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TVR 2021 Nr. 19

Entzugsdauer bei mehreren, zum Teil im Ausland begangenen Widerhandlungen gegen das SVG; retrospektive Konkurrenz


Art. 16 Abs. 3 SVG, Art. 16 c Abs. 2 lit. c SVG


Liegen mehrere - zum Teil im Ausland begangene - administrativrechtliche Führerausweisentzugsgründe vor, gelangt für die Bemessung der Gesamtentzugsdauer analog Art. 49 StGB das Asperationsprinzip zur Anwendung.


L verursachte am 2. September 2015 mit einem Lieferwagen durch unvorsichtiges Wechseln des Fahrstreifens eine Kollision. Er verliess die Unfallstelle und vereitelte dadurch die Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit. Mit Verfügung vom 5. April 2018 des Strassenverkehrsamtes des Kantons Thurgau wurde ihm deswegen für drei Monate der Führerausweis wegen einer schweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften entzogen. Ein hiergegen erhobener Rekurs wurde mit Entscheid vom 9. August 2018 rechtskräftig abgewiesen.
Am 27. Mai 2017 war L mit seinem Personenwagen auf der Überholspur über eine Distanz von ca. 700 m mit einem Abstand von ca. 10 bis maximal 15 m einem anderen Personenwagen hinterher gefahren, wodurch er den ausreichenden Sicherheitsabstand massiv unterschritt. In diesem Zusammenhang wurde gegen L ein Strafbefehl erlassen.
Am 15. März 2019 überschritt L mit seinem Personenwagen auf der Bundesauto­bahn 5 Karlsruhe-Basel die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 45 km/h.
Das Strassenverkehrsamt verfügte wegen der beiden Verstösse vom 27. Mai 2017 und vom 15. März 2019 einen Führerausweisentzug für 19 Monate. Die Rekurskommission für Strassenverkehrssachen reduzierte die Dauer des Führerausweisentzugs auf Rekurs hin auf 17 Monate. Die hiergegen beim Verwaltungsgericht erhobene Beschwerde weist dieses ab.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 (…) Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz bei der Bemessung der Führerausweisentzugsdauer korrekt vorgegangen ist.

2.2
2.2.1 Nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 1970 ausgeschlossen ist, wird der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen (Art. 16 Abs. 2 SVG). Nach einer Widerhandlung im Ausland wird der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen, wenn im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde und die Widerhandlung nach den Art. 16b und 16c als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist (Art. 16cbis Abs. 1 SVG).

2.2.2 (...)

2.2.3 (...) Der Beschwerdeführer fuhr auf der Autobahn A 1 in Suhr Richtung Bern auf der Überholspur über eine Distanz von ca. 700 m einem anderen Personenwagen mit einem Abstand von 10 bis maximal 15 m hinterher. Der Beschwerdeführer hat somit am 27. Mai 2017 durch eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen und damit eine schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c Abs. 1 SVG begangen, was er auch nicht mehr bestreitet.

2.2.4 Eine schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c Abs. 1 SVG liegt grundsätzlich auch vor, wenn auf Autobahnen die signalisierte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 35 km/h überschritten wird (BGE 132 II 234 E. 3.1; Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, Art. 16c N. 6). Der Beschwerdeführer fuhr am 13. März 2019 auf der Bundesautobahn 5 Karlsruhe-Basel mit einer Geschwindigkeit von 165 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Dem Beschwerdeführer wurde dafür eine Geldbusse von 160 Euro auferlegt und es wurde gegen ihn vom Regierungspräsidium Karlsruhe ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Es liegt also auch mit Bezug auf die Geschwindigkeitsübertretung vom 15. März 2019 eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG vor, mit welcher der Beschwerdeführer eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen hat. (…) Mit der Geschwindigkeitsübertretung am 13. März 2019 auf der Bundesautobahn 5 Karlsruhe-Basel mit einer Geschwindigkeit von 165 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h wurde der Tatbestand von Art. 16c Abs. 1 SVG ebenfalls erfüllt. Da in Deutschland gegen den Beschwerdeführer ein Führerausweisentzug verfügt wurde, ist die Tat auch in der Schweiz mit einem Führerausweisentzug zu sanktionieren.

