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TVR 2017 Nr. 35

Örtliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts bei Wohnsitz der versicherten Person im Ausland; Sitz/Wohnsitz des letzten schweizerischen Arbeitgebers


Art. 58 ATSG


Massgebend für die örtliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts bei Beschwerdeerhebung eines im Ausland wohnhaften Versicherten ist der Sitz/Wohnsitz des letzten schweizerischen Arbeitgebers vor der Beschwerdeerhebung.


Der in Österreich wohnhafte A arbeitete bei der B AG in C im Kanton Thurgau und war dadurch bei der D unfallversichert. Am 21. Oktober 2015 stürzte er von einem Gerüst und erlitt eine Rippenkontusion links sowie eine OSG-Distorsion links. Zudem wurde eine schmerzhaft eingeschränkte Beugung des linken Schultergelenks festgestellt, wobei das Röntgen keine frischen ossären Läsionen zeigte. Die D anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Am 1. September 2016 machte A einen Rückfall geltend. In der Folge verneinte die D ihre Leistungspflicht mit der Begründung, dass kein sicherer oder wahrscheinlicher Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 21. Oktober 2015 und den gemeldeten Schulterbeschwerden links bestehe.
Auf die dagegen erhobene Beschwerde tritt das Versicherungsgericht des Kantons Thurgau nicht ein und überweist die Sache unverzüglich ans Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen.

Aus den Erwägungen:

1.
1.1. Zuständig ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons, in dem die versicherte Person oder der Beschwerde führende Dritte zur Zeit der Beschwerdeerhebung Wohnsitz hat (Art. 58 Abs. 1 ATSG). Befindet sich der Wohnsitz der versicherten Person (…) im Ausland, so ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem sich ihr letzter schweizerischer Wohnsitz befand oder in dem ihr letzter schweizerischer Arbeitgeber Wohnsitz hat; lässt sich keiner dieser Orte ermitteln, so ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem das Durchführungsorgan seinen Sitz hat (Art. 58 Abs. 2 ATSG). Die Behörde, die sich als unzuständig erachtet, überweist die Beschwerde ohne Verzug dem zuständigen Versicherungsgericht (Art. 58 Abs. 3 ATSG).

1.2 Der Wohnsitz des Beschwerdeführers befindet sich in (…) Österreich. Die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts ergibt sich somit ausschliesslich aus Art. 58 Abs. 2 ATSG. Gemäss den Akten lebte der Beschwerdeführer nie in der Schweiz und die nachträglichen Abklärungen der Beschwerdegegnerin haben ausschliesslich einen bekannten Wohnsitz in Österreich ergeben. Auch der Beschwerdeführer selber macht nicht geltend, dass er je in der Schweiz Wohnsitz genommen hätte. Der Wahlgerichtsstand am letzten schweizerischen Wohnsitz des Beschwerdeführers gemäss Art. 58 Abs. 2 ATSG steht somit nicht zur Verfügung (vgl. dazu auch Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2015, Art. 58 Rz. 33).

1.3 Der Beschwerdeführer arbeitete zum Zeitpunkt des Unfalls vom 21. Oktober 2015 bei der B AG in C im Kanton Thurgau. Danach nahm er eine Tätigkeit bei der F GmbH mit Sitz im Kanton St. Gallen auf, wo er am 21. September 2016 fest angestellt war. Die F ist auch bei der Agentur der Beschwerdegegnerin in St. Gallen als letzte Arbeitgeberin gemeldet. Der letzte Arbeitgeber des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 58 Abs. 2 ATSG befand sich daher im Kanton St. Gallen, wobei ein Wechsel nach Beschwerdeerhebung aufgrund der perpetuatio fori, wonach die einmal begründete Zuständigkeit eines Gerichts fortbesteht, nicht mehr von Bedeutung wäre. Für eine andere Betrachtungsweise lässt Art. 58 Abs. 2 ATSG keinen Raum und die Bestimmung sieht insbesondere keine Anknüpfung an die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls oder der Einleitung des vorinstanzlichen Verfahrens vor. Auf die Beschwerde ist daher mangels örtlicher Zuständigkeit nicht einzutreten und die Sache ist an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zu überweisen (BGE 135 V 153 E. 1.2). Nachdem die Überweisung ohne Verzug zu erfolgen hat (Art. 58 Abs. 3 ATSG), ist die Rechtskraft dieses Entscheids vor der Überweisung nicht abzuwarten.

Entscheid des Versicherungsgerichts VV.2017.131/E vom 22. November 2017

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