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TVR 2021 Nr. 21

Altlastenrechtliche Kostenverfügung, "Bauherrenaltlast"


Art. 3 AltlV, Art. 32 d USG


Unter die ersetzbaren Kosten, welche Gegenstand einer altlastenrechtlichen Kostenverfügung nach Art. 32d Abs. 4 USG bilden können, fallen all jene, die zur Zielerreichung, also zum Quellenstopp, aufgewendet werden müssen. Nicht ausschlaggebend ist, ob die Behörde die Massnahmen angeordnet oder ob der Inhaber diese freiwillig ergriffen hat. Wenn kein sanierungsbedürftiger, durch Abfälle belasteter Standort vorliegt, hat der Abfallinhaber die Entsorgungskosten gemäss Art. 32 Abs. 1 USG grundsätzlich selber zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn zwar eine Altlast nach Art. 32c USG vorhanden ist und der Standort - wie im vorliegenden Fall - im Kataster der belasteten Standorte (KbS) als "sanierungsbedürftig" eingetragen ist, aus Sicht der Behörden aber kein akuter Fall mit dringendem Handlungsbedarf vorliegt. Die Kostentragung und -verteilung einer derartigen "Bauherrenaltlast" ist nach Abfallrecht abzuwickeln. Art. 32d USG darf insbesondere nicht dazu dienen, die Kosten eines Bauvorhabens zu verringern.


Die A GmbH erwarb im März 2013 die Liegenschaft Nr. X und stellte am 2. Juli 2013 ein Baugesuch für die Erstellung eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage. Eine historische Untersuchung durch das Geologiebüro B AG vom 26. September 2012 hatte ergeben, dass im Bereich "C", wo sich auch die Liegenschaft Nr. X befindet, in den Jahren 1945 bis 1955 Bauschutt, Hauskehricht und Gewerbeabfall abgelagert worden war. Nach diversen Untersuchungen entschied das Amt für Umwelt des Kantons Thurgau (AfU) am 13. Juli 2015 die Aufnahme des Bereichs "C" in den Kataster der belasteten Standorte (KbS) des Kantons Thurgau mit der Objektbezeichnung "Kehrichtdeponie im C", unter der Register-Nr. YZ. Der betreffende Registerstandort wurde als "belastet und sanierungsbedürftig" qualifiziert; gleichzeitig wurde festgelegt, dass er durch die Politische Gemeinde G überwacht werden müsse. Mit Stellungnahme vom 6. April 2017 genehmigte das AfU das von der Bauherrschaft (A GmbH) eingereichte Entsorgungskonzept der E AG vom 30. März 2017 unter diversen Auflagen. Im Jahr 2017 führte die A GmbH die geplante Überbauung auf der Liegenschaft Nr. X aus.
Mit Eingabe vom 16. August 2019 stellte die A GmbH beim AfU ein Gesuch um Erlass einer Verfügung über die Kostenverteilung betreffend die ihr im Rahmen des Bauvorhabens erwachsenen altlastenrechtlichen Mehrkosten in Höhe von Fr. 334'488.30. Im Gesuch führte die A GmbH aus, ihr sei nicht bekannt, wer die Verursacherin der Belastung der fraglichen Parzelle sei. Aufgrund der Art der Verunreinigungen werde vermutet, dass die Deponie im fraglichen Gebiet seinerzeit durch die Politische Gemeinde G betrieben worden sein könnte.
Mit Entscheid vom 6. September 2019 teilte das AfU der A GmbH mit, dass die Voraussetzungen für eine Kostenverteilung nicht erfüllt seien, weshalb keine Kostenverteilungsverfügung erlassen werden könne. Auf entsprechendes Gesuch hin wies das AfU mit Entscheid vom 20. Dezember 2019 das Kostenverteilungsgesuch vom 16. Oktober 2019 ab. Dabei hielt das AfU fest, dass es sich bei den von der A GmbH geltend gemachten Mehrkosten um Kosten für Massnahmen, die baubedingt im Zusammenhang mit der Erstellung eines Mehrfamilienhauses auf der Liegenschaft Nr. X angefallen seien, und nicht um Kosten für notwendige Massnahmen zur Untersuchung, Überwachung und Sanierung des Standortes Register-Nr. YZ handle. Diese Kosten seien vom Inhaber der Abfälle zu tragen.
Einen dagegen von der A GmbH erhobenen Rekurs wies das DBU ab, wogegen die A GmbH Beschwerde erhob. Das Verwaltungsgericht weist diese ebenfalls ab.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 In materieller Hinsicht ist strittig und zu prüfen, ob das verfahrensbeteiligte Amt (AfU) das Gesuch der Beschwerdeführerin vom 16. August 2019 um Erlass einer (altlastenrechtlichen) Verfügung über die Kostenverteilung für die geltend gemachten Mehrkosten im Zusammenhang mit der Entsorgung des Aushubmaterials für das Bauvorhaben auf der Liegenschaft Nr. X in Höhe von Fr. 334'488.30 zu Recht abgewiesen hat.

