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TVR 2016 Nr. 24

Abwasser-Grundgebühr, Verursacherprinzip


Art. 3 a GSchV, Art. 60 a Abs. 1 GSchV


1. Bei der Erhebung von wiederkehrenden Abwasser-Grundgebühren ist eine gewisse Pauschalisierung und Schematisierung grundsätzlich zulässig. Die vom DBU angewandte Praxis (Annahme, dass im Kanton Thurgau bei einer durchschnittlichen Bauparzellengrösse von 350 m2 bis 500 m2 bei teilweise überbauten Grundstücken im Regelfall maximal 500 m2 als angeschlossen und entwässert gelten sollen) entbehrt aber einer gesetzlichen Grundlage. Nachdem bereits durch Mitberücksichtigung des für die jeweilige Zonenart festgelegten Abflussbeiwertes dem Verursacherprinzip in der Regel Genüge getan ist, würde die Anwendung der vom DBU entwickelten Praxis zu einer unzulässigen doppelten Korrektur führen ( E. 3.1 - 3.4).

2. Wenn im Einzelfall die Anwendung der im kommunalen Reglement festgelegten Berechnungsformel zu einem stossenden Ergebnis führt, ist eine angemessene Korrektur vorzunehmen. Im vorliegenden Fall ist kein entsprechender Ausnahmetatbestand gegeben (E. 3.5).


Am 11. Dezember 2013 erliess die Gemeindeversammlung der Politischen Gemein-de P ein neues Beitrags- und Gebührenreglement (nachfolgend „BGR“). Dieses wurde am 27. Januar 2014 vom DBU genehmigt und trat (rückwirkend) per 1. Januar 2014 in Kraft. Ende 2014 versandte die Politische Gemeinde P erstmals nach neuem BGR Rechnungen für die jährlichen wiederkehrenden Abwassergebühren.
A wurde als Eigentümerin der Liegenschaft Nr. XX für das Jahr 2014 sowohl mit einer Grundgebühr für das Abwasser von Fr. 1'045.35 als auch - basierend auf einem Wasserverbrauch von 111 m3 - mit einer Mengengebühr von Fr. 177.60 belastet. Bei der Grundgebühr wurde die gesamte Fläche der Liegenschaft Nr. XX von 2'323 m2 in Anschlag gebracht und mit einem Faktor von 0,30 sowie dem Ansatz von Fr. 1.50 pro m2 multipliziert. Dagegen erhob A Einsprache mit dem Antrag, es seien für die auf den Güterzetteln erwähnten Kulturarten wie Acker/Wiese/Weide keine Abwassergebühren zu erheben; eventuell seien für die Berechnung andere Zonen bzw. tiefere Abflussbeiwerte und andere Flächenmasse zu übernehmen. Mit Entscheid vom 16. April 2015 wies der Gemeinderat G die Einsprache ab.
Das DBU hiess mit Entscheid vom 3. November 2015 einen dagegen von A erhobenen Rekurs im Sinne der Erwägungen gut und wies die Sache zur erneuten Rechnungsstellung an die Gemeinde G zurück. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, das im GSchG verankerte Verursacherprinzip verlange, dass natürliche Versickerung nicht mit Gebühren für die Abwasseranlagen belastet werde. Andererseits sei eine gewisse Pauschalierung bei der Gebührenerhebung zulässig. Ausgehend von der im Kanton Thurgau durchschnittlichen Bauparzellengrösse von 350 m2 bis 500 m2 gälten bei teilweise überbauten Grundstücken im Regelfall maximal 500 m2 als angeschlossen und entwässert. Im vorliegenden Fall weise die rekurrentische Liegenschaft mit 2'323 m2 eine überdurchschnittliche Grösse auf, dies bei einem Versiegelungsgrad von etwa der Hälfte (1’181 m2). Bei einer solchen Ausgangslage werde praxisgemäss eine Fläche von 1’500 m2, das heisst drei Mal eine durchschnittliche Parzellengrösse, als angeschlossen und entwässert im Sinne des BGR qualifiziert. Unter Anwendung der Formel gemäss Anhang B Ziffer 3 BGR ergebe sich eine neue Grundgebühr von Fr. 675.-- (1’500 m2 x 0,30 x Fr. 1.50) zuzüglich 8% Mehrwertsteuer.
Gegen diesen Entscheid erhob die Politische Gemeinde G beim Verwaltungsgericht Beschwerde. Das Verwaltungsgericht heisst diese gut und hebt den angefochtenen Rekursentscheid auf.

Aus den Erwägungen:

1. (Bejahung der Legitimation einer Gemeinde zur Anfechtung eines für sie negativen Rekursentscheids über eine Abwasser-Grundgebühr)

2.
2.1 Streitig ist vorliegend die Bemessung der wiederkehrenden Abwassergebühren, welche als Benutzungsgebühren zu den Kausalabgaben gehören. Kausalabgaben sind Geldleistungen, welche kraft öffentlichen Rechts als Entgelt für bestimmte staatliche Leistungen oder besondere Vorteile entrichtet werden müssen. Im Bereich der Abwasserbeseitigung wird - mit Blick auf eine verursachergerechte Abgabenbelastung - unterschieden zwischen den Grundgebühren und den (vorliegend nicht weiter interessierenden) Verbrauchsgebühren. Die Grundgebühren (auch als Bereitstellungsgebühren bezeichnet) sind als Entgelt für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur konzipiert (Urteil des Bundesgerichts 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013 E. 5.1). Delegiert der Gesetzgeber die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an eine nachgeordnete Behörde, so muss er zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand und die Bemessungsgrundlage selber festlegen. Das Erfordernis der Bestimmtheit steht im Dienste des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit mit den Elementen der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der rechtsgleichen Rechtsanwendung (BGE 131 II 271 E. 6.1). Die Rechtsprechung hat die Vorgaben betreffend die Bemessung der Abgaben bei gewissen Arten von Kausalabgaben gelockert, wo das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt (BGE 141 V 509 E. 7.1.1).
Das Kostendeckungsprinzip gilt für kostenabhängige Kausalabgaben, wo keine (genügend bestimmte) formell-gesetzliche Grundlage besteht oder wo der Gesetzgeber ausdrücklich oder sinngemäss zum Ausdruck gebracht hat, dass die von ihm festgelegte Abgabe kostenabhängig sein soll. Es besagt, dass der Gebührenertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht oder nur geringfügig übersteigen soll, was eine gewisse Schematisierung oder Pauschalierung der Abgabe nicht ausschliesst. Zum Gesamtaufwand sind nicht nur die laufenden Ausgaben des betreffenden Verwaltungszweigs, sondern auch angemessene Rückstellungen, Abschreibungen und Reserven hinzuzurechnen (BGE 126 I 180 E. 3a/aa).
Das Äquivalenzprinzip konkretisiert das Verhältnismässigkeitsprinzip und das Willkürverbot für den Bereich der Kausalabgaben (Art. 5 Abs. 2 und Art. 8 BV); es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen halten muss (BGE 140 I 176 E. 5.2 mit Hinweisen). Der Wert der Leistung bemisst sich entweder nach dem wirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Bürger verschafft (nutzenorientierte Betrachtung aus der Optik des Leistungsempfängers), oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs, wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen (aufwandorientierte Betrachtung aus der Optik des Leistungserbringers; BGE 126 I 180 E. 3a/bb und Urteil des Bundesgerichts 2C_900/2011 vom 2. Juni 2012 E. 4.2, in: ZBl 114/2013 S. 347). Aus Gründen der Verhältnismässigkeit bzw. Äquivalenz ist selbst eine gesetzes- oder reglementskonforme Gebühr dann herabzusetzen, wenn die an sich reguläre Anwendung des Tarifs im Ergebnis zu einer nicht mehr vertretbaren Abgabenhöhe führt.
Das - namentlich im Zusammenhang mit der Grundgebühr für Abwasser geltende (vgl. Art. 3a und Art. 60a Abs. 1 GSchG) - Verursacherprinzip besagt, dass die Kosten einer staatlichen Massnahme von derjenigen Person zu tragen sind, die sie verursacht hat. Nach der Lehre ist das Verursacherprinzip ein eigenständiges Prinzip, welches sich nicht aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ableiten lässt. Ausserhalb von Ersatzvornahmen gilt es nur, soweit es spezialgesetzlich vorgesehen ist; dies folgt aus dem in Art. 5 Abs. 1 BV verankerten Legalitätsprinzip (Urteil des Bundesgerichts 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013 E. 5.2).

