TVR 2021 Nr. 25
Abschlussentscheid; Rückerstattungspflicht für Sozialhilfeleistungen, die den minderjährigen Kindern im selben Haushalt einer unterstützten Person zuzuordnen sind
§ 19 Abs. 2 SHG, Art. 32 Abs. 3bis ZUG
Die Rückerstattungspflicht der unterstützten Person und ihrer Erben richtet sich nach dem Recht des Kantons, der zur Zeit der Unterstützung Wohnkanton war (Art. 26 Abs. 1 ZUG). Gemäss der im Kanton Thurgau geltenden Regelung ist rückerstattungspflichtig die unterstützte, volljährige Person, die für sich, für die mit ihr verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Person und für ihre minderjährigen Kinder Sozialhilfeleistungen bezogen hat. Damit sind auch diejenigen Sozialhilfeleistungen, die einer volljährigen Person für ihre im selben Haushalt lebenden, nicht dauernd fremdplatzierten Kinder ausgerichtet wurden, gemäss § 19 Abs. 2 SHG zurückzuerstatten. Daran ändert Art. 32 Abs. 3bis ZUG, wonach das minderjährige Kind rechnerisch einen separaten Unterstützungsfall darstellt, wenn es einen eigenständigen Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 2 ZUG hat, nichts, da diese Regelung einzig das interkantonale Verhältnis betrifft.
Die von ihrem Ehemann gerichtlich getrennt lebende A zog mit den beiden Töchtern B und C (Jahrgang 2015 und 2016) nach G. Von der Politischen Gemeinde G wurde sie vom 12. Januar 2018 bis zu ihrem Wegzug am 1. Juni 2019 sowie im Folgemonat Juni 2019 mit Sozialhilfeleistungen unterstützt. Mit Entscheid vom 21. April 2020 hielt die Fürsorgebehörde der Politische Gemeinde G die Beendigung der sozialhilferechtlichen Unterstützung per Ende Juni 2019 fest. A sei im Betrag von Fr. 53'676.70 unterstützt worden, wobei sich dies wie folgt aufteile: A: Fr. 38'692.60, Tochter B Fr. 7'378.25 und Tochter C: Fr. 7'605.85. Für den Betrag von Fr. 53'676.70 sei A rückerstattungspflichtig, wobei deren finanzielle Situation periodisch, erstmals bis 31. Dezember 2020, zu überprüfen sei. Dagegen liess A Rekurs erheben. Diesen hiess das DFS in dem Sinne teilweise gut, als der von A rückerstattungspflichtige Betrag auf Fr. 37'184.79 festgelegt wurde. Zur Begründung führte das DFS insbesondere an, die für die beiden Kinder bezogenen Sozialhilfeleistungen seien von einer Rückerstattungspflicht ausgenommen. Eine dagegen von der Politischen Gemeinde G erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids gut und bestätigt den Abschlussentscheid der Fürsorgebehörde der Politischen Gemeinde G vom 21. April 2020, mit welchem eine rückerstattungspflichtige Nettoschuld von A für bezogene Sozialhilfeleistungen in Höhe von Fr. 53'676.70 festgestellt wurde.
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 In materieller Hinsicht ist strittig und zu prüfen, ob - entsprechend der Auffassung der Vorinstanz und der Verfahrensbeteiligten - die den beiden Kindern der Verfahrensbeteiligten zuzuordnenden Sozialhilfeleistungen nicht zur rückerstattungspflichtigen Nettoschuld der Verfahrensbeteiligten zu zählen sind. Unbestritten ist, dass es sich beim Abschlussentscheid der Beschwerdeführerin vom 21. April 2020 um einen Feststellungsentscheid handelt, mit welchem lediglich über die Höhe einer allfälligen künftigen Rückforderung von Sozialhilfeleistungen befunden wurde. Eine Rückforderungsverfügung, mit welcher insbesondere auch die Zumutbarkeit der Rückerstattung durch die Verfahrensbeteiligte beurteilt wurde, hat die Beschwerdeführerin (…) bislang noch nicht erlassen.
