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TVR 2016 Nr. 22

Konzession für Neubau eines Stegs im Uferbereich; Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit


Art. 22 Abs. 2 NHG, § 4 WNG, § 15 WNG, Art. 699 ZGB


Die Zugänglichkeit für Dritte zu einem Seegrundstück bzw. einem darauf zu erstellenden Steg mit Wald und Schilf im Uferbereich eines öffentlichen Gewässers (Bodensee) ist im Rahmen von Art. 699 Abs. 1 ZGB gewährleistet, soweit kein Schaden an der Ufervegetation entsteht. Das Zutrittsrecht muss insbesondere auch mit den Vorgaben der Natur- und Heimatschutz- sowie der Waldgesetzgebung vereinbar sein.


A und B sind je zur Hälfte Miteigentümer der sich am Bodensee befindenden Liegenschaft Nr. XX. Südwestlich dieses Grundstücks verläuft der Seeweg und auf der anderen Seite des Weges befindet sich das Areal „L“. A und B sind Eigentümer mehrerer mit Wohnbauten überbauter Grundstücke auf diesem Areal. Das Seegrundstück Nr. XX setzt sich gemäss der Karte der Amtlichen Vermessung im ThurGis (abrufbar unter http://geo.tg.ch/) aus einem ca. 20 m breiten Waldstreifen im südwestlichen Teil, einem anschliessenden, etwa bis zur Mitte der Liegenschaft reichenden Schilfgürtel mit einer Breite von rund 10 m und einer als Gewässer ausgeschiedenen Fläche im nordöstlichen Grundstücksteil, die jedoch ebenfalls zum Teil mit Ufervegetation bewachsen ist, zusammen. Am 7. April 2015 reichten A und B - nach einer längeren Vorgeschichte betreffend einen an derselben Stelle ursprünglich geplanten und letztlich bewilligten Plattenweg - beim DBU ein Gesuch für die Errichtung eines bodennah montierten Steges auf der Liegenschaft Nr. XX ein. Dagegen liess E, als Eigentümer eines anstossenden Grundstücks, eine Einsprache erheben, wobei er namentlich geltend machte, die Konzession müsse so ausgestaltet werden, dass der Steg nicht bloss von zwei Gesuchstellern, sondern von allen Eigentümern in der das Areal „L“ umfassenden Spezialzone genutzt werden könne. Das DBU wies die Einsprache ab und erteilte A und B die Bewilligung und die Konzession für den 22 m langen und 80 cm breiten Steg. Das Verwaltungsgericht heisst eine von E dagegen erhobene Beschwerde in dem Sinne gut, als der Entscheid des DBU vom 25. November 2015 wie folgt zu ergänzen sei: „Die Nutzung des Stegs ist für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und darf nicht durch entsprechende Beschilderung oder technische/bauliche Massnahmen verunmöglicht werden.“

Aus den Erwägungen:

2. Der Gegenstand des angefochtenen Entscheids vom 25. November 2015 bildende Steg wäre vom Seeweg her über den als Wald zu qualifizierenden Teil der Liegenschaft Nr. XX zugänglich und soll auf dem als Schilf und anschliessend als Gewässer bzw. Oberflächenwasserbereich ausgeschiedenen Bereich erstellt werden, wobei er ca. 6 m über die nordöstliche Grundstücksgrenze hinaus reichen würde. Die geplante Anlage läge innerhalb des Hochwasserprofils gemäss Art. 22 Abs. 2 WBG und damit im Bereich des Oberflächengewässers (Bodensee) gemäss § 2 WNG. Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 WNG gehört das Oberflächengewässer hinsichtlich der Nutzung zum öffentlichen Wasser, welches unter der Hoheit des Kantons steht (§ 1 Abs. 2 WNG). (…)

3.
3.1 Strittig und zu prüfen ist vorliegend, ob eine Rechtsgrundlage besteht, aufgrund welcher der Zugang zur Liegenschaft Nr. XX, welche im Privateigentum der Verfahrensbeteiligten steht, bzw. zum geplanten Steg einem weiteren als dem von den Verfahrensbeteiligten definierten Personenkreis offenstehen muss. Betroffen sind dabei die Waldfläche entlang des öffentlichen Seeweges, ein Teil des Schilfgürtels und der anschliessende, als Gewässer ausgeschiedene nordöstliche Bereich.

3.2
3.2.1 Im Vordergrund steht Art. 699 ZGB. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung sind das Betreten von Wald und Weide sowie die Aneignung wild wachsender Beeren, Pilze und dergleichen in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne, bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden. Die Bestimmung ist eine sogenannte Doppelnorm mit zugleich privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Inhalt. Als privatrechtliche Eigentumsbeschränkung regelt sie die Beziehungen zwischen dem Eigentümer und Spaziergängern. Aufgrund deren öffentlich-rechtlichen Inhalts sind die Behörden ermächtigt, von Amtes wegen über den freien Zutritt zu Wald und Weide zu wachen. Der Schutzzweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB liegt darin, der Bevölkerung den notwendigen Erholungsraum zu erhalten (BGE 141 III 195 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen). Eine Legaldefinition der Begriffe Wald und Weide fehlt im ZGB. Für den Waldbegriff kann grundsätzlich auf die Waldgesetzgebung abgestellt werden. Eine Weide ist gemäss der herrschenden Lehre ein Grundstück, dessen ausschliessliche oder zumindest primäre Nutzung im Weidenlassen von Vieh besteht (BGE 141 III 195 E. 2.5 mit weiteren Hinweisen). Die Lehre weist zwar darauf hin, dass es sich bei Art. 699 Abs. 1 ZGB um eine Ausnahmebestimmung handle, die grundsätzlich keine inhaltliche Ausdehnung über Wald- und Weidegrundstücke zulasse. Dennoch sprechen sich die betreffenden Autoren für eine (analoge) Anwendung des Zutrittsrechts auf frisch gemähte Wiesen, abgeerntete Felder sowie tiefgefrorenes und -verschneites Kulturland aus, wenn jegliche Beeinträchtigung und Schädigung des Grundeigentums ausgeschlossen ist. Vom Zutrittsrecht von Art. 699 Abs. 1 ZGB erfasst werden sollen zudem kulturunfähige Grundstücke im Sinne von Art. 664 Abs. 2 ZGB, da keinerlei Schaden am Grundeigentum verursacht wird. Als selbstverständlich eingeschlossen in das Betretungsrecht sind nach einer in der Lehre vertretenen Auffassung auch Wald- und Feldwege (BGE 141 III 195 E. 2.6 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch Rey/Strebel, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 5. Aufl., Basel 2015, Art. 699 N. 7 ff.).

3.2.2 Das Bundesgericht hat in BGE 141 III 195 ein Zutrittsrecht aufgrund von Art. 699 Abs. 1 ZGB für einen Bewirtschaftungsweg bejaht, der über eine Weide sowie über eine sogenannte extensiv genutzte Wiese, die als ökologische Ausgleichsfläche (sogenannte Biodiversitätsförderfläche) zu qualifizieren war, führte. Diese extensiv genutzte Wiese war im „Tatzeitpunkt“ nicht gemäht. Dieser nicht gemähte Bereich war, so das Bundesgericht, vom Anwendungsbereich von Art. 699 Abs. 1 ZGB ausgenommen. Jedoch bejahte es das Zutrittsrecht für den darüber führenden Weg (vgl. BGE 141 III 195 E. 2.7).

3.2.3 Das Zutrittsrecht nach Art. 699 ZGB umfasst grundsätzlich alle Arten des Betretens und das damit verbundene Verweilen auf der fremden Liegenschaft, sofern dadurch kein Schaden auf dem Grundstück verursacht wird. Es kann insbesondere direkt zu Fuss oder mittelbar auf Fahrrädern, einzeln oder in Gruppen ausgeübt werden. Demgegenüber ist das Befahren mit Autos oder LKW’s, deren Parkieren, das Stationieren von Wohn- und Campingwagen, das massenhafte Campieren bzw. Zelten vom Zutrittsrecht grundsätzlich nicht erfasst, weil dabei meistens ein Schaden verursacht wird. Aus demselben Grund gilt dessen Ausschluss auch für jede intensive und massenmässige Sportausübung (vgl. Rey/Strebel, a.a.O., Art. 699 N. 13 f.).