2.3
2.3.1 Bei der Festsetzung der Dauer des Lernfahr- oder Führerausweisentzuges sind laut Art. 16 Abs. 3 SVG die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Die Mindestentzugsdauer darf jedoch nicht unterschritten werden, ausser wenn die Strafe nach Art. 100 Ziff. 4 3. Satz SVG gemildert wurde. Nach einer schweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens 12 Monate entzogen, wenn in den vorangegangenen fünf Jahren der Ausweis einmal wegen einer schweren Widerhandlung oder zweimal wegen mittelschweren Widerhandlungen entzogen worden war (Art. 16c Abs. 2 lit. c SVG). Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. Die Entzugsdauer darf bei Personen, zu denen im Informationssystem Verkehrszulassung keine Daten zu Administrativmassnahmen enthalten sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten (Art. 16cbis Abs. 2 SVG).

2.3.2 Wenn mehrere Widerhandlungen oder Massnahmen zusammentreffen, ergeben sich bei der Bemessung der Dauer des Entzugs des Führerausweises Besonderheiten (Rütsche, in: Niggli/Probst/Waldmann [Hrsg.], Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, Art. 16 N. 133). Liegen mehrere administrativrechtliche Führerausweisentzugsgründe vor, ist Art. 49 StGB (wie früher Art. 68a StGB) analog bzw. sinngemäss anwendbar (Weissenberger, a.a.O., Vorbemerkungen zu Art. 16 ff. SVG, N. 14; Rütsche, in: Niggli/Probst/Waldmann [Hrsg.], a.a.O., Art. 16 N. 134). Art. 49 Abs. 1 und 2 StGB, die hier von Interesse sind, lauten wie folgt: "Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer anderen Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären."

2.3.3 Vorliegend ist der Führerausweisentzug für die Widerhandlungen des Beschwerdeführers vom 27. Mai 2017 und vom 15. März 2019 zu beurteilen. Das Gericht hat somit mehrere Handlungen des Beschwerdeführers zu beurteilen, für welche in analoger Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB ein Führerausweisentzug festzulegen ist. Zudem hat das Gericht im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB auch eine Tat zu beurteilen (Widerhandlung vom 27. Mai 2017), die der Beschwerdeführer begangen hat, bevor er wegen der Widerhandlung vom 2. September 2015 am 5. April 2018 (Verfügung des Strassenverkehrsamtes) bzw. 9. August 2018 (Entscheid der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen) beurteilt wurde.

2.4
2.4.1 Die Vorinstanz ging davon aus, dass vorliegend ein Fall der sogenannten teilweisen retrospektiven Konkurrenz gegeben ist. Die Vorinstanz ermittelte die festzulegende Entzugsdauer in der Weise, dass sie von der schwereren der beiden zu beurteilenden Widerhandlungen ausging, nämlich der Geschwindigkeitsübertretung in Deutschland vom 15. März 2019, und hierfür die Mindestentzugsdauer von 12 Monaten festlegte. Sodann führte die Vorinstanz aus, diese Dauer sei im Hinblick auf die Widerhandlung vom 27. Mai 2017 in analoger Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB um die Hälfte, also 6 Monate, zu erhöhen. Somit ergebe sich für beide Widerhandlungen eine Entzugsdauer von 18 Monaten. Danach reduzierte die Vorinstanz die Entzugsdauer um einen Monat, weil der Beschwerdeführer beruflich auf den Führerausweis in Deutschland angewiesen und dort ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet worden sei. Unter Berücksichtigung des automobilistischen Leumunds des Beschwerdeführers und aller weiteren Umstände gelangte die Vorinstanz schliesslich zu einer festzusetzenden Entzugsdauer von 17 Monaten.

2.4.2 Auch der Beschwerdeführer ging in seinen Ausführungen im Grundsatz von dieser Systematik zur Festlegung der Entzugsdauer aus. Zunächst sei die Massnahme für die zeitlich letzte Widerhandlung festzusetzen. Hernach sei eine Zusatzmassnahme für die zeitlich erste Widerhandlung gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB analog festzusetzen. Schliesslich sei eine Gesamtmassnahme aus Einsatz- und Erhöhungsmassnahme gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB analog zu bilden. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren gelangte der Beschwerdeführer zum Ergebnis, es sei eine Entzugsdauer von höchstens 13 Monaten anzuordnen.

