TVR 2020 Nr. 7
Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands, Verhältnismässigkeitsprüfung, Begriff der Produktionsgemeinschaft
§ 115 Abs. 2 PBG, Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV, § 86 Abs. 2 VRG
1. Die Verletzung unverjährbarer und unverzichtbarer Grundrechte, Mängel also, die in der Vollstreckungsverfügung selbst begründet sind, können trotz der Einschränkung der Anfechtungsgründe in § 86 Abs. 3 VRG im Anfechtungsverfahren geltend gemacht werden (E. 2).
2. Die Vollstreckung eines Abbruchbefehls kann mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in Konflikt kommen, wenn für ein Abbruchobjekt ein Baugesuch eingereicht wurde, bei dem ernsthafte Aussichten bestehen, dass hierfür die Bewilligung erteilt wird. In diesen Fällen hat die Rechtsmittelinstanz eine entsprechende Prüfung vorzunehmen (E. 3).
3. Besteht für die Nutzung einer abzubrechenden Halle in der Landwirtschaft weder mit einer Erzeugergemeinschaft noch wenigstens mit einem ihrer Mitglieder ein Miet- oder Pachtverhältnis, hat keines der Mitglieder der Erzeugergemeinschaft rechtliche Verfügungsmacht über die zu bewilligende Halle und sie kann somit auch nicht als zu einem Landwirtschaftsbetrieb eines der Mitglieder der Erzeugergemeinschaft gehörend betrachtet werden. Die Halle kann folglich auch nicht zu einer Produktionsgemeinschaft im Sinne von Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV gehören (E. 3.5).
4. Das Privileg, in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV innerhalb der Landwirtschaftszone produzieren zu dürfen, verliert seinen Sinn, wenn der grösste Teil der Ernte aus zerstreuten oder vom Betriebszentrum entfernt gelegenen Regionen stammt. In diesem Fall überwiegt der industrielle Charakter (E. 3.6).
T begann im Juni 2017 auf seiner in der Landwirtschaftszone gelegenen Liegenschaft Nr. ZZ mit den Bauarbeiten für eine Halle zur Lagerung und Trocknung von Holzschnitzeln, ohne hierfür ein Baugesuch eingereicht zu haben. Trotz zwei von der Politischen Gemeinde F erlassenen Baustopps stellte T die Halle fertig. Ein nachträglich eingereichtes Baugesuch lehnte die Politische Gemeinde F ab. Gleichzeitig verpflichtete sie T unter Androhung der Ersatzvornahme zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands innert einer Frist von 3 Monaten ab Rechtskraft des Entscheids. Alle hiergegen von T erhobenen Rechtsmittel wurden abgewiesen. Die Politische Gemeinde F setzte T am 8. April 2020 eine letzte Frist, den Rückbau bis am 15. Mai 2020 vorzunehmen. Am 13. Mai 2020 teilte T mit, zwischenzeitlich habe die Erzeugergemeinschaft Y ein Baugesuch betreffend Neubau Halle für Hanftrocknung und -lagerung auf der Liegenschaft eingereicht. Der ablehnende Bauentscheid sei beim DBU mit Rekurs angefochten worden und dieser sei noch pendent. Daher werde beantragt, T die Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Baugesuchverfahrens abzunehmen. Am 23. Juni 2020 entschied die Politische Gemeinde F, der im rechtskräftigen Beschluss des Gemeinderates vom 24. Januar 2018 verfügte Rückbau der ohne Bewilligung erstellten Bauten und Anlagen sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes werde von Amtes wegen vorgenommen (Ersatzvornahme). Diesen Vollstreckungsentscheid focht T beim Verwaltungsgericht an, das das Rechtsmittel abweist.
