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TVR 2017 Nr. 20

Feuerschutz; Eingriff in Eigentumsgarantie und Wirtschaftsfreiheit; besonders grosse Gefahr; materielle Rechtskraft von Entscheiden; Sanierungsfristen


Art. 26 BV, Art. 27 BV, § 9 FSG, § 16 FSG, § 28 FSV


1. Die Bestimmungen von FSG und FSV sowie der Brandschutznorm und der Brandschutzrichtlinien bilden eine genügende gesetzliche Grundlage zur Einschränkung sowohl der Eigentums- als auch der Wirtschaftsfreiheit (E. 3.2).

2. Kommt eine Brandschutzanalyse zum Ergebnis, es bestehe eine besonders grosse Gefahr für die Einwohner, stehen höchst schützenswerte polizeiliche Güter wie die Sicherheit für Leib und Leben sowie die öffentliche Sicherheit im Vordergrund, weshalb ein hohes öffentliches Interesse an der Durchsetzung von feuerpolizeilichen Massnahmen besteht (E. 3.3).

3. Die Anordnung von Fristen zur Umsetzung feuerpolizeilicher Massnahmen und die damit verbundene Androhung der Reduktion der Bettenzahl sind in Anbetracht der hohen, auf dem Spiel stehenden Polizeigüter selbst dann verhältnismässig, wenn die angedrohten Massnahmen existenzbedrohend sind (E. 3.4). Dem steht auch eine wie auch immer geartete „Bestandesgarantie“ aus einer früheren Verfügung oder Vereinbarung nicht entgegen (E. 3.5).


Die R AG betreibt ein Pflegeheim. Ein Bericht über die Feuerschutzkontrolle zählte verschiedene Feuerschutzmängel auf. Auch ein daraufhin eingeholter Bericht „Bestandesanalyse Brandsicherheit“ der X AG zeigte verschiedene weitere Mängel im Brandschutz des Pflegeheims auf und bewertete die Gefahr für Personen als besonders gross. Demzufolge verfügte das Feuerschutzamt des Kantons Thurgau, die R AG habe aufzuzeigen, wie und in welchem Zeitrahmen die erkannten Feuerschutzmängel behoben werden könnten. Ab 31. Dezember 2016 sei die maximale Personenbelegung auf weniger als 20 Personen zu reduzieren und es sei für das Treppenhaus im Erd- oder Untergeschoss ein sicherer Weg ins Freie zu schaffen. Sofern der für das Treppenhaus verlangte sichere Weg ins Freie nicht geschaffen werden könne, sei die maximale Personenbelegung ab 31. Dezember 2016 auf weniger als 10 Personen zu beschränken. Gegen diesen Entscheid liess die R AG beim DJS Rekurs einreichen, welcher abgewiesen wurde. Unter Ansetzung neuer Sanierungsfristen weist das Verwaltungsgericht die dagegen von der R AG erhobene Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die Verfügung des verfahrensbeteiligten Amtes vom 29. Januar 2016, mit der die Beschwerdeführerin verpflichtet wurde, bis 3. Oktober 2016 aufzuzeigen, wie und in welchem Zeitrahmen die im Mängelbericht des verfahrensbeteiligten Amtes vom 8. April 2015 und der Bestandesanalyse der X AG vom 16. September 2015 erkannten Feuerschutzmängel behoben werden könnten. Von erheblicher Tragweite für die Beschwerdeführerin sind sodann die vom verfahrensbeteiligten Amt gesetzten Fristen, wonach bis 31. Dezember 2016 die maximale Personenbelegung auf weniger als 20 Personen zu reduzieren und für das Treppenhaus im Erd- oder Untergeschoss ein sicherer Weg ins Freie zu schaffen sei. Könne diese Auflage nicht erfüllt werden, so sei die maximale Personenbelegung ab 31. Dezember 2016 auf weniger als 10 Personen zu beschränken. Zweifelsfrei berühren die vom verfahrensbeteiligten Amt am 29. Januar 2016 erlassenen Anordnungen sowohl die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV als auch die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV. Einschränkungen von Grundrechten bedürfen jedoch der gesetzlichen Grundlage, wobei schwerwiegende Einschränkungen im Gesetz selbst vorgesehen sein müssen (Art. 36 Abs. 1 BV). Die Einschränkungen müssen sodann durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV). Zu prüfen ist, ob diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind.

