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TVR 2021 Nr. 14

Zonenkonformität von zwei Beschattungsanlagen für eine Gartenwirtschaft; Bestandesgarantie; Ortsbildschutz und Interessenabwägung; Wiederherstellungsbefehl; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und Kosten- und Entschädigungsfolge


Art. 26 BV, Art. 29 BV, § 94 PBG, Art. 22 RPG, § 13 VRG


1. Die beiden ohne Baubewilligung erstellten Überdachungen einer Gartenwirtschaft widersprechen im vorliegenden Fall dem Sinn und Zweck der kommunalen Erholungs- und Grünzone (obwohl Teil des Baugebiets), weshalb die Zonenkonformität zu verneinen ist. Die Bauherrschaft kann sich auch nicht auf die Bestandesgarantie berufen, da die Überdachungen hinsichtlich der Nutzung der Gartenwirtschaft eine wesentliche Verstärkung der Rechtswidrigkeit darstellen würden und die Schutzobjekte in der Umgebung zusätzlich beeinträchtigt würden. Eine Interessenabwägung ergibt, dass angesichts der sich in der Umgebung befindlichen Schutzobjekte das öffentliche Interesse am Ortsbildschutz das private Interesse an der Beibehaltung der Beschattungsanlagen überwiegt (E. 4 und 5). Der Wiederherstellungsbefehl hinsichtlich einer der beiden streitbetroffenen Überdachungen ("Struktur 2") erweist sich im vorliegenden Fall als recht- und verhältnismässig (E. 6).

2. Auch wenn eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in einem Rechtsmittelverfahren geheilt werden kann, ist diesem Umstand bei der Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen angemessen Rechnung zu tragen (E. 3.3).


Die A AG ist Eigentümerin der Liegenschaft Nr. X in der Politischen Gemeinde B. Die Parzelle befindet sich teilweise in der Zentrumszone und teilweise in der Erholungs- und Grünzone; zudem wird sie von der Zone archäologische Funde, der Umgebungsschutzzone und der Ortsbildschutzzone 2 überlagert. Auf der Liegenschaft befindet sich das Hotel und Restaurant "H". Im April 2017 stellte die Politische Gemeinde B fest, dass auf der Liegenschaft ohne Baubewilligung eine Beschattungsanlage ("Struktur 1") für das bestehende Gartenrestaurant sowie eine weitere Beschattungsanlage inklusive einer Gartenbar ("Struktur 2") erstellt worden waren. Daraufhin forderte die die Politische Gemeinde B die A AG auf, ein entsprechendes Baugesuch nachzureichen. Mit Entscheid der Politische Gemeinde B vom 20. November 2017 wurde die Struktur 1 nachträglich bewilligt; eine nachträgliche Baubewilligung für die Struktur 2 wurde verweigert und die A AG aufgefordert, diese "innert Monatsfrist nach Inkrafttreten der Bauverfügung" zurückzubauen. Die Einsprache des Vereins V wurde abgewiesen. Ein von der A AG erhobener Rekurs wurde vom DBU abgewiesen. Den vom Verein V erhobenen Rekurs hiess das DBU hingegen gut, wobei die nachträgliche Bewilligung der Struktur 1 und die Abweisung der Einsprache des Vereins V aufgehoben wurden. Die Verweigerung der nachträglichen Baubewilligung für die Struktur 2 wurde bestätigt, ebenso die Recht- und Verhältnismässigkeit des gleichzeitig ergangenen Wiederherstellungsbefehls bezüglich der Struktur 2. Mit Bezug auf die Struktur 1 wurde die Politische Gemeinde B angewiesen, in einem nächsten Schritt auch die Verhältnismässigkeit der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes zu prüfen.
Eine dagegen von der A AG erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht in dem Sinne teilweise gut, als die Politische Gemeinde B (infolge einer im Rekursverfahren geheilten Verletzung des rechtlichen Gehörs) verpflichtet wird, die A AG für das Rekursverfahren mit Fr. 500.-- ausseramtlich zu entschädigen. Im Übrigen, das heisst im Hauptpunkt, wird die Beschwerde abgewiesen.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 In formeller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin eine mehrfache Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

3.2 (…)

