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TVR 2016 Nr. 21

Technische Spezifikationen bei der Leistungsumschreibung


§ 24 Abs. 2 VöB, § 34 Abs. 3 VöB


Bei einer öffentlichen Beschaffung ist eine Leistungsumschreibung in Form einer Bezugnahme auf Handelsmarken, Muster, Typen oder dergleichen nur zulässig, wenn es keine hinreichend genaue oder verständliche Art und Weise der Beschreibung des Beschaffungsbedarfs gibt und in die Vergabeunterlagen die Worte „oder gleichwertig“ einbezogen werden. Zur Frage der Gleichwertigkeit von Unternehmervarianten der nicht berücksichtigten Anbieterin ist gegebenenfalls durch das Gericht ein Gutachten einzuholen.


Die Primarschulgemeinde A (nachfolgend „PSG A“) plant die Erstellung eines neuen Schulhauses. Die Arbeiten für die Lüftungsanlage gemäss BKP 244 wurden im Amtsblatt im offenen Verfahren ausgeschrieben. Es gingen Offerten von fünf Anbietern ein, darunter diejenige der V AG mit einer Offert­summe in Höhe von Fr. 640‘121.90 und diejenige der B AG mit einer Offertsumme von Fr. 679‘381.15 (Grundangebot). Die B AG reichte zudem fünf Varianten mit Offertsummen zwischen Fr. 610‘200.-- und Fr. 668‘520.-- ein. Am 21. Januar 2015 führte die PSG A eine erste Bewertung durch. Bezüglich der von der B AG eingereichten Varianten „W“ und „J“ sowie „W pauschal“ und „J pauschal“ hielt die PSG A namentlich fest, dass die vorgegebenen Druckanforderungen nicht erfüllt würden, weshalb keine Gleichwertigkeit mit dem in der Ausschreibung angeführten Produkt „Q“ vorliege. Am 28. Januar 2015 wurden die nicht ausgeschlossenen Angebote bewertet. Dabei erzielte die Offerte der V AG mit einem (bereinigten) Preis von Fr. 639‘417.35 die meisten Punkte (5.45), während das Grundangebot der B AG lediglich 4.45 Punkte erhielt. Mit je einer Verfügung vom 13. Februar 2015 erteilte die PSG A der V AG den Zuschlag und der B AG eine Absage. Gegen diese Verfügung liess die B AG Beschwerde erheben. Am 2. September 2015 ernannte das Verwaltungsgericht G zum Gutachter. Dieser nahm mit Expertise vom 17. November 2015 zur Frage Stellung, ob die von der B AG und von der V AG offerierten Fortluftanlagen mit dem Fabrikat „Q“ gleichwertig seien. In der Folge weist das Verwaltungsgericht die Beschwerde der B AG ab.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Strittig ist in materieller Hinsicht die Frage, ob die Unternehmervarianten der Beschwerdeführerin „J“ und „W“ für die vorgesehenen Lüftungsanlagen in der Turnhalle, im Schulhaus und in der Küche des Schulanlage-Projektes durch die Beschwerdegegnerin zu Recht mangels Gleichwertigkeit mit dem in den Ausschreibungsunterlagen bezeichneten Fabrikat „Q“ nicht berücksichtigt bzw. ausgeschlossen wurden. Gemäss der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin (PSG A) vom 30. März 2015 könnten die projektierten Anlagen mit den fraglichen Geräten „W“ und „J“ überhaupt nicht betrieben werden, da mit diesen der für die Luftumwälzung notwendige Luftdruck nicht erzeugt werde. Die Gleichwertigkeit mit dem in den Offertunterlagen bezeichneten Fabrikat „Q“ sei hinsichtlich des externen Druckverlusts somit nicht gegeben.

3.2 Gemäss Auffassung der Beschwerdeführerin ist bereits die Bezeichnung eines konkreten Produkts in den Ausschreibungsunterlagen für die technische Spezifikation nicht zulässig.

