TVR 2020 Nr. 19
Ausnahmebewilligung; Baute mit öffentlicher Zwecksetzung
1. Als "Bauten und Anlagen zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben oder Vorschriften" im Sinne der Ausnahmebestimmung von § 92 Abs. 1 Ziff. 2 PBG sind lediglich solche zu verstehen, die direkt der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben dienen. Es handelt sich dabei insbesondere um standortgebundene Bauten wie Reservoirs, Kläranlagen, Schiessanlagen, Kehrichtverbrennungsanlagen und dergleichen, nicht jedoch um Verwaltungsgebäude oder ähnliches, wie dies vorliegend auf das Projekt "Schlussstein" für das neue Stadthaus Kreuzlingen zutrifft (E. 3.3).
2. Um eine Ausnahmebewilligung gestützt auf § 92 Abs. 1 Ziff. 1 PBG mit der Begründung einer "besseren Lösung im Sinne der Raumplanung" erteilen zu können, muss die "Abweichung" von der Regelbauweise an sich zu einer besseren Lösung im Sinne der Raumplanung führen. Wird einem Projekt eine höhere Qualität in architektonischer oder städtebaulicher Hinsicht attestiert, so genügt dies für sich alleine nicht, um den Ausnahmetatbestand zu erfüllen (E. 4.4).
3. Mit dem Institut der Ausnahmebewilligung soll dem Verhältnismässigkeitsprinzip zum Durchbruch verholfen werden. Die Ausnahmebewilligung dient mit anderen Worten der "Verfeinerung der schematischen Norm im besonders gelagerten Einzelfall". Es soll jene Regelung zur Anwendung gelangen, die der Gesetzgeber in Kenntnis der Verhältnisse vernünftigerweise getroffen hätte. Ausnahmebewilligungen dürfen jedoch nicht gegen den Sinn und Zweck der Vorschrift verstossen, von der sie befreien (E. 4.5).
4. Das auf einen möglichst umfassenden Ausgleich der beteiligten Interessen gerichtete Verfahren der Nutzungsplanung darf nicht durch eine large Dispenspraxis umgangen werden (E. 4.6).
Die Politische Gemeinde Kreuzlingen (= Verfahrensbeteiligte) plant auf der in ihrem Eigentum stehenden "Fäschtwise", welche sich in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (OeBA) befindet und mit einer Umgebungsschutzzone überlagert ist, die Errichtung eines neuen Stadthauses mit dem Ziel, die gesamte kommunale Verwaltung in einem Gebäude unterzubringen. Dazu veranstaltete sie einen Projektwettbewerb, wobei das Projekt "Schlussstein" zum Sieger ernannt wurde. Am 27. November 2016 stimmte die Bevölkerung der Politischen Gemeinde Kreuzlingen einem Kreditbegehren in Höhe von Fr. 47,5 Mio. zu. Vom 19. Juni 2018 bis 9. Juli 2018 legte die Politische Gemeinde Kreuzlingen ein Gesuch für einen Vorentscheid öffentlich auf. Gegen das Vorentscheidgesuch erhoben unter anderem die A AG und die B AG Einsprache. In der Folge überwies die Politische Gemeinde Kreuzlingen sämtliche Unterlagen dem DBU zur weiteren Behandlung. Am 16. Oktober 2019 entschied das DBU, dass die Einsprachen hinsichtlich der Anwendbarkeit des eidgenössischen Arbeitsgesetzes teilweise gutgeheissen, im Übrigen abgewiesen würden. Hinsichtlich des für das Bauprojekt eingereichten Vorentscheidgesuchs stellte das DBU in Aussicht, dass für die Überschreitung der gemäss Regelbauweise maximal zulässigen Gebäudelänge, für die Überschreitung des gemäss Regelbauweise festgeschriebenen Gebäudeabstandes, für die Unterschreitung des Strassenabstandes, für die Überschreitung der Baulinien entlang der F- bzw. der G-Strasse sowie für die Vornahme einer nicht mehr geringfügigen Terrainveränderung je eine Ausnahmebewilligung erteilt werde. Dagegen liessen die A AG und die B AG Beschwerde erheben. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerden gut und hebt den Entscheid des DBU, mit welchem das Vorentscheidgesuch bewilligt und die Erteilung entsprechender Ausnahmebewilligungen vom DBU in Aussicht gestellt wurde, auf.