3.3 In E. 3b des angefochtenen Rekursentscheids vom 27. Februar 2020 stellt die Vorinstanz zutreffend fest, dass die verfahrensbeteiligte Gemeinde insbesondere der Beschwerdeführerin während des Einspracheverfahrens weder die Stellungnahme der Ortsbildkommission noch diejenige des kantonalen Amtes für Denkmalpflege habe zukommen lassen. In der Folge hätten die betroffenen Beteiligten auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Damit sei das rechtliche Gehör derselben verletzt worden. Nachdem die Vor­instanz gemäss § 47 Abs. 1 VRG den Sachverhalt und die Rechtslage frei überprüfen könne und die Rekurrenten im Rekursverfahren Gelegenheit erhalten hätten, die vollständigen Akten einzusehen und dazu Stellung zu nehmen, sei die Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt zu betrachten (E. 3b des angefochtenen Rekursentscheids). Dieser zutreffenderweise festgestellten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör insbesondere der Beschwerdeführerin durch die verfahrensbeteiligte Gemeinde wurde im Rahmen der Festlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen durch die Vorinstanz nicht Rechnung getragen. Gemäss Urteil des Bundesgerichts 1C_254/2017 vom 5. Januar 2018 E. 3 ist dem Umstand, dass ein Beschwerdeführer nur deshalb unterlag, weil ein Verfahrensfehler von der Rechtsmittelinstanz geheilt worden sei, bei der Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen angemessen Rechnung zu tragen. Dies gelte, so das Bundesgericht, auch dann, wenn das anwendbare kantonale Verfahrensrecht keine entsprechende ausdrückliche Regelung enthalte (Urteil des Bundesgerichts 1C_254/2017 vom 5. Januar 20218 E. 3.2). Obwohl die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (hinsichtlich der ihr im Einspracheverfahren nicht zugestellten Unterlagen) im Rekursverfahren geheilt werden konnte, wäre dieser Umstand bei der Regelung der Parteientschädigungen zu berücksichtigen gewesen. Aufgrund der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung hätte der Beschwerdeführerin für das Rekursverfahren eine entsprechend reduzierte ausseramtliche Entschädigung zugestanden. Dies ist vorliegend zu korrigieren. Damit ist die Beschwerde in dem Sinne teilweise gutzuheissen, als die verfahrensbeteiligte Gemeinde (welcher die Verletzung des rechtlichen Gehörs vorzuwerfen ist) zu verpflichten ist, die Beschwerdeführerin für das Rekursverfahren mit Fr. 500.-- ausseramtlich zu entschädigen. (…)

3.4 (…)

4.
4.1 In materieller Hinsicht ist als erstes auf die baurechtliche Bewilligungsfähigkeit der Strukturen 1 und 2 auf der Liegenschaft Nr. X der Beschwerdeführerin einzugehen. (…)

4.2 Strittig und zu prüfen ist als erstes die Zonenkonformität der Strukturen 1 und 2. (…). Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, befinden sich die beiden Beschattungsanlagen gemäss dem rechtskräftigen Zonenplan der verfahrensbeteiligten Gemeinde in der Erholungs- und Grünzone. Gemäss Art. 15 Abs. 1 des Baureglements der verfahrensbeteiligten Gemeinde (nachfolgend "BauR") dient die Erholungs- und Grünzone der Erhaltung und Schaffung von Erholungs- und Freizeitanlagen sowie der Freihaltung von innerstädtischen und siedlungsgliedernden Grünflächen. Nach Art. 15 Abs. 2 BauR sind Anlagen zulässig, soweit sie dem Zweck der Zone entsprechen und sich mit ihrer Gestaltung sorgfältig in die Grünfläche einfügen. Sie dürfen nicht stören. Darunter fallen insbesondere Infrastrukturen wie Fusswege, Ruhebereiche und zwingend erforderliche Erschliessungsanlagen für das betroffene und angrenzende Gebiet, sofern diese dem Nutzungszweck entsprechend gestaltet sind. Bauten sind gemäss Art. 15 Abs. 3 BauR nur zulässig, wenn sie für den Betrieb der Anlagen unumgänglich sind.

4.3 Die Vorinstanz stellte in E. 7b des angefochtenen Rekursentscheids vom 27. Februar 2020 fest, dass es sich bei den strittigen Strukturen 1 und 2 weder um Infrastruktur- noch um Erschliessungsanlagen im Sinne von Art. 15 BauR handle. Die beiden Strukturen fügten sich auch nicht sorgfältig in die Grünfläche ein. Diese Einschätzung erweist sich als zutreffend. Wie sowohl die Vorinstanz anlässlich der von ihr durchgeführten Augenscheine vom 7. Juni 2018 und vom 15. Januar 2019 als auch die Delegation des Verwaltungsgerichts anlässlich des Augenscheins vom 21. Oktober 2020 feststellen konnten, treten die Strukturen 1 und 2 als markante und dominante Konstruktionen in Erscheinung. Eine sorgfältige Einpassung der Anlagen (Strukturen 1 und 2) in den betreffenden Grünbereich, wie dies von Art. 15 Abs. 2 BauR verlangt wird, liegt nicht vor. Die Zonenkonformität der beiden Anlagen ist auch mit Bezug auf ihre Nutzung zu verneinen. Nicht zu überzeugen vermag die Beschwerdeführerin mit ihrem Argument, dass dem Aufenthalt des Publikums in einer Gartenwirtschaft nicht nur Freizeit-, sondern insbesondere auch Erholungscharakter zukomme. Mit dieser Argumentation könnte, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, jede Baute oder Anlage, welche in irgendeiner Art und Weise der Freizeitbeschäftigung bzw. der Erholung dient, in einer solchen Zone als zonenkonform qualifiziert werden. Dies entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Erholungs- und Grünzone gemäss Art. 15 BauR. Die Vorinstanz gelangte zutreffend zum Ergebnis, dass die Strukturen 1 und 2 in der Erholungs- und Grünzone nicht zonenkonform sind. Entsprechend fällt die nachträgliche Erteilung einer ordentlichen Baubewilligung ausser Betracht (vgl. Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG).

4.4 (Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 92 PBG ebenfalls nicht erfüllt sind)

4.5 Die Beschwerdeführerin beruft sich weiter auf die Bestandesgarantie gemäss Art. 26 Abs. 1 BV und § 94 PBG. Wie bereits die verfahrensbeteiligte Gemeinde ausgeführt hat, handelt es sich beim Gartenrestaurant um einen festen Bestandteil des im Jahre ZZ erstellten, traditionsreichen Hotels "H". Es ist anzunehmen, dass seit Inbetriebnahme des Gasthauses südlich davon eine Gartenwirtschaft angegliedert war. Die Gartenwirtschaft an sich ist damit gemäss Art. 26 Abs. 1 BV und § 94 PBG in ihrem Bestand geschützt. Zu prüfen ist, inwiefern sich die Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der beiden Strukturen 1 und 2 auf die Bestandesgarantie zu stützen vermag.

4.5.1 Nach § 94 Abs. 1 PBG können bestehende, rechtmässig erstellte Bauten und Anlagen in Bauzonen, die den geltenden Vorschriften oder Plänen nicht entsprechen, zeitgemäss erneuert, umgebaut, erweitert oder in ihrem Zweck geändert werden, soweit dadurch der Widerspruch zum geltenden Recht nicht wesentlich verstärkt wird. Gemäss Rechtsprechung kann eine zulässige Änderung einer rechtswidrigen Baute sowohl in der Vergrösserung oder inneren Umgestaltung als auch in einer Zweckänderung bestehen. Sie ist als teilweise zu betrachten, soweit hinsichtlich Umfang, äusserer Erscheinung sowie Zweckbestimmung die Wesensgleichheit der Baute gewahrt wird und keine wesentlichen neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, Erschliessung und Umwelt geschaffen werden. Die Änderung darf nur untergeordneter Natur sein. Entscheidend sind nicht einzelne Merkmale, sondern alle raumwirksamen Elemente im Zusammenwirken (vgl. BGE 132 II 21 zur Bestandesgarantie für rechtswidrige Bauten ausserhalb der Bauzone, wobei die Überlegungen, die Lehre und Praxis zur Bestandesgarantie auf Bundesebene gemacht haben, grundsätzlich auch für die kantonale Praxis übernommen werden können, da es sich beim Begriff der Bestandesgarantie um einen im Baurecht allgemein geltenden Grundsatz handelt).

4.5.2 Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus, dass mit den beiden massiven Beschattungsanlagen nicht nur eine längere, sondern auch eine intensivere Nutzung des Gartenrestaurants ermöglicht werde. Zudem werde das bestehende schützenswerte Ortsbild durch die Anlagen mehr beeinträchtigt, als dies mit dem bestehenden Gartenrestaurant bereits der Fall sei. Damit liege eine Verstärkung der Rechtswidrigkeit vor. Weiter führte die Vor­instanz aus, Zonen- und Gestaltungsvorschriften bezweckten einerseits den Schutz der Interessen der Allgemeinheit, andererseits auch den Schutz des Ortsbildes, inklusive der Kulturdenkmäler, und die Einhaltung der Bauordnung auf dem Gemeindegebiet. Diese Schutzzwecke würden vorliegend in allen Bereichen deutlich verletzt. Zum einen seien das öffentliche Interesse am Schutz der Rechtsgleichheit sowie der baurechtlichen Ordnung massiv betroffen. Zum andern wäre auch das Ortsbild, welchem nicht nur die verfahrensbeteiligte Gemeinde, sondern auch die Eidgenössischen Kommissionen (ENHK und EDK) äusserst grosse Bedeutung zumessen würden, schwerwiegend beeinträchtigt. Die bereits erstellten Anlagen müssten darum als erhebliche Verletzung der Schutzzwecke angesehen werden, was einer wesentlichen Verstärkung der Rechtswidrigkeit entspreche.

4.5.3 Auch diese Einschätzung der Vorinstanz erweist sich als zutreffend. Aufgrund des erheblich besseren Schutzes vor Witterungseinflüssen durch die Strukturen 1 und 2 wird eine deutlich bessere und vor allem längere Nutzung der Gartenwirtschaft des "H" ermöglicht. In gestalterischer Hinsicht stellen die massiv in Erscheinung tretenden Strukturen 1 und 2 (…) eine erhebliche Beeinträchtigung des schützenswerten Ortsbildes bzw. der Schutzobjekte in der näheren Umgebung der Liegenschaft Nr. X dar (zur diesbezüglichen Beurteilung vgl. auch nachfolgend E. 5), was ebenfalls eine wesentliche Verstärkung der Rechtswidrigkeit darstellt. Die Bewilligungsfähigkeit der Strukturen 1 und 2 unter dem Titel der Bestandesgarantie nach § 94 PBG bzw. Art. 26 Abs. 1 BV wurde von der Vorinstanz (…) zu Recht verneint.

5.
5.1 Die Vorinstanz prüfte die Bewilligungsfähigkeit der Strukturen 1 und 2 auch unter dem Gesichtspunkt der Einordnung bzw. des Ortsbildschutzes.

5.2 Nach § 78 PBG dürfen Bauten und Anlagen das Landschafts-, Orts-, Quartier- oder Strassenbild nicht beeinträchtigen. Sie haben sich so in ihre Umgebung einzugliedern, dass sie die Gesamtwirkung nicht stören. Mit Art. 44 BauR hat die verfahrensbeteiligte Gemeinde auf kommunaler Ebene ebenfalls ein Einordnungsgebot erlassen. Gemäss Art. 44 Abs. 1 BauR haben sich Bauten und Anlagen gut ins Orts- und Landschaftsbild einzufügen. Zu beachten ist weiter, dass sich die streitbetroffenen Strukturen 1 und 2 in einem von der "Umgebungsschutzzone" überlagerten Bereich befinden. Gemäss Art. 25 BauR dient die Umgebungsschutzzone der Erhaltung des charakteristischen Umfeldes der Altstadt. Anzustreben ist ein harmonischer Übergang von der Altstadt zur angrenzenden Bebauung und den Freiräumen. Die Bestimmungen der Ortsbildschutzzone 1 gelten sinngemäss (Art. 25 BauR). Nach Art. 24 Abs. 1 BauR umfassen die Ortsbildschutzzonen Gebiete, welche aufgrund ihrer Siedlungsstruktur ein klar ablesbares, als Lebensraum zu erhaltendes Ensemble bilden. Ihre Schutzwürdigkeit leitet sich aus der kulturgeschichtlichen, volkskundlichen und handwerklichen Bedeutung ab. Diese wird im Einzelfall aufgrund der formalen, typologischen und handwerklichen Qualitäten sowie der historischen Bedeutung beurteilt. Nach Art. 24 Abs. 2 BauR ist in der Ortsbildschutzzone 1 das Erscheinungsbild aufgrund der Gebäudestellung und der kubischen Gestaltung zu wahren. Die Ablehnung einer Baubewilligung aus Gründen des Ortsbildschutzes setzt einen Gegensatz zum Bestehenden voraus, der so erheblich stört, dass sich ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Bauherrn rechtfertigt. Die Beeinträchtigung ist stets an der Qualität des zu schützendes Orts- bzw. Quartierbildes zu messen. Je höher der Schutzwert einzustufen ist, desto grösser wird die Empfindlichkeit gegenüber Einwirkungen. Der so ermittelte "Schutzwert" ist sodann gegen das Nutzungsinteresse des Grundeigentümers abzuwägen. Massstab bildet damit immer der bestehende bauliche Zustand (vgl. TVR 2009 Nr. 6 E. 3.1).