3.2
3.2.1 Bauten sowie Feuerungs-, Wärme- und ähnliche Anlagen sind feuerschutztechnisch nach den anerkannten Regeln der Baukunde zu erstellen und zu unterhalten. Bei erhöhter Feuer- oder Explosionsgefahr sind die erforderlichen Sicherheits-, Rettungs- und Löscheinrichtungen vorzusehen. Die der Schadenverhütung dienenden Anlagen und Geräte, insbesondere Alarm-, Feuermelde- und Löscheinrichtungen, sind fachgerecht zu erstellen und ordnungsgemäss zu warten (§ 9 FSG). Die anerkannten Regeln der Baukunde im Sinne von § 9 FSG beziehen sich auf die Brandschutznorm und die Brandschutzrichtlinien der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen (vgl. hierzu TVR 2014 Nr. 22, E. 6.3), was auch unbestritten ist. Errichtung, Um- oder Ausbau von Bauten oder Anlagen, in denen sich eine grosse Zahl von Personen aufhalten kann oder die ein beträchtliches Schadenrisiko darstellen, bedürfen einer kantonalen Feuerschutzbewilligung. Der Regierungsrat regelt die Bewilligungspflicht im einzelnen (§ 12 FSG). Laut § 2 Abs. 1 FSV sind Bewilligungen zu erteilen für Beherbergungsbetriebe, in denen dauernd oder vorübergehend 20 oder mehr Personen aufgenommen werden. Bei Bauten und Anlagen, für die eine Bewilligung gemäss § 12 FSG erforderlich ist, sind durch den Kanton regelmässig Feuerschutzkontrollen durchzuführen (§ 14 Abs. 1 FSG). Mängel sind den Eigentümern schriftlich mitzuteilen. Gleichzeitig ist eine Frist zu Behebung anzusetzen (§ 16 Abs. 1 FSG). Laut § 28 FSV müssen Bauten und Anlagen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes und dieser Verordnung errichtet worden sind, den neuen Bestimmungen angepasst werden, wenn eine besondere Gefahr besteht. Sie sind den neuen Vorschriften, insbesondere bei Um-, Anbau oder Zweckänderung, anzupassen. Laut § 2 Abs. 2 der Brandschutznorm der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen (nachfolgend: Brandschutznorm) sind bestehende Bauten und Anlagen verhältnismässig an die Brandschutzvorschriften anzupassen, wenn wesentliche bauliche oder betriebliche Veränderungen, Erweiterungen oder Nutzungsänderungen vorgenommen werden oder wenn die Gefahr für Personen besonders gross ist.

3.2.2 Mit den soeben zitierten Bestimmungen von FSG und FSV sowie der Brandschutznorm und den Brandschutzrichtlinien besteht eine genügende gesetzliche Grundlage zur Einschränkung sowohl der Eigentums- als auch der Wirtschaftsfreiheit und damit auch zur Einschränkung des Betriebs der Beschwerdeführerin.

