Skip to main content

TVR 2022 Nr. 13

Zuweisung einer Kleinsiedlung in bundesrechtskonforme Zone


Art. 15 RPG , Art. 18 RPG , Art. 33 RPV , Anhang 2 KSV


  1. Eine Kleinsiedlung, welche in grösserer Entfernung vom Hauptsiedlungsgebiet liegt und lediglich über neun Wohneinheiten verfügt, ist in Anhang 2 KSV aufzunehmen und künftig einer Nichtbauzone zuzuweisen (E. 2.5, 2.6).

  2. Werden zwei Siedlungen durch eine rechtskräftig ausgeschiedene Landwirtschaftszone getrennt, so stellen die primär für die Freilandnutzung bestimmten Bauten, die diese beiden Siedlungen nahezu verbinden, in der Regel kein oder nur ein wenig gewichtiges Argument für die gemeinsame Zuteilung zu einer Bauzone dar (E. 2.8). 


A ist Eigentümerin der Liegenschaft Nr. X. Die Liegenschaft ist nicht überbaut und gemäss gültigem Zonenplan der Politischen Gemeinde Amlikon-Bissegg der Dorfzone D zugewiesen. Weiter befindet sich die Liegenschaft Nr. X im Perimeter der Kleinsiedlung "Kreuz" (ID-Nr. K15) gemäss Anhang 2 KSV. Am 20. Mai 2020 reichte A ein Baugesuch für den Neubau von drei Einfamilienhäusern auf der Liegenschaft Nr. X ein, wofür das verfahrensbeteiligte Amt seine Zustimmung verweigerte mit der Begründung, das Bauvorhaben sei zonenwidrig und eine raumplanungsrechtliche Ausnahmebewilligung könne nicht erteilt werden. In der Folge verweigerte auch die Politische Gemeinde Amlikon-Bissegg die Baubewilligung. Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Vorinstanz ab. A gelangte mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht, welches ebenfalls abweist.

 

Aus den Erwägungen:

 

2.

2.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den Entscheid der verfahrensbeteiligten Gemeinde, das Baugesuch der Verfahrensbeteiligten vom 20. Mai 2020 nicht zu bewilligen, geschützt hat. Die verfahrensbeteiligte Gemeinde wies in ihrem Entscheid zur Begründung der Ablehnung des Baugesuchs auf den Entscheid des verfahrensbeteiligten Amtes hin, welches das Bauvorhaben als nicht zonenkonform beurteilt und die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG als nicht gegeben betrachtet hatte.

 

2.2 (…)

 

2.3        

2.3.1 Was zur Bauzone zu rechnen ist, wird in Art. 15 RPG bundesrechtlich abschliessend festgelegt. Lässt die Hauptbestimmung einer Zone regelmässig Bautätigkeiten zu, welche weder mit bodenerhaltenden Nutzungen (vorab der Landwirtschaft) verbunden noch auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen sind, so liegt von Bundesrechts wegen eine Bauzone vor, für welche die Voraussetzungen gemäss Art. 15 f. RPG gelten. Andernfalls ist das Gebiet als Nichtbauzone zu qualifizieren, auch wenn gewisse standortspezifische Vorhaben zugelassen werden (z.B. Materialabbauzonen, Energiegewinnungsanlagen, touristische Anlagen; Muggli, in: Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, 2016, Art. 18 N. 23 in fine). Das Bundesgericht hielt aber bereits in BGE 118 Ia 446 fest, dass die Ausscheidung von Kleinstbauzonen ausserhalb des Baugebiets grundsätzlich gesetzwidrig sei. Diese Praxis beziehe sich indes auf eigentliche, allgemeine Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG, in denen auch Neu- und Erweiterungsbauten zulässig seien, nicht aber auf Erhaltungszonen, welche die bestehende wertvolle Bausubstanz vor dem Verfall retten wollten. Solche Zonen könnten mit einer die Nichtbauzone überlagernden beschränkten Bauzone verglichen werden, die sich auf Art. 18 Abs. 1 RPG stütze und hinsichtlich ihrer Zielsetzung einer Schutzzone nahestehe. Das Bundesgericht erwog, dass zonenkonforme Bauvorhaben nach Art. 22 RPG zu bewilligen seien, während Baugesuche, welche den Rahmen der Erhaltungszone sprengten, gestützt auf Art. 24 RPG zu beurteilen seien (E. 2c). Das Bundesgericht ging also schon in BGE 118 Ia 446 davon aus, dass es sich bei derartigen Erhaltungszonen nicht um Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG handle. Auch in der Literatur wird allgemein die Auffassung vertreten, Weiler- und Erhaltungszonen nach Art. 33 RPV i.V. mit Art. 18 RPG seien keine Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG, auch wenn sie zum Teil als "beschränkte" oder "besondere Bauzonen" bezeichnet werden, welche das Nichtbaugebiet überlagern (BGE 145 II 83 E. 4.2, unter Verweis auf Muggli, a.a.O., Art. 24 N. 18, und andere). In der Regel widerspricht die Zuweisung von bestehenden Kleinsiedlungen zu einer normalen Bauzone nach Art. 15 RPG dem Konzentrationsgrundsatz und den Ortsbildschutzzielen, weshalb erhaltens- und förderungswürdige Kleinsiedlungen sinnvollerweise einer "beschränkten oder besonderen Bauzone" nach Art. 18 RPG in Verbindung mit Art. 33 RPV zugeteilt werden. Weiler, die einer solchen Zone zugeordnet werden sollen, sind geschlossene Baugruppen von fünf bis zehn bewohnten Gebäuden und von den Hauptsiedlungen klar getrennt (Muggli, a.a.O., Art. 18 N. 24, unter Verweis auf BGE 119 Ia 300 E. 3a).