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
1.1.1 Wird ein Zustand geschaffen, der das PBG oder die gestützt darauf erlassenen Pläne, Bauvorschriften oder Verfügungen verletzt, trifft die Gemeindebehörde die zur Herstellung des gesetzmässigen Zustandes erforderlichen Massnahmen (§ 114 PBG). Kann der Mangel nicht durch eine nachträgliche Bewilligung behoben werden, hat die Gemeindebehörde dem Grundeigentümer oder Bauherrn eine angemessene Frist zur Beseitigung oder Anpassung der widerrechtlich erstellten Bauten oder Anlagen anzusetzen und die Ersatzvornahme im Sinne von § 86 VRG anzudrohen (§ 115 Abs. 2 PBG). § 86 Abs. 1 VRG legt fest, dass die Zwangsvollstreckung unter Ansetzung einer angemessenen Frist zunächst angedroht werden muss, wenn der Entscheid auf Vornahme einer Handlung, auf Duldung oder Unterlassung gerichtet und nicht Gefahr in Verzug ist. Die Androhung ist nicht anfechtbar. Bleibt die Frist unbenützt, erfolgt die Zwangsvollstreckung, wenn nötig mit polizeilicher Hilfe, auf dem Weg der Ersatzvornahme oder durch unmittelbaren Zwang. Die Behörde kann einen Dritten mit der Ersatzvornahme beauftragen (§ 86 Abs. 2 VRG).
1.1.2 (…)
1.2 Bei der Anfechtung eines Vollstreckungsentscheids sind die Anfechtungsgründe beschränkt. Es können nur die Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde, die fehlende Vollstreckbarkeit oder die Nichtübereinstimmung des Zwangsvollstreckungsentscheides mit dem Entscheid in der Sache gerügt werden (§ 86 Abs. 3 Satz 2 VRG). So sind etwa Einwände gegen die rechtskräftige Sachverfügung nicht mehr zu hören (Fedi/Meyer/Müller, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Basel 2014, § 86 N 19, mit Verweis auf TVR 2003 Nr. 46; vgl. auch TVR 2013 Nr. 15 E. 2.1).
1.3 (…)
2.
2.1
2.1.1 Der Entscheid über die Zwangsvollstreckung ist innert 5 Tagen direkt beim Verwaltungsgericht anfechtbar. Angefochten werden kann nur die Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde, die fehlende Vollstreckbarkeit oder die Nichtübereinstimmung des Zwangsvollstreckungsentscheids mit dem Entscheid in der Sache (§ 86 Abs. 3 Satz 2 VRG). Der Anfechtende macht allerdings keinen dieser Gründe geltend. Er bringt aber vor, dass der angefochtene Beschluss an einem Mangel in dem Sinne leide, dass sein rechtliches Gehör verletzt worden sei, indem ihm die Offerte/Kostenschätzung der X AG vorgängig nicht zugestellt worden sei.
2.1.2 Der Anfechtungsgrund der widerrechtlich zustande gekommenen (z.B. unter Verletzung des rechtlichen Gehörs) Vollstreckungsverfügung fehlt in der Aufzählung von § 86 Abs. 3 VRG. Die Enumeration der Anfechtungsgründe in § 86 Abs. 3 VRG bezweckt, dass im Vollstreckungsverfahren Einwände gegen die rechtskräftige Sachverfügung nicht mehr zu hören sind (Fedi/Meyer/Müller, a.a.O., § 86 N. 13, unter Verweis auf TVR 2003 Nr. 46; vgl. hierzu auch Jaag/Häggi Furrer in; Waldmann/ Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 39 N. 21). Dennoch kann der Anfechtende geltend machen, dass der Entscheid vom 23. Juni 2020 unter Verletzung seines rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist. Beim Anspruch auf rechtliches Gehör handelt es sich um einen grundrechtlichen Anspruch nach Art. 29 Abs. 2 BV. Die Verletzung unverjährbarer und unverzichtbarer Grundrechte, Mängel also, die in der Vollstreckungsverfügung selbst begründet sind, müssen daher trotz der Einschränkung der Anfechtungsgründe in § 86 Abs. 3 VRG im Anfechtungsverfahren ebenfalls geltend gemacht werden können (Jaag/Häggi Furrer, a.a.O, Art. 39 N. 22). Zu prüfen ist daher, ob der Anspruch des Anfechtenden auf rechtliches Gehör dadurch verletzt wurde, dass ihm vor der Eröffnung des Beschlusses der Vollstreckungsinstanz vom 23. Juni 2020 die Kostenschätzung der X AG nicht unterbreitet wurde.