2.2 Nach Art. 60a Abs. 1 GSchG sorgen die Kantone dafür, dass die Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen, die öffentlichen Zwecken dienen, mit Gebühren oder anderen Abgaben den Verursachern überbunden werden. Bei der Ausgestaltung der Abgaben werden insbesondere berücksichtigt: (lit. a) die Art und die Menge des erzeugten Abwassers; (lit. b) die zur Substanzerhaltung der Anlagen erforderlichen Abschreibungen; (lit. c) die Zinsen; (lit. d) der geplante Investitionsbedarf für Unterhalt, Sanierung und Ersatz, für Anpassungen an gesetzliche Anforderungen sowie für betriebliche Optimierungen. Würden kostendeckende und verursachergerechte Abgaben die umweltverträgliche Entsorgung des Abwassers gefährden, so kann diese soweit erforderlich anders finanziert werden (Art. 60a Abs. 2 GSchG).

2.3 Mit Art. 19 Abs. 2 RPG wird die Regelung der Erschliessungsbeiträge dem kantonalen Recht zugewiesen. In den §§ 38 ff. enthält das PBG Bestimmungen über Erschliessungsbeiträge und -gebühren. Das Recht, Gebühren gemäss § 49 PBG zu erheben, steht dabei den Gemeinden zu (§ 38 Abs. 1 PBG). Die Bemessungsfaktoren für die Beiträge sowie die Voraussetzungen, die Berechnungsfaktoren sowie die Fälligkeit der Gebühren sind in einem Reglement festzulegen (§ 38 Abs. 2 PBG). § 49 Abs. 2 PBG legt fest, dass für die Erneuerung, den Betrieb oder den Unterhalt von Werken und Anlagen wiederkehrende Gebühren erhoben werden können, wobei die Festlegung der Tarife an die Gemeindebehörde delegiert werden kann. Die Finanzierung von Abwasseranlagen richtet sich gemäss § 49 Abs. 3 PBG nach den §§ 10 bis 12 EG GschG.

2.4 § 10 Abs. 1 EG GschG legt als Grundsatz fest, dass die Gemeinden zur Finanzierung ihrer Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen kostendeckende und verursachergerechte Abgaben erheben. Der Regierungsrat kann Richtlinien über die Erhebung von Abgaben erlassen oder Richtlinien von Fachverbänden verbindlich erklären (§ 10 Abs. 2 EG GschG). Gemäss § 11 Abs. 1 EG GschG erheben die Gemeinden wiederkehrende Gebühren für die Deckung der Kosten aus Betrieb, Unterhalt, Erneuerung und Kontrolle von Kanalisationen und zentralen Abwasserreinigungsanlagen, wobei die Festlegung der Tarife an die Gemeindebehörde delegiert werden kann. Die wiederkehrenden Gebühren setzen sich aus einer Grundgebühr und einer Verbrauchsgebühr zusammen (§ 12 Abs. 1 EG GschG). Das Gesetz enthält - im Gegensatz zur Verbrauchsgebühr (vgl. § 12 Abs. 2 EG GschG) - keine weiteren Bestimmungen über die Grundgebühr. Die Gebührenregelungen der Gemeinden bedürfen der Genehmigung durch das Departement (§ 13 EG GschG). Die RRV GschG enthält sodann einzig in § 10 Bestimmungen zu den Abwassergebühren. Verbindliche Richtlinie für die Erhebung der Abgaben durch die Gemeinden gemäss § 10 Abs. 2 EG GSchG ist danach das jeweils gültige Musterreglement des Departementes. Abweichungen vom Musterreglement können genehmigt werden, soweit die Bestimmungen der §§ 10 bis 12 EG GschG nicht verletzt werden.

3.
3.1 Strittig ist vorliegend nicht, ob die kommunale Regelung den Bestimmungen des übergeordneten Rechts widerspricht, ansonsten die Vorinstanz das BGR der Beschwerdeführerin nicht genehmigt hätte. Umstritten ist vielmehr, ob die Beschwerdeführerin das kommunale BGR richtig angewendet hat. Eine richtige Anwendung umfasst nach Auffassung der Vorinstanz eine Auslegung des Inhalts des BGR nach Massgabe des Musterreglements und einer angeblichen departementalen Praxis bei der Bemessung der Abwasser-Grundgebühr für Liegenschaften, welche überdurchschnittlich gross sind oder sonstige Besonderheiten aufweisen (z.B. Ableitung des auf dem Grundstück anfallenden Meteorwassers in einen Vorfluter oder in ein Gewässer).

3.2 Wiederkehrende Gebühren sind gemäss Art. 24 BGR die zu leistenden Abgaben, welche die Kosten von Erneuerung, Betrieb und Unterhalt von Werken und der zentralen Anlagen zu decken haben. Der Anspruch zur Erhebung wiederkehrender Gebühren entsteht durch die Tatsache des Anschlusses eines Grundstückes an Werk- oder Entwässerungsanlagen (Art. 25 Abs. 1 BGR). Betreffend die Bemessungsgrundlagen hält Art. 26 Abs. 1 BGR fest, dass wiederkehrende Gebühren nach Massgabe des Kostendeckungs- und Verursacherprinzips unter Einbezug der Kosten für Amortisation bzw. Werterhaltung der Anlagen festzulegen sind. Die wiederkehrenden Gebühren setzen sich gemäss Art. 26 Abs. 2 BGR zusammen aus einer Grundgebühr sowie einem auf der Bezugsmenge bzw. der Anlagenbelastung basierenden Mengenpreis (Tarif). Unter dem Randtitel „Bemessungsfaktoren“ hält Art. 27 BGR fest, dass die Grundgebühr für Kanalisationen nach den m2 der entwässerten und an die ARA angeschlossenen Grundstücksfläche, multipliziert mit dem Abflussbeiwert gemäss Tabelle im Anhang D und einem Ansatz pro m2 gemäss Anhang B, berechnet wird. In Ziff. 3 von Anhang B wird die Grundgebühr definiert mit „m2 angeschlossene oder entwässerte Grundstücksfläche x Abflussbeiwert x Fr. 1.50“. In Anhang D wird der Spitzenabflussbeiwert jeweils nach Zonenart definiert. Dieser Wert beträgt für die Zone WG2, in welcher die strittige Parzelle liegt, 0,30. Gemäss unbestrittener Darstellung der Vorinstanz in der Vernehmlassung vom 9. Dezember 2015 entspricht der Wortlaut der betreffenden Bestimmung im BGR demjenigen des (aktuellen) Musterreglements (dort Art. 23 Abs. 3).

3.3 Zwischen der Vorinstanz und der Beschwerdeführerin bestehen in erster Linie unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage, ob nur die tatsächlich entwässerte bzw. angeschlossene Grundstücksfläche als Multiplikator bei der Bemessung der wiederkehrenden Grundgebühr veranschlagt werden darf (= Auffassung der Vor­instanz) oder ob - vorbehältlich einer Korrektur bei Ausnahmefällen gestützt auf entsprechende Spezialbestimmungen im BGR (hierzu nachfolgend E. 3.5) - grundsätzlich die gesamte Parzellenfläche zugrunde gelegt werden muss, wobei den unterschiedlichen Bebauungs- und Versiegelungsgraden in einer gestützt auf die Zonenart pauschalisierten Weise durch den Abflussbeiwert Rechnung getragen wird (= Auffassung der Beschwerdeführerin).
Die Meinungsdifferenz basiert nicht zuletzt auf einem unterschiedlichen Verständnis des Abflussbeiwertes. Gemäss Merkblatt „Entwässerung - Liegenschaftenentwässerung, Versickerung, Retention“ des kantonalen Amtes für Umwelt (AfU; abrufbar unter http://www.umwelt.tg.ch/documents/merkblatt_ entwaesserung_web.pdf; nachfolgend „Merkblatt AfU“) beschreibt der Abflussbeiwert „das Verhältnis zwischen den abflusswirksam befestigten, an die Kanalisation angeschlossenen Flächen und der Gesamtfläche einer Parzelle“ (Merkblatt AfU, Ziff. 7.3). Er gibt also an, wieviel Regenabwasser bei Regenwetter von einer Liegenschaft in die Kanalisation abgeleitet wird. Zur Bedeutung des Abflussbeiwerts führt Ziff. 7.4 des Merkblattes an, dass das öffentliche Kanalnetz und die Abwasserreinigungsanlage nicht darauf angelegt sind, den gesamten Regenwasserabfluss abzuleiten (Kapazität, Kosten). Aus diesem Grund müsse die maximale Ableitungsmenge begrenzt werden. Dies geschieht über die Festlegung von zonenabhängigen Abflussbeiwerten.
Diese Umschreibung des Begriffes des Abflussbeiwertes durch die kantonale Fachstelle, der sich gemäss Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin vom 16. April 2015 aus dem Generellen Entwässerungsprojekt (GEP) ergibt, ist zutreffend. Damit trifft auch die Auffassung der Beschwerdeführerin zu, dass die Berechnung im angefochtenen Rekursentscheid zu einer (ungerechtfertigten) doppelten Korrektur im Sinne der je nach Einzelgrundstück unterschiedlichen Bebauungs- und Versiegelungsdichte führt. Mit Anwendung des Abflussbeiwerts wird nämlich bei der Bemessung der wiederkehrenden Grundgebühr bereits eine Reduktion der Gesamtfläche eines Grundstücks vorgenommen. Eine Korrektur im Sinne des Verursacherprinzips ist darin in pauschalisierter Weise - abgestellt wird einzig auf die Zonenzugehörigkeit - also enthalten. Eine zusätzliche Reduktion der gebührenpflichtigen Grundstücksfläche (im Rahmen des Faktors „entwässerte und an die ARA angeschlossene Grundstücksfläche“) je nach den konkreten Verhältnissen der einzelnen Parzelle würde einen zweiten Korrekturmechanismus beinhalten, der sich aus denselben Überlegungen wie der Abflussbeiwert herleitet. Eine derartige doppelte Korrektur entbehrt jeglicher Logik und lässt sich auch mit der von der Vorinstanz ins Feld geführten, allerdings nicht belegten departementalen Praxis (in Form der Annahme, dass im Kanton Thurgau bei einer durchschnittlichen Bauparzellengrösse von 350 m2 bis 500 m2 bei teilweise überbauten Grundstücken im Regelfall maximal 500 m2 als angeschlossen und entwässert gälten) nicht rechtfertigen. Gegen eine derartige doppelte Korrektur spricht nicht zuletzt auch die im BGR vorgesehenen Härtefall- bzw. Ausnahmebestimmungen nach Art. 6 und Art. 27 Abs. 2 BGR (vgl. hierzu nachfolgend E. 3.5), die eine zusätzliche Korrekturmöglichkeit bei stossenden Ergebnissen im Einzelfall beinhalten.

3.4 Eine doppelte Korrektur der gebührenpflichtigen Grundstücksfläche entsprechend der von der Vorinstanz angewandten Berechnungsmethode ergibt sich auch nicht aus dem kantonalen Recht. Weder das PBG noch das EG GschG samt zugehörigen Verordnungen enthalten eine zwingende Bestimmung, aufgrund welcher die versiegelte Fläche parzellenscharf zu ermitteln und diese - zusätzlich - mit dem Abflussbeiwert korrigiert werden müsste. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass auch unter Beachtung des Verursacherprinzips eine gewisse Pauschalierung bzw. Schematisierung bei der Bemessung der wiederkehrenden Gebühren, insbesondere der Grundgebühr, unbestrittenermassen zulässig ist (vgl. BGE 141 V 509 E. 7.1.2 und Urteil des Bundesgerichts 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013 E. 6.4 mit weiteren Hinweisen, sowie Brunner, Verursachergerechte Finanzierung der Abwasserentsorgung nach Art. 60a GSchG, Gutachten zuhanden des Regierungsrates des Kantons Uri, Zürich 2005, S. 15, abrufbar unter: https://www.zrk.ch/ dms/gutachten/liste_id_252_filename1_rnd973.pdf). Fehl geht die Auffassung der Verfahrensbeteiligten und der Vorinstanz, eine parzellenweise Ermittlung der versiegelten Fläche jedes Grundstückes stelle einen einmaligen und zumutbaren Aufwand dar. Zwar können zahlreiche Angaben zur Bodenbedeckung aus dem Geoinformationssystem des Amtes für Geoinformation des Kantons Thurgau (ThurGis) entnommen werden, was den Aufwand bei der Ersterfassung etwas relativieren dürfte. Allerdings ist die Aktualität dieser Angaben nicht immer gegeben und wäre durch die zuständige Behörde jeweils für jede einzelne Liegenschaft zu prüfen. Hinzu käme die periodische, (wohl jährlich) notwendige Überprüfung, ob sich am Versiegelungsgrad etwas geändert hat. Nachdem auch die Vorinstanz in ihrem Musterreglement den Abflussbeiwert als Berechnungsfaktor der wiederkehrenden Grundgebühr erwähnt, ist nicht einzusehen, weshalb nicht auf diesen Korrekturfaktor abgestellt werden kann. Dem Verursacherprinzip wird im Regelfall mit der Anwendung dieses Abflussbeiwerts in rechtsgenüglicher Weise Rechnung getragen.