 

2.3.2 Im Kanton Thurgau sind zahlreiche Kleinsiedlungen einer Weilerzone oder einer Dorfzone im Sinne von § 6 PBV zugewiesen. Zonen nach § 6 Abs. 1 PBV (Dorfzonen und Weilerzonen) sind gemäss Thurgauer Baurecht Bauzonen. Bereits in der Genehmigung des Richtplans durch den Bundesrat am 27. Oktober 2010 wurde jedoch in Ziff. 6 festgehalten, dass die ausgeschiedenen Weilerzonen, welche den Kriterien einer Kleinsiedlung gemäss kantonalem Richtplan nicht entsprechen würden, einer sachgerechten Zone zuzuweisen seien (Anhang 2 zum Projektbericht). Das Bundesamt für Raumentwicklung hatte dann in seinem Prüfungsbericht zur Teilrevision 2017 des Richtplans des Kantons Thurgau vom 19. Juni 2018 (Anhang 5 zum Projektbericht) auf S. 27 ausgeführt, das Thema der Kleinsiedlungen habe insofern einen engen Bezug zur vorliegenden Richtplananpassung, als die strengeren Regelungen des revidierten RPG für die Bauzonen nach Art. 15 RPG nicht zu einem Ausweichen in die Nichtbauzone führen dürften. Der Kanton Thurgau habe vor diesem Hintergrund die bestehenden Weiler/Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau aufgrund ihrer Ausprägung und Eignung sowie der Anforderungen des Bundesrechts auf ihre Zugehörigkeit zu a) Landwirtschaftszone, b) Zone nach Art. 33 RPV (Weilerzonen/Erhaltungszonen) und c) Bauzone nach Art. 15 RPG zu überprüfen. Rechtlich gesehen handle es sich bei den Weilerzonen nach Art. 33 RPV nicht um Bauzonen, sondern vielmehr um besondere Zonen (Spezialzonen ausserhalb der Bauzonen). Über Baugesuche in Weilerzonen nach Art. 33 RPV könnten die Gemeinden deshalb auch nicht in eigener Kompetenz entscheiden. Es brauche vielmehr gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG immer die Zustimmung des Kantons. Am 4. Juli 2018 genehmigte der Bundesrat die Anpassung des kantonalen Richtplans (Teilrevision 2017) nur mit Vorbehalten (Anhang 4 zum Projektbericht). Er forderte den Kanton Thurgau erneut auf, die Festlegungen im Kapitel 1.9 "Kleinsiedlungen" zu ergänzen und erneuerte den Auftrag, die Zonenzuweisung der bestehenden Weiler und Kleinsiedlungen zu überprüfen.

 

