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TVR 2017 Nr. 15

Aussiedlung; selbstverschuldete Zwangslage, Alternativstandorte, überwiegende Interessen des Landschaftsschutzes


Art. 16 a RPG, Art. 34 Abs. 4 lit. a RPV, Art. 34 Abs. 4 lit. d RPV


1. Ob die Aussiedlung an einen Betriebsstandort an einer landschaftlich heiklen Lage betrieblich notwendig ist, muss auch unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob die Notwendigkeit zur Aussiedlung durch eine selbstverschuldete Zwangslage herbeigeführt wurde (E. 3).

2. Bei einem Baugesuch für den Neubau eines Betriebsstandorts an einer landschaftlich heiklen Lage ist bei Einreichung der Baubewilligung der Nachweis zu erbringen, dass keine anderen Alternativstandorte in der Umgebung in Frage kommen. Diese Alternativstandorte sind intensiv und gegebenenfalls unter Vermittlung von Kanton und Gemeinde zu suchen (E. 4).


A und B betreiben gemeinsam ein landwirtschaftliches Gewerbe. A ist Eigentümerin der Liegenschaft Nr. ZZZ im Grundbuch C. Die Parzelle befindet sich laut dem gültigen Zonenplan in der Landwirtschaftszone. Gemäss dem kantonalen Richtplan befindet sich die Parzelle zudem in einem Gebiet mit Vorrang Landschaft und in einem Gebiet mit Vernetzungsfunktion. A und B beabsichtigen, auf der Liegenschaft Nr. ZZZ den Neubau einer landwirtschaftlichen Siedlung. Ursprünglich befand sich auf der Parzelle bereits eine Scheune. Im Neubauprojekt sind Stallungen für 40 Mutterkühe und Nachzucht, 16 Pferde und 10 Fohlen sowie Lager- bzw. Einstellraum für Futtervorräte und Maschinen vorgesehen. Gegen das bewilligte Baugesuch rekurrierten die Vereine X und Y beim DBU, das den Rekurs jedoch abwies. Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab. Das Bundesgericht hob den Entscheid des Verwaltungsgerichts mit Urteil 1C_17/2015 vom 16. Dezember 2015 auf und wies die Sache zu ergänzender Abklärung und zum neuen Entscheid an das Verwaltungsgericht zurück. Nach Durchführung eines Augenscheins und Einholung weiterer Akten heisst das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut.

Aus den Erwägungen:

2. Das Bundesgericht hat mit seinem Urteil 1C_17/2015 vom 16. Dezember 2015 den Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2014.110/E vom 29. Oktober 2014 aufgehoben und die Sache zu ergänzenden Abklärungen und zum neuen Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Begründet wird der Entscheid des Bundesgerichts im Wesentlichen damit, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt, weil ihrem Antrag auf Beizug der Verkaufsakten im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft Nr. NNN, Grundbuch H, nicht nachgekommen worden sei. Dies könne für die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit der Aussiedlung und die gebotene Interessenabwägung (Art. 34 Abs. 4 lit. a und b RPV) eine Rolle spielen. Weiter wurde im Entscheid des Bundesgerichts ausgeführt, die zu bebauende Liegenschaft Nr. ZZZ im Grundbuch C befinde sich gemäss kantonalem Richtplan in einem Gebiet mit Vorrang Landschaft sowie Vernetzungsfunktion. Es sei weder geprüft worden, welche Funktion die Liegenschaft Nr. ZZZ für die Verbindung von Lebensräumen habe, noch inwiefern die geplanten Bauten diese Funktionen beeinträchtigen könnten. Damit sei die Interessenabwägung unvollständig gewesen. Vor der Errichtung neuer Betriebszentren auf unüberbautem Kulturland in einem sensiblen Landschaftsgebiet müsse daher geprüft werden, ob es leerstehende Ökonomiebauten in der Region gebe, die übernommen werden könnten. Schliesslich sei nicht geprüft worden, ob die Wirtschaftlichkeit des geplanten Betriebs unter Berücksichtigung des Generationenwechsels und der gebotenen Investition gegeben sei. Im Folgenden ist diesen Fragen - soweit erforderlich - nachzugehen.

