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TVR 2018 Nr. 28

Verpflichtung zur Teilnahme an Beschäftigungsprogramm und Subsidiaritätsgrundsatz


§ 8 SHG


Eine Sozialhilfebehörde kann weder die Nothilfe noch die kantonalrechtliche Sozialhilfe nach SHG allein unter Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip verweigern oder kürzen, wenn die im Rahmen des von ihr angeordneten Beschäftigungsprogramms zu erbringende Arbeit nicht entlöhnt wird (Präzisierung von TVR 2015 Nr. 23, E. 2.6). Es verbleibt aber die Möglichkeit der Kürzung der kantonalrechtlichen Sozialhilfe bei Verletzung der Mitwirkungspflicht nach vorgängiger Verwarnung.


A und B, wohnhaft in der Politischen Gemeinde C, stellten am 19. Dezember 2017 ein Gesuch um finanzielle Unterstützung. Am 24. Januar 2018 verfügte die Politische Gemeinde C unter anderem Folgendes: „B wird unter der Bedingung mit Wirkung ab dem 1. Februar 2018 subsidiär sozialhilferechtlich unterstützt, dass er ab sofort an dem Arbeitsintegrationsprogramm und Jobcoaching bei der Institution D mit einem Vollzeitpensum ordnungsgemäss, vollumfänglich und lückenlos teilnimmt. Dieselbe Bedingung gilt auch im Fall seiner Verweigerung für die allfällige Ausrichtung von Nothilfe auf sein entsprechendes Gesuch hin“ (Dispositiv-Ziffer 3.2). Der Entscheid enthielt sodann folgende Anordnung: „Diese Unterstützung wird nur für die Dauer der nachgewiesenen Bedürftigkeit und für B zusätzlich nur für die Dauer der Erfüllung der Bedingung nach der vorstehenden Ziffer 3.2 gewährt. Sie entfällt mit sofortiger Wirkung, wenn keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist und für B, sobald er die Bedingung gemäss vorstehender Ziffer 3.2 nicht mehr erfüllt (…)“ (Dispositiv-Ziffer 3.11). B weigerte sich zunächst, am Beschäftigungsprogramm teilzunehmen. Am 12. März 2018 stellte er bei der Politischen Gemeinde C ein Gesuch um Ausrichtung von Nothilfe. Mit Entscheid vom 28. März 2018 wurde das Gesuch unter Auflagen gutgeheissen. So wurde die Ausrichtung der Nothilfe unter der Bedingung gewährt, dass B am Integrationsprogramm und Jobcoaching im D teilnehme. Gegen beide Entscheide erhoben A bzw. B Rekurs. Das DFS hiess den Rekurs im Sinne der Erwägungen teilweise gut und hob die von der Politischen Gemeinde C verfügten Nebenbestimmungen in Form der Verknüpfung der Auszahlung von Sozialhilfeleistungen mit der Teilnahme am Beschäftigungsprogramm auf; gleichzeitig ordnete das DFS an, dass die Politische Gemeinde C vorläufig die (ordentlichen) Sozialhilfeleistungen ab 1. Februar 2018 ungekürzt auszurichten habe. Das Verwaltungsgericht weist eine dagegen von der Politischen Gemeinde C erhobene Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

3.3 Mit dem angefochtenen Rekursentscheid (…) wurden die Dispositiv-Ziffern 3.2 und 3.11 des Entscheids der Beschwerdeführerin vom 24. Januar 2018 - und damit die von der Beschwerdeführerin verfügte Auflage betreffend die Teilnahme von B am Beschäftigungsprogramm sowie die Verknüpfung der Auszahlung von Sozialhilfeleistungen mit der Teilnahme am Beschäftigungsprogramm - aufgehoben. (…). Letztlich geht es um die Frage, ob eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Verweigerung bzw. Kürzung der Sozialhilfeleistungen gegenüber A durch die Beschwerdeführerin gegeben war bzw. ob die Beschwerdeführerin rechtlich korrekt vorgegangen ist. Ausgehend von der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin (in materieller Hinsicht) einerseits und den Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid vom 11. Mai 2018 (…) anderseits sind vorliegend in grundsätzlicher Hinsicht zwei Themenbereiche auseinanderzuhalten. So beruft sich die Beschwerdeführerin in erster Linie auf das Subsidiaritätsprinzip, die Vorinstanz hingegen auf das Vorgehen bzw. die Konsequenzen bei der Anordnung und der Nichteinhaltung von Nebenbestimmungen (Auflagen / Bedingungen). Beide Themenbereiche betreffen indirekt die Frage nach der Verweigerung bzw. der Kürzung und/oder Einstellung von Sozialhilfeleistungen, inklusive Nothilfe.

