TVR 2019 Nr. 5
Erlass vorsorglicher Massnahmen vor Beschwerdeerhebung
Damit das Gericht auf ein Gesuch, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen oder es seien andersartige vorsorgliche Massnahmen zu treffen, eintreten kann, muss zwingend - gleichzeitig oder vorgängig - Beschwerde erhoben worden sein.
Die Schulgemeinde A schrieb im Rahmen der Gesamtsanierung einer Schulanlage die Schreinerarbeiten aus. X und Y offerierten für diese Arbeiten. X erhielt den Zuschlag, worauf Y mit einem Schreiben, das den Betreff „Ankündigung Submissionsbeschwerde betreffend der Submissionsverfügung betreffend Schulanlage A, Schreinerarbeiten" enthielt, an das Verwaltungsgericht gelangte und dieses ersuchte, „sofort gegenüber der Vergabestelle festzuhalten, dass ein Werkvertrag mit der X einstweilen nicht abgeschlossen werden darf, weil eine Beschwerde gegen die Submissionsverfügung angekündigt ist." Das Verwaltungsgericht tritt auf dieses Gesuch nicht ein.
Aus den Erwägungen:
1.
1.1 Im Submissionsrecht hat eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung (Art. 17 Abs. 1 IVöB i. V. mit § 7 Abs. 1 GöB). Die Beschwerdeinstanz kann jedoch auf Gesuch oder von Amtes wegen die aufschiebende Wirkung erteilen, wenn die Beschwerde als ausreichend begründet erscheint und keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (Art. 17 Abs. 2 IVöB). Zur Erhaltung des bestehenden Zustandes oder zur Sicherung bedrohter rechtlicher Interessen kann zudem die Behörde vorsorgliche Massnahmen treffen und die erforderlichen verfahrensleitenden Anordnungen erlassen (§ 11 VRG).
1.2 Grundvoraussetzung, dass die aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann oder andersartige vorsorgliche Massnahmen getroffen werden können, ist, dass das Gesuch im Rahmen eines bereits rechtshängigen oder gleichzeitig mit dem Gesuch rechtshängig werdenden Verfahrens gestellt wird (Urteil des Bundesgerichts 2C_1080/2017 vom 28. Dezember 2017 E. 2.3). Aufgrund ihrer Akzessorietät sind vorsorgliche Massnahmen ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Hauptsache möglich, das heisst frühestens mit der verfahrenseröffnenden Eingabe (Fedi/Meyer/Müller, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Basel 2014, § 11 N. 8). Einer Beschwerde kann demnach nur aufschiebende Wirkung zukommen, falls überhaupt eine Beschwerde erhoben worden ist. Gleiches trifft auf die übrigen vorsorglichen Massnahmen zu, denn bei der Möglichkeit, solches zu beantragen, handelt es sich um ein Gestaltungsrecht in Form eines akzessorischen Nebenrechts (Urteil des Bundesgerichts 2C_1080/2017 vom 28.?Dezember 2017 E. 2.3). Mithin ist daher zwingend zu verlangen, dass die vor der Vorinstanz unterlegene Person tatsächlich eine Beschwerde vorlegt, damit das Gericht ihrem Antrag nachkommen kann, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen bzw. es sei eine andersartige vorsorgliche Massnahme zu treffen. Auch wäre es nicht genügend, wenn die Beschwerde einstweilen bloss „vorsorglich" erklärt wird. Das Gericht soll von klaren Voraussetzungen ausgehen und das Verfahren beförderlich behandeln können. Daher lässt es das Gesetz nicht zu, vorsorgliche Massnahmen bis zum Eingang einer etwaigen Beschwerde anzuordnen. Es besteht eine gewisse Parallele zur Schutzschrift, wie sie in Art. 270 ZPO vorgesehen wird (Urteil des Bundesgerichts 2C_1080/2017 vom 28. Dezember 2017 E. 2.4). Demgegenüber kennt das VRG eine Art. 263 ZPO (Massnahmen vor Rechtshängigkeit) entsprechende Regelung nicht. Ein vorbeugender Rechtsschutz (das heisst vor Rechtshängigkeit) müsste sich daher aus dem materiellen Recht direkt ergeben (Fedi/Meyer/Müller, a.a.O., § 11 N. 8), was nicht der Fall ist.
1.3 Das Begehren der Gesuchstellerin vom 6. Dezember 2018, gegenüber der Vergabestelle sofort festzuhalten, dass ein Werkvertrag mit der X einstweilen nicht abgeschlossen werden dürfe, weil eine Beschwerde gegen die Submissionsverfügung vom 28. November 2018 angekündigt sei, stellt ein Gesuch um Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor Rechtshängigkeit der Beschwerde selbst dar. Mit der Eingabe vom 6. Dezember 2018 kündigte die Gesuchstellerin zwar eine Submissionsbeschwerde an und reichte diese in der Folge auch ein. Das ändert aber nichts daran, dass das Gesuch um Anordnung der aufschiebenden Wirkung am 6. Dezember 2018 eingereicht wurde, bevor die eigentliche Beschwerde rechtshängig war. Damit fehlt es aber an einer Prozessvoraussetzung, nämlich der Rechtshängigkeit einer Beschwerde, damit überhaupt auf das Gesuch um Wiedereinräumung der aufschiebenden Wirkung eingetreten werden könnte. Ein Anspruch auf vorsorglichen Rechtsschutz lässt sich auch nicht aus dem materiellen Recht ableiten. Vielmehr hält auch Art. 17 Abs. 2 IVöB ausdrücklich fest, dass einem Gesuch um aufschiebende Wirkung nur dann entsprochen werden kann, wenn die Beschwerde als ausreichend begründet erscheint. Um dies beurteilen zu können, ist Voraussetzung, dass überhaupt eine Beschwerde eingereicht wurde. Fehlt es an dieser Voraussetzung, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung, was zur Folge hat, dass auf ein Gesuch nicht eingetreten werden kann (vgl. hierzu Fedi/Meyer/Müller, a.a.O. § 61 N. 10). Auf das Gesuch der Gesuchstellerin vom 6. Dezember 2018, sofort gegenüber der Vergabestelle festzuhalten, dass ein Werkvertrag mit der X einstweilen nicht abgeschlossen werden dürfe, weil eine Beschwerde gegen die Submissionsverfügung vom 28. November 2018 angekündigt sei, ist daher nicht einzutreten.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2018.165/E vom 13. Februar 2019