3.
3.1 Laut Art. 16 RPG dienen Landwirtschaftszonen der langfristigen Sicherung der Ernährungsbasis des Landes, der Erhaltung der Landschaft und des Erholungsraums oder dem ökologischen Ausgleich und sollen entsprechend ihren verschiedenen Funktionen von Überbauungen weitgehend freigehalten werden. Zonenkonform sind Bauten und Anlagen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig sind (Art. 16a Abs. 1 Satz 1 RPG). Laut Art. 34 Abs. 4 RPV darf eine Baubewilligung nur erteilt werden, wenn die Baute oder Anlage für die in Frage stehende Bewirtschaftung nötig ist (lit. a), der Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b) und der Betrieb voraussichtlich längerfristig bestehen kann (lit. c). Bei der Standortwahl für Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone ist der Bauherr im Hinblick auf Art. 34 Abs. 4 lit. a und b RPV nicht frei, sondern er muss nachweisen, dass die Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort objektiv notwendig ist, das heisst, ein schutzwürdiges Interesse daran besteht, die streitige Baute am gewählten Ort zu errichten, und, nach Abwägung aller Interessen, kein anderer, besser geeigneter Standort in Betracht kommt (Urteil des Bundesgerichts 1C_550/2009 vom 9. September 2010 E. 4.2). Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Praxis erklärt, das öffentliche Interesse an der Vermeidung der Zersiedlung gebiete, landwirtschaftliche Ökonomiebauten beim Betriebszentrum zu errichten. Das gelte jedenfalls, wenn das Betriebszentrum in einem Siedlungsgebiet liege. Ein Standort ausserhalb des bereits besiedelten Gebietes könne in Frage kommen, wenn für die neue Nutzung bereits bestehende, nicht mehr benötigte Bauten verwendet werden könnten (Urteil des Bundesgerichts 1C_144/2013 vom 29. September 2014 E. 4.3).

3.2 Bezogen auf den vorliegenden Fall führte das Bundesgericht in seinem Urteil 1C_17/2015 vom 16. Dezember 2015 in E. 2.2 aus, zwar möge es zutreffen, dass die Motive für den damaligen Verkauf der Liegenschaft Nr. NNN unter dem Blickwinkel des BGBB irrelevant seien. Es interessiere aber die Frage, ob die Liegenschaft Nr. NNN als Alternativstandort für neue Ökonomiebauten geeignet gewesen wäre. Diesfalls hätten die Verfahrensbeteiligten ihren Betrieb am Siedlungsrand von H erweitern können, anstatt hierfür unüberbautes Land in C zu beanspruchen. Zwar stehe diese Option heute nicht mehr zur Verfügung, dennoch könne es für die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit der Aussiedlung und die gebotene Interessenabwägung (Art. 34 Abs. 4 lit. a und b RPV) eine Rolle spielen, ob die Verfahrensbeteiligten ihre heutige Zwangslage selbst herbeigeführt hätten.

3.3
3.3.1 Diesem Verfahren zu Grunde liegt das Baugesuch der Verfahrensbeteiligten vom 1. Juli 2013. In diesem Zeitpunkt waren die Verfahrensbeteiligten im Baugebiet der Gemeinde H lediglich noch im Eigentum der Liegenschaft Nr. PPP im Ausmass von 1‘087 m2, jedoch nicht mehr Eigentümer der Liegenschaft Nrn. NNN und MMM (ursprünglich Teil der Liegenschaft Nr. PPP) und den danach davon abparzellierten Grundstücken, welche zusammen eine Fläche von 28‘203 m2 ergeben. Insbesondere die Liegenschaft Nr. NNN war ursprünglich in der Landwirtschaftszone und auf der Liegenschaft Nr. QQQ war das Betriebszentrum.