3.5 Sollte es im Einzelfall bei der Anwendung der Berechnungsformel von Art. 27, Abschnitt „Kanalisation“, lit. a BGR zu einem stossenden Ergebnis kommen, ist allerdings eine angemessene Korrektur vorzunehmen.

3.5.1 Eine solche gebieten bereits die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Äquivalenz. So ist aufgrund dieser Maximen selbst eine gesetzes- oder reglementskonforme Gebühr dann herabzusetzen, wenn die an sich reguläre Anwendung des Tarifs im Ergebnis zu einer nicht mehr vertretbaren Abgabenhöhe führt (BGE 141 V 509 E. 7.1.2 am Ende mit Hinweis auf Urteil des Bundesgerichts 2C_900/2011 vom 2. Juni 2012 E. 4.4, in: ZBl 114/2013 S. 347). Das BGR sieht seinerseits für ungewöhnliche Einzelfälle Korrekturmöglichkeiten vor: Unter dem Randtitel „Ausserordentliche Härtefälle“ trifft der Gemeinderat gemäss Art. 6 BGR dort, wo die festgesetzten Beiträge und Gebühren zu offensichtlich ungerechtfertigten Ergebnissen führen, nach pflichtgemässem Ermessen abweichende Verfügungen. Als lex specialis kann der Gemeinderat sodann gemäss Art. 27 Abs. 2 BGR bei den wiederkehrenden Gebühren in begründeten Fällen abweichende bzw. vertragliche Regelungen auf der Grundlage des Verursacher- und Rechtsgleichheitsprinzips treffen. Derartige Korrekturen dürften sich insbesondere in Fällen von grösseren Grundstücken aufdrängen, bei denen das Verhältnis zwischen „versiegelter“ bzw. abflusswirksam befestigter Fläche zur gesamten Grundstücksfläche erheblich unter dem für die betreffende Zone festgelegten Abflussbeiwert liegt. Auch anderen Besonderheiten kann mit diesen Ausnahmebestimmungen Rechnung getragen werden. Ausschlaggebend ist damit, ob die mittels der Grundformel nach Art. 27, Abschnitt „Kanalisation“, lit. a BGR berechnete Gebührenhöhe im Einzelfall zu einem derart stossenden Ergebnis führt, dass die Grundsätze der Verhältnismässigkeit bzw. Adäquanz und damit auch das Verursacher- und das Rechtsgleichheitsprinzip als verletzt anzusehen wären.

3.5.2 Für den vorliegenden Fall der streitbetroffenen Liegenschaft Nr. XX ergibt sich nach der Grundformel unter Anwendung und bei richtigem Verständnis des Abflussbeiwerts, dass von der Gesamtfläche von 2'323 m2 lediglich 696,9 m2 mit Gebühren belastet werden (2'323 m2 x 0,30). Dabei weist die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hin, dass eine parzellenscharfe Berechnung der tatsächlich versiegelten Flächen (…) für die verfahrensbeteiligte Grundeigentümerin bereits nach einer kursorischen Prüfung einen weit höheren Abflussbeiwert von 0,64 (1‘481 m2 : 2‘323 m2) ergeben würde als ein Abstellen auf den zonengemässen Abflussbeiwert (0,30). Es wird weder behauptet noch ist ersichtlich, dass die Gebührenbemessung für die Liegenschaft Nr. XX zu einem ausserordentlichen Härtefall führen würde oder dass ein korrekturbedürftiger Verstoss gegen das Verursacher- und/oder das Rechtsgleichheitsprinzip vorläge. Sonstige Besonderheiten, aufgrund welcher sich die Anwendung der Ausnahmebestimmungen aufdrängen würde, sind nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin hat vor diesem Hintergrund somit zu Recht von einer Anwendung von Art. 6 bzw. 27 Abs. 2 BGR abgesehen.

3.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin erhobene Abwasser-Grundgebühr rechtens ist. Die Beschwerde erweist sich als begründet. Damit ist der angefochtene Rekursentscheid vom 3. November 2015 ersatzlos aufzuheben, womit die von der Beschwerdeführerin gestellte Rechnung vom 31. Dezember 2014 hinsichtlich der Grundgebühr von Fr. 1‘045.35 zu bestätigen ist.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.111/E vom 14. September 2016

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