2.3.3 In Umsetzung des Auftrags des Bundesrats hat der Regierungsrat des Kantons Thurgau im Februar 2019 den Projektauftrag "Überprüfung Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau" genehmigt (Anhang 1 zum Projektbericht). Mit dem Projekt wurden die Zonenzuweisungen der Thurgauer Kleinsiedlungen anhand zuvor festgelegter Kriterien überprüft und beurteilt. Insgesamt wurden 304 Kleinsiedlungen untersucht und gestützt auf vordefinierte Kriterien wurde eine Einschätzung vorgenommen, welcher Zone das Objekt voraussichtlich bei bundesrechtskonformer Betrachtung zuzuweisen wäre (Projektbericht S. 23 ff.). Damit diejenigen Kleinsiedlungen, welche grundsätzlich die bundesrechtlichen Anforderungen an eine Weiler- oder Erhaltungszone im Sinne von Art. 18 RPG i.V. mit Art. 33 RPV erfüllen würden, dieser auch zugewiesen werden können und nicht einer Landwirtschafts- oder gar Landschaftsschutzzone zugewiesen werden müssen, muss vorab eine Richtplanänderung durch den Grossen Rat (§ 5 Abs. 1 PBG) erfolgen. Eine Ausscheidung im Richtplan ist die Voraussetzung dafür, dass eine Kleinsiedlung einer Weiler- oder Erhaltungszone nach Art. 33 RPV zugewiesen werden kann. Da bis zur Genehmigung des überarbeiteten KRP sowie bis zur nachgelagerten Anpassung der kommunalen Nutzungsplanungen unter Umständen mehrere Jahre vergehen können, waren Übergangsbestimmungen erforderlich, die aufzeigen, wie in der Zwischenzeit mit Baugesuchen im Bereich von Kleinsiedlungen umgegangen werden soll, die aller Voraussicht nach den Anforderungen an eine Bauzone nach Art. 15 RPG nicht entsprechen. Zu diesem Zweck hat der Regierungsrat per 16. Mai 2020 die KSV in Kraft gesetzt. Die KSV regelt Zuständigkeit, Verfahren und anwendbares Recht für das Baubewilligungsverfahren in den in den Anhängen 1 und 2 der KSV aufgelisteten Kleinsiedlungen (Projektbericht S. 12). Die KSV kommt im Ergebnis einer Planungszone im Sinne von Art. 27 RPG oder einer provisorischen kantonalen Nutzungszone gleich (Urteil des Bundesgerichts 1C_351/2020 vom 18. März 2021). Art. 27 Abs. 1 RPG lautet wie folgt: "Müssen Nutzungspläne angepasst werden oder liegen noch keine vor, so kann die zuständige Behörde für genau bezeichnete Gebiete Planungszonen bestimmen. Innerhalb der Planungszonen darf nichts unternommen werden, was die Nutzungsplanung erschweren könnte."

 

2.4

2.4.1 Die vom Regierungsrat eingesetzte Projektgruppe definierte mit Blick auf die bundesrechtlichen Vorgaben, insbesondere auch auf Art. 27 Abs. 1 RPG, wonach innerhalb von Planungszonen nichts unternommen werden darf, was die Nutzungsplanung erschweren könnte, sowie im Hinblick auf den Erlass der KSV verschiedene Kriterien, um zu entscheiden, ob eine Kleinsiedlung voraussichtlich einer Bauzone zugewiesen werden kann oder nicht (Projektbericht Ziffer 5.5.2, S. 37). Erläuternd wurde im Projektbericht zunächst festgehalten, das Konzentrationsprinzip verlange, dass die Siedlungstätigkeit auf räumlich zusammenhängende, vom umliegenden Nichtbaugebiet klar abgegrenzte Zonen zusammengefasst werde. Das RPG verlange somit kompakte Siedlungen, Kleinbauzonen seien nicht zulässig (vgl. hierzu auch: Aemisegger/Kissling, Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, a.a.O., Art. 15 N. 85). Die Zuweisung einer Kleinsiedlung zum Baugebiet lasse sich somit nur dann rechtfertigen, wenn sie eine gewisse Grösse bzw. eine gewisse Anzahl Bauten aufweise. Im Weiteren müsse die Kleinsiedlung bzw. die Gebäudegruppe einen Siedlungszusammenhang bzw. einen Siedlungscharakter aufweisen. Im Planungsbericht wurden vier Fälle von Kleinsiedlungen unterschieden (S. 38 ff.):

 

Fall 1: Kleinsiedlungen mit 1 - 4 Wohnbauten, die der Landwirtschafts- respektive Landschaftsschutzzone zugeordnet werden sollen.

 

Fall 2: Kleinsiedlungen mit 5 - 7 Wohnbauten, die einer Zone nach Art. 18 RPG/Art. 33 RPV oder der Landwirtschafts- bzw. Landschaftsschutzzone zugewiesen werden sollen.

 

Fall 3: Kleinsiedlungen mit 8 - 13 Wohnbauten, die gestützt auf eine Einzelfallbeurteilung einer Zone nach Art. 18 RPG/Art. 33 RPV oder einer Bauzone nach Art. 15 RPG zugewiesen werden sollen.

 

Fall 4: Kleinsiedlungen mit mehr als 13 Wohnbauten, die einer Bauzone nach Art. 15 RPG zugeteilt werden sollen.