3.3.2 Grundsätzlich hat das Verwaltungsgericht, ebenso wie die Baubehörde, ein Baugesuch nach den Verhältnissen zu beurteilen, wie sie im Zeitpunkt der Baueingabe angetroffen werden. Für die Prüfung, ob eine Baute oder Anlage für die in Frage stehende Bewirtschaftung nötig ist und am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 34 Abs. 3 lit. a und b RPV), geht jedoch das Bundesgericht im Urteil 1C_17/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.2 davon aus, es müsse auch eine rückwirkende Betrachtungsweise vorgenommen werden, wenn die Verfahrensbeteiligten dadurch ihre Zwangslage selbst herbeigeführt hätten (vgl. dazu auch den Kommentar zum Urteil 1C_17/2015 von Dr. Karin Scherrer Reber in ZBl 2016 S. 554 ff.). Diesen Vorwurf erheben letztlich die Beschwerdeführer. Bereits in ihrer Beschwerdeeingabe vom 19. Mai 2014 machten sie sinngemäss geltend, dass sich die Verfahrensbeteiligten durch die Veräusserung insbesondere der Liegenschaften Nrn. NNN und MMM in H in die Lage gebracht hätten, nun in F auf der Liegenschaft Nr. ZZZ inmitten einem Gebiet mit Vorrang Landschaft sowie Vernetzungsfunktion aussiedeln zu müssen. Insbesondere die Liegenschaft Nr. NNN wäre aber für eine Aussiedlung geeignet gewesen.

3.4
3.4.1 (…)

3.4.2 (…) Die Verfahrensbeteiligten mussten - nach eigenen Angaben - einen Teil der Liegenschaft Nr. PPP verkaufen, um die vorhandenen Schulden zu bezahlen und den Konkurs abzuwenden. Nach dem Verkauf der Liegenschaft Nr. MMM waren die Verfahrensbeteiligten dann aber schuldenfrei, besassen in der Landwirtschaftszone unmittelbar anschliessend an die Bauzone noch die Liegenschaft Nr. NNN im Halte von 206,87 a und in der Bauzone die Liegenschaft Nr. PPP im Halte von 1‘087 m2. Damit hätten die Verfahrensbeteiligten ihr bisher auf der im Jahr 2000 abgetrennten Liegenschaft Nr. PPP gelegenes Betriebszentrum neu auf die Liegenschaft Nr. NNN, jetzt am Siedlungsrand gelegen, aussiedeln können. Nachdem die Schulden getilgt waren, bestand auch kein finanzieller Druck mehr, die Liegenschaft Nr. NNN zu verkaufen. Mit den Fr. 224‘500.-- flüssiger Mittel aus dem Verkauf der Liegenschaft Nr. MMM sowie der Landreserve mit der Liegenschaft Nr. PPP in der Bauzone, welche einen Wert von rund Fr. 400‘000.-- besass und leicht verflüssigbar war, wäre eine Aussiedlung dorthin möglich gewesen. Wie der am 30. November 2016 bei der Liegenschaft Nr. NNN durchgeführte Augenschein gezeigt hat, wäre an diesem Standort (…) eine Aussiedlung am Siedlungsrand, wie vom Bundesgericht im Urteil 1C_17/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.2 angeführt, möglich gewesen. Die Verfahrensbeteiligten haben es aber vorgezogen, die Liegenschaft Nr. NNN in eine Zone für Pferdehaltung umzonen zu lassen, um diese danach ebenfalls verkaufen zu können. Dadurch haben sie aber selber die Situation geschaffen, nun an einen weniger geeigneten Ort aussiedeln zu müssen. Wenn aber die Verfahrensbeteiligten am Siedlungsrand von H einen Aussiedlungsstandort gehabt hätten und die Liegenschaft Nr. NNN trotzdem aus freiem Willen verkauften, um danach ein Aussiedlungsbegehren zu stellen mit der Begründung, man benötige ein neues Betriebszentrum, so haben die Verfahrensbeteiligten die Zwangslage, in der sie sich heute befinden und aus der sie nun Rechte ableiten wollen, selbst verschuldet, so dass sie sich nicht darauf berufen können. Das Baugesuch für einen Standort im Gebiet mit Vorrang Landschaft sowie Vernetzungsfunktion, wo bisher lediglich eine kleine Scheune vorhanden war, kann daher nicht bewilligt werden, weshalb die Beschwerde schon mit dieser Begründung gutzuheissen ist.