3.3 Die Verfügung des verfahrensbeteiligten Amtes vom 29. Januar 2015 bezieht sich vor allem auf die eigenen Feststellungen anlässlich der Kontrolle vom 12. Januar 2015 sowie die von der Beschwerdeführerin selbst in Auftrag gegebene Bestandesanalyse vom 16. September 2015. In diesen beiden Dokumenten wird fachmännisch und nachvollziehbar aufgezeigt, dass insbesondere wegen der intensiven Nutzung des Treppenhauses als Aufenthaltsraum, der fehlenden Möglichkeit zur horizontalen Evakuierung und der offenen Treppensituation über das gesamte Gebäude die Gefahr für Personen im Pflegeheim besonders gross ist. Anlässlich des Augenscheins konnte sich das Verwaltungsgericht von der Richtigkeit der tatbestandlichen Ausführungen in der Bestandesanalyse und im Bericht vom 8. April 2015 überzeugen. Es wurde auch nachvollziehbar ausgeführt, es handle sich hier um einen Beherbergungsbetrieb Typ A, für den ein geschlossenes Treppenhaus vorgeschrieben sei. Das Bettenhaus müsse daher zur Treppe hin durch einen Korridor getrennt und abgeschlossen sein. Bei einem Brandfall in diesem Haus, in dem viel Holz verarbeitet wurde, würde zudem der Rauch nach oben steigen und sowohl das Treppenhaus wie auch die nicht abgetrennten Vorräume würden sich mit Rauch füllen, was eine Evakuierung nur noch über die Fenster möglich machen würde. Es würde eine erhebliche Gefahr für die Einsatzkräfte und die Personen, die sich im Haus befinden, bestehen. Die Zimmer im 3. Obergeschoss sind nur über einen - im Vergleich zum übrigen Treppenhaus - relativ schmalen Aufgang erreichbar. Bei einem Brand wäre eine Evakuierung über das Treppenhaus besonders schwierig wenn nicht gar unmöglich. Eine horizontale Evakuierungsmöglichkeit fehlt ohnehin in jedem Stockwerk. Bei einem Brand mit starker Rauchentwicklung sässen die Einwohner des 3. Obergeschosses wegen des nach oben steigenden Rauches regelrecht in der Falle. Dass die Brandschutzanalyse daher zum Ergebnis kommt, es bestehe eine besonders grosse Gefahr für die Einwohner, ist absolut nachvollziehbar. Es stehen daher höchst schützenswerte polizeiliche Güter wie die Sicherheit für Leib und Leben sowie die öffentliche Sicherheit im Vordergrund, weshalb offensichtlich ein hohes öffentliches Interesse an den angeordneten Massnahmen besteht. Dies umso mehr, als es sich bei den Insassen des Heims um betagte und gesundheitlich eingeschränkte Personen handelt.

3.4 Die von den Behörden angeordneten Massnahmen müssen sodann verhältnismässig sein. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit umfasst gemäss Lehre und Rechtsprechung drei Elemente, die kumulativ beachtet werden müssen. Es sind dies die Eignung der Massnahme, die Erforderlichkeit der Massnahme sowie die Verhältnismässigkeit von Zweck und Wirkung der Massnahme (vgl. zum Ganzen Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Zürich/St. Gallen 2016, N. 521 ff.).

3.4.1 Eine Verwaltungsmassnahme muss geeignet sein, das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel zu erreichen. Ungeeignet ist eine Massnahme dann, wenn sie am Ziel vorbeischiesst, das heisst keinerlei Wirkung im Hinblick auf den angestrebten Zweck entfaltet oder die Errichtung dieses Zwecks gar erschwert oder verhindert (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 522). Mit der Verfügung vom 29. Januar 2016 beabsichtigt das verfahrensbeteiligte Amt die Durchsetzung der Brandschutzregeln und damit letztlich den Schutz der Heimbewohner. Verlangt wird, dass die Beschwerdeführerin aufzuzeigen hat, wie und in welchem Zeitrahmen die im Mängelbericht des verfahrensbeteiligten Amtes vom 8. April 2015 und der Brandanalyse der X AG vom 16. September 2015 erkannten Feuerschutzmängel behoben werden können. Gleichzeitig wird eine Reduktion der maximalen Personenbelegung auf weniger als 20 Personen verlangt, wenn die Massnahmen nicht umgesetzt werden können bzw. eine Reduktion der Heimeinwohner auf weniger als 10 Personen, falls der für das Treppenhaus verlangte sichere Weg ins Freie nicht geschaffen werden kann. Solche Anordnungen sind geeignet, der Durchsetzung von feuerschutzrechtlichen Bestimmungen Nachdruck zu verleihen und den aus feuerschutzrechtlicher Sicht zurzeit fehlenden Schutz von Personen zu gewährleisten.