3.2.1 (Feststellung, dass dieser - gegen die Ausschreibung an sich gerichtete - Einwand der Beschwerdeführerin als verspätet anzusehen ist)

3.2.2 Ihr Einwand ist sodann auch in materieller Hinsicht unbegründet. So sind hinsichtlich der technischen Spezifikationen gemäss § 24 Abs. 2 VöB Anforderungen oder Hinweise in Bezug auf besondere Handelsmarken oder Handelsnamen, Patente, Muster oder Typen sowie auf einen bestimmten Ursprung oder Produzenten zulässig, wenn es keine hinreichend genaue oder verständliche Art und Weise der Beschreibung des Beschaffungsbedarfs gibt und in die Vergabeunterlagen die Worte „oder gleichwertig“ einbezogen werden. Entsprechendes gilt auch für das Bundesvergaberecht (Galli/Moser/Lang/Steiner, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013, N. 405). Sodann dürfen Spezifikationen den Wettbewerb nicht übermässig einschränken. Entsprechende Spezifikationen dürfen von der Vergabebehörde nicht derartig eng umschrieben werden, dass nur ein ganz bestimmtes Produkt oder nur ein einzelner Anbieter bzw. nur wenige Anbieter für die Zuschlagserteilung infrage kommen (Galli/Moser/Lang/Steiner, a.a.O., N. 408; vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VG.2014.00202 vom 22. Oktober 2014, in: Baurecht 4/2015 S. 235 N. 331).
Dass nebst dem Produkt „Q“ auch andere Fabrikate hinsichtlich der Druckanforderungen für das strittige Projekt infrage gekommen wären, ergibt sich bereits daraus, dass - wie nachfolgend dargestellt - namentlich das von der Verfahrensbeteiligten in ihrer Offerte vorgesehene Produkt „Y“ als gleichwertig mit dem in den Ausschreibungsunterlagen bezeichneten Fabrikat „Q“ anzusehen ist.
In den Ausschreibungsunterlagen wurde als Vorgabe für die zu offerierende Leistung das Fabrikat „Q“ benannt. Zur Spezifikation wurde unter anderem auf die Offerten „P 714.89250-1“ bzw. „P 714.89250-2“ und „P 714.89250-3“ (Turnhalle, Schulhaus und Küche) verwiesen. Zudem wurde der Hinweis angebracht, dass sämtliche in der Offerte „Q“ enthaltenen Elemente einzurechnen seien. Bei Varianten sei diese als Basis zu berücksichtigen; die wichtigsten Angaben seien aufgeführt. Zudem wurde ausdrücklich vermerkt, dass auch ein anderes, gleichwertiges Fabrikat (dies mit dem Zusatz „oder gleichwertiges“) gewählt werden könne. Zu Recht weist die Beschwerdegegnerin darauf hin, dass die Lüftungsanlagen zahlreiche technische Parameter aufweisen. Dementsprechend wäre die Umschreibung der technischen Spezifikationen auf andere, genauere und verständlichere Art und Weise in den Ausschreibungsunterlagen im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen. Die Aufnahme aller technischen Spezifikationen einer Lüftungsanlage direkt in die Ausschreibung selbst statt mittels Verweises auf eine Hersteller-Offerte inkl. Datenblatt wäre mit anderen Worten nicht mehr verständlich gewesen. Umgekehrt wäre die blosse Auswahl einzelner Spezifikationen ohne Verweis auf die Offerte (samt Datenblatt) eines Herstellers zu ungenau geblieben.
Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Bezeichnung eines bestimmten Fabrikats mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ gemäss § 24 Abs. 2 VöB sind vorliegend gegeben. Die Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin ist in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden.

3.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet ausserdem, dass die Spezifikation bezüglich der externen Druckanforderungen nicht bzw. nicht ausdrücklich aus den Ausschreibungsunterlagen hervorgegangen seien.

3.3.1 (Feststellung, dass auch dieser erst im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens geltend gemachte Einwand als verspätet anzusehen ist)

3.3.2 Sodann erweist sich dieser Einwand auch in materieller Hinsicht als unbegründet. Bereits auf S. 1 der Vorbemerkungen zum Leistungsbeschrieb für die Lüftungsanlagen vom 27. Oktober 2014 wurde darauf hingewiesen, dass die Fabrikate teilweise vorgeschrieben seien, um einen gewissen technischen Standard zu gewährleisten. Allerdings könnten auch gleichwertige Produkte eingesetzt werden, wobei der Nachweis über die Gleichwertigkeit vom Unternehmer in den Offertbeilagen mit einzureichen sei. Sodann wurde in den Ausschreibungsunterlagen bzw. im Leistungsverzeichnis zu den einzelnen Anlagen (für Schulhaus, Küche und Turnhalle) ausdrücklich auf die betreffende Offerte für das Fabrikat „Q“ verwiesen. Gleichzeitig wurde angemerkt, dass sämtliche in dieser Offerte enthaltenen Elemente einzurechnen seien. Die betreffenden Offerten, aus welchen die Vorgaben bezüglich des externen Druckverlusts hervorgehen, sind im Anhang zum Leistungsverzeichnis enthalten. (…) Dementsprechend musste die Beschwerdeführerin auch vor Einreichung ihres Angebots Kenntnis der technischen Spezifikation hinsichtlich des externen Druckverlusts Kenntnis gehabt haben.

3.3.3 Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte es nach Treu und Glauben der Beschwerdeführerin oblegen, umgehend nach Kenntnis der Ausschreibungsunterlagen bei der Beschwerdegegnerin die betreffenden Detailofferten der „Q“ einzuverlangen, zumal in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich auf diese Detailofferten hingewiesen und zudem die Obliegenheit der Offerentin zum Nachweis der Gleichwertigkeit eines allfälligen Alternativprodukts in den Offertbeilagen in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis (…) explizit erwähnt wurde. Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die technischen Spezifikationen hinsichtlich des externen Druckverlusts der Lüftungsanlagen in den Ausschreibungsunterlagen nicht bzw. nicht ausreichend klar umschrieben worden seien, ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu hören.

4.
4.1 Zur Frage der Gleichwertigkeit der von der Beschwerdeführerin offerierten Unternehmervarianten „J“ und „W“ sowie des von der Verfahrensbeteiligten in der Offerte vorgesehenen Produkts „Y“ mit dem in den Ausschreibungsunterlagen bezeichneten Fabrikat „Q“ hat das Verwaltungsgericht eine Begutachtung bei einer externen Fachperson (G) veranlasst.

4.2 Mit Gutachten vom 17. November 2015 gelangte Gutachter G zum Ergebnis, dass die von der Beschwerdeführerin offerierten Varianten mit den Fabrikaten „J“ und „W“ im Vergleich zum Produkt „Q“ insgesamt ungünstiger und damit als nicht gleichwertig zu qualifizieren seien. (…) Das von der Verfahrensbeteiligten offerierte Produkt „Y“ wurde - namentlich auch unter dem Gesichtspunkt der Druckanforderungen - als insgesamt gleichwertig bzw. sogar leicht besser als das Fabrikat „Q“ bezeichnet.

4.3 (…) Gestützt auf die Ergebnisse des voll beweiswertigen Gutachtens vom 17. November 2015 ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin zu Recht einerseits die Unternehmervarianten der Beschwerdeführerin „J“ und „W“ mangels Gleichwertigkeit mit dem in der Ausschreibung bezeichneten Produkt „Q“ nicht berücksichtigt bzw. ausgeschlossen und andererseits den Zuschlag an die im ersten Rang klassierte Verfahrensbeteiligte erteilt hat.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.47/E vom 6. Januar 2016

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