4.
4.1 In der Landwirtschaftszone darf eine Baubewilligung nur erteilt werden, wenn der Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Lenkender Massstab bilden dabei ebenfalls die Ziele und Grundsätze der Raumplanung (Art. 1 und 3 RPG), wobei die Anliegen des Landschaftsschutzes von besonderer Bedeutung sind (Urteile des Bundesgerichts 1C_397/2015 vom 9. August 2016 E. 4.2, 1C_5/2015 vom 28. April 2015 E. 3 mit Hinweisen; Caviezel/Fischer, in: Griffel/Liniger/Rausch/Thurnherr, Fachhandbuch öffentliches Baurecht, Zürich/Basel/Genf 2016, N. 3.64). Den Aspekten des Orts- und Landschaftschutzes kommt demnach eine besondere Bedeutung zu. Bauten und Anlagen können nicht zonenkonform errichtet werden, wenn dem Vorhaben am vorgesehenen Standort überwiegende Interessen entgegenstehen. Durch diese Voraussetzung wird verhindert, dass Bauten und Anlagen in sensiblen Landschaften erstellt werden. Soweit das positive Verfassungs- und Gesetzesrecht einzelne Aspekte der Interessenabwägung regelt (Umweltschutz sowie Natur- und Heimatschutz), sind Bauvorhaben vorab anhand dieser Vorschriften auf ihre Zulässigkeit hin zu prüfen (Caviezel/ Fischer, a.a.O., N. 3.64).

4.2
4.2.1 Bund, Kantone und Gemeinden sorgen dafür, dass der Boden haushälterisch genutzt und das Baugebiet vom Nichtbaugebiet getrennt wird (Art. 1 Abs. 1 RPG). Sie unterstützen mit Massnahmen der Raumplanung insbesondere die Bestrebungen, die natürlichen Lebensgrundlagen wie Boden, Luft, Wasser, Wald und die Landschaft zu schützen, die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken, unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnqualität sowie kompakte Siedlungen zu schaffen (Art. 1 Abs. 2 lit. a, abis und b RPG). Bund, Kantone und Gemeinden erarbeiten die für ihre raumwirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinander ab (Art. 2 Abs. 1 RPG). Die Landschaft ist zu schonen und insbesondere sollen der Landwirtschaft genügend Flächen, geeignetes Kulturland, insbesondere Fruchtfolgeflächen, erhalten bleiben. Zudem haben sich Siedlungen, Bauten und Anlagen in die Landschaft einzuordnen. Naturnahe Landschaften und Erholungsräume sollen erhalten bleiben (Art. 3 Abs. 2 lit. a, b und d RPG).

4.2.2 Laut der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil des Bundesgerichts 1C_450/2009 vom 9. September 2010 E. 4.2) sind die Bauherren bei der Standortwahl für Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone im Hinblick auf Art. 34 Abs. 4 lit. a und b RPV nicht frei, sondern sie müssen nachweisen, dass die Bauten oder Anlagen am vorgesehenen Standort objektiv notwendig sind, das heisst ein schutzwürdiges Interesse daran besteht, die streitige Baute am gewählten Ort zu errichten und nach Abwägung aller Interessen kein anderer, besser geeigneter Standort in Betracht kommt. Das Bundesgericht hat diese Anforderungen im Urteil 1C_17/2015 vom 16. Dezember 2015 in E. 3.2 noch einmal dahingehend definiert, ein Standort ausserhalb des bereits besiedelten Gebietes könne dann in Frage kommen, wenn für die neue Nutzung bereits bestehende, nicht mehr benötigte Bauten verwendet oder eingesetzt werden könnten. Weiter präzisierte das Bundesgericht in diesem Entscheid, wenn ein bestehender Betrieb erweitert werden solle, so sei die Standortwahl naturgemäss begrenzt. Eine andere Ausgangslage bestehe, wenn ein Betrieb ausgesiedelt werden solle, und hierfür bisherige Wohn- und Ökonomiebauten verkauft würden. In Folge des Strukturwandels würden immer mehr Bauernhöfe in der Landwirtschaftszone aufgegeben. Diese dürften nur umgenutzt werden, wenn sie für die Landwirtschaft nicht mehr benötigt würden. Vor der Errichtung neuer Betriebszentren auf unüberbautem Kulturland in einem sensiblen Landschaftsgebiet müsse deshalb geprüft werden, ob es lehrstehende Ökonomiebauten in der Region gebe, die übernommen werden könnten (z. B. durch einen Landabtausch; evtl. unter Vermittlung von Kanton und Gemeinde). Sodann seien Standorte am Siedlungsrand zu bevorzugen, um eine Zersiedelung zu vermeiden. Soweit überhaupt unüberbaute bzw. landwirtschaftlich empfindliche Gebiete als Standort in Betracht fielen, könne es sich rechtfertigen, die Bewilligung mit einem Zweckänderungsverbot zu belegen.