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 In materieller Hinsicht strittig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz (als gemäss § 113 Abs. 1 PBG für die Beurteilung des Vorentscheidgesuchs und der Einsprachen zuständige Behörde) zu Recht die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die mit dem Projekt "Schlussstein" vorgesehenen Abweichungen von der Regelbauweise und anderen raumplanungsrechtlichen Vorgaben in Aussicht gestellt hat. Als erstes ist auf die Überschreitung der zulässigen Gebäudelänge einzugehen. Das geplante Bauprojekt liegt in der Zone für öffentliche Bauten und Anlage (OeBA), überlagert mit einer Umgebungsschutzzone. Unbestritten ist, dass gemäss dem aktuell gültigen Baureglement der Verfahrensbeteiligten vom 1. September 2000 in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen die Gebäudelänge maximal 50 m betragen darf (Art. 14 des Baureglements). Unbestritten ist auch, dass das geplante Projekt eine Gebäudelänge von 111,3 m aufweist und somit das gemäss Grundordnung zulässige Mass um über 120% überschreitet.
3.2 Nach § 92 Abs. 1 PBG kann die Gemeindebehörde nach Abwägung der beteiligten privaten Interessen Ausnahmen von kommunalen Vorschriften oder Plänen bewilligen,
1. bei ausserordentlichen Verhältnissen, insbesondere wenn eine unzumutbare Härte, eine unverhältnismässige Erschwernis oder ein sinnwidriges Ergebnis entstünde oder wenn durch die Abweichung eine bessere Lösung im Sinne der Raumplanung erreicht werden kann;
2. für Bauten und Anlagen zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben oder Vorschriften;
3. für befristete Bauten und Anlagen;
4. in Dorf- und Kernzonen zum Schutze des Ortsbildes und zur Siedlungserneuerung, sofern das Baureglement dies vorsieht.
Der Sinn und Zweck einer Ausnahmebewilligung besteht allgemein darin, im Einzelfall dem Verhältnismässigkeitsprinzip zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. Lanter, in: Griffel/Liniger/Rausch/Thurnherr, Fachhandbuch Öffentliches Baurecht, Zürich/Basel/ Genf 2016, N. 3.502). Die Ausnahmebewilligung bezweckt immer, im Einzelfall Härten und vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollte Wirkungen zu vermeiden (Lanter, a.a.O., N. 3.503). Aus dem Begriff der Ausnahmebewilligung ergibt sich bereits, dass diese im Regelfall nicht zur Verfügung stehen soll. Vielmehr soll in Ausnahmefällen von der Anwendung von Bau- oder Nutzungsvorschriften dispensiert werden, um besonderen Verhältnissen gerecht zu werden. Ganz allgemein bildet daher das Vorliegen besonderer Verhältnisse bzw. wichtiger Gründe die zentrale Voraussetzung für jede Ausnahmebewilligung. Die Ausnahmegründe müssen objektiver Natur sein. In erster Linie kommen die Lage und Form der Parzelle, die Beschaffenheit des Baugrunds, der Zweck des Bauvorhabens sowie technische oder planerische Besonderheiten in Betracht. Persönliche oder finanzielle Gründe, wie der individuelle Raumbedarf oder der Wunsch nach einer möglichst gewinnbringenden Nutzung des Grundstücks, können dagegen in der Regel die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht rechtfertigen (Lanter, a.a.O., N. 3.504 f., mit Hinweisen). Eine Ausnahmesituation darf dann nicht angenommen werden, wenn sich die Bauherrschaft auf generelle Gründe beruft, die sich praktisch immer anführen lassen. Dadurch würde faktisch das Gesetz bzw. der Nutzungsplan geändert; die Bewilligungsbehörde würde sich also im Ergebnis gesetzgeberische Kompetenzen anmassen. Auch der Umstand, dass das fragliche Projekt in architektonischer oder städtebaulicher Hinsicht eine "bessere Lösung" bietet als ein den Bau- und Nutzungsvorschriften entsprechendes, vermag keine Ausnahmesituation zu begründen. Es müssen Besonderheiten im vorstehend erläuterten Sinn hinzukommen. Vereinzelt sehen die Kantone jedoch ausdrücklich vor, dass auch dann Ausnahmen zugelassen werden können, wenn dank einer Abweichung von Bau- oder Nutzungsvorschriften eine bessere Lösung erzielt werden kann (Lanter, a.a.O., N. 3.506 f., mit Hinweisen). Bei der Erteilung einer Ausnahmebewilligung geht es um offensichtlich ungewollte Wirkungen einer Vorschrift im Einzelfall. Drängt sich eine grundsätzliche Abweichung vom ordentlichen Recht auf, so hat eine Änderung über die planungsrechtlichen Institute zu erfolgen (Änderung der Bau- und Zonenordnung, Sondernutzungspläne). Das auf einen möglichst umfassenden Ausgleich der beteiligten Interessen gerichtete Verfahren der Nutzungsplanänderung darf nicht durch eine large Dispenspraxis umgangen werden (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2017.00019 vom 20. Dezember 2017 E. 6.3 mit Hinweisen).
3.3 Im vorliegenden Fall fällt eine Ausnahmebewilligung gestützt auf Ziff. 3 und 4 von § 92 Abs. 1 PBG von vorneherein ausser Betracht. Die Vorinstanz weist in E. 6d des angefochtenen Entscheids darauf hin, dass § 92 Abs. 1 Ziff. 2 PBG explizit einen eigenen Ausnahmebewilligungstatbestand für Bauten und Anlagen zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben oder Vorschriften aufführe, wobei die Vorinstanz offen lässt, ob das geplante Gebäude für die kommunale Stadtverwaltung diesen Ausnahmetatbestand erfülle. Dies ist nicht der Fall. Als Bauten und Anlagen im Sinne der Ausnahmebestimmung von § 92 Abs. 1 Ziff. 2 PBG sind lediglich solche zu verstehen, die direkt der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben dienen. Es handelt sich dabei insbesondere um standortgebundene Bauten wie Reservoirs, Kläranlagen, Schiessanlagen, Kehrichtverbrennungsanlagen und dergleichen, nicht jedoch um Verwaltungsgebäude oder ähnliches (vgl. hierzu die Ausführungen des Präsidenten der Baugesetzkommission, Kantonsrat [und späterer Regierungsrat] Dr. A. Haffter, zu Handen des Grossen Rates vom 17. Februar 1975 zu § 102 Abs. 1 lit. b des Entwurfs des früheren Baugesetzes [Detailberatung, 2. Lieferung: §§ 70 - 154, S. 119], wobei der damals vorgeschlagene und gewählte Wortlaut der betreffenden Bestimmung ["für Bauten und Anlagen zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben oder Vorschriften"] demjenigen des heute gültigen § 92 Abs. 1 Ziff. 2 PBG entsprach).