2.4.3 Das Bundesgericht hat in BGE 145 IV 1 seine bisherige Rechtsprechung zu Art. 49 StGB präzisiert. In den Regesten zu diesem Entscheid hielt das Bundesgericht fest, was folgt:

"Hat das Gericht mehrere Taten zu beurteilen, wovon mindestens eine Tat vor der Verurteilung wegen anderer Taten begangen wurde (teilweise retrospektive Konkurrenz), ist für die neuen Taten - d.h. diejenigen, welche nach Rechtskraft der ersten Verurteilung begangen wurden - eine unabhängige Strafe festzulegen. Deshalb ist zwischen Taten, die vor, und solchen, die nach dem Ersturteil begangen wurden, zu unterscheiden. Das Gericht beurteilt zunächst, ob bezüglich der Taten, welche vor dem Ersturteil begangen wurden, mit Blick auf die ins Auge gefasste Strafart, die Anwendung von Art. 49 Abs. 2 StGB in Betracht fällt. Anschliessend legt es für die nach der ersten Verurteilung begangenen Taten eine unabhängige Strafe fest, gegebenenfalls in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB. Schliesslich addiert das Gericht die für die vor dem Ersturteil begangenen Straftaten festgelegte Zusatzstrafe oder zu kumulierende Strafe zu derjenigen für die neuen Taten hinzu".

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist daher - entgegen dem Vorgehen der Vorinstanz - die Dauer des Führerausweisentzugs wie folgt zu ermitteln: Zunächst ist in Anwendung von Art. 49 Abs. 2 StGB für die noch nicht beurteilte Abstandsverletzung vom 27. Mai 2017 eine zusätzliche Entzugsdauer zur am 5. April 2018 verfügten Entzugsdauer von drei Monaten für die Widerhandlung vom 2. September 2015 (unvorsichtiges Wechseln des Fahrstreifens) festzulegen. Danach ist unter gesonderter Betrachtung die Dauer des Fahrzeugausweisentzugs für die Geschwindigkeitsübertretung vom 15. März 2019 zu bemessen. Schliesslich werden diese beiden Führerausweisentzugsdauern zusammengezählt. Dies ergibt dann die Gesamtdauer des Führerausweisentzugs, welche zusätzlich zum bereits rechtskräftig festgelegten Entzug des Führerausweises für das unvorsichtige Wechseln des Fahrstreifens zu verfügen ist.

3.
3.1 In Anwendung der Rechtsprechung von BGE 145 IV 1 ff. ist somit zunächst für die Abstandsverletzung vom 27. Mai 2017 eine Zusatzdauer zum Führerausweisentzug von drei Monaten für das unvorsichtige Wechseln des Fahrstreifens gemäss der Verfügung des Strassenverkehrsamtes vom 5. April 2018 festzulegen. Die Vor­instanz hielt hierzu fest, für die Abstandsunterschreitung auf der Autobahn aus dem Jahr 2017 halte sie eine Entzugsdauer von "mindestens drei Monaten" für anwendbar, wenn dieses Delikt für sich alleine zu beurteilen gewesen wäre. In der Beschwerdeantwort vom 26. März 2020 hielt die Vorinstanz dann ergänzend fest, im Rahmen der von ihr berechneten Strafschärfung (zusätzliche sechs Monate) seien unter anderem die drei Monate Entzug für die Widerhandlung 2017 enthalten, wobei sie keinerlei Anlass sehe, hier unter irgendeinem Titel eine Reduktion zu gewähren, weil der Beschwerdeführer jenes Verfahren durch Rechtsmittel verzögert habe.