 

2.4.2 Innerhalb der Fallgruppe 3 wurden wiederum verschiedene (insgesamt sieben) Typen von Kleinsiedlungen gebildet (zur vollständigen Übersicht vgl. Projektbericht S. 39). Im Projektbericht wurde dazu ausgeführt, massgebend für die Zuteilung seien im Wesentlichen die Siedlungsgrösse (Wohnbauten und landwirtschaftliche Bauten), die Nähe zum Hauptsiedlungsgebiet sowie die heutige Zonenabgrenzung (Projektbericht S. 39). Vorliegend interessiert aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten insbesondere die Gruppe des Typs B, die die Untertypen B1 - B4 enthält. Im Projektbericht (S. 40) wurde ausgeführt, dem Typ B würden all diejenigen Kleinsiedlungen, welche abseits vom Hauptsiedlungsgebiet lägen, zugeordnet. Die kleineren dieser Kleinsiedlungen erfüllten die Anforderungen an eine Bauzone nach Art. 15 RPG nicht (Typ B1 und B2) und seien daher inskünftig einer Zone nach Art. 18 RPG/Art. 33 RPV zuzuweisen. Die grösseren dieser Kleinsiedlungen (Typ B3 und Typ B4) erfüllten diese Anforderungen und könnten inskünftig einer Bauzone nach Art. 15 RPG zugewiesen werden. Im Projektbericht wird der Typ B2 mit folgenden Begriffen charakterisiert: "Kleine Kleinsiedlung", "abseits vom Hauptsiedlungsgebiet", "typischer Weiler", "nicht massgeschneiderte Zone". Dieser Typ soll künftig einer Zone nach Art. 18 RPG/Art. 33 RPV zugewiesen werden. Der Typ B3 wurde charakterisiert mit den Begriffen: "grössere Kleinsiedlung", "abseits vom Hauptsiedlungsgebiet" "typischer Weiler", "massgeschneiderte Zone". Der Typ B3 soll künftig einer Bauzone nach Art. 15 RPG zugeteilt werden.

 

2.5        

2.5.1 Die Beschwerdeführerin wirft dem verfahrensbeteiligten Amt vor, es habe sich hinsichtlich der Kleinsiedlungsthematik entschlossen, schematische Kriterien zu definieren und gestützt darauf explizit schematisch zu entscheiden. Dies könne bei einer raumplanerischen Aufgabenerfüllung jedoch nicht angehen. Wer den Besonderheiten des Einzelfalles bei der Rechtsanwendung keine Rechnung trage, müsse sich Ermessensunterschreitung vorwerfen lassen.

 

2.5.2 Eine Behörde hat sich bei der Ausübung ihres Ermessens an die Verfassung zu halten und insbesondere das Rechtsgleichheitsgebot, das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Pflicht zur Wahrung der öffentlichen Interessen zu befolgen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung sind zu beachten (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., 2016, § 6 N. 409). Kommt sie diesen Anforderungen nicht nach, so begeht sie einen Ermessensfehler, wobei zwischen der Unangemessenheit, dem Ermessensmissbrauch sowie der Über- und Unterschreitung des Ermessens zu unterscheiden ist. Letztere liegt vor, wenn die entscheidende Behörde sich als gebunden betrachtet, obschon ihr vom Rechtssatz Ermessen eingeräumt wird, oder wenn sie auf die Ermessensausübung ganz oder teilweise zum Vornherein verzichtet. Wo der Gesetzgeber Ermessen einräumt, erwartet er von den Verwaltungsbehörden, dass sie sachliche Unterscheidungen treffen und angemessene Rechtsfolgen anordnen, die den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalles gerecht werden. Bei einer Ermessensunterschreitung verletzen die Behörden diese Pflicht, indem sie auf sachliche Unterscheidungen verzichten, wo der Gesetzgeber einen differenzierten Entscheid für nötig hält (TVR 2017 Nr. 1 E. 3.2.1, unter Verweis auf Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Band I, 2012, § 5 N. 1525 f., sowie Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., § 6 N. 430 und N. 439 f.).

 

2.5.3 Der Vorinstanz und dem verfahrensbeteiligten Amt kann keine Ermessensunterschreitung vorgeworfen werden, nachdem insgesamt 304 Kleinsiedlungen überprüft wurden, wobei im Einzelfall die Voraussetzungen nach Art. 33 RPV sowie die Vorgaben der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geprüft wurden. Diesbezüglich kann auf den ausführlichen Projektbericht verwiesen werden. Die Einteilung erfolgte anhand einer Vielzahl objektiver Kriterien wie z.B. das Vorliegen einer gewachsenen Siedlung, das Vorhandensein von mindestens fünf Wohngebäuden, das Vorhandensein eines geschlossenen Siedlungsgebietes (maximal 20 - 30 m Gebäudeabstand), die räumliche Zäsur zu anderen Siedlungen (mindestens 200 - 300 m) sowie auch die bestehende ausreichende Erschliessung und die Stützpunktfunktion (Projektbericht Ziff. 5.5.1, S. 29). Um eine rechtsgleiche Behandlung vergleichbarer Kleinsiedlungen gewährