TVR 2019 Nr. 1
Unentgeltliche Rechtsverbeiständung; Zeitpunkt des Entscheids über das Gesuch; Fairnessgebot
Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 29 Abs. 3 BV, § 81 Abs. 2 VRG
Über ein Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung/Bewilligung eines unentgeltlichen Anwalts ist in der Regel zu entscheiden, bevor die gesuchstellende Person weitere, in erheblichem Masse Kosten verursachende prozessuale Schritte unternimmt.
2017 beantragten A und B, vertreten durch Rechtsanwalt C, beim Migrationsamt, A sei eine Aufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Heirat zu erteilen. Mit Entscheid vom 6. Dezember 2017 trat das Migrationsamt auf das Aufenthaltsbewilligungsgesuch nicht ein. Den hiergegen erhobenen Rekurs wies das DJS mit Entscheid vom 17.?August 2018 ab. Das Verfahren sei aussichtslos, weshalb auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit Rechtsverbeiständung abzulehnen sei. Das Verwaltungsgericht heisst die hiergegen erhobene Beschwerde in Bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im Rekursverfahren gut; im Übrigen weist es die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
6.
6.1 Die Beschwerdeführer haben (…) für das Rekursverfahren um unentgeltliche Rechtspflege ersucht; für das Beschwerdeverfahren wurde ihnen diese mit Zwischenentscheid vom 7. November 2018 bewilligt. Die Vorinstanz hat einen entsprechenden Anspruch bzw. einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung verneint, da das Verfahren aussichtslos erscheine und es sich bei Rechtsanwalt C um einen ausserkantonalen Anwalt handle.
6.2 Die Ablehnung des Gesuchs der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege bzw. Rechtsverbeiständung (auf die Erhebung von Verfahrenskosten hat die Vorinstanz verzichtet) durch die Vorinstanz ist in verschiedener Hinsicht zu beanstanden. Zunächst ist zu bemängeln, dass sie über das Gesuch erst zusammen mit dem Erlass des Rekursentscheids befunden hat, obwohl Rechtsanwalt C mehrfach darum ersucht hatte, vorab bzw.?vor Verfassen einer weiteren Stellungnahme über das Gesuch zu entscheiden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Beurteilung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege zusammen mit dem Endentscheid bzw.?im Rahmen der Kostenregelung in denjenigen Fällen nicht zu beanstanden, in denen das Gesuch mit der Eingabe in der Hauptsache verbunden wird und keine weiteren Vorkehren des Rechtsvertreters erforderlich sind. Anders verhält es sich aber, wenn der Rechtsvertreter nach Einreichung des Gesuchs gehalten ist, weitere Verfahrensschritte zu unternehmen. In diesen Fällen ist es unabdingbar, dass die Behörden über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung umgehend entscheiden, damit Klient und Rechtsvertreter sich über das finanzielle Verfahrensrisiko Klarheit verschaffen können. Der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung würde seines Gehalts entleert, wenn die Behörden den Entscheid über das Gesuch hinausschieben, um es im Rahmen der Kostenregelung abzuweisen. Im Hinblick auf das aus Art. 29 Abs. 1 BV abgeleitete Fairnessgebot folgt daher aus dem verfassungsrechtlichen Rechtspflegeanspruch nach Art. 29 Abs. 3 BV, dass über ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung in der Regel zu entscheiden ist, bevor der Gesuchsteller weitere, in erheblichem Masse Kosten verursachende prozessuale Schritte unternimmt (Urteil des Bundesgerichts 4A_20/2011 vom 11.?April 2011 E.?7.2.2 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 1P.345/2004 vom 1. Oktober 2004 E. 4.3). Die Vorinstanz wäre somit gehalten gewesen, über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bzw. Rechtsverbeiständung (abschlägig) zu entscheiden, bevor sie Rechtsanwalt C eine Frist zur Stellungnahme zur Eingabe des verfahrensbeteiligten Amts ansetzte.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2018.111/E vom 6.?Februar 2019
Das Bundesgericht hat eine (allerdings nur gegen den materiellen [Abweisungs-] Entscheid des Verwaltungsgerichts gerichtete) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 2C_344/2019 vom 16. September 2019 abgewiesen.