3.4 Damit kommt vorliegend ausschliesslich eine Ausnahmebewilligung gestützt auf § 92 Abs. 1 Ziff. 1 PBG in Betracht. Ausserordentliche Verhältnissen im Sinne dieser Bestimmung sind insbesondere dann anzunehmen, wenn eine unzumutbare Härte, eine unverhältnismässige Erschwernis oder ein sinnwidriges Ergebnis entstünde oder wenn durch die Abweichung eine bessere Lösung im Sinne der Raumplanung erreicht werden kann. Vorweg ist festzustellen, dass im Falle einer Verweigerung der Ausnahmebewilligung weder eine unzumutbare Härte noch eine unverhältnismässige Erschwernis vorliegen würde; ebensowenig entstünde ohne die Ausnahmebewilligung ein sinnwidriges Ergebnis. So ist nicht nachvollziehbar, weshalb auf der für den Neubau vorgesehenen "Fäschtwise" nicht auch ein Projekt für ein neues Stadthaus realisiert werden könnte, welches die Vorgaben des Baureglements, insbesondere auch bezüglich der Gebäudelänge, einhält. Es ist zudem nicht ersichtlich, weshalb nicht im Rahmen des Projektwettbewerbs hätte verlangt werden können, dass die baureglementarischen Vorschriften einzuhalten seien oder dass die im Baureglement festgehaltenen Masse nur in einem geringen Ausmass und nur soweit zwingend notwendig überschritten werden dürfen. (…) Dass dies nicht möglich gewesen wäre, wird von der Verfahrensbeteiligten nicht dargetan. Im Bericht des Preisgerichts vom 13. April 2015 wird im Übrigen festgehalten, dass bei einzelnen Wettbewerbsbeiträgen bezüglich Gebäudelänge und/oder Gebäudehöhe keine Ausnahmebewilligung erforderlich gewesen wäre. Folglich ist davon auszugehen, dass einzelne der eingereichten Projekte zumindest diesbezüglich den Vorgaben der baureglementarischen Grundordnung entsprochen hätten. Vor diesem Hintergrund liegt im Falle einer Verweigerung der Ausnahmebewilligung weder eine unzumutbare Härte noch eine unverhältnismässige Erschwernis noch ein sinnwidriges Ergebnis vor.
4.
4.1 Im Vordergrund steht vorliegend die Frage, ob im Sinne von § 92 Abs. 1 Ziff. 1 PBG "durch die Abweichung eine bessere Lösung im Sinne der Raumplanung erreicht werden kann" (vgl. zur "städtebaulichen Ausnahmebewilligung" allgemein Lanter, a.a.O., N. 3.516 f.).
4.2
4.2.1 und 4.2.2 (Zusammenfassung der Erwägungen der Vorinstanz, in welchen diese auf das Ergebnis des Projektwettbewerbs, auf eine Stellungnahme des kantonalen Hochbauamtes vom 4. Februar 2019 und auf eine Stellungnahme des kantonalen Amtes für Raumentwicklung [ARE] vom 29. Januar 2019 Bezug nimmt)
4.2.3 Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, dass die Ausführungen der Fachstellen schlüssig seien. Dabei - so die Vorinstanz weiter - überzeuge und falle ins Gewicht, dass mit der geplanten Überlänge die Festwiese zu einem grossen Teil unüberbaut bleibe. Die Sichtbeziehung zwischen Dreispitzpark und Klosterkirche könne damit weitgehend bestehen bleiben. Auch der Umstand, dass ein eingehendes Wettbewerbsverfahren zu einem eindeutigen Ergebnis komme, belege fachlich fundiert das architektonisch vorzügliche Ergebnis. Bemerkenswert sei sodann, dass gemäss Bericht des Preisgerichts fast alle eingereichten Projekte mit Überlängen im Vergleich zur Regelbauweise operierten. Dies zeige, dass es an diesem Standort offenbar sehr schwierig sei, mit der Regelbauweise gemäss Baureglement zu planen. Wenn bei dieser Ausgangslage ein architektonisch und städtebaulich derart vorzügliches Projekt möglich sei, dann liege darin exemplarisch ein Anwendungsfall von § 92 Abs. 1 Ziff. 1 PBG: Der Tatbestand einer "besseren Lösung im Sinne der Raumplanung" sei, so die Vorinstanz, bei dieser Ausgangslage "fraglos zu bejahen". Vorliegend sei rechtsgenüglich dargetan, dass die generell-abstrakte Regelbauweise keine befriedigende Rechtsgrundlage biete. Das im öffentlichen Interesse liegende Stadthaus, das mit einer vorzüglichen architektonischen und städtebaulichen Qualität aufwarten könne und gleichzeitig die umliegenden Objekte (Basilika St. Ulrich und Dreispitzpark) optimal berücksichtige, sei ein Spezialfall, dem mit der Gewährung der nachgesuchten Ausnahmebewilligung Rechnung zu tragen sei. Mit diesem Entscheid würden keine Gründe berücksichtigt, die sich praktisch immer anführen liessen und faktisch auf eine Gesetzesänderung hinausliefen. Es komme hinzu, dass es sich beim geplanten Stadthaus um ein Gebäude mit einem singulären Zweck (ein zusammengefasster Standort für die Stadtverwaltung) handle. Es sei aufgrund dessen nicht mit einem regulären Bauvorhaben vergleichbar. Dem Bauvorhaben lägen damit die gemäss Literatur geforderten Besonderheiten zugrunde. Im Übrigen würden auch keine öffentlichen Interessen verletzt (§ 92 Abs. 1 PBG), nachdem die Prüfung der Fragen rund um die Gesetzgebung über den Natur- und den Heimatschutz fachlich (ebenfalls) nachvollziehbar zu einer positiven Würdigung des Projekts geführt hätte.