4.3
4.3.1 Auf kantonaler Ebene hat der Kanton Thurgau diese Vorgaben des Bundesrechts (vgl. E. 4.2.1) mit dem Erlass des Kantonalen Richtplans umgesetzt. Die Beschwerdeführer wiesen darauf hin, dass die Liegenschaft Nr. ZZZ gemäss Kantonalem Richtplan in einem Gebiet mit Vorrang Landschaft und in einem Gebiet mit Vernetzungsfunktion liegt. Dies geht bereits aus dem Entscheid des kantonalen Amtes für Raumplanung (heute Raumentwicklung) vom 16. August 2013 hervor. Laut Ziff. 2.3 des Kantonalen Richtplans sind Struktur und Eigenart der Gebiete mit Vorrang Landschaft zu erhalten, bzw. zu fördern. Es gelten erhöhte Anforderungen an den Standort und die Gestaltung von bewilligungspflichtigen baulichen Eingriffen. Die Liegenschaft Nr. ZZZ liegt im Gebiet mit Vorrang Landschaft Nr. 135. Schutzziele dieses Gebiets sind die Freihaltung der unüberbauten Flächen von Hochbauten und negativ in Erscheinung tretende Anlagen sowie die Konzentration der Hochbauten auf bestehende Weiler und Dörfer.

4.3.2 Die Liegenschaft Nr. ZZZ befindet sich sodann im Gebiet mit Vernetzungsfunktion Nr. 427. Laut Ziff. 2.5 des Kantonalen Richtplans sollen Gebiete mit Vernetzungsfunktion die Wanderung von Tieren und die Ausbreitung von Pflanzen ermöglichen sowie zur Arterhaltung und Steigerung der Vielfalt beitragen. Dieses System ist zu erhalten und wo nötig durch geeignete Massnahmen zu verbessern. Bauliche Eingriffe dürfen die Vernetzungsfunktion nicht erheblich beeinträchtigen. Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung dieser Flächen ist nicht eingeschränkt; die Grundnutzung bleibt Landwirtschaft. Bauten und Anlagen sowie weitere Eingriffe in den Gebieten mit Vernetzungsfunktion verhindern aber oft das gute Funktionieren des Korridors, weshalb diese nach Möglichkeiten ausserhalb der erwähnten Gebiete auszuführen sind.

4.3.3 Anlässlich des Augenscheins konnte anhand der bereits gestellten Visiere festgestellt werden, wie mächtig das geplante Betriebszentrum werden soll. Während ursprünglich in der nordöstlichen Ecke lediglich eine Scheune mit einer Grundfläche von 20 x 9,5 m bestand, soll künftig in der nordwestlichen Ecke der Liegenschaft Nr. ZZZ das neue Betriebszentrum mit einer Fläche von über 110 x 50 m entstehen (bereits bestehende Scheune, Remise, Laufstall sowie Pferdestall). Dass damit ein erheblicher Eingriff in eine bisher beinahe unberührte Geländekammer vorgenommen werden soll, liess sich am Augenschein unschwer erkennen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Verfahrensbeteiligten die Remise in der nordöstlichen Ecke bereits ohne Baubewilligung erstellt haben. Durch die Realisierung sämtlicher beabsichtigter neuen Bauten dürfte faktisch, alle benötigten Zufahrtswege etc. einberechnet, gegen eine halbe Hektare Fruchtfolgefläche verloren gehen. Es bildet sich ein 100 m langer Riegel in einer bisher einzig mit einer kleinen Scheuer bebauten Landschaftskammer.(…)

4.3.4 In Anbetracht der äusserst heiklen Lage des neu zu errichtenden Betriebszentrums in Mitte einer bisher - bis auf eine relativ kleine, bereits bestehende Scheune - unverbauten Landschaft in einem Gebiet mit Vernetzungsfunktion und einem Gebiet mit Vorrang Landschaft könnte eine Baubewilligung im vorliegenden Fall nur erteilt werden, wenn die Verfahrensbeteiligten nachweisen, dass sie auf diesen Standort angewiesen sind und keine anderen Alternativstandorte in der Umgebung in Frage kommen. Zur Prüfung der Frage, ob solche Standorte vorhanden sind, ist gegebenenfalls - wie das Bundesgericht ausführte - auf die Hilfe von Kanton und Gemeinden zurückzugreifen. Zwar führt das Bundesgericht nicht aus, wie eine solche Unterstützung durch Kanton und Gemeinde aussehen könnte, doch ist für den vorliegenden Fall festzustellen, dass diesbezüglich beim Kanton gar nie um Vermittlung allfälliger lehrstehender Ökonomiegebäude nachgefragt wurde. Die Gemeinde H war zwar in das Aussiedlungsprojekt der Verfahrensbeteiligten involviert, ist jedoch ebenfalls zu keiner Zeit um Vermittlung angefragt worden, ebenso wenig wie die verfahrensbeteiligte Gemeinde oder eine andere Gemeinde in der Umgebung. Jedenfalls wird solches nicht behauptet. Grundsätzlich ist es Sache der Verfahrensbeteiligten als Bauherren, nachzuweisen, dass keine anderen Alternativstandorte vorhanden sind. Hierfür genügt der Nachweis, dass in der Zeitschrift „Thurgauer Bauer“ einmalig ein Inserat aufgegeben wurde, zweifelsfrei nicht. Die Beschwerdeführer weisen sodann zu Recht darauf hin, dass in diesem Inserat lediglich ein Stall für Mutterkühe über den Winter gesucht wurde. Ernsthafte Anstrengungen, einen möglichen Alternativstandort als Betriebsstandort in nützlicher Distanz zu finden, belegen die Verfahrensbeteiligten nicht. Gemäss der Tragbarkeitsberechnung der Treuhandfirma W verfügen die Verfahrensbeteiligten nach wie vor über 40 Mutterkühe, 5 Pferde und 7 Zuchtstuten sowie 40 Mutterkuhkälber bzw. 12 Fohlen. Da die Verfahrensbeteiligten zudem nach wie vor namhafte Direktzahlungsbeträge erhalten, ist davon auszugehen, dass der landwirtschaftliche Betrieb auch heute aufrecht erhalten wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wo denn die Tiere zur Zeit untergebracht werden und ob es nicht gegebenenfalls möglich wäre, an einem dieser Orte ein Betriebszentrum zu errichten. Hierüber schweigen sich die Verfahrensbeteiligten jedoch aus. Die von ihnen in der Eingabe vom 31. Mai 2016 eingereichte Liste mit möglichen Zeugen genügt ebenfalls nicht. Es wäre Sache der Verfahrensbeteiligten, nachzuweisen, wie genau jeweils die Anfrage gelautet hatte und was genau die Antworten waren. Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung wäre es notwendig, intensiv mögliche, lehrstehende Gebäude zu suchen. Der Nachweis, dass ernsthaft solche Gebäude gesucht wurden, wurde nicht erbracht.

4.3.5 Der Nachweis, dass der Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen i.S.v. Art. 34 Abs. 4 lit. b RPV entgegenstehen, ist Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung und daher mit dem Baugesuch einzureichen. Bei einem Baugesuch für einen Betriebsstandort an einer landschaftlich so heiklen Lage genügen die von den Verfahrensbeteiligen offerierten Beweise jedenfalls nicht. Entgegen dem Antrag der Beschwerdeführer ist die Sache aber nicht an die Vorinstanzen zurückzuweisen, denn dieser Nachweis muss bereits bei der Einreichung des Baugesuchs erbracht werden, denn er ist Bewilligungsvoraussetzung. Diesen Nachweis erbringen die Verfahrensbeteiligten klarerweise nicht. Daher ist die Beschwerde auch wegen ungenügend nachgewiesener Bemühungen im Hinblick auf das Finden von möglichen Ersatzstandorten gutzuheissen und sowohl die Baubewilligung der verfahrensbeteiligten Gemeinde als auch die Bewilligung des Amtes für Raumplanung aufzuheben.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.236/E vom 29. März 2017

Das Bundesgericht hat eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 1C_301/2017 vom 20. November 2017 abgewiesen.

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