3.4 (Wiedergabe von Erwägung 3.4 des Verwaltungsgerichts in TVR 2017 Nr. 28, wonach sich für die Kürzung, Einstellung oder Verweigerung von Sozialhilfeleistungen folgende Fallgruppen unterscheiden lassen: Kürzung oder Einstellung als Sanktionierung bei pflichtwidrigem Verhalten; Kürzung, Einstellung oder Verweigerung bei Rechtsmissbrauch; sowie Kürzung, Einstellung oder Verweigerung bei [vollständiger oder teilweiser] Beweislosigkeit bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen)

3.5 Nach der Lesart der Beschwerdeführerin sollen die Dispositiv-Ziffern 3.2 und 3.11 des Entscheids vom 24. Januar 2018 offenbar dahingehend verstanden werden, dass B die Sozialhilfeleistungen (und im Falle eines entsprechenden Gesuchs auch die Nothilfe) zufolge Verletzung des Subsidiaritätsprinzips zu verweigern seien, weil B bei einer Teilnahme am Beschäftigungsprogramm in den Genuss von Fürsorgeleistungen gelangen würde, mit welchen sein sozialhilferechtlicher Lebensbedarf gedeckt wäre. Diese Auffassung geht aus nachfolgenden Gründen fehl. Zwar stellte das Verwaltungsgericht in dem in TVR 2015 Nr. 23 publizierten Entscheid (vgl. dort E. 2.6) fest, dass es widersprüchlich wäre, einem Hilfsbedürftigen Nothilfe zu gewähren, wenn feststehe, dass er durch Teilnahme an einem zumutbaren Beschäftigungsprogramm zu ordentlichen Unterstützungsleistungen kommen könnte. Dieser Entscheid vom 25. Februar 2015 widerspricht allerdings der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung. So hielt das Bundesgericht in BGE 142 I 1 (Urteil 8C_455/2015 vom 8. März 2016) fest, dass es gegen Art. 12 BV verstosse, wenn die Nothilfe wegen Nichtbefolgung der Weisung, in einem Beschäftigungsprogramm teilzunehmen, verweigert werde, wenn die Teilnahme am Programm nicht entlöhnt wäre und das Subsidiaritätsprinzip daher nicht zur Anwendung gelange (BGE 142 I 1 E. 7.1 - E. 7.2.4, E. 7.2.6). In BGE 142 I 1 präzisierte das Bundesgericht seine frühere Rechtsprechung gemäss BGE 139 I 218 E. 5.3. In diesem letztgenannten Entscheid gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis, dass auch der Teilnahme an einem Arbeitsprogramm mit entlöhnter Arbeit für Sozialhilfeempfänger der Vorrang gegenüber dem Bezug von öffentlichen Unterstützungsleistungen zukomme, da mit der Teilnahme Erwerbseinkommen erzielt werde, welches zur Überwindung der Notlage diene. In BGE 142 I 1 stellte das Bundesgericht klar, dass diese Rechtsprechung, was den Anspruch auf Nothilfe gemäss Art. 12 BV anbelangt, nur gilt, wenn das Beschäftigungsprogramm effektiv entlöhnt ist. In Bezug auf den die Nothilfe gemäss Art. 12 BV übersteigenden Anspruch auf (kantonalrechtliche) Sozialhilfe hat das Bundesgericht in BGE 142 I 1 in E. 7.3 zwar deren Einstellung als zulässig erachtet, allerdings nur, weil im zu beurteilenden Fall vor dieser Einstellung aufgrund ungenügender Mitwirkung an einem Beschäftigungsprogramm eine Kürzung erfolgt war, welche mit der Androhung der Einstellung bei erneuter Nichtbefolgung verbunden war. Daraus ergibt sich, dass eine Sozialhilfebehörde weder die Nothilfe noch die kantonalrechtliche Sozialhilfe nach SHG allein unter Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip verweigern oder kürzen kann, wenn die im Rahmen des von ihr angeordneten Beschäftigungsprogramms zu erbringende Arbeit nicht entlöhnt wird. Wie das Bundesgericht in BGE 142 I 1 E. 7.3 festgestellt hat, verbleibt aber die Möglichkeit der Kürzung der kantonalrechtlichen Sozialhilfe bei Verletzung der Mitwirkungspflicht nach vorgängiger Verwarnung.

3.6 B wurde für seine Arbeit im Rahmen des Beschäftigungsprogramms im D (welcher er offenbar im Zeitraum vom 16. April 2018 bis 25. September 2018 […] nachgegangen ist) unbestrittenermassen kein Lohn ausgerichtet. Die ihm von der Beschwerdeführerin im Falle seiner Teilnahme am Beschäftigungsprogramm in Aussicht gestellten Sozialhilfeleistungen stellen keinen Lohn im Sinne der zitierten Rechtsprechung dar. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, B habe durch seine Nichtteilnahme am Beschäftigungsprogramm im D das Subsidiaritätsprinzip verletzt, geht somit - sowohl mit Bezug auf die kantonalrechtlichen (ordentlichen) Sozialhilfeleistungen als auch bezüglich Nothilfe nach Art. 12 BV - fehl. Die Beschwerdeführerin hat mit der Verknüpfung der Erfüllung der betreffenden Auflage / Bedingung mit der Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen in den Dispositiv-Ziffern 3.2 und 3.11 des Entscheids vom 24. Januar 2018 letztlich nichts anderes als das Subsidiaritätsprinzip umschrieben. Nachdem die Arbeit von B im D nicht entlöhnt war, kann die Nichtteilnahme daran auch keine Verletzung dieses Prinzips darstellen. Folglich ist auch die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Verknüpfung - und damit auch die darauf gestützte Leistungsverweigerung bzw. -kürzung - unzulässig. (…)

3.7 - 3.9 (…)

3.10 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz zu Recht einerseits die Nebenbestimmungen in Form der Verknüpfung der Auszahlung von Sozial-hilfeleistungen mit der Teilnahme am Beschäftigungsprogramm aufgehoben und andererseits angeordnet hat, dass die Beschwerdeführerin vorläufig die (ordentlichen) Sozialhilfeleistungen ab 1. Februar 2018 ungekürzt auszurichten habe. (…)

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2018.62/VG.2018.64/VG.2018.105/E vom 21. November 2018

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