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TVR 2017 Nr. 19

Visierpflicht für Bauvorhaben unterhalb des natürlichen Terrains; mögliche Heilung des Mangels der unzureichenden Visierung im Rekursverfahren


§ 101 PBG


Bei einem Baugesuch für ein Projekt, welches sich unterhalb des natürlich gewachsenen Terrains befindet, i.c. für eine Abfall-/Bauschuttrecyclinganlage in einer bereits bestehenden Kiesgrube, besteht ebenfalls eine Pflicht zur Aussteckung des Vorhabens. Ist eine Drittperson ohne weiteres in der Lage, gegen das Bauvorhaben während der öffentlichen Auflage Einsprache zu erheben und in der Folge gegen die Baubewilligung bzw. den Einspracheentscheid in rechtsgenüglicher Weise Rekurs zu erheben, ist der Mangel der unzureichenden Visierung im Rekursverfahren als geheilt anzusehen.


Die Firma B AG ist Eigentümerin der zum Kiesgrubenareal „A“ gehörenden Liegenschaft Nr. XX in der Politischen Gemeinde C. Sie betreibt auf dem Grundstück Kiesabbau und seit etwa 20 Jahren eine Bauschuttaufbereitungsanlage. Am 9. Dezember 2013 reichte die B AG ein Baugesuch für die Erweiterung des bestehenden Bauschuttaufbereitungsplatzes von bisher circa 7‘000 m2 auf 12‘200 m2 ein. Dieser Platz sollte zur betrieblichen Optimierung baulich angepasst werden. Das Projekt sieht vor, die befestigte Fläche zu vergrössern und neue Kippstellen zu schaffen. Die bestehende Versickerungsanlage soll aufgehoben und an anderer Stelle mit demselben Prinzip neu errichtet werden. Gestützt auf die Bewilligungen der kantonalen Fachstellen erteilte die Politische Gemeinde C mit Entscheid vom 25. September 2014 die Baubewilligung bzw. Ausnahmebewilligung unter Auflagen und wies eine gegen das Projekt erhobene Einsprache ab. Den vom Einsprecher eingereichten Rekurs wies das DBU mit Entscheid vom 22. September 2015 ebenfalls ab. Auch eine dagegen erhobene Beschwerde wird vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, dass im Baubewilligungsverfahren zu Unrecht auf eine Visierung verzichtet worden sei. Die Öffentlichkeit habe sich aufgrund der unterbliebenen Visierung kein Bild des Bauvorhabens machen können. Allein schon aufgrund der fehlenden Visierung müsse die erteilte Baubewilligung annulliert werden.

3.2 Gemäss § 101 PBG sind vor Einreichung des Baugesuchs Visiere aufzustellen, die den Standort und die Dimension des Vorhabens bezeichnen (Abs. 1). Die Visiere sind bis zum rechtskräftigen Entscheid über das Baugesuch zu belassen (Abs. 2). Ob Vorhaben darstellbar sind, entscheidet sich nicht nach dem Aufwand, sondern nach der technischen Machbarkeit und der Darstellungskraft einer allfälligen Aussteckung. Die Visiere (mitunter auch als „Baugespann“ oder „Aussteckung“ bezeichnet) sollen Personen, die in ihren Interessen beeinträchtigt sein könnten, ermöglichen, sich über das Projekt informieren zu können. Die geplante Baute oder Anlage braucht zwar nur in groben Zügen wiedergegeben zu werden, jedoch immerhin in einer Form, die eine hinreichende Visualisierung und Wahrnehmung für den Rechtsuchenden gewährleistet (vgl. Fritzsche/Bösch/Wipf, Zürcher Planungs- und Baurecht, Band 1, 5. Aufl., Zürich 2011, S. 308 f.).

3.3 Vorweg ist festzuhalten, dass keine Visierpflicht bezüglich der Grundstücksgrenzen besteht, wie der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 17. Juni 2016 moniert. Auszustecken ist lediglich das Bauvorhaben selbst. Obwohl sich der geplante Recyclingplatz zwischen 10 m und 34 m unter dem natürlich gewachsenen Terrain, das heisst unter dem nicht im Rahmen des Kiesgrubenbetriebs gestalteten Gelände, befindet und die Kiesgrube des bestehenden Gestaltungsplans nach dem Kiesabbau wieder rekultiviert werden muss, stellte die Vorinstanz zutreffend fest, dass auch für das streitbetroffene Bauvorhaben eine Visierpflicht gemäss § 101 PBG gegeben war. Die Visiere sollen nicht nur Nachbarn bzw. allfälligen Drittbetroffenen ein Bild des Vorhabens ermöglichen, sondern auch der Behörde die Beurteilung erleichtern. Die fehlende Einsehbarkeit auf dem Grund der Kiesgrube bildet - entgegen der Auffassung der verfahrensbeteiligten Gemeinde - keine Begründung für einen Verzicht auf die Aussteckung, ebenso wenig der Umstand, dass keine Hochbauten zur Diskussion stehen. Die Visierpflicht gemäss § 101 PBG beschränkt sich mithin nicht auf Hochbauten. Insbesondere Aufschüttungen, auch wenn sie innerhalb der bestehenden Kiesgrube vorgesehen sind, hätten ohne weiteres mittels Visieren „dreidimensional“ sichtbar gemacht werden können. Anlässlich des Augenscheines wurde auch das Absetz- und Versickerungsbecken mit rotweissen Bändern markiert. Die vorgesehenen Kippstellen im südwestlichen Bereich wurden sodann mit orange bemalten Holzpfosten erkenntlich gemacht. Daraus ergibt sich, dass eine geeignete Visualisierung des Bauvorhabens durchaus möglich gewesen wäre. Die Visierpflicht gemäss § 101 PBG gilt damit grundsätzlich auch für entsprechende Bauvorhaben, die unter dem gewachsenen Terrain geplant sind. Die unterbliebene Visierung des Bauvorhabens muss daher, wie bereits von der Vorinstanz festgestellt, grundsätzlich als Mangel des Baubewilligungsverfahrens qualifiziert werden.

3.4 Die Detailprüfung des Bauprojekts hat jedoch anhand der öffentlich aufgelegten Pläne und nicht des Baugespanns zu erfolgen. Die Publikation des Bauvorhabens erfolgte am 10. Januar 2014 im kantonalen Amtsblatt; die öffentliche Auflage erfolgte vom 10. Januar 2014 bis 30. Januar 2014. Wie aus dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren ersichtlich, war der Beschwerdeführer ohne weiteres in der Lage, gegen das Bauvorhaben während der öffentlichen Auflage Einsprache zu erheben und in der Folge gegen die Baubewilligung bzw. den Einspracheentscheid in rechtsgenüglicher Weise Rekurs zu erheben. Es ist nicht ersichtlich und es wird auch nicht dargetan, inwiefern dem Beschwerdeführer aus der mangelhaften Profilierung ein Rechtsnachteil erwachsen wäre. Vielmehr sind die in den Akten liegenden Baupläne hinreichend klar, so dass das Bauvorhaben sachgerecht angefochten werden konnte, was vorliegend auch geschehen ist. Der Mangel des Baubewilligungsverfahrens in Form der unterlassenen Visierung des Bauvorhabens ist damit als geheilt anzusehen. Eine Aufhebung des angefochtenen Entscheids zur Vornahme einer erneuten Aussteckung käme zudem einem formalistischen Leerlauf gleich (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_155/2015 vom 19. Januar 2016 E. 3.2 mit weiterem Hinweis). Unbehelflich ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sich die Öffentlichkeit durch das gesetzwidrige Vorgehen in Form der unterlassenen Visierung kein Bild des Vorhabens habe machen können. Mithin vermag er sich nicht auf ein allfälliges Interesse Dritter an einer erneuten Aussteckung zu berufen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_86/2012 vom 7. September 2012 mit Verweis auf das Urteil 1C_440/2010 vom 8. März 2011 E. 3.4). Die diesbezüglichen Einwände des Beschwerdeführers sind unbegründet.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2015.187/E vom 24. August 2016

Das Bundesgericht hat eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 1C_561/2016 vom 14. November 2017 abgewiesen.

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