2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern (BGE 134 I 140 E. 5.3). Entgegen der Auffassung des Anfechtenden liegt vorliegend aber kein Verstoss gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vor. Ziff. 2 des Beschlusses der Vollstreckungsinstanz vom 23. Juni 2020 lautet dahingehend, dass der Anfechtende die effektiv anfallenden Kosten der Ersatzvornahme zu tragen habe; die aktuelle Kostenschätzung belaufe sich auf Fr. 40'000.--. Die Schlussrechnung werde mit separater Verfügung zugestellt. In Ziff. 2 des Vollstreckungsentscheids wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schlussabrechnung mit separater Verfügung zugestellt wird. Die von der Vollstreckungsinstanz eingereichte Kostenschätzung ist lediglich eine unverbindliche Kostenschätzung, die den Anfechtenden zu nichts verpflichtet und damit auch nicht in seine Rechtstellung eingreift. Die genaue Höhe der Kosten der Ersatzvornahme kann nicht im Voraus bestimmt werden, doch wird mit dem in Ziff. 2 des Dispositivs genannten Kostenschätzungsbetrag von Fr. 40'000.-- die Meinung der Vollstreckungsinstanz kundgetan, wie hoch sich die Kosten für die Ersatzvornahme aus ihrer Sicht voraussichtlich belaufen werden, wenn der Anfechtende die im Entscheid vom 29. Juni 2020 in Ziff. 1 angeordnete Massnahme nicht selber ausführt. Nach wie vor steht es dem Anfechtenden frei, den Anordnungen in Ziff. 1 des Beschlusses vom 23. Juni 2020 nachzukommen und damit eine Ersatzvornahme abzuwenden. Der Hinweis auf die Kostenschätzung mag auch dem Anfechtenden als Information und Entscheidungshilfe dienen, ob er sich dem angeordneten Rückbau selber beugen soll oder ob er es auf eine Zwangsvollstreckung ankommen lassen will. Daher stellt es keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn dem Anfechtenden die Kostenschätzung des beauftragten Unternehmens vorgängig nicht zugestellt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn ihm die Kostenschätzung auch mit dem Entscheid vom 23. Juni 2020 nicht zugestellt worden sein sollte, obwohl sie dort explizit als Beilage aufgeführt war und der schon dort anwaltlich vertretene Anfechtende bei der Vollstreckungsinstanz die fehlende Beilage im Rahmen der Sorgfaltspflicht umgehend zu monieren gehabt hätte, was aber offensichtlich nicht stattfand. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens konnte der Anfechtende überdies Einsicht in sämtliche von der Vollstreckungsinstanz eingereichten Akten nehmen und sich dazu äussern, so dass eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs – die aber tatsächlich gar nicht vorliegt – ohnehin als geheilt zu betrachten wäre.
3.
3.1 Der Anfechtende wendet weiter ein, dass mit dem Baugesuch Nr. VVV der Erzeugergemeinschaft Y, mit welchem um die nachträgliche Baubewilligung der vom Beschwerdeführer auf seiner Liegenschaft ohne Bewilligung erstellten Halle nachgesucht wurde, die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass dafür doch noch eine Baubewilligung erteilt werden könne. Die Vollstreckung des angeordneten Rückbaus sei daher unverhältnismässig, solange nicht rechtskräftig über dieses Baugesuch entschieden worden sei.
3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich auch ein Bauherr, der sich nicht im guten Glauben befindet, gegenüber einem Abbruchbefehl auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz berufen. Er muss es aber in Kauf nehmen, dass die Behörde aus grundsätzlichen Erwägungen, nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beilegen und die dem Bauherrn allenfalls erwachsenden Nachteile nicht oder nur im verringerten Masse berücksichtigt (TVR 2003 Nr. 46 E. 2.4). Die Vollstreckung eines Abbruchbefehls kann jedoch mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in Konflikt kommen, wenn für ein eingereichtes Baugesuch ernsthafte Aussichten bestehen, dass hierfür die Bewilligung erteilt wird (BGE 108 Ia 2016 E. 4c, TVR 2003 Nr. 46). Zu prüfen ist daher, ob das Baugesuch Nr. VVV der Erzeugergemeinschaft Y ernsthafte Aussichten auf Bewilligung hat.