4.3 Die Wiedergabe der Stellungnahmen des kantonalen Hochbauamtes und des ARE durch die Vorinstanz sind zwar korrekt, jedoch - bezüglich derjenigen des ARE vom 29. Januar 2019 - nicht vollständig. So führte das ARE in dieser Stellungnahme auch aus, das Vorentscheidgesuch der Verfahrensbeteiligten mit der ersuchten Ausnahmebewilligung betreffend die Gebäudelänge erstaune. Die Verfahrensbeteiligte habe in einem Schreiben vom 11. September 2017 an Regierungsrätin R selbst festgehalten, dass der Bau des neuen Stadthauses als nicht bewilligungsfähig beurteilt werden müsse. Im selben Schreiben seien jedoch auch verschiedene Bauten erwähnt, welche in der Vergangenheit durch die Verfahrensbeteiligte mit einer Ausnahmebewilligung aufgrund einer deutlich erhöhten Gebäudelänge (bis 114 m) bewilligt worden seien. Dies deute darauf hin, dass die Verfahrensbeteiligte § 92 PBG in der Vergangenheit eher liberal ausgelegt habe. Wo die Grenzen für die Anwendung von § 92 PBG lägen bzw. bis zu welchem Mass von der Regelbauweise mit einer Ausnahmebewilligung abgewichen werden könne, sei letztlich eine rechtliche Frage. Nichtsdestotrotz scheine es aus Sicht des ARE nicht dem planungsrechtlichen Stufenbau zu entsprechen, wenn mit einer kommunalen Ausnahmebewilligung eine grössere Abweichung möglich wäre, als mit einer dem fakultativen Referendum unterstellten und vom Kanton genehmigten Sondernutzungsplanung. Das ARE erachtete aufgrund der Begründung der Projektverfasser (…) eine Überschreitung der gemäss Regelbauweise zulässigen Gebäudelänge zwar als nachvollziehbar. Jedoch hielt es abschliessend fest, gemäss dem Wortlaut von § 92 Abs. 1 PBG sei "durch die Abweichung selbst" eine bessere Lösung im Sinne der Raumplanung zu erreichen. Inwiefern die konkrete Abweichung von der zulässigen Gebäudelänge zu einer besseren Lösung führe, werde in der Begründung für die Ausnahmegenehmigung vom (…) nicht dargelegt. Aufgrund der fehlenden Darlegung sei für das ARE nicht abschliessend ersichtlich, inwieweit eine Überschreitung der Gebäudelänge im vorliegenden Ausmass tatsächlich "notwendig" sei, um eine bessere Lösung im Sinne der Raumplanung zu erreichen.