3.2 Verfügt jemand nicht über hinreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für sich und seine Angehörigen mit gleichem Wohnsitz, sorgt die Gemeinde für die notwendige Unterstützung, sofern vom Hilfsbedürftigen nicht verlangt werden kann, sich die Mittel durch eigene Arbeit zu beschaffen, und keine andere Hilfe möglich ist (§ 8 SHG). Die Rückerstattungspflicht des Unterstützten und seiner Erben richtet sich gemäss Art. 26 Abs. 1 ZUG nach dem Recht des Kantons, der zur Zeit der Unterstützung Wohnkanton war. Solche Ansprüche geltend zu machen und zu beurteilen ist Sache der Behörden und Gerichte dieses Kantons. In Bezug auf die Rückerstattungspflicht bestehen je nach Kanton unterschiedliche Regelungen, was aufgrund der Kompetenzzuweisung in Art. 26 ZUG nicht gegen übergeordnetes Recht verstösst (vgl. TVR 2017 Nr. 30 E. 2.2.1). Nach § 19 Abs. 2 SHG gilt im Kanton Thurgau, dass derjenige, der nach dem vollendeten 18. Altersjahr Unterstützungsbeiträge bezogen hat, zur Rückerstattung verpflichtet ist, soweit dies zumutbar ist. Erben haften bis zur Höhe ihrer Erbschaft.
3.3 Das Fürsorgeamt des Kantons Thurgau hat für die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen Richtlinien erlassen, die von der Vorinstanz am 1. Dezember 2019 genehmigt wurden (nachfolgend „Rückerstattungs-Richtlinien“; abrufbar unter https://sozialamt.tg.ch/, dort unter der Rubrik Sozialhilfe/Rückerstattung). Richtlinien wenden sich zwar grundsätzlich an die Durchführungsstellen und sind für das Gericht nicht verbindlich. Entsprechende Richtlinien soll das Gericht aber bei seiner Entscheidung berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Ein Gericht soll daher nicht ohne triftigen Grund von Richtlinien abweichen, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (vgl. TVR 2017 Nr. 30 E. 2.2.3 und Urteil des Bundesgerichts 8C_75/2014 vom 16. Juli 2014 E. 6.2 mit weiteren Hinweisen). Gemäss Ziff. 2.1.1 der Rückerstattungs-Richtlinien ist rückerstattungspflichtig die unterstützte, volljährige Person, die für sich, für die mit ihr verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Person und für ihre minderjährigen Kinder Sozialhilfeleistungen bezogen hat. Als Ausnahme von der grundsätzlichen Rückerstattungspflicht sehen die Richtlinien in Ziff. 2.1.2 einzig die Sozialhilfebeiträge für dauernd fremdplatzierte Kinder mit eigenem Unterstützungswohnsitz gemäss Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG vor (vgl. hierzu nachfolgend E. 3.4.4). Somit ist im Kanton Thurgau vom Grundsatz auszugehen, dass Sozialhilfeleistungen, welche einer bedürftigen, volljährigen Person ausgerichtet wurden und die diese für sich und für ihre minderjährigen (und nicht dauernd fremdplatzierten) Kinder bezogen hat, nach § 19 Abs. 2 SHG rückerstattungspflichtig sind. An dieser kantonalen Regelung ändern auch bundesrechtliche Regelungen, insbesondere diejenigen des ZUG, nichts, nachdem sich die sozialhilferechtliche Rückerstattungspflicht (…) nach dem Recht des Kantons richtet, der zur Zeit der Unterstützung Wohnkanton war (Art. 26 Abs. 1 ZUG). Dies war mit Bezug auf die der Verfahrensbeteiligten von der Beschwerdeführerin ausgerichteten Sozialhilfeleistungen der Kanton Thurgau. Die Rückerstattungspflicht der Verfahrensbeteiligten richtet sich somit allein nach der angeführten thurgauischen Regelung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Verfahrensbeteiligten sind daher auch die den beiden Kindern der Verfahrensbeteiligten zuzuordnenden Sozialhilfeleistungen der Beschwerdeführerin zur rückerstattungspflichtigen Nettoschuld der Verfahrensbeteiligten zu zählen.
3.4 Die Auffassungen der Vorinstanz und der Verfahrensbeteiligten sind aus nachfolgenden Gründen unzutreffend.
3.4.1 Die Vorinstanz verweist auf die Regelung des ZUG betreffend den Unterstützungswohnsitz für das mit nur einem Elternteil zusammenlebende Kind (Art. 7 Abs. 2 ZUG, in Kraft seit 1. Januar 2017) und in diesem Zusammenhang auf den revidierten Art. 32 Abs. 3bis ZUG (ebenfalls in Kraft seit dem 1. Januar 2017). Art. 32 Abs. 3bis ZUG legt fest, dass das minderjährige Kind, welches einen eigenständigen Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 2 ZUG hat, rechnerisch einen separaten Unterstützungsfall darstellt. Hintergrund der Änderung von Art. 7 Abs. 2 ZUG bzw. der Einführung von Art. 32 Abs. 3bis ZUG bildete das Inkrafttreten des revidierten Kindesunterhaltsrechts im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB). Mit dieser Gesetzesrevision sollte zwar verhindert werden, dass in Mankosituationen der betreuende Elternteil die Sozialhilfeleistungen, die er für das Kind bezogen hat, zurückzahlen muss (vgl. die Botschaft des Bundesrats zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt] vom 29. November 2013 in: BBl 2014 529 ff., S. 589). Zu beachten ist dabei allerdings, dass das ZUG den Ersatz von Unterstützungskosten "unter den Kantonen" regelt (Art. 1 Abs. 2 ZUG). Auch Art. 32 ZUG regelt die Abrechnung der Leistungen zwischen den Kantonen (vgl. Botschaft des Bundesrats zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt] vom 29. November 2013 in: BBl 2014 529 ff., S. 589). Nicht Gegenstand des ZUG - und damit auch nicht von Art. 32 Abs. 3bis ZUG - bildet die Regelung der Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen durch unterstützte Personen. Diese Regelung fällt nach Art. 26 Abs. 1 ZUG in die alleinige Zuständigkeit der Kantone. Auch systematisch steht Art. 32 Abs. 3bis ZUG in ausschliesslichem Zusammenhang mit der einzelfallweisen Abrechnung über die bezogene Sozialhilfeunterstützung des anspruchsberechtigten Kantons gegenüber dem rückerstattungspflichtigen Kanton. Mit anderen Worten entfaltet Art. 32 Abs. 3bis ZUG nur Rechtswirkung bei kantonsübergreifenden Fällen, das heisst wenn der eine Kanton von ihm erbrachte Unterstützungen von einem anderen Kanton zurückfordert. Eine Anwendung dieser bundesrechtlichen Bestimmung im innerkantonalen Verhältnis, so insbesondere bei der Bestimmung der rückerstattungspflichtigen Sozialhilfeleistungen durch die unterstützende Gemeinde gegenüber der unterstützten Person, fällt somit nicht in Betracht. Das ZUG enthält sodann auch keine Bestimmung, welche die von alleinerziehenden Elternteilen bezogenen Unterstützungsbeiträge, die mit ihnen zusammenlebenden Kindern zuzuordnen sind, von einer Rückerstattungspflicht ausschliessen würde.