3.2 Die Beurteilung, dass für die Abstandsverletzung aus dem Jahre 2017 bei isolierter Betrachtung eine Mindestentzugsdauer von drei Monaten angezeigt wäre, stellt auch der Beschwerdeführer nicht in Frage. Er macht aber geltend, die Vorinstanz habe übersehen, dass es sich hier um eine Zusatzmassnahme zur rechtskräftigen Massnahme aus dem Jahr 2018 handle und somit das Asperationsprinzip von Art. 49 Abs. 1 StGB analog zur Anwendung gelange, weshalb die Massnahme für die Widerhandlung aus dem Jahr 2017 nicht einfach zum (rechtskräftigen) dreimonatigen Führerausweisentzug hinzugerechnet werden könne. Von der Gesamtmassnahme sei der bereits verfügte dreimonatige Führerausweisentzug abzuziehen. Da sämtliche übrigen Administrativmassnahmen mehr als 10 Jahre zurückgelegen hätten, dürften diese für eine Zumessung nicht mehr berücksichtigt werden. Auf den vorliegenden Fall bezogen sei daher davon auszugehen, dass die hypothetische Gesamtstrafe bei höchstens fünf Monaten anzusetzen sei. Von diesen fünf Monaten sei der im Jahr 2018 verfügte und vollzogene dreimonatige Führerausweisentzug wieder in Abzug zu bringen, womit die hypothetische Zusatzmassnahme bei maximal zwei Monaten anzusiedeln sei.

3.3 Die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach für die im Jahre 2017 begangene Widerhandlung (Abstandsverletzung) eine Zusatzstrafe zur am 5. April 2018 beurteilten Widerhandlung in Anwendung des Asperationsprinzips zuzusprechen ist, stimmt mit den Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 145 V 1 ff. überein, wonach im ersten Schritt eine Zusatzstrafe für die vor dem Ersturteil begangenen Taten auszufällen ist. Auszugehen ist - mit der Vorinstanz und dem Beschwerdeführer - von der in Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG gesetzlich festgehaltenen Mindestdauer von drei Monaten. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Zusatzmassnahme jedoch höchstens bei zwei Monaten anzusiedeln sei, weil sein automobilistischer Leumund nicht berücksichtigt werden dürfe. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Das Bundesgericht hielt im Urteil 6A.53/2005 vom 10. November 2005 E. 3.2 fest, dass auch administrative Massnahmen berücksichtigt werden dürfen, die weiter als zehn Jahre zurückliegen. Aus dem automatisierten Datensystem für Administrativmassnahmen entfernte Daten dürfen im Massnahmeverfahren berücksichtigt werden, wenn sie den Behörden zur Kenntnis gelangen. Das Gesetz sieht keine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung von Massnahmen bzw. Massnahmeeinträgen bei der Beurteilung des automobilistischen Leumundes vor. Der Beschwerdeführer macht denn auch nicht geltend, dass der von der Vorinstanz berücksichtige Auszug Daten enthalten habe, die im Admas-Register nicht hätten erscheinen dürfen. Daher können sämtliche früheren Delikte bzw. Massnahmen bei der Bemessung der Dauer des Führerausweisentzugs berücksichtigt werden. Aus dem Auszug aus dem Admas ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit 1991 bis zur Verfügung vom 5. April 2018 neun Massnahmen mit Ausweisentzügen von sechs Monaten (1994), zwei Monaten (1994), drei Monaten (2002) und erneut drei Monaten (2008) sowie fünfmal Ausweisentzüge von einem Monat in den Jahren 1991 bis 2014 zu verzeichnen hatte. Wenn die Vorinstanz die Gesamtstrafe für das unvorsichtige Wechseln des Fahrstreifens am 2. September 2015 und für die Abstandsverletzung vom 27. Mai 2017 im Ergebnis mit sechs Monaten berücksichtigte, wovon aber die drei Monate für das rechtskräftig beurteilte Delikt aus dem Jahr 2015 abzuziehen waren, und somit für die Verkehrsegelverletzung aus dem Jahre 2017 als Zusatzmassnahme einen Führerausweisentzug von drei Monaten festlegte (unter Berücksichtigung des automobilistischen Leumunds des Beschwerdeführers), so ist dies nicht zu beanstanden.