3.2.4 Das allgemeine Zutritts- und Aneignungsrecht nach Art. 699 Abs. 1 ZGB kann hinsichtlich eines grundsätzlich frei begehbaren Grundstücks nur dann durch privaten Akt - etwa mittels einer leichten Einfriedung - eingeschränkt werden, wenn ein besonders schützenswertes Interesse der betreffenden Grundeigentümerschaft (z. B. Schutz von Jungholz, Saatgarten, Baumschulen; Verhinderung des Entlaufens von Vieh) gegeben ist. Besteht weder ein entsprechender Ortsgebrauch (etwa hinsichtlich der Einzäunung von Weidegrundstücken im Jura- und Alpengebiet) noch ein besonders schützenswertes Eigentümerinteresse, ist jede Einzäunung (z. B. zwecks Auslaufs von Hunden und Pferden) widerrechtlich (Rey/Strebel, a.a.O., Art. 699 N. 23 mit Hinweisen).

3.3 Der südwestliche Teil der Liegenschaft Nr. XX, der an den öffentlich zugänglichen Seeweg grenzt, ist gemäss dem rechtskräftigen Zonenplan der verfahrensbeteiligten Gemeinde als Wald ausgeschieden. Diese Waldfläche auf dem Grundstück der Beschwerdeführer beträgt rund 1260 m2. Der Waldteil ist durch Art. 699 Abs. 1 ZGB erfasst, womit auch ein entsprechendes Zutrittsrecht für jedermann gilt, sofern dadurch kein drohender Schaden, etwa an einer Neuanpflanzung, befürchtet werden muss. Ein entsprechender drohender Schaden ist vorliegend nicht ersichtlich und wird auch von den Verfahrensbeteiligten nicht substantiiert geltend gemacht. Der von ihnen (…) angeführte Umstand, dass das Grundstück stark mit Schilf und Weiden bewachsen sei, bezieht sich offensichtlich auf den nordöstlichen Teil der Liegenschaft, nicht aber auf den als Wald ausgeschiedenen Bereich. Das allgemeine Zutrittsrecht in Bezug auf die Waldfläche ist gestützt auf Art. 699 Abs. 1 ZGB somit als gegeben zu erachten.

3.4 Der geplante Steg würde gemäss dem der Konzession zugrundeliegenden Plan ca. 1,5 m nach der nordöstlichen Waldgrenze auf der Liegenschaft Nr. XX über den anschliessenden Schilfgürtel und den als offenes Gewässer ausgeschiedenen nordöstlichen Teil des Grundstücks und danach ca. 6 m über dessen nordöstliche Grenze hinaus führen. Wie sich aus BGE 141 III 195 (insbesondere E. 2.6 f.) ergibt, sind auch kulturunfähige Grundstücke im Sinne von Art. 664 Abs. 2 ZGB vom Anwendungsbereich von Art. 699 Abs. 1 ZGB erfasst. Ausdrücklich anerkannt hat das Bundesgericht, wie dargestellt, ein auf Art. 699 Abs. 1 ZGB gestütztes Zutrittsrecht für einen Bewirtschaftungsweg, der über eine nicht gemähte ökologische Ausgleichsfläche führte (vgl. E. 3.2.2 vorstehend). Entsprechendes muss auch für den - anstelle des ursprünglich vorgesehenen Plattenweges - geplanten Steg gelten. Dieser führt durch den Schilfgürtel und ragt in den als offenes Gewässer ausgeschiedenen Bereich, der Teil des Bodensees (= öffentliches Gewässer gemäss § 1 f. WNG) bildet. Ob der Weg die Form eines Trampelpfades, eines Plattenweges oder eines bodennah errichteten Stegs aufweist, ist dabei nicht weiter von Belang. Der Ufer- bzw. Gewässerbereich stellt seinerseits kulturunfähiges Land dar. Diese Teilfläche der Liegenschaft Nr. XX sowie der über diesen Bereich führende Steg sind in Anbetracht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich vom Anwendungsbereich von Art. 699 Abs. 1 ZGB erfasst, soweit die betreffenden Flächen nicht mit Schilf oder anderer Ufervegetation überwachsen sind und daran durch das Betreten kein Schaden entsteht. Insbesondere das Betreten des Stegs selbst würde von vornherein nicht zu einem Schaden an der Ufervegetation führen, da dieser über dem Boden errichtet werden soll, um eine Riegelbildung zu vermeiden, was dem Schutz der Ufervegetation dienen würde. Auch ein Verweilen von Drittpersonen an den nicht mit geschützter Ufervegetation (vgl. hierzu nachfolgend E. 3.6) bewachsenen Stellen auf der Liegenschaft Nr. XX ist als durch Art. 699 Abs. 1 ZGB gedeckt anzusehen (vgl. Rey/Strebel, a.a.O., Art. 699 N. 13). Nicht mitumfasst von diesem Zutrittsrecht wäre klarerweise eine übermässige Beanspruchung des Uferbereichs bzw. des Stegs durch grössere Personengruppen ähnlich eines „Massentourismus“ (vgl. Rey/Strebel, a.a.O., Art. 699 N. 18). Der Aufenthalt im Bereich nach der nordöstlichen Grundstücksgrenze der Liegenschaft Nr. XX, in den der geplante Steg auf einer Länge von ca. 6 m hineinragen würde, betrifft ohnehin nicht das Privateigentum der Verfahrensbeteiligten und ist bereits aufgrund der Öffentlichkeit des Gewässers nach § 1 WNG gewährleistet (vgl. BGE 95 I 243 E. 2).

3.5 Das allgemeine Zutrittsrecht gemäss Art. 699 Abs. 1 ZGB gilt somit sowohl in Bezug auf die ausgeschiedene Waldfläche als auch bezüglich der als Schilfgürtel und als Gewässer ausgeschiedenen Bereiche der Liegenschaft Nr. XX, soweit es im „ortsüblichen Umfang“ ausgeübt wird und nicht der Schutz der Ufervegetation, das heisst namentlich des Schilfes, dem Betreten und Verweilen entgegensteht. Insofern ist mit Art. 699 Abs. 1 ZGB - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - ein Rechtstitel für ein allgemeines Zutrittsrecht auf das Grundstück der Verfahrensbeteiligten bzw. auf den geplanten Steg gegeben. Daran ändert auch die negative Stellungnahme des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE gemäss Medienmitteilung vom 14. Februar 2008 nichts („Ungehinderter Zugang zu See- und Flussufern“, abrufbar unter http://www.are.admin.ch/dokumentation/00121/00224/index.html? lang=de&msg -id=17294). Diese Einschätzung erfolgte auf eine Anfrage des Vereins „rives publiques“ vom November 2007 hin. Darin hatte der Verein jedoch einen ungehinderten Zugang zu sämtlichen See- und Flussufern verlangt (vgl. namentlich die Vermerke vom 29. und 30. November 2007 unter der Rubrik „Presse/Media“ auf der Homepage des Vereins „rives publiques“, abrufbar unter http://www.rivespubliques.ch/indexdeutsch_02.html). Ein derartiger ungehinderter Zugang zu sämtlichen Fluss- und Seeufern für die Öffentlichkeit steht vorliegend nicht zur Diskussion. Vielmehr geht es lediglich um die Anwendbarkeit von Art. 699 Abs. 1 ZGB auf die Liegenschaft Nr. XX bzw. auf den geplanten Steg. Das Betretungs- und Verweilrecht für Dritte im Rahmen dieser Bestimmung ist denn auch nicht unbegrenzt, sondern nur soweit es im ortsüblichen Umfang ausgeübt und die Ufervegetation nicht beeinträchtigt wird (zum Schutz derselben vgl. nachfolgend E. 3.6). Die Vor­aussetzungen für die Anwendbarkeit von Art. 699 Abs. 1 ZGB sind vorliegend gegeben.

3.6
3.6.1 Nach Art. 21 darf die Ufervegetation (Schilf- und Binsenbestände, Auenvegetationen sowie andere natürliche Pflanzengesellschaften im Uferbereich) weder gerodet noch überschüttet noch auf andere Weise zum Absterben gebracht werden. Als Ufervegetation im Sinne dieser Bestimmung gelten natürliche Pflanzengesellschaften im Uferbereich. Dazu gehören Pflanzen, welche die Ufer bedecken oder im Wasser wachsen. Der Uferbereich erstreckt sich neben dem eigentlichen Ufer auch auf die Verlandungszone, soweit sich diese im Schwankungsbereich des Spiegels des fraglichen Gewässers befindet. Dabei dürfen auch hohe Wasserstände berücksichtigt werden, wie sie in gewissen Abständen vorkommen. Hingegen sind aussergewöhnliche, nur ganz selten auftretende Hochwasserstände ausser Acht zu lassen. Nicht zur Ufervegetation zählen ausserhalb des umschriebenen Uferbereichs wachsende Pflanzen, auch wenn sie für Feuchtgebiete typisch sind. Art. 21 NHG schützt somit die für den Uferbereich typischen Pflanzen (Urteil des Bundesgerichts 1C_378/2009 vom 14. Januar 2010 E. 3.2).

3.6.2 Gemäss Art. 22 Abs. 2 NHG kann die zuständige kantonale Behörde die Beseitigung der Ufervegetation in den durch die Wasserbaupolizei- oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fällen für standortgebundene Vorhaben bewilligen (BGE 130 II 313 E. 3). (Feststellung der Vereinbarkeit des ursprünglich geplanten Plattenweges mit den gewässerschutzrechtlichen Vorgaben)

3.6.3 Das Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Zutrittsrecht für Drittpersonen, welches sich auf Art. 699 Abs. 1 ZGB stützt, ist mit dem Schutz der Ufervegetation nach Art. 21 f. NHG vereinbar. Verboten ist aufgrund von Art. 21 NHG sowohl eine mechanische als auch eine chemische Einflussnahme des Menschen auf die Ufervegetation, die ihr Absterben bewirkt. Mittelbare Beeinträchtigungen der Ufervegetation, wie sie sich etwa im siedlungsnahen Raum immer ergeben, wenn das Ufer (durch Betreten) zugänglich ist, fallen nicht unter dieses Verbot (vgl. Jenni, in Keller/Zufferey/Fahrländer [Hrsg.], Kommentar NHG, Zürich 1997, Art. 21 N. 18). Wie dargestellt, darf das Zutrittsrecht nur in der Weise ausgeübt werden, dass die Ufervegetation keinen Schaden nimmt. Der geplante Steg dient nicht zuletzt dazu, den Zugang zum Ufer bzw. zum Gewässer zu gewährleisten, ohne dass die Vegetation zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen wird. Wie mit dem ursprünglich vorgesehenen, Gegenstand des Entscheids vom 3. Dezember 2014 bildenden Plattenweg soll auch mit dem nunmehr geplanten Steg die Bildung von „wild“ entstehenden Trampelpfaden durch die Ufervegetation vermieden und der Zugang zum See funktional erleichtert und „kanalisiert“ werden. Der Schutz der Ufervegetation nach NHG steht dem allgemeinen Zutrittsrecht nach Art. 699 Abs. 1 ZGB somit nicht entgegen.