3.2 Der Verursacher trägt die Kosten für notwendige Massnahmen zur Untersuchung, Überwachung und Sanierung belasteter Standorte (Art. 32d Abs. 1 USG). Sind mehrere Verursacher beteiligt, so tragen sie die Kosten entsprechend ihren Anteilen an der Verursachung. In erster Linie trägt die Kosten, wer die Massnahmen durch sein Verhalten verursacht hat. Wer lediglich als Inhaber des Standortes beteiligt ist, trägt keine Kosten, wenn er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt von der Belastung keine Kenntnis haben konnte (Art. 32d Abs. 2 USG). Das zuständige Gemeinwesen trägt den Kostenanteil der Verursacher, die nicht ermittelt werden können oder zahlungsunfähig sind (Art. 32d Abs. 3 USG). Die Behörde erlässt eine Verfügung über die Kostenverteilung, wenn ein Verursacher dies verlangt oder die Behörde die Massnahmen selber durchführt (Art. 32d Abs. 4 USG). Ergibt die Untersuchung eines im Kataster (Art. 32c Abs. 2 USG) eingetragenen oder für den Eintrag vorgesehenen Standortes, dass dieser nicht belastet ist, so trägt das zuständige Gemeinwesen die Kosten für die notwendigen Untersuchungsmassnahmen (Art. 32d Abs. 5 USG).

3.3 Die streitbetroffene Liegenschaft Nr. X ist im KbS unter der Register-Nr. YZ als "belastet, sanierungsbedürftig" eingetragen. Dies entspricht der Qualifikation im Entscheid des verfahrensbeteiligten Amtes vom 13. Juli 2015. In diesem Entscheid wurde zudem die Politische Gemeinde G angewiesen, den Standort zu überwachen. Die Vor­instanz hält im angefochtenen Rekursentscheid vom 25. Juni 2020 in E. 2c fest, dass für den belasteten Standort noch kein Sanierungsprojekt vorliege. Auch sei noch keine Detailuntersuchung gemäss Art. 14 AltlV zur Beurteilung der Ziele und Dringlichkeit der Sanierung verlangt und durchgeführt worden. (…)

3.4 (…)