3.4.2 Die Verwaltungsmassnahme muss im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel erforderlich sein; sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 527). Vorliegend beurteilte sowohl das verfahrensbeteiligte Amt als auch die Bestandesanalyse Brandsicherheit vom 16. September 2015, dass die Gefahr für Personen als besonders gross gewertet wird. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht ernsthaft bestritten. Besteht aber eine besonders grosse Gefahr für die im Heim lebenden Personen, so ist sowohl die Fristansetzung zur Einreichung von Plänen, wie die Mängel behoben werden können, als auch die Reduktion der im Heim wohnhaften Personen ein geeignetes Mittel zur Verringerung der derzeit bestehenden Gefahr.

3.4.3 Schliesslich muss die Verhältnismässigkeit von Zweck und Wirkung der Massnahme gegeben sein. Eine Verwaltungsmassnahme ist nur gerechtfertigt, wenn sie ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem angestrebten Ziel und dem Eingriff, den sie für den betroffenen Privaten bewirkt hat, wahrt. Es ist deshalb eine wertende Abwägung vorzunehmen, welche im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Massnahme und die durch ihre Wirkung beeinträchtigten privaten Interessen der Betroffenen miteinander vergleicht (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 556). Diesen Grundsatz hält auch Art. 2 Abs. 2 der Brandschutznorm fest, wonach bestehende Bauten und Anlagen verhältnismässig anzupassen sind, wenn die Gefahr für Personen besonders gross ist.

3.4.4 Es ist unbestritten und auch nachvollziehbar, dass die vom verfahrensbeteiligten Amt verfügte Bettenzahlreduktion auf weniger als 20 bzw. weniger als 10 Betten die Existenz der Beschwerdeführerin bzw. den Betrieb des Pflegeheims erheblich bedrohen wird, da das Heim so kaum rentabel geführt werden kann. Die vom verfahrensbeteiligten Amt als geeignet und notwendig erachtete Bettenzahlabstufung wird von der Beschwerdeführerin aber im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zur Verringerung der Gefahr nicht substantiiert in Frage gestellt. Es ist auch nachvollziehbar, dass eine Bettenzahlreduktion und damit die Reduktion der Heimbewohner die ausgewiesene Gefahr im Brandfall vor allem für eine Evakuierung erheblich reduziert. Ohne die Umsetzung der vom verfahrensbeteiligten Amt in der Verfügung vom 29. Januar 2016 angeordneten Massnahmen sind zur Verringerung der Gefahr keine milderen Massnahmen als die Bettenzahlreduktion und die damit verbundene Reduktion der Heimbewohner ersichtlich und werden von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgezeigt. Die Massnahmen werden auch nur angeordnet für den Fall, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelingt, innert angesetzter Frist die Brandschutzvorschriften einzuhalten. Solche baulichen Anpassungen sind der Beschwerdeführerin zumutbar, auch wenn dem Gericht durchaus bewusst ist, dass eine Realisierung unter finanziellen, baulichen und denkmalschutzpflegerischen Gesichtspunkten nicht einfach sein wird. Es geht aber um bedeutende polizeiliche Güter wie die Sicherheit für Leib und Leben sowie die öffentliche Sicherheit. Die angeordneten Massnahmen sind die einzigen, um der sowohl vom verfahrensbeteiligten Amt als auch in der Brandanalyse festgestellten besonders grossen Gefahr zu begegnen. Die Beschwerdeführerin liess denn auch anlässlich des Augenscheins ausführen, es gehe ihr vor allem darum, genügend Zeit zur Umsetzung dieser Massnahmen zu erhalten und begrüsste daher den anlässlich des Augenscheins vom Präsidenten des Verwaltungsgerichts gemachten Vorschlag einer Verfahrenssistierung ausdrücklich. Dieses Ansinnen wurde allerdings vom Vertreter des Feuerschutzamtes abgelehnt. Angesichts des notwendigen und vorliegend anerkannten Schutzes von bedeutenden polizeilichen Gütern wird dies jedoch bei der Prüfung von Anliegen der Denkmalpflege und von Vorgaben des kommunalen und kantonalen Planungs- und Baurechts bei der Umsetzung der feuerpolizeilichen Massnahmen angemessen zugunsten der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen sein.

3.5
3.5.1 Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die vom verfahrensbeteiligten Amt vorgesehenen Massnahmen eine genügende gesetzliche Grundlage und ein erhebliches öffentliches Interesse aufweisen und zudem auch verhältnismässig sind. Die Beschwerdeführerin macht nun aber geltend, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass ihr Betrieb in spezifisch feuerschutzrechtlicher Hinsicht zulässig sei und Bestandesgarantie geniesse. Hierfür sei auf die Vereinbarung im Nachgang zur Feuerschutzkontrolle vom 7. April 2005, die im Zuge der letzten Baumassnahmen, konkret des Ausbaus des 3. Obergeschosses, erfolgt sei, zu verweisen. Zwar habe die Vor­instanz die Bestandesgarantie anerkannt, sei jedoch in unzulässiger Weise zum Schluss gelangt, der Personenschutz müsse heute in jedem Fall höher gestellt werden, ohne dass sich seither die Gefahr erhöht habe. Korrekt sei jedoch das Gegenteil, denn die Bestandesgarantie gelte, solange sich an ihrer tatsächlichen Grundlage nichts verändert habe. Dies sei gerade das Wesen der Bestandesgarantie.

3.5.2 Es ist nicht ganz klar, was genau die Beschwerdeführerin meint, wenn sie ausführt, ihr Betrieb geniesse Bestandesgarantie. Als Bestandesgarantie bezeichnet man einerseits einen Teil der Eigentumsgarantie, der den Bestand der konkreten Eigentumsrechte der Einzelnen schützt. Sie verbietet allen staatlichen Organen, diese Rechte zu beschränken, sofern der Eingriff nicht auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Es wurde bereits unter E. 3.2 - 3.4 ausgeführt, weshalb die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Allerdings wird andererseits als Bestandesgarantie auch oft bezeichnet, was § 94 PBG als Besitzstandsgarantie bezeichnet, nämlich dass bestehende, rechtmässig erstellte Bauten und Anlagen in Bauzonen, die den geltenden Vorschriftgen oder Plänen nicht entsprechen, dennoch zeitgemäss erneuert, umgebaut, erweitert oder in ihrem Zweck geändert werden dürfen, soweit dadurch der Widerspruch zum geltenden Recht nicht wesentlich verstärkt wird. Eine analoge Vorschrift findet sich in Art. 24c Abs. 1 RPG, wonach bestimmungsgemäss nutzbare Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone, die nicht mehr zonenkonform sind, in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt werden. Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor. Die Baute der Beschwerdeführerin und der Betrieb als Pflegeheim sind unstreitig zonenkonform. Was die Beschwerdeführerin wohl meint, ist, dass der Verfügung des verfahrensbeteiligten Amtes vom 29. Januar 2016 die materielle Rechtskraft der - wie sie es bezeichnet - Vereinbarung vom 14. Juli 2005 entgegensteht.

3.5.3 Dem Bericht über die Feuerschutzkontrolle vom 7. April 2005, auf den sich das Schreiben vom 14. Juli 2005 bezieht, lässt sich entnehmen, dass bei dieser Kontrolle verschiedene Mängel festgestellt wurden. Im Schreiben vom 14. Juli 2005, worauf sich die Beschwerdeführerin beruft, wurde ausgeführt, die Bedingungen gemäss der Feuerschutzverfügung vom 7. Mai 2005 seien, soweit sichtbar, erfüllt. In verschiedenen Korrespondenzen sei die Bestandesgarantie gemeinsam festgelegt worden. Bei einem künftigen Umbauvorhaben oder einer geplanten Zweckänderung müssten diverse Massnahmen noch berücksichtigt werden. Dannzumal seien entsprechende Prioritäten zu beachten.

