zu versteuern. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist daher abzuweisen.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2014.267/VG.2014.268/E vom 9. September 2015

Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde hat das Bundesgericht mit Urteil 2C_1050/2015, 2C_1051/2015 vom 13. Juni 2016 abgewiesen.

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