5.3 Die verfahrensbeteiligte Gemeinde ist im ISOS als Kleinstadt/Flecken aufgenommen (vgl. Anhang der Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz [VISOS, SR 451.12]; zur Berücksichtigung des ISOS bei der Erfüllung kantonaler und kommunaler Aufgaben vgl. BGE 135 II 209 [Entscheid "Rüti"] […]). Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Gasthaus "H" befindet sich in der Baugruppe 0.2, welche mit dem Erhaltungsziel A versehen ist. Gemäss den Erläuterungen zum ISOS bedeutet dies Folgendes: "Erhalten der Substanz. Alle Bauten, Anlageteile und Freiräume integral erhalten, störende Eingriffe beseitigen". Im kantonalen Richtplan ist die Stadt B im Anhang A3 (Ortsbildschutzgebiete) mit verschiedenen Gebieten als besonders wertvoll enthalten. Die Liegenschaft Nr. X der Beschwerdeführerin befindet sich, wie erwähnt, in der Erholungs- und Grünzone, welche überlagert ist mit der Zone archäologische Funde und der Umgebungsschutzzone. Vom See und der Uferpromenade her gesehen steht das "H" im Sichtfeld der Kirche C bzw. der Kapelle D und des Gebäudes E. Diese Bauten geniessen einen hohen Schutzwert und sind von historischem Interesse. Gemäss Art. 25 BauR dient die Umgebungsschutzzone der Erhaltung des charakteristischen Umfeldes der Altstadt. Anzustreben ist gemäss dieser Bestimmung ein harmonischer Übergang von der Altstadt zur angrenzenden Bebauung und den Freiräumen.

5.4
5.4.1 (Stellungnahme des Amtes für Denkmalpflege, wonach die beiden streitbetroffenen Strukturen 1 und 2 das Ortsbild mit mehreren historischen Gebäuden im Hintergrund in nicht hinnehmbarer Art störten)

5.4.2 Im ENHK/EKD-Gutachten vom 1. April 2019 gelangten die beiden eidgenössischen Kommissionen zum Ergebnis, dass beide Strukturen sämtlichen konkretisierten Schutzzielen widersprächen. Insbesondere würden die ortsbildrelevanten Ansichten und Sichtbezüge sowie die Umgebung des Denkmals Hotel "H" und der Kapelle D stark geschmälert. Die Strukturen würden auch den Empfehlungen in den Leitsätzen zur Denkmalpflege in der Schweiz widersprechen, wonach jede Massnahme, die den Charakter der gewachsenen Umgebung eines Denkmals beeinträchtige, seine Umgebung nachhaltig verändere oder seine Einsehbarkeit schmälere, unterlassen oder rückgängig gemacht werden müsse. Die beiden Strukturen würden trotz der zurückhaltenden Farbgebung als technische Konstruktionen fremd und dominant in Erscheinung treten.

5.4.3 Gemäss den Schlussfolgerungen der beiden eidgenössischen Kommissionen führen die Beschattungsanlagen zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des ISOS-Objekts Arbon und schmälern den Wert der Schutzobjekte und ihrer Umgebung. Die Kommissionen beantragten deshalb, dass beiden Strukturen die Bewilligung zu verweigern sei und die Eigentümerschaft zu deren vollständigem Rückbau verpflichtet werden müsse. Damit könnten auch die Empfehlungen des ISOS umgesetzt werden, wonach störende Eingriffe und Veränderungen in Baugruppen mit Erhaltungsziel "A" bzw. Umgebungszonen mit Erhaltungsziel "a" zu beseitigen seien (…).

5.5 Das ENHK/EKD-Gutachten vom 1. April 2019 und die Beurteilungen des Amtes für Denkmalpflege sind insgesamt nachvollziehbar und decken sich grundsätzlich mit den Wahrnehmungen des Verwaltungsgerichts anlässlich des Augenscheins vom 21. Oktober 2020. Im Hinblick auf die vorzunehmende Interessenabwägung (vgl. hierzu E. 5.2 vorstehend und TVR 2009 Nr. 6 E. 3.1) muss damit von einem erheblichen öffentlichen Interesse am Erhalt des Ortsbildes bzw. am Umgebungsschutz bezüglich der umliegenden Baudenkmäler sowie an der Vermeidung optischer Beeinträchtigungen derselben durch die streitbetroffenen Strukturen 1 und 2 ausgegangen werden.