3.4.2 Die Auffassung der Vorinstanz, wonach Art. 7 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 3bis ZUG auch auf kantonaler Ebene Geltung hätten, widerspricht der verfassungsmässigen Kompetenzordnung. Die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen betrifft den klassischen Bereich der Sozialhilfegesetzgebung. Die allgemeine Sozialhilfe ist aber gemäss verfassungsrechtlicher Regelung Sache der Kantone (Art. 3 BV). Dabei gilt das Wohnsitzprinzip: Bedürftige werden nach Art. 115 BV von ihrem Wohnkanton unterstützt (sogenannter Unterstützungswohnsitz), wobei der Bund die Ausnahmen und Zuständigkeiten regelt. Art. 115 BV gibt dem Bund lediglich die Kompetenz, koordinierend tätig zu werden und die interkantonale Zuständigkeit samt Kostenersatzpflicht zu regeln (Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, Rz. 245). So wird auch in der Botschaft des Bundesrates zur bereits erwähnten Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesunterhalt) vom 29. November 2013 (in: BBl 2014 529 ff.) in Ziff. 1.5.4 (S. 558 f. der Botschaft) ausgeführt, dass die prekäre finanzielle Lage von Kindern alleinerziehender Eltern nur dann effektiv verbessert werden könnte, wenn die familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge und die finanzielle Unterstützung durch das Gemeinwesen in Form von Sozialhilfe oder Alimentenbevorschussung wirksam koordiniert werden könnte. Der Bundesgesetzgeber habe jedoch - so der Bundesrat weiter - nicht die Kompetenz, diese Koordination sicherzustellen, denn das Sozialhilferecht falle in die Zuständigkeit der Kantone (Ziff. 1.5.4 der Botschaft des Bundesrates zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt] vom 29. November 2013, in: BBl 2014 529 ff., S. 558 f.). Es liegt damit nicht in der Kompetenz des Bundesgesetzgebers, den Kantonen weitergehende Vorschriften im Bereich der allgemeinen Sozialhilfe - und damit auch hinsichtlich der Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen - zu machen. Dies betrifft jegliches Bundesrecht, also nicht nur das ZUG. Die Rechtsetzungskompetenz des Bundes im Bereich der Sozialhilfe beschränkt sich auf interkantonale Verhältnisse, womit die Regeln des ZUG nur in interkantonalen Weiterverrechnungsfällen direkt zur Anwendung gelangen. Die erwähnte Teilrevision des ZUG hatte keinen Einfluss auf die im kantonalen Recht geltenden Bestimmungen betreffend Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Unterstützungsleistungen (vgl. FN 3, S. 1, des Merkblatts der SKOS "Auswirkungen des revidierten Rechts zum Kindesunterhalt auf die Sozialhilfe" vom 12. Dezember 2016/10. Mai 2017).
3.4.3 § 4 Abs. 2 SHG verweist zwar für die sozialhilferechtliche Bestimmung von Wohnsitz und Aufenthalt auf die bundesrechtlichen Bestimmungen des ZUG. Dieser Verweis beschränkt sich aber auf die Regelung des Unterstützungswohnsitzes. Nur soweit es um die örtliche Zuständigkeit geht, sind die Bestimmungen des ZUG kraft des Verweises in § 4 Abs. 2 SHG auf kantonaler Ebene anwendbar. Für die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen wird jedoch nicht auf das ZUG verwiesen. Hierfür bleibt, wie dargestellt, ausschliesslich kantonales Recht - im Kanton Thurgau § 19 SHG - anwendbar (vgl. Art. 26 Abs. 1 ZUG). Das kantonale Recht weist in diesem Bereich auch keine Lücke auf, welche eine analoge Anwendung von Art 7 Abs. 2 und 32 Abs. 3bis ZUG erfordert. Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (BGE 140 III 206 E. 3.5.1 mit weiteren Hinweisen; eine durch den Rechtsanwender zu füllende Gesetzeslücke wurde vom Verwaltungsgericht auch hinsichtlich des Unterstützungsanzeigeverfahrens verneint [vgl. TVR 2017 Nr. 32 E. 2.3.3.1]). Eine derartige Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung im kantonalen Recht liegt hinsichtlich der Rückforderung von Sozialhilfeleistungen nicht vor. Indem der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 2 SHG nur mit Bezug auf die Frage des Unterstützungswohnsitzes bzw. der Zuständigkeit, nicht aber auch für die Frage der Rückerstattung, welche in § 19 SHG geregelt ist, auf die Bestimmungen des ZUG verweist, ist von einem bewussten Entscheid des Gesetzgebers auszugehen, die Rückerstattung ausschliesslich im kantonalen Recht zu regeln und die Rückerstattung damit auch nicht von Änderungen des Bundesrechts abhängig zu machen. Eine Änderung des kantonalen Rechts bleibt damit dem kantonalen Gesetzgeber vorbehalten. Für richterliche Lückenfüllung besteht kein Raum. Gemäss der im Kanton Thurgau geltenden Regelung zählen damit auch die den minderjährigen Kindern zuzuordnenden Sozialhilfeleistungen zur rückerstattungspflichtigen Nettoschuld einer von der öffentlichen Fürsorge unterstützten Person (E. 3.3 vorstehend).