3.5.4 Aus dem soeben zitierten Schreiben vom 14. Juli 2005, dem zweifelsfrei kein Verfügungscharakter zukommt, lässt sich durchaus entnehmen, dass auch in jenem Zeitpunkt noch Feuerschutzmängel vorhanden waren, die jedoch im Rahmen einer - wie auch immer gearteten - Besitzstandsgarantie vorläufig nicht zu beheben waren. Es wurde aber darauf hingewiesen, dass bei einem zukünftigen Umbauvorhaben oder einer geplanten Zweckänderung diese diversen Massnahmen noch zu berücksichtigen sein werden. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Eingabe vom 14. Juli 2016 selber aus, dass 2005 ein Neubau/Umbau im Raume gestanden habe. Dass das verfahrensbeteiligte Amt unter diesen Umständen nicht auf einer vollständigen Umsetzung sämtlicher Mängel bestand, sondern dazu bereit war, diese erst im Rahmen des anstehenden Umbauprojekts umsetzen zu lassen, ist durchaus nachvollziehbar und ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Ebenso klar ist aber, dass unter diesen Umständen ein Zuwarten des verfahrensbeteiligten Amtes nicht ewig andauern kann. Würde man der Argumentation der Beschwerdeführerin folgen, so würde dies bedeuten, dass eine fehlerhafte Verfügung immer materielle Rechtskraft entfaltet und nicht mehr abänderbar wäre, unabhängig davon, wie schwerwiegend ein darin enthaltener Mangel ist. Selbst bei Gefahr für hohe Güter (Leib und Leben) könnten die Umsetzung von Feuerschutzmassnahmen also nicht mehr durchgesetzt werden. Dem ist aber nicht so. Es ist nämlich fraglich, ob es im öffentlichen Recht überhaupt eine materielle Rechtskraft gibt, die zur Folge hat, dass eine Verfügung unabänderbar wird. Nach Auffassung des Bundesgerichts entspricht es der Eigenart des öffentlichen Rechts und der Natur der öffentlichen Interessen, dass ein Verwaltungsakt, der dem Gesetz nicht oder nicht mehr entspricht, nicht unabänderlich ist (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 1095 unter Verweis auf BGE 94 I 343). Diesen Gedanken bringt auch § 23 Abs. 1 VRG zum Ausdruck, wonach eine Behörde einen Entscheid ändern oder widerrufen kann, sofern wichtige Interessen dies erfordern. Dass vorliegend solche wichtige öffentliche Interessen gegeben sind, wurde bereits ausgeführt. Nachdem die damals in Aussicht gestellten Umbauarbeiten zehn Jahre lang nicht in Angriff genommen wurden, kann sich daher die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht mehr auf einen wie auch immer gearteten „Bestandesschutz“ berufen. Die Zusicherung im Schreiben vom 14. Juli 2005 wurde offenbar im Hinblick auf ein von der Beschwerdeführerin beabsichtigtes Umbauprojekt abgegeben. Zu Recht ging daher die Vorinstanz davon aus, dass der Verfügung des verfahrensbeteiligten Amtes vom 29. Januar 2016 kein „Bestandesschutz“ mehr entgegensteht. Damit erweisen sich aber die Verfügung des verfahrensbeteiligten Amtes vom 29. Januar 2016 und der Rekursentscheid vom 23. Juni 2016 als rechtens. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3.6 Nachdem die Fristen gemäss der Verfügung vom 29. Januar 2016 in der Zwischenzeit abgelaufen sind, hat das Verwaltungsgericht neue Fristen anzusetzen. Die Frist um aufzuzeigen, wie und in welchem Zeitrahmen die im Mängelbericht Feuerschutzamt Thurgau vom 8. April 2015 und der Bestandesanalyse der X AG vom 16. September 2015 erkannten Feuerschutzmängel behoben werden können, wird neu bis 31. Juli 2017 angesetzt. Die maximale Personenbelegung ist neu ab 31. Dezember 2017 auf weniger als 20 Personen zu reduzieren und für das Treppenhaus ist im Erd- oder Untergeschoss ein sicherer Weg ins Freie zu schaffen. Sollte diese Bedingung nicht erfüllt werden, so ist die maximale Personenbelegung ab 31. Dezember 2017 auf weniger als 10 Personen zu beschränken. Mit dieser Fristansetzung trägt das Verwaltungsgericht der Tatsache Rechnung, dass die Umsetzung der Feuerschutzmassnahmen zweifelsfrei schwierig sein wird. Auf der anderen Seite ist die Beschwerdeführerin nun gehalten, mit der Sanierung und deren Planung vorwärts zu machen und dem verfahrensbeteiligten Amt so schnell wie möglich konkret aufzuzeigen, welche Massnahmen in welcher Zeit realisiert werden können.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2016.103/E vom 25. Januar 2017

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