5.6 Auf der anderen Seite ist das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der Strukturen 1 und 2 zu berücksichtigen. Dieses besteht in erster Linie darin, mit den Überdachungen die Nutzung des Aussenbereichs / der Gartenwirtschaft zu verbessern bzw. während der Saison zu verlängern. Diese privaten Interessen sind allerdings insofern zu relativieren, als die Beschattung auch mit anderen Mitteln (das heisst mit den bestehenden Bäumen, Sonnenschirmen) sichergestellt werden kann. Ein Anspruch auf einen umfassenden Witterungsschutz steht der Beschwerdeführerin nicht zu, zumal alle Gartenwirtschaften (das heisst auch diejenigen ohne festen, dauerhaften Witterungsschutz) insbesondere auch im Bereich des Bodensees mit einer plötzlich ändernden Wetterlage, mit Wind und/oder aufkommendem Unwetter rechnen müssen, wobei mit den heutigen Wettervorhersagen derartige meteorologische Vorkommnisse zu weiten Teilen antizipierbar sind. Das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der Strukturen 1 und 2 ist folglich entsprechend zu relativieren.

5.7 Gesamthaft ist das öffentliche Interesse am Erhalt des Ortsbild- bzw. Umgebungsschutzes höher zu gewichten als das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der Strukturen 1 und 2. Die Bewilligungsfähigkeit der beiden strittigen Strukturen muss folglich auch unter dem Gesichtspunkt des Ortsbildschutzes verneint werden.

5.8 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Vorinstanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass weder für die Struktur 1 noch für die Struktur 2 eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann. Dieses Ergebnis stellt auch keinen unzulässigen Eingriff in die Gemeindeautonomie der verfahrensbeteiligten Gemeinde dar, welche für die Struktur 1 eine nachträgliche Baubewilligung erteilt hat, zumal die Beurteilung des öffentlichen Interesses am Erhalt der intakten Umgebung unter dem Gesichtspunkt des Ortsbildschutzes auf objektivierbaren Faktoren basiert und die Beurteilungen der beigezogenen Fachstellen (ENHK/EKD und Amt für Denkmalpflege) nachvollziehbar und schlüssig sind. Die Beschwerde erweist sich in dieser Hinsicht als unbegründet.

6. Die Vorinstanz hielt im angefochtenen Rekursentscheid vom 27. Februar 2020 fest, dass der angeordnete Rückbau für die Struktur 2 verhältnismässig sei. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren macht die Beschwerdeführerin nicht (mehr) geltend, dass der Wiederherstellungsbefehl bezüglich der Struktur 2 rechtswidrig bzw. unverhältnismässig wäre. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die gestützt auf § 114 und § 115 PBG ergangene Anordnung zum Rückbau der Struktur 2 recht- und verhältnismässig ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Beschwerdeführerin bei der ohne Baubewilligung vorgenommenen Struktur 2 bösgläubig war, zumal ihr bewusst sein musste, dass die Erstellung einer entsprechenden Baute/Anlage in baurechtlicher Hinsicht bewilligungspflichtig ist. Die Beschwerdeführerin hat bestätigt, dass die Gartenbar im Bereich der Struktur 2 bereits beseitigt wurde. Inwiefern ein Interesse ihrerseits an der Beibehaltung dieser Überdachung besteht, ist fraglich. Als privates Interesse der Beschwerdeführerin dürften dabei die Beseitigungskosten im Vordergrund stehen. Diese dürften sich jedoch in vertretbarem Rahmen bewegen. Jedenfalls wird seitens der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht, der Rückbaubefehl würde für sie zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung führen. Insbesondere auch angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin bösgläubig war, erweist sich der Wiederherstellungsbefehl der Struktur 2 als verhältnismässig (vgl. hierzu auch BGE 136 II 359, Urteil des Bundesgerichts 1C_318/2019 vom 31. August 2020 E. 6.1 und TVR 2017 Nr. 16 E. 6.1).

7. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde in materieller Hinsicht unbegründet und - mit Ausnahme der teilweisen Gutheissung betreffend die ausseramtliche Entschädigung für das Rekursverfahren (E. 3.3 vorstehend) - vollumfänglich abzuweisen ist.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.35/E vom 3. März 2021

Das Bundesgericht hat eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 1C_325/2021 vom 25. Oktober 2021 abgewiesen.

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