TVR 2016 Nr. 36
Bemessungsgrundlage Erwerbsersatz bei unregelmässigem Einkommen
Bei einer versicherten Person, die vor Dienstantritt einen Monat lang freiwillig nicht in einem Arbeitsverhältnis stand, ist das Durchschnittseinkommen gestützt auf Art. 6 Abs. 2 EOV zu berechnen, da die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 EOV zu einem unangemessenen Ergebnis führen würde.
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2015 legte die EAK die Entschädigung pro besoldeten Tag für L während der Dauer der Rekrutenschule vom 9. März 2015 bis 31. Juli 2015 auf Fr. 62.-- (Pauschalansatz) und für den Normaldienst ab 1. August 2015 auf Fr. 80.80 fest. Als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung für den Normaldienst hatte sie ein vordienstliches Einkommen von Fr. 3‘017.15 berücksichtigt, das auf dem Erwerbseinkommen von L in den letzten drei Monaten vor Dienstantritt basierte, wobei L im letzten Monat vor Dienstantritt keine Beschäftigung ausgeübt und entsprechend kein Einkommen erzielt hatte. Die gegen diese Verfügung erhobene Einsprache wies die EAK mit Entscheid vom 24. Dezember 2015 ab. Das Versicherungsgericht heisst die hiergegen erhobene Beschwerde teilweise gut.
Aus den Erwägungen:
3.1.2 Für Personen, die kein regelmässiges Einkommen im Sinne von Art. 5 EOV haben, wird für die Ermittlung des vordienstlichen Durchschnittseinkommens auf das während der drei letzten Monate vor Dienstbeginn erzielte und auf den Tag umgerechnete Erwerbseinkommen abgestellt (Art. 6 Abs. 1 EOV). Ist auf diese Weise die Ermittlung eines angemessenen Durchschnittseinkommens nicht möglich, so wird laut Art. 6 Abs. 2 EOV das Einkommen einer längeren Zeitspanne berücksichtigt. Die Wahl der massgebenden Periode obliegt der Ausgleichskasse. Die Periode muss so gewählt werden, dass die Ermittlung eines den Verhältnissen angemessenen Durchschnittslohns ermöglicht wird (Wegleitung zur Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende und Mutterschaft [WEO], Rz. 5033).
3.2
3.2.1 Es geht aus den Akten hervor und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer als Erwerbstätiger gilt und sein Durchschnittseinkommen angesichts dessen, dass er im Monat vor Dienstantritt in keinem Arbeitsverhältnis stand und nicht bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet war, gestützt auf Art. 6 EOV (Arbeitnehmer mit unregelmässigem Einkommen) zu ermitteln ist. Die Beschwerdegegnerin hat sein Durchschnittseinkommen gestützt auf Art. 6 Abs. 1 EOV aufgrund des in den letzten drei Monaten vor Dienstantritt erzielten Einkommens ermittelt. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, dies führe zu einem unangemessenen Ergebnis, weshalb in Anwendung von Art. 6 Abs. 2 EOV ein Zeitraum von sechs Monaten zu berücksichtigen sei.
3.2.2 Der Beschwerdeführer fällt einzig deshalb unter die Bestimmung von Art. 6 EOV, weil er vor dem Dienstantritt einen Monat lang freiwillig nicht in einem Arbeitsverhältnis stand. Davor war er seit 1. August 2011 im Monatslohn angestellt. Auf diese Konstellation scheint Art. 6 EOV, der von Arbeitnehmern mit unregelmässigem Einkommen spricht, nicht zugeschnitten zu sein. Auch in der WEO findet sich kein Beispiel, das mit der Situation des Beschwerdeführers vergleichbar wäre. Vielmehr ist in WEO Rz. 5028 ff. die Rede von Taglöhnern, Akkordarbeiterinnen, Handelsreisenden, Agentinnen usw. Dies ändert zwar nichts daran, dass Art. 6 EOV vorliegend zur Anwendung gelangt. Doch spricht der Umstand, dass diese Bestimmung nicht auf Situationen wie diejenige des Beschwerdeführers zugeschnitten ist, eher dafür, dass auf ihn nicht die „Standardbestimmung“ von Art. 6 Abs. 1 EOV, sondern die „Ausnahmebestimmung“ von Art. 6 Abs. 2 EOV angewendet wird. Es ist diesbezüglich mit dem Beschwerdeführer davon auszugehen, dass die Berechnung des Durchschnittseinkommens basierend auf den Einkommen in den letzten drei Monaten vor Diensteintritt gestützt auf Art. 6 Abs. 1 EOV zu einem unangemessenen Ergebnis führt, da der Monat vor Dienstantritt, in dem der Beschwerdeführer kein Einkommen erzielt hat, unverhältnismässig stark ins Gewicht fallen würde. Daran ändert nichts, dass er in diesem Monat freiwillig ohne Einkommen war, zumal dieser Umstand auch in die Berechnung des Durchschnittseinkommens nach Art. 6 Abs. 2 EOV einfliesst, allerdings weniger stark. Massgebend ist nämlich, welcher Verdienst dem Beschwerdeführer während des Diensts mutmasslich entgangen ist. Diesbezüglich kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer erneut eine Stelle gesucht hätte, in der er ein ähnliches Einkommen erzielt hätte wie an seiner letzten Stelle. Bei erfolgloser Stellensuche hätte er sich wohl zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet, wobei für die Berechnung des versicherten Verdiensts an dem Lohn seiner letzten Arbeitsstelle angeknüpft worden wäre. Vor diesem Hintergrund erscheint das von der Beschwerdegegnerin ermittelte Durchschnittseinkommen unverhältnismässig tief und damit nicht angemessen. Es rechtfertigt sich daher, das Durchschnittseinkommen des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 6 Abs. 2 EOV zu berechnen. Die von ihm beantragte Berücksichtigung von sechs Monaten erscheint den Umständen angemessen. Aus den Akten geht hervor, dass das Einkommen des Beschwerdeführers im fraglichen Zeitraum angestiegen ist. Wann dies genau der Fall war, lässt sich aufgrund der Aktenlage nicht beurteilen. Die Sache ist daher an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Diese wird das Durchschnittseinkommen des Beschwerdeführers anhand der von diesem in den letzten sechs Monaten vor Dienstantritt erzielten Einkommen berechnen und gestützt darauf die Entschädigung pro besoldeten Tag ab dem Beginn des Normaldiensts am 1. August 2015 festlegen müssen.
Entscheid des Versicherungsgerichts VV.2016.17/E vom 6. Juli 2016