4.
4.1 Im zweiten Schritt ist somit nach der Rechtsprechung von BGE 145 IV 1 der Vorfall mit der Geschwindigkeitsübertretung in Deutschland vom 15. März 2019 zu beurteilen und die Dauer des Führerausweisentzugs hierfür festzulegen. Es wurde bereits ausgeführt, dass es sich bei dieser Geschwindigkeitsüberschreitung um eine schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c SVG handelt. Nachdem dem Beschwerdeführer innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre der Ausweis bereits einmal wegen einer schwere Widerhandlung entzogen werden musste, beträgt die Mindestdauer für die Geschwindigkeitsüberschreitung - was vom Beschwerdeführer anerkannt wird - mindestens 12 Monate. Nicht nachvollziehbar sind die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz, wonach die Mindestentzugsdauer von 12 Monaten für das Vorkommnis aus dem Jahr 2019 in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB maximal um die Hälfte, also um sechs Monate, erhöht werden könnte. Art. 49 Abs. 1 StGB sieht vor, dass das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöht werden darf. Hier liegt aber nicht das Höchstmass bei 12 Monaten, sondern das Mindestmass. Eine Erhöhung um mehr als sechs Monate wäre daher möglich.

4.2 Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass keine Gründe gegeben seien, über diese Mindestentzugsdauer hinauszugehen, zumal sämtliche übrigen Admi­nistrativmassnahmen mehr als zehn Jahre zurückliegen würden und daher bei der Mass­nahmezumessung nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Dass diese Auffassung unzutreffend ist, wurde bereits in E. 3.3. ausgeführt. Gerade der Leumund einer Person als Motorfahrzeugführer kann neben den weiteren Umständen des Einzelfalls insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn es um die Frage geht, ob die gesetzliche Mindestdauer für einen Ausweisentzug zu erhöhen ist (Urteil des Bundesgerichts 1C_320/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.2). Das Bundesgericht wies zudem darauf hin, dass die als Mindestentzugsdauer ausgestalteten Regelungen von Art. 16 Abs. 2, Art. 16b Abs. 2 und Art. 16c Abs. 2 SVG grundsätzlich Raum für eine Berücksichtigung des automobilistischen Leumunds ohne zeitliche Begrenzung lassen. Der schlechte automobilistische Leumund des Beschwerdeführers in den Jahren 1991 bis 2008 ist daher mit Blick auf eine Strafschärfung zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer bei der Geschwindigkeitsübertretung 2019 vom am 5. April 2018 verhängten Führerausweisentzug von drei Monaten und auch dem hängigen Verfahren betreffend Abstandsverletzung aus dem Jahre 2017 nicht hat beeindrucken lassen. Der automobilistische Leumund für die hier festzusetzende Strafe für das Delikt aus dem Jahre 2019 ist demnach schlechter als für die Beurteilung des Vorfalls mit der Abstandsverletzung aus dem Jahr 2017. Eine Schärfung der Minimaldauer von 12 Monaten auf eine Dauer von 15 Monaten ist daher angemessen.

4.3 Laut Art. 16 Abs. 3 SVG ist bei der Festsetzung der Dauer des Lern- oder Führerausweisentzugs auch die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, zu berücksichtigen. Die Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf einen Führerausweis in Deutschland gemäss dem Schreiben der X GmbH vom 23. März 2018 und vom 29. März 2018 wurde bei der Bemessung des Entzugs des Führerausweises in der Verfügung vom 5. April 2018 bereits berücksichtigt. Damit ist die Entzugsempfindlichkeit des Beschwerdeführers im Ausland lediglich noch für die Geschwindigkeitsübertretung vom 15. März 2019 zu berücksichtigen und wird, wie dies bereits die Vorinstanzen gemacht haben, mit einem Monat veranschlagt. Somit ergibt dies für die Geschwindigkeitsübertretung vom 15. März 2019 eine Entzugsdauer von 14 Monaten.

4.4 Zählt man nun gemäss den Vorgaben von BGE 145 IV 1 die beiden Entzugsdauern zusammen, so ergibt sich eine Gesamtdauer von 17 Monaten Dauer Führerausweisentzug (drei Monate für die Abstandsunterschreitung vom 27. Mai 2017 als Zusatzstrafe zum Entzug wegen unvorsichtigem Wechseln des Fahrstreifens am 2. September 2015 und 14 Monate für die Geschwindigkeitsübertretung vom 15. März 2019). Damit ist der Entscheid der Vorinstanz, dem Beschwerdeführer sei der Führerausweis für die Dauer von 17 Monaten zu entziehen, im Ergebnis nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde abgewiesen wird.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.27/E vom 5. August 2020

Das Bundesgericht hat eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 1C_629/2020 vom 1. Oktober 2021 abgewiesen.

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