4. In Bezug auf den Zutritt zum Wald (im südwestlichen Teil der Liegenschaft Nr. XX, vgl. E. 2.2.2 vorstehend) ist ausserdem die Waldgesetzgebung zu beachten. Gemäss Art. 14 WaG sorgen die Kantone dafür, dass der Wald der Allgemeinheit zugänglich ist (Abs. 1). Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung haben die Kantone, wo es die Erhaltung des Waldes oder andere öffentliche Interessen, wie namentlich der Schutz von Pflanzen und wild lebenden Tieren, erfordern, für bestimmte Waldgebiete die Zugänglichkeit einzuschränken (lit. a) und die Durchführung von grossen Veranstaltungen im Wald einer Bewilligung zu unterstellen (lit. b). Art. 12 TG WaG bestimmt sodann, dass Vorrichtungen, welche die Zugänglichkeit des Waldes einschränken, verboten sind (Abs. 1). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bewilligt der Kanton Ausnahmen, wo öffentliche Interessen dies erfordern. Die Einzäunung von Jungwald zum Schutz vor Wild ist gemäss § 12 Abs. 3 TG WaG zulässig. Die §§ 13 ff. WaldG umreissen die Voraussetzungen für die Durchführung von Veranstaltungen, für Freizeitaktivitäten, Bauten und Anlagen etc. im Wald. Aus Art. 14 WaG und § 12 TG WaG ergibt sich jedoch ebenfalls, dass die Zugänglichkeit des Waldes - unabhängig davon, ob die Waldfläche im Privateigentum oder im Eigentum des Gemeinwesens steht - für die Allgemeinheit grundsätzlich gewährleistet sein muss, wenn keine besonderen Gründe/Interessen, wie etwa der Schutz von Jungwald vor Wild, entgegenstehen. Irgendwelche Gründe, die vorliegend eine Beschränkung des Zugangs zur Waldfläche auf der Liegenschaft Nr. XX rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. In Bezug auf den Wald finden sich in der Waldgesetzgebung somit ebenfalls Rechtstitel als Grundlage für ein allgemeines Zutrittsrecht.

5. (…) Ein öffentliches Interesse ist sodann in der Zugänglichmachung des Uferbereichs des öffentlichen Gewässers für die Allgemeinheit zu erblicken. Dieses Zutrittsrecht stützt sich im vorliegenden Fall auf Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das sich daraus ergebende Betretungs- und Verweilrecht wird insoweit begrenzt, als durch die Ausübung desselben kein Schaden auf dem Grundstück verursacht werden darf; damit ist auch dem Schutz der Ufervegetation gemäss Art. 21 NHG Genüge getan. In diesem Zusammenhang ist ausserdem Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG anzuführen. Gemäss dieser Bestimmung sind See- und Flussufer freizuhalten und der öffentliche Zugang und die Begehung zu erleichtern. Art. 3 RPG umreisst die Planungsgrundsätze, auf welche die mit den Planungsaufgaben betrauten Behörden zu achten haben. Diese Grund­sätze haben allerdings nicht unmittelbar eigentumsbeschränkende Wirkung, sondern richten sich primär an die zuständigen Behörden. Der Planungsgrundsatz von Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG fordert mithin die Kantone dazu auf, durch ihre Nutzungsplanungen dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit die Gewässer erreichen und sich längs der Ufer bewegen kann (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_157/2014 vom 4. November 2015 E. 3.4 sowie BGE 139 II 470 E. 3.2). Zwar lässt sich aus Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG nicht unmittelbar ein durchsetzbares Zutrittsrecht von privaten Seegrundstücken für Dritte ableiten. Soweit die Voraussetzungen, wie vorliegend, erfüllt sind, ergibt sich ein entsprechender Rechtstitel aber aus Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das daraus abgeleitete Zutrittsrecht liegt im öffentlichen Interesse, wie es auch der Planungsgrundsatz von Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG widerspiegelt.

6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für das Grundstück Nr. XX im Eigentum der Verfahrensbeteiligten bzw. für den geplanten Steg das allgemeine Zutrittsrecht gemäss Art. 699 Abs. 1 ZGB gilt. Dieses Zutrittsrecht darf nur in der Weise ausgeübt werden, dass die Liegenschaft bzw. die Wald- und Ufervegetation keinen Schaden erleiden. Ziff. 2.3 des Dispositivs des vor­instanzlichen Konzessionsentscheids vom 25. November 2015 ist daher wie folgt zu ergänzen: Die Nutzung des Stegs ist für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und darf nicht durch entsprechende Beschriftung oder technische/bauliche Massnahmen verunmöglicht werden.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.230/E vom 20. April 2016

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