3.5 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellen Kosten, die durch ein Bauvorhaben auf einem belasteten, aber nicht sanierungsbedürftigen Standort anfallen, keine Sanierungskosten im Sinne von Art. 32e Abs. 3 USG dar. Es handle sich dabei - so das Bundesgericht - vielmehr um einen Anwendungsfall von Art. 3 lit. a AltlV, wonach belastete (aber nicht sanierungsbedürftige) Standorte durch die Erstellung von Bauten und Anlagen nur verändert werden dürfen, wenn sie durch das Vorhaben nicht sanierungsbedürftig werden (vgl. Urteile des Bundesgerichts 1C_366/2015 vom 4. Juli 2016 E. 3.1 und 1C_414/2014 vom 2. März 2015 E. 2.3.3). Werden für die Realisierung eines Bauprojekts altlastenrechtliche Massnahmen notwendig und will der Bauherr deren Kosten auf Dritte (Verursacher) abwälzen, so kann dies unter Umständen mit einem aufwendigen Verfahren und grossen Zeitverzögerungen verbunden sein (vgl. Lehmann, in: Griffel et. al [Hrsg.], Fachhandbuch öffentliches Baurecht, Zürich/Basel/Genf 2016, S. 442, N. 4.405). Bei Bauprojekten hat der Bauherr jeweils die Wahl, das Bauprojekt auszuführen (mit den zur Abwendung der Sanierungsbedürftigkeit erforderlichen Schutzmassnahmen) oder aber auf das Bauprojekt zu verzichten bzw. dieses allenfalls zu modifizieren (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_366/2015 vom 4. Juli 2016 E. 3.1). Zu den ersatzfähigen Kosten im Zusammenhang mit einer eigentlichen (altlastenrechtlichen) Sanierung gehören sowohl die Kosten für eine Vollsanierung (sofern sich ein Quellenstopp nur auf diese Weise realisieren lässt) als auch diejenigen für eine Teilsanierung oder eine Sicherung, kurz "Abwehr- und Behebungskosten". Unter die ersetzbaren Kosten fallen all jene, die zur Zielerreichung, also zum Quellenstopp, aufgewendet werden müssen (vgl. Scherrer, Kostentragung nach Art. 32d USG, in: URP 2007, S. 562 ff., S. 568 f.). Nicht ausschlaggebend ist, ob die Behörde die Massnahmen angeordnet oder ob der Inhaber diese freiwillig ergriffen hat (vgl. Scherrer, a.a.O., S. 569). Eine Kostenverteilung nach Art. 32d USG kommt somit nur in Frage, wenn eine sanierungsbedürftige Deponie oder ein anderer sanierungsbedürftiger, durch Abfälle belasteter Standort vorliegt. Ist dies nicht der Fall, hat der Abfallinhaber die Entsorgungskosten gemäss Art. 32 Abs. 1 USG grundsätzlich allein zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn zwar eine Altlast nach Art. 32c USG vorhanden ist, aus Sicht der Behörden aber kein akuter Fall mit dringendem Handlungsbedarf vorliegt. Hier spricht man - obwohl es sich um einen Bereich des Abfall- und nicht des eigentlichen Altlastenrechts handelt - von der sogenannten "Bauherrenaltlast", deren Kostentragung und -verteilung nach Abfallrecht abzuwickeln ist; Art. 32d USG darf insbesondere nicht dazu dienen, die Kosten eines Bauvorhabens zu verringern (vgl. Entscheid des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 19. September 2012, in: AGVE 2012, S. 349 ff., E. 2.2).