3.3
3.3.1 Die Vollstreckungsinstanz war in ihrem Entscheid vom 23. Juni 2020 zur Auffassung gelangt, dass dem Baugesuch Nr. VVV keine ernsthafte Aussicht auf Erfolg beschieden werden könne. Zur Begründung führte sie aus, bereits das Baugesuch des Beschwerdeführers für die Trocknung von Holzschnitzeln sei vom ARE abgelehnt worden, weil die Baute keinen landwirtschaftlichen Zweck erfülle und die landwirtschaftsfremde, gewerblich genutzte Halle in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform sei und auch keinem Landwirtschaftsbetrieb diene. Die gleichen Überlegungen würden auch für das Gesuch der Erzeugergemeinschaft Y gelten. Es sei auf die diesbezüglichen Ausführungen im ablehnenden Entscheid des ARE vom 9. März 2020 zu verweisen. Auch wenn die Halle durch auswärtige Landwirte genutzt werde, ändere sich nichts daran, dass die Halle nicht zonenkonform sei. Auch für Hanftrocknung und -lagerung sei keine Standortgebundenheit gegeben.
3.3.2 Dem hält der Anfechtende entgegen, aus dem Betriebskonzept der Erzeugergemeinschaft Y gehe eine Zusammenarbeit von verschiedenen Landwirten aus den Kantonen Thurgau, St. Gallen, Zürich und Schaffhausen für den gemeinsamen Anbau von ca. 30 ha legalem Hanf hervor. Das ARE gehe fälschlicherweise davon aus, es sei unklar, wer hinter der Erzeugergemeinschaft Y stehe. Aus dem Rekurs vom 28. April 2020 gegen den ablehnenden Baubewilligungsentscheid sei erkennbar, wer die Mitglieder der Erzeugergemeinschaft Y seien. Der Neubau der Halle sei für die Hanftrocknung und -lagerung in der Landwirtschaftszone standortgebunden und zonenkonform. Auch die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung seien erfüllt. Der Standort der strittigen Halle befinde sich direkt neben dem Pachtland von zwei Mitgliedern der Erzeugergemeinschaft Y. Damit sei dieser Standort sachgerecht gewählt worden. Bei objektiver Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Gründe und aus Gründen der Bodenbeschaffenheit auf dem vorgesehenen Standort sei daher die Halle auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen. Das ARE habe auch keine entgegenstehenden, überwiegenden Interessen geprüft. Soweit sich dieses Amt auf den Standpunkt stelle, die Erzeugergemeinschaft Y hätte nachweisen müssen, dass sie auf den gewählten Standort angewiesen sei, wäre es am ARE gelegen, die Erzeugergemeinschaft Y zur Präzisierung ihres Bauvorhabens bzw. zur Vervollständigung aufzufordern. Bisher sei kein anderer geeigneter Standort gefunden worden.
3.4 Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden (Art. 22 Abs. 1 RPG). Voraussetzung einer Bewilligung ist, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen und das Land erschlossen ist (Art. 22 Abs. 2 RPG). Die Liegenschaft Nr. ZZ befindet sich in der Landwirtschaftszone. Landwirtschaftszonen dienen der langfristigen Sicherung der Ernährungsbasis des Landes, der Erhaltung der Landschaft und des Erholungsraums oder dem ökologischen Ausgleich und sollen entsprechend ihren verschiedenen Funktionen von Überbauung weitgehend freigehalten werden (Art. 16 Abs. 1 RPG). Zonenkonform sind in der Landwirtschaftszone Bauten und Anlagen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig sind (Art. 16a Abs. 1 RPG). In der Landwirtschaftszone sind unter anderem Bauten und Anlagen zonenkonform, die der Aufbereitung, der Lagerung oder dem Verkauf landwirtschaftlicher oder gartenbaulicher Produkte dienen, wenn die Produkte in der Region und zu mehr als der Hälfte auf dem Standortbetrieb oder auf den in einer Produktionsgemeinschaft zusammengeschlossenen Betrieben erzeugt werden, die Aufbereitung, die Lagerung oder der Verkauf nicht industriell gewerblicher Art ist und der landwirtschaftliche oder gartenbauliche Charakter des Standortbetriebs gewahrt bleibt (Art. 34 Abs. 2 RPV). Die Bewilligung darf aber nur erteilt werden, wenn die Baute oder Anlage für die in Frage stehende Bewirtschaftung nötig ist und der Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 34 Abs. 4 lit. a und b RPV).