4.4 Die Einschätzung des ARE in der Stellungnahme vom 29. Januar 2019 erweist sich als zutreffend. Die Begründung der Vorinstanz für die im Rahmen des Vorentscheids in Aussicht gestellte Ausnahmebewilligung für die Überschreitung der baureglementarisch zulässigen Gebäudelänge stützt sich im Wesentlichen auf die dem Siegerprojekt vom Preisgericht und vom kantonalen Hochbauamt attestierten - im Übrigen unbestrittenen - funktionalen, baulichen und gestalterischen Qualitäten. So ist vor allem von der "vorzüglichen architektonischen und städtebaulichen Qualität" des Projekts die Rede, welches "gleichzeitig die umliegenden Objekte (Basilika St.Ulrich und Dreispitzpark) optimal" berücksichtige; dies sei, so die Vorinstanz "ein Spezialfall", der die Erteilung einer Ausnahmebewilligung rechtfertige. Diese Begründung genügt für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung jedoch nicht. Auch wenn § 92 Abs. 1 Ziff. 1 PBG von einer "besseren Lösung im Sinne der Raumplanung" spricht, genügt eine höhere Qualität in architektonischer oder städtebaulicher Hinsicht für sich alleine nicht, um den Ausnahmetatbestand zu erfüllen (vgl. Lanter, a.a.O., N. 3.507). Vielmehr muss gemäss dem Wortlaut von § 92 Abs. 1 Ziff. 1 PBG (…) gerade die "Abweichung" von der Regelbauweise an sich zu einer besseren Lösung im Sinne der Raumplanung führen. Inwiefern eine derartige bessere Lösung durch das Überschreiten der gemäss Baureglement zulässigen Gebäudelänge um über 120% erreicht wird, erschliesst sich weder aus den Stellungnahmen der kantonalen Fachstellen noch aus den Erwägungen der Vorinstanz. Entsprechendes lässt sich insbesondere auch nicht aus der Stellungnahme des Amtes für Denkmalpflege vom 13. März 2019 entnehmen, mit welcher diese Fachstelle lediglich die Vereinbarkeit des Projekts mit den Interessen der Denkmalpflege bzw. des Ortsbildschutzes, namentlich mit den Schutzzielen der bundesrechtlich geschützten Klosterkirche, bestätigt. Wie erwähnt, wurden im Rahmen des durchgeführten Wettbewerbs auch einzelne Projekte eingereicht, die zumindest hinsichtlich der Gebäudelänge die baureglementarischen Vorgaben eingehalten hätten. Folglich ist mit einem entsprechenden Projekt die Einhaltung der zulässigen Gebäudelänge möglich. Weshalb es - gemäss den Erwägungen der Vorinstanz - an diesem Standort sehr schwierig sein soll, mit der Regelbauweise gemäss Baureglement zu planen, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Vorinstanz nicht näher dargelegt. Dies lässt sich mithin auch nicht daraus ableiten, dass ein Grossteil der eingereichten Wettbewerbsprojekte die Erteilung entsprechender Ausnahmebewilligungen bedingt hätten, zumal die Einhaltung der Regelbauweise in den Wettbewerbsbedingungen nicht als Rahmenbedingung definiert worden war. Ein die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für das Abweichen von der Regelbauweise im Umfang von über 120% (bezüglich der Gebäudelänge) rechtfertigender Spezialfall liegt entgegen der Auffassung der Vorinstanz daher nicht vor.
4.5 Mit dem Institut der Ausnahmebewilligung soll, wie dargestellt, dem Verhältnismässigkeitsprinzip zum Durchbruch verholfen werden (vgl. Lanter, a.a.O., N. 3.502). Die Ausnahmebewilligung dient mit anderen Worten der "Verfeinerung der schematischen Norm im besonders gelagerten Einzelfall". Es soll jene Regelung zur Anwendung gelangen, die der Gesetzgeber in Kenntnis der Verhältnisse vernünftigerweise getroffen hätte (Lanter, a.a.O., N. 3.503 mit Hinweis). Ausnahmebewilligungen dürfen jedoch nicht gegen den Sinn und Zweck der Vorschrift verstossen, von der sie befreien (Lanter, a.a.O., N. 3.508, mit Verweis auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VG.2014.00356 vom 23. Oktober 2014, E. 2). Der Sinn und Zweck einer in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen geltenden Beschränkung der Gebäudelänge von 50 m liegt offensichtlich darin, übermässig lange Gebäude zu verhindern, dies nicht zuletzt auch zur Verhinderung einer ungewollten Prägung des Ortsbildes durch entsprechend grosse Gebäude. Ein 111,3 m langes Gebäude würde - ungeachtet der architektonischen und städtebaulichen Qualitäten des Projekts - gegen den Sinn und Zweck dieser baureglementarischen Längenbeschränkung verstossen. Auch unter diesem Aspekt lässt sich die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht rechtfertigen.
4.6 Sodann vermag die Verfahrensbeteiligte aus dem Umstand, dass sie selber offenbar in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen bereits andere Gebäude bewilligt hat, welche die zulässige Gebäudelänge von 50 m (klar) überschreiten, nichts für ihren Standpunkt abzuleiten. Zum einen ist vorliegend nicht die Verfahrensbeteiligte, sondern die Vorinstanz Bewilligungsbehörde. Zum andern darf das auf einen möglichst umfassenden Ausgleich der beteiligten Interessen gerichtete Verfahren der Nutzungsplanung nicht durch eine large Dispenspraxis umgangen werden (vgl. E. 3.2 vorstehend sowie Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2017.00019 vom 20. Dezember 2017 E. 6.3 mit Hinweisen).
4.7 Ungeachtet der anstehenden Volksabstimmung über die Initiative zur Freihaltung der Festwiese ist zwar von einem gegebenen öffentlichen Interesse an der Erstellung eines neuen Stadthauses auszugehen. Dies ist jedoch nicht weiter ausschlaggebend, da es bereits an einem Ausnahmetatbestand nach § 92 Abs. 1 Ziff. 1 - 4 PBG mangelt. Ob die Bewilligungsfähigkeit des streitbetroffenen Projekts, mit welchem nicht nur für die Überschreitung der baureglementarisch zulässigen Gebäudelänge, sondern auch für weitere Abweichungen von der Regelbauweise mit dem Vorentscheidgesuch die Erteilung von Ausnahmebewilligungen beantragt wurde, im Rahmen eines Gestaltungsplans bewilligungsfähig wäre, erscheint fraglich (vgl. hierzu TVR 2019 Nr. 13), kann vorliegend jedoch offen bleiben, da ein solcher Sondernutzungsplan nicht Verfahrensgegenstand bildet. Im Vordergrund dürfte wohl eher eine entsprechende Änderung des Baureglements stehen, worauf ebenfalls nicht näher einzugehen ist.
5. Das streitbetroffene Projekt, welches eine Gebäudelänge von 111,3 m aufweist und damit die baureglementarisch zulässige Gebäudelänge von 50 m um über 120% überschreitet, kann somit nicht mittels Ausnahmebewilligung gemäss § 92 PBG genehmigt werden. Der angefochtene Entscheid, mit welchem das diesbezügliche Vorentscheidgesuch bewilligt und die Erteilung einer entsprechenden Ausnahmebewilligung von der Vorinstanz in Aussicht gestellt wurde, ist daher aufzuheben. Mangels Bewilligungsfähigkeit des Projekts entfallen aber auch die anderen, in Aussicht gestellten Ausnahmebewilligungen für die Unterschreitung des gemäss Regelbauweise festgelegten Gebäudeabstandes, für die Unterschreitung des Strassenabstandes bzw. für die Überschreitung der Baulinie(n) entlang der F- und der G-Strasse sowie für die Vornahme einer nicht mehr geringfügigen Terrainveränderung, ohne dass auf diese Punkte vorliegend näher einzugehen wäre. Sollten entsprechende Ausnahmebewilligungen auch im Rahmen eines anderen Projekts notwendig sein, so wäre darüber bei der Beurteilung dieses neuen Projekts zu befinden. (…)
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2019.185/VG.2019.189/E vom 13. Mai 2020