3.6 Im Entscheid Nr. 2369/11 vom 13. Juli 2015, mit welchem angeordnet wurde, dass der Standort Register-Nr. YZ im KbS als belastet und sanierungsbedürftig einzutragen und durch die Politische Gemeinde G zu überwachen sei, wurde in E. 5 zwar erwogen, dass der Standort hinsichtlich des Schutzgutes Oberflächengewässer sanierungsbedürftig sei. In E. 6 des Entscheids wurde jedoch weiter festgehalten, dass Sanierungsmassnahmen aufgrund der Ammoniumbelastungen nicht angezeigt seien, da auch bei einem Niedrigwasserabfluss das Qualitätsziel für Fliessgewässer eingehalten werden könne und da Ammonium bei aeroben Bedingungen zu Nitrit und anschliessend Nitrat umgewandelt werde; allerdings sei der Standort nach Art. 13 AltlV zu überwachen. Auch im Bericht des Geologiebüros B AG vom 25. November 2016 wurde auf S. 7 festgehalten, dass das in den Bach exfiltrierende Wasser mit einem erhöhten Ammoniumwert genügend verdünnt werde und somit auch bei Niedrigwasserabfluss des Baches zu keiner Überschreitung des Qualitätszieles für Fliessgewässer führe. Zum weiteren Vorgehen wurde auf S. 8 des erwähnten Berichts vom 25. November 2016 namentlich angeführt, dass der Standort aufgrund der Ammoniumkonzentration zwar weiterhin als sanierungsbedürftig einzustufen sei, jedoch seien keine Sanierungsmassnahmen angezeigt, weshalb die Überwachung des Standorts vorgeschlagen werde. Dies wurde vom verfahrensbeteiligten Amt mit Stellungnahme vom 9. März 2017 bestätigt. In der Folge wurde auch das - im Hinblick auf die Realisierung der geplanten Überbauung veranlasste - Entsorgungskonzept des von der Beschwerdeführerin beauftragten Ingenieurbüros (E AG) vom 30. März 2017 durch das verfahrensbeteiligte Amt mit Entscheid vom 6. April 2017 genehmigt.

3.7 Vor diesem Hintergrund stellten die Vorinstanz bzw. das verfahrensbeteiligte Amt zu Recht fest, dass die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Überbauung der Liegenschaft Nr. X vorgenommene Entsorgung von belastetem Bodenmaterial keine altlastenrechtliche Sanierung darstelle und entsprechende altlastenrechtliche Sanierungsmassnahmen auch vom verfahrensbeteiligten Amt nie verfügt worden seien. Der Aushub des belasteten Materials erfolgte allein aufgrund des von der Beschwerdeführerin initiierten und realisierten Bauvorhabens. Wie dargestellt, wurde weder vor noch während oder nach der Realisierung des Bauvorhabens auf der Liegenschaft Nr. X ein Handlungsbedarf für die Durchführung bzw. Anordnung von altlastenrechtlichen Sanierungsmassnahmen festgestellt. Daran ändert auch nichts, dass der Standort mit Register-Nr. YZ aufgrund der zwar bestehenden, jedoch angesichts der örtlichen Bedingungen/Verhältnisse vorderhand nicht zu Sanierungsmassnahmen Anlass gebenden Ammoniumkonzentration im KbS nach wie vor als sanierungsbedürftig eingetragen ist. Das im Rahmen des Bauprojekts von der Beschwerdeführerin entsorgte Aushubmaterial ist unter den gegebenen Umständen vielmehr als sogenannte "Bauherrenaltlast" zu qualifizieren, deren Kostentragung und -verteilung nach Abfallrecht (und nicht nach Altlastenrecht) abzuwickeln ist (vgl. Entscheid des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 19. September 2012, AGVE 2012, S. 349 ff., E. 2.2). Die vom verfahrensbeteiligten Amt gegenüber der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben bzw. mit der Genehmigung des Triage- und Entsorgungskonzepts verfügten Auflagen sind - wie die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Entsorgungsarbeiten an sich - als Massnahmen nach Art. 3 AltlV zu qualifizieren, die nicht auf die Verursacher überwälzt werden können (vgl. Lehmann, a.a.O., N. 4.403 am Ende). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Mehrkosten stellen mit anderen Worten keine ersetzbaren Kosten dar, welche zur Zielerreichung, also zum "Quellenstopp" im Sinne des Altlastenrechts, aufgewendet werden mussten (Scherrer, a.a.O., S. 568 f.). Diese Kosten sind damit auch nicht nach Art. 32d Abs. 1 USG verteilfähig (Scherrer, a.a.O., S. 569), weshalb sie auch nicht Gegenstand einer Verfügung über die Kostenverteilung im Sinne von Art. 32d Abs. 4 USG bilden können.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.109/E vom 17. Februar 2021

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