3.4.4 Eine Ausnahme vom im Kanton Thurgau geltenden Grundsatz, wonach Sozialhilfeleistungen, welche eine bedürftige, volljährige Person für sich und für ihre minderjährigen Kinder bezogen hat, nach § 19 Abs. 2 SHG rückerstattungspflichtig sind, besteht einzig mit Bezug auf dauernd fremdplatzierte Kinder, welche bei keinem Elternteil wohnen (vgl. Ziff. 2.1.2 der Rückerstattungs-Richtlinien). Diesbezüglich besteht auch eine kantonale Rechtsprechung, wonach diese Form der Sozialhilfe von den Eltern des fremdplatzierten Kindes nicht zurückerstattet werden muss. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid vom 14. Dezember 2005 (publiziert in TVR 2005 Nr. 36) festhielt, sind die im Zusammenhang mit einer Fremdplatzierung anfallenden Kosten von der öffentlichen Hand zu übernehmen, weil die Eltern ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht rechtzeitig nachkommen können bzw. wollen. Es handle sich deshalb um Sozialhilfeleistungen, welche dem Kind zuzuordnen seien und von diesem in Nachachtung von § 19 Abs. 2 SHG nicht auf öffentlich-rechtlichem Weg zurückgefordert werden könnten. Die vom Gemeinwesen anstelle der Eltern übernommenen Kosten seien als Vorfinanzierung im Sinne von Art. 293 Abs. 2 ZGB zu werten. Die Unterhaltsansprüche des Kindes gegenüber seinen Eltern gingen per gesetzlicher Subrogation auf das Gemeinwesen über. Die Rückforderung der geleisteten Beiträge sei darum auf dem zivilrechtlichen Klageweg und nicht mittels einer hoheitlichen Anordnung vorzunehmen. Die Situation bezüglich eines dauernd fremdplatzierten Kindes unterscheidet sich massgeblich von derjenigen, in der das minderjährige Kind noch im selben Haushalt bzw. unter der Obhut eines Elternteils lebt, zumal dieser Elternteil direkt für das Kind sorgen kann, was bei einer dauernden Fremdplatzierung nicht der Fall ist. Dabei findet mangels direkter Ausrichtung von Fürsorgeleistungen an das Kind auch keine Subrogation von Unterhaltsansprüchen statt. Die von der Praxis und Rechtsprechung entwickelte Ausnahme für dauernd fremdplatzierte Kinder ist somit auf den vorliegenden Fall, in welchem die minderjährigen Kinder noch bei einem Elternteil bzw. bei der Verfahrensbeteiligten leben, nicht übertragbar.
3.5 Die Beschwerde erweist sich damit als begründet. Die im betreffenden Zeitraum der Verfahrensbeteiligten ausgerichteten und ihren beiden Kindern zuzuordnenden Sozialhilfeleistungen sind ebenfalls zur rückerstattungspflichtigen Nettoschuld der Verfahrensbeteiligten zu zählen. (…)
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.164/E vom 18. August 2021
Das Bundesgericht ist auf eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 8C_785/2021 vom 7. Januar 2022 nicht eingetreten, dies mit der Begründung, es sei nicht dargetan oder offensichtlich, dass der Entscheid über die Beschwerde einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken könne oder dass deren Gutheissung sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.