3.5
3.5.1 Das Raumplanungsgesetz und die Raumplanungsverordnung gehen für die Regelung der Zonenkonformität von Bauten und Anlagen grundsätzlich von einem einzelbetrieblichen Ansatz aus. Mit anderen Worten braucht es für die Bejahung der Zonenkonformität eine innere Beziehungsnähe zwischen der geplanten landwirtschaftlichen Baute und dem Betrieb des Landwirts. Von diesem einzelbetrieblichen Ansatz weicht die Raumplanungsverordnung nur in zwei Spezialfällen ab (Waldmann/Hänni, Raumplanungsgesetz, Bern 2006, Art. 16 N. 34). Ein solcher Spezialfall ist in Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV geregelt. Nach dieser Bestimmung gelten Bauten und Anlagen, die der Aufbereitung, der Lagerung oder dem Verkauf landwirtschaftlicher oder gartenbaulicher Produkte dienen, als zonenkonform, u.a. wenn die Produkte auf den in der Produktionsgemeinschaft zusammengeschlossenen Betrieben erzeugt werden. Die Produktionsgemeinschaft muss zwar nicht in einer vom Landwirtschaftsrecht anerkannten Zusammenarbeitsform bestehen; sie muss aber zum Zwecke der Aufbereitung, Lagerung oder des Verkaufs der von ihr erzeugten Produkte gebildet worden seien. Werden indes Teile eines landwirtschaftlichen Gewerbes an einen Dritten verpachtet, kann sich letzterer für die Erstellung eines Raumes für die Lagerung, Aufbereitung und Verarbeitung der auf dem gepachteten Grundstück produzierten Güter nicht auf Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV berufen, denn in diesem Fall liegt keine Produktionsgemeinschaft vor, sondern es bestehen zwei rechtlich selbstständige Betriebe (vgl. zum Ganzen Waldmann/Hänni, a.a.O., Art. 16 N. 35 mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 1A_226/2003 vom 27. Mai 2004 E. 2.2.1).
3.5.2 Das ARE wies in seinem Entscheid vom 9. März 2020 zu Recht darauf hin, dass der Anfechtende keinen Landwirtschaftsbetrieb führt. Der Anfechtende ist auch nicht Mitglied der Erzeugergemeinschaft Y. Für die Nutzung der Halle besteht weder mit der Erzeugergemeinschaft Y noch wenigstens mit einem ihrer Mitglieder ein Miet- oder Pachtverhältnis, jedenfalls wird solches vom Anfechtenden weder behauptet, noch weist er ein entsprechendes Rechtsverhältnis nach. Damit hat keines der Mitglieder der Erzeugergemeinschaft Y rechtliche Verfügungsmacht über die zu bewilligende Halle. Sie kann somit auch nicht als zu einem Landwirtschaftsbetrieb eines der Mitglieder der Erzeugergemeinschaft gehörend betrachtet werden. Die Halle kann folglich auch nicht zu einer Produktionsgemeinschaft, wie dies Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV fordert, dazugerechnet werden. Es würde der für die Landwirtschaftszonen massgebenden raumplanungsrechtlichen Einzelbetriebsbetrachtung denn auch diametral widersprechen, wenn Eigentümer von Liegenschaften in der Landwirtschaftszone, die nicht selber einen Landwirtschaftsbetrieb führen, dennoch unter dem Titel von Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV Bauten und Anlagen erstellen könnten, ohne selber Mitglied einer Produktionsgemeinschaft zu sein oder die Baute wenigsten an ein Mitglied einer Produktionsgemeinschaft im Sinne dieser Bestimmung längerfristig zu vermieten oder zu verpachten. Dem Rechtsmissbrauch würde ansonsten Tür und Tor geöffnet. Die zu bewilligende Halle dient daher nicht im Sinne von Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV der Aufbereitung, der Lagerung oder dem Verkauf landwirtschaftlicher oder gartenbaulicher Produkte, die in der Region und zu mehr als der Hälfte auf dem Standortbetrieb oder auf den in einer Produktionsgemeinschaft zusammengeschlossenen Betrieben erzeugt werden. Ergänzend kann in diesem Zusammenhang auch auf Art. 34 Abs. 4 lit. c RPV hingewiesen werden, wonach Bewilligungen für Bauten und Anlagen nur erteilt werden dürfen, wenn der landwirtschaftliche Betrieb voraussichtlich länger existenzfähig ist. Diese Bestimmung impliziert, dass Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone nur im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zonenkonform erstellt werden dürfen. Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV durchbricht dieses Prinzip der raumplanungsrechtlichen Einzelbetriebsbetrachtung nur in der Weise, als dass der Betrieb, dem eine Baute oder Anlage zuzurechnen ist, auch zu einer Produktionsgemeinschaft gehören darf und die Produkte nicht ausschliesslich auf einem Hof erzeugt werden müssen. Die rechtliche Zuordnung einer Baute oder Anlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb muss aber immer gegeben sein und fehlt vorliegend vollständig, nachdem die Halle auf dem Land des Anfechtenden rechtlich in keiner Weise irgendeinem Landwirtschaftsbetrieb zuzurechnen ist. Eine Baubewilligung in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV kann daher nicht erteilt werden.
