TVR 2017 Nr. 42
Liegenschaftsunterhaltskosten; technisch-wirtschaftlicher Neubau bejaht
Art. 32 Abs. 2 DBG, § 34 Abs. 1 Ziff. 1 StG
Aufwendungen für die Modernisierung von Wohnräumen, mit welchen der zeitgemässe Komfort wieder hergestellt wurde, den sie ursprünglich besessen, jedoch durch technischen Fortschritt oder die Veränderung der Lebensgewohnheiten verloren haben, sind abzugsfähige Unterhaltskosten. Wird jedoch mittels baulicher Massnahmen nicht (nur) der zeitgemässe bauliche Komfort wiederhergestellt, sondern ein Gebäude bzw. eine Wohnung funktional umgestaltet oder wurde der Wohnraum erweitert, liegt ein neubauartiger Umbau bzw. ein technisch-wirtschaftlicher Neubau vor.
Die Rekurrenten/Beschwerdeführer (nachfolgend „Rekurrenten“) erwarben am 17. November 2014 eine Liegenschaft in X TG (Baujahr 1928) zum Kaufpreis von Fr. 480‘000.--. In der Zeit bis zum 30. Juni 2015 erfolgten am gekauften Objekt umfangreiche Umbauarbeiten im Betrag von Fr. 473‘388.65, welche als werterhaltend in der Steuererklärung deklariert wurden. Die Veranlagungsbehörde qualifizierte diese baulichen Massnahmen als technisch-wirtschaftliche Neubaute und liess die geltend gemachten Kosten nicht zum Abzug zu. Dies wurde im Einspracheentscheid bestätigt. Der dagegen erhobene Rekurs wird von der Steuerrekurskommission abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
5. Zu prüfen ist, ob aufgrund der von den Rekurrenten ausgeführten Unterhaltsarbeiten an ihrer Liegenschaft in X TG diese als technisch-wirtschaftliche Neubaute zu qualifizieren ist und die Kosten deshalb vollumfänglich wertvermehrenden Charakter haben.
5.1 Gemäss Art. 34 Abs.1 Ziff. 1 StG werden von den Einkünften unter anderem die Kosten für den Liegenschaftsunterhalt abgezogen, einschliesslich jener für Energiesparen und Umweltschutz. Gleiches ist auch in Art. 32 Abs. 2 DBG geregelt.
(…)
5.5 Die Tatsache, dass die Rechtsprechung bei einer Nutzungsänderung der Liegenschaft oder einzelner Teile davon eine Wertvermehrung annimmt, bedeutet nicht, dass ohne Nutzungsänderung keine Wertvermehrung eintreten kann. Massgeblich sind (nebst der Lage und der Grösse) der bauliche Zustand und die notwendigen Infrastrukturen wie Heizung, elektrische Installationen und sanitäre Anlagen sowie die Fenster, welche den Nutzungswert einer Liegenschaft massgeblich bestimmen. Dabei ist zu prüfen, ob der neu gebaute Standard im Vergleich zum Standard beim Erwerb gehoben wurde. Jeweils ist im Einzelfall zu prüfen, ob die betreffenden Aufwendungen werterhaltend oder wertvermehrend sind (Urteil des Bundesgerichts 2C_286/2014 vom 23. Februar 2015 E. 3.1 und 3.4 f.).
5.5.1 Ein völliger Um- oder Ausbau einer Liegenschaft kann wirtschaftlich einem Neubau gleichkommen. Wird eine Liegenschaft umgebaut und neuen Zwecken zugeführt, liegt eine „Herstellung“ vor, wenn die „Renovation“ umfangmässig einem Neubau gleichkommt. Das ist insbesondere bei Aushöhlung von Bauten oder von Gebäudeteilen mit anschliessender Neugestaltung der Innenraumeinteilung der Fall. Steuerlich als Neubau zu betrachten ist dabei auch der Ausbau von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn damit in erster Linie eine Wohnraumerweiterung bezweckt wird. Ein solcher Ausbau mit Wohnraumerweiterung kommt wirtschaftlich betrachtet dem An- oder Aufbau zusätzlicher Wohnräume gleich. Als Herstellung zu gelten haben dabei alle Massnahmen, die den Ausbau mit Wohnraumerweiterung erst ermöglichen bzw. alle anfallenden Kosten, die durch den Ausbau unmittelbar veranlasst werden. Dies kann beispielsweise ein Ausbau eines Dachgeschosses mit dem Einbau von Zimmern oder Wohnungen sein; diese Kosten sind nicht zum Abzug zuzulassen (Urteil des Bundesgerichts 2C_153/2014 vom 4. September 2014 E. 2.3 f.).
5.5.2 Die Annahme einer wirtschaftlichen Neubaute sollte nur zurückhaltend angenommen werden. Dabei darf nicht geschehen, dass infolge der Qualifizierung eines wirtschaftlichen Neubaus die abgeschaffte „Dumont-Praxis“ indirekt wieder eingeführt wird, indem umfassende Sanierungen per se nicht abzugsfähig sein sollen (Maibach/Häuselmann, Kein Unterhaltskostenabzug bei wirtschaftlichem Neubau, in: Steuerrevue [StR] Nr. 9/2015, S. 658 ff., S. 660).
(…)
5.8 Aus den Grundrissplänen lassen sich folgende massgeblichen baulichen Eingriffe feststellen: Es erfolgte im Untergeschoss einzig eine statische Verstärkung durch einen Träger. Grössere Eingriffe sind im Erdgeschoss festzustellen. Aus dem Plan lässt sich dabei aufgrund der dargestellten Symbole ersehen, welche Wände abgebrochen (gestrichelte Linie) und welche Wände neu gestaltet wurden (durchgezogene Linie). Daraus ergibt sich, dass im Erdgeschoss die Raumaufteilung durch die Abbrüche verschiedener Wände neu erfolgte. Neu erstellt wurde einzig eine kleinere Wand. An der Fassade wurde aus einem Fenster neu eine bodenebene Türe ausgeführt. Aus statischen Gründen wurden zudem neue Stahlträger eingezogen. Ebenso wurde im gesamten Erdgeschossbereich eine Innenisolation angebracht. Dass das Treppenhaus neu erstellt wurde, wie von der Vorinstanz ausgeführt, lässt sich aus den Plänen nicht direkt erkennen (act. 7/IV. Ziff. 2); diese Behauptung wird von den Rekurrenten jedoch nicht bestritten. Aus dem Grundrissplan des Obergeschosses sind ebenfalls die Abbrüche verschiedener Wände festzustellen. Nicht erkennbar ist der Ersatz der bestehenden Küche durch die im Plan ersichtlichen sanitären Anlagen. Dieser von der Vorinstanz behauptete Sachverhalt wird von den Rekurrenten jedoch ebenfalls nicht bestritten. Wie im Erdgeschoss, wurde auch hier eine Innenisolation angebracht. Ebenso erfolgten im Dachgeschoss der Abbruch von Wänden und es wurde teilweise eine Innenisolation angebracht. Eine eingezeichnete neue Räumlichkeit mit einem Bad/WC im Plan sei gemäss Angaben der Rekurrenten nicht ausgeführt worden.
(…)
5.10 Diese durch die Pläne und die genannte Rechnung sowie die Baubewilligung beschriebenen Ausführungen der baulichen Massnahmen zeigen eindeutig, dass hier nicht typischerweise die Modernisierung eines Hauses vorliegt, mit welcher der zeitgemässe Komfort wieder hergestellt wurde, den das Haus ursprünglich besessen, jedoch durch technischen Forschritt oder Veränderung der Lebensgewohnheiten verloren hatte. Diese Abbrüche verschiedenster Wände und die Umgestaltung vom Zweifamilienhaus in ein Einfamilienhaus lassen eine funktionale Neuausrichtung der Liegenschaft erkennen. Mit diesen beschriebenen Eingriffen, insbesondere im Erdgeschoss und Obergeschoss, gewinnt das nun vom Zweifamilienhaus zum Einfamilienhaus umgebaute Gebäude einen bedeutend höheren Standard und eine verbesserte Nutzungsmöglichkeit als Einfamilienhaus. Faktisch handelt es sich deshalb vorliegend um einen neubauartigen Umbau, respektive um einen wirtschaftlich-technischen Neubau des ursprünglichen Zweifamilienhauses. Dies zeigen auch, wie von der Vorinstanz vorgebracht, die gesamten Umbaukosten des Innenbereichs von Fr. 475‘000.--. (…)
Entscheid der Steuerrekurskommission STRE.2017.364 und STRE.2017.365 vom 10. Juli 2017