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TVR 2019 Nr. 35

Handänderungssteuer; Begriff der wirtschaftlichen Handänderung


§ 137 Abs. 1 StG, § 27 Ziff. 2 StV


Ein öffentlich beurkundeter Kaufvertrag, mit dem eine Gesellschaft ein Grundstück lediglich zum Zweck erwirbt, um privaten Investoren mittels "Crowdfunding" zu ermöglichen, das gesamte Grundstück als Miteigentümer mit entsprechenden Miteigentumsquoten zu erwerben, ist nicht als wirtschaftliche Handänderung zu würdigen, welche die Hand­änderungssteuer auslöst.


Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 20. Juli 2017 erwarb die Rekurrentin von der X AG die Liegenschaft Y zu Alleineigentum. Der Kaufpreis betrug Fr. 3'325'000.--. Am 5. Januar 2018 traten 21 Parteien anstelle der Rekurrentin in diesen Kaufvertrag ein und erwarben die Liegenschaft zu Miteigentum (öffentlich beurkundeter Nachtrag zum Kaufvertrag vom 20. Juli 2017). Das Grundbuchamt Z unterstellte die öffentliche Beurkundung vom 20. Juli 2017 der Handänderungssteuer und stellte diese mit Veranlagung vom 5. Januar 2018 im Betrag von Fr. 32'250.-- in Rechnung. Die dagegen von der Rekurrentin erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 10. August 2018 abgewiesen. Die Steuerrekurskommission heisst den dagegen erhobenen Rekurs gut.

Aus den Erwägungen:

3.1. Gemäss § 137 Abs. 1 StG unterliegen Eigentumsübertragungen von Grundstücken der Handänderungssteuer. Als Eigentumsübertragungen gelten auch Rechtsgeschäfte, die hinsichtlich der Verfügungsgewalt über Grundstücke wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirken (Abs. 2). Als Rechtsgeschäft, das hinsichtlich der Verfügungsgewalt über Grundstücke wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirkt, ist insbesondere der Abschluss eines Kaufvertrages mit Substitutionsklausel anzusehen (§ 27 Ziff. 2 StV).

3.2 Allgemein liegt eine wirtschaftliche Handänderung immer dann vor, wenn wesentliche Teile der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt über ein Grundstück vom bisherigen Verfügungsberechtigten auf einen Dritten übergehen, ohne dass dabei die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse eine Änderung erfahren. Der Begriff der wirtschaftlichen Handänderung umfasst somit zwei Voraussetzungen: die rechtsgeschäftliche Übertragung der wesentlichen Teile der Verfügungsgewalt über das Grundeigentum und die fehlende grundbuchliche Mutation. Entscheidend für die Annahme einer wirtschaftlichen Handänderung ist, ob wesentliche Teile der dem Grundeigentum innewohnenden Verfügungsmacht rechtsgeschäftlich übertragen werden, so dass gesagt werden kann, das fragliche Rechtsgeschäft wirke bezüglich der Verfügungsmacht "tatsächlich und wirtschaftlich" wie eine (zivilrechtliche) Hand­änderung an einem Grundstück. Dies ist erfüllt, wenn mit den übertragenen Rechten Befugnisse verbunden sind, die dem jeweiligen Inhaber eine Stellung einräumen, welche tatsächlich und wirtschaftlich jener eines Eigentümers gleichkommt. Damit von einer wirtschaftlichen Handänderung gesprochen werden kann, muss der Berechtigte zudem im Fall des Kettenhandels die wirtschaftliche Verfügungsmacht nicht nur eingeräumt erhalten, sondern diese zugunsten eines Dritten auch tatsächlich ausüben (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl., Zürich 2013, § 216 N. 60 ff., S. 1817 f.; Urteil des Bundesgerichts 2C_1044/2014 vom 26. November 2015 E. 2.2). (…)

4. (…)

4.1 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf nicht leichthin von einer wirtschaftlichen Handänderung ausgegangen werden. Die steuerliche Gleichstellung wirtschaftlicher Vorgänge kommt nur in Frage, soweit sämtliche Befugnisse übergehen und einzig der Grundbucheintrag als äusseres Merkmal (noch) aussteht. Diese umfassende Verfügungsmacht umschliesst in tatsächlicher Hinsicht die Befugnis auf Besitz, Gebrauch, Fruchtgenuss, Änderung, Trennung, Verschlechterung oder Zerstörung, in rechtlicher Hinsicht auf Verkauf, Schenkung oder Belastung des Grundstücks. In der Rechtsanwendung ruft dies nach einer umfassenden Prüfung der konkreten Sachlage. Es gilt nicht nur, die vertraglichen Vereinbarun­gen auszulegen. Zudem sind auch die konkreten, über den Vertrag hinaus­gehenden weiteren Beweggründe der Parteien zu ergründen. Wenn dies alles den Schluss zulässt, die uneingeschränkte Verfügungsmacht – mit Ausnahme des Grundbucheintrags – sei übertragen worden, darf die wirtschaftliche Handänderung als erfüllt gelten (Urteil des Bundesgerichts 2C_1044/2014 vom 26. November 2015 E. 2.2 mit Hinweis auf Urteil 2C_138/2014 vom 12. Dezember 2014 E. 2.3.1 f.).
Zwar erging diese Rechtsprechung in Bezug auf den die Grundstückgewinnsteuer betreffenden Art. 12 Abs. 2 lit. a StHG. Sie muss jedoch auch bezüglich des vorliegend zu beurteilenden Falls gelten, entspricht doch der Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 lit. a StHG (bzw. von § 127 Abs. 2 Ziff. 1 StG) demjenigen von § 137 Abs. 2 StG, welcher die Handänderungssteuer betrifft (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesgerichts 2C_1044/2014 vom 26. November 2015 E. 2.1, wo sowohl die Gewinn- als auch die Handänderungssteuer genannt werden).