3.6
3.6.1 Das Bundesgericht hat in BGE 129 II 413 E. 3 (= Pra 93/2004 Nr. 128) im Zusammenhang mit Art. 34 Abs. 2 lit. a und b RPV mit Bezug auf einen Weinbaubetrieb ausgeführt, das Privileg, innerhalb der Landwirtschaftszone pressen, Wein herstellen, anbauen, abfüllen und lagern zu können, verliere seinen Sinn, wenn der grösste Teil der Ernte aus zerstreuten oder vom Betriebszentrum entfernt gelegenen Regionen stamme. In diesem Fall überwiege der industrielle Charakter. In der Beurteilung vom 9. März 2020 führte das ARE in diesem Zusammenhang aus, der Anteil an überregional zugeführten Produkten dürfe dabei 50% nicht erreichen respektive mindestens die Hälfte der Produkte müsse vom Betrieb des Gesuchstellers oder der regional zusammengeschlossenen Produktionsgemeinschaft stammen.
3.6.2 Gemäss dem Betriebskonzept vom August 2019 versteht sich die Erzeugergemeinschaft Y als Zusammenarbeit von Landwirten aus den Kantonen, Thurgau, St.Gallen, Zürich und Schaffhausen. Bereits mit dieser Umschreibung wird offensichtlich, dass die Erzeugergemeinschaft Y die vom Bundesgericht gestellte Anforderung, wonach der überwiegende Teil der Ernte nicht aus vom Betriebszentrum entfernt gelegenen Regionen stammen darf, kaum einhalten kann. Hanf aus den Kantonen St.Gallen, Zürich und Schaffhausen stammt von entfernt gelegenen Regionen. Ohnehin bleibt die Erzeugergemeinschaft Y bzw. im vorliegenden Verfahren der Anfechtende den Nachweis schuldig, in welchem Umfang künftig die Hanfpflanzen von welchem Betrieb geliefert werden sollen. Dabei ist es entgegen der Auffassung des Anfechtenden nicht Sache des ARE, im Zweifelsfall nach entsprechenden Angaben zu forschen. Das ARE hat in seinem Entscheid vom 9. März 2020 darauf hingewiesen, dass der Nachweis, mindestens die Hälfte der Produkte müsse vom Betrieb des Gesuchstellers oder der regional zusammengeschlossenen Produktionsgemeinschaft stammen, zu erbringen sei. Diesbezüglich trifft den Anfechtenden bzw. würde die Erzeugergemeinschaft Y eine Mitwirkungspflicht treffen, denn nur sie ist in der Lage, die entsprechenden Unterlangen einzureichen. Spätestens im Rekursverfahren hätte die Erzeugergemeinschaft Y daher die entsprechenden Zahlen darlegen müssen. Im vorliegenden Verfahren wäre es Sache des Anfechtenden gewesen, die entsprechenden Unterlagen für den Nachweis, dass die Produkte in der Region und zu mehr als der Hälfte auf dem Standortbetrieb oder auf den in einer Produktionsgemeinschaft zusammengeschlossenen Betrieben erzeugt werden, zu erbringen, so dass eine Bewilligung in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 lit. a RPV erteilt werden könnte. Dieser Nachweis fehlt ebenfalls.
3.7 und 3.8 (…)
3.9 Zusammengefasst ergibt sich somit, dass das Baugesuch Nr. VVV keine ernsthafte Aussicht auf Bewilligung hat. Die Vollstreckungsinstanz hat daher nicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip verstossen, indem sie den Vollstreckungsentscheid am 23. Juni 2020 erliess, bevor rechtskräftig über das Baugesuch Nr. VVV entschieden worden ist.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.94/E vom 28. Oktober 2020