4.2 Gemäss Ziff. 11 des Kaufvertrags vom 20. Juli 2017 war die Rekurrentin berechtigt, Dritte in den Kaufvertrag eintreten zu lassen. Damit ging zwar - in Über­einstimmung mit der Vorinstanz - ein wesentlicher Teil der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt von der X AG auf die Rekurrentin über. Allerdings war die Rekurrentin nicht frei, einen beliebigen Dritten in den Kaufvertrag eintreten zu lassen. Sie war vielmehr verpflichtet, ausschliesslich mittels "Crowd­funding" ermittelte Investoren eintreten zu lassen. Dementsprechend wurde in Ziff. 11 des Vertrags festgehalten, dass die Rekurrentin in keinem Zeitpunkt das Ziel bzw. die wirtschaftliche Möglichkeit habe, frei über das Kaufobjekt zu verfügen. Dies verdeutlicht denn auch Ziff. 12 des Vertrags, wonach dieser automatisch dahingefallen wäre, wenn bis zum 31. März 2018 keine öffentliche Beurkundung eines Nachtrags erfolgt wäre, durch welchen ein Dritter oder mehrere Dritte (gemäss Ziff. 11 des Vertrags) an Stelle der Rekurrentin in den Vertrag eintreten.
Nebst der Möglichkeit, den (späteren) Grundstückerwerber auszuwählen und ihm die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Grundstück zu verschaffen, gehört jedoch auch die Möglichkeit, den Preis dafür, das heisst den Kaufpreis, selber zu bestimmen, zu den wesentlichen Befugnissen eines Grundstück­eigentümers (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich SB.2002.00034 vom 28. August 2002 E. 3a und Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich SB.2001.00031 vom 26. September 2001 E. 2a, beide in Bezug auf Baulandeigentümer). Unstreitig war die Rekurrentin jedoch nicht befugt, den Preis für die in Frage stehende Liegenschaft gegenüber den eintretenden Dritten festzulegen. Die mittels "Crowdfunding" ermittelten Investoren traten vielmehr in den Kaufvertrag vom 20. Juli 2017 zu den dort festgelegten Bedingungen ein. Damit fehlte der Rekurrentin jedoch eine wesentliche Eigentümerbefugnis.
Darüber hinaus hielt der Kaufvertrag in Ziff. 1 fest, dass der Antritt des Kaufobjektes mit Rechten und Lasten laut Grundbuch sowie mit Nutzen und Gefahr für die Rekurrentin erst mit dem Grundbucheintrag stattfinde. Dementsprechend hatte die X AG bis zum Antrittstag die Zinsen der Grundpfandschulden zu bezahlen (Kaufvertrag, S. 3). Die mit dem Kaufobjekt verbundenen Steuern und Abgaben (Gebäudeversicherungsprämien, Wasserzinsen, Grundsteuern etc.) sowie Neben­kosten belasteten bis zum Antrittstag ebenfalls die X AG. Dieser standen bis zum Antrittsdatum auch sämtliche Mietzinseinnahmen zu (Ziff. 3 des Kaufvertrags). Die X AG unternahm sodann bis zum Antrittstag jegliche Vermarktungsbemühungen für leerstehende Wohnungen oder gekündigte Wohn- oder Nebeneinheiten der Liegenschaft unter Übernahme der damit anfallenden Vermarktungskosten. Zudem erledigte sie bis zum Antrittstag sämtliche Mieterreklamationen. Die Mieteinnahmen standen der Rekurrentin erst per Antrittstag zu (Ziff. 14 des Kaufvertrags). Gingen Rechten und Lasten laut Grundbuch sowie Nutzen und Gefahr der Liegenschaft jedoch nicht schon mit Kaufvertrag vom 20. Juli 2017 auf die Rekurrentin über, fehlte es ihr an weiteren wesentlichen Eigentümerbefugnissen.
Hinzu kommt, dass die Rekurrentin, mit Ausnahme einer Anzahlung von Fr. 50'000.--, den Kaufpreis von Fr. 3'325'000.-- erst per Antrittstag zu leisten hatte, zum einen durch Ablösung der Grundpfandschuld und zum anderen durch Banküberweisung (Kaufvertrag, S. 3).
In einer Gesamtbetrachtung der Sachlage kommt die Steuerrekurskommission daher zum Schluss, dass vorliegend nicht davon ausgegangen werden kann, dass mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 20. Juli 2017 die uneingeschränkte Verfügungsmacht auf die Rekurrentin übertragen worden ist und einzig der Grundbucheintrag als äusseres Merkmal (noch) ausstand. Dies umso weniger, als es der Rekurrentin unbestrittenermassen lediglich darum ging, das in Frage stehende Grundstück zu "reservieren", um privaten Investoren mittels "Crowdfunding" zu ermöglichen, das gesamte Grundstück als Miteigentümer mit entsprechenden Miteigentumsquoten zu erwerben. Der Kaufvertrag vom 20. Juli 2017 ist demzufolge nicht als wirtschaftliche Handänderung zu würdigen, welche die Handänderungssteuer auslöst.

Entscheid der Steuerrekurskommission STRE.2018.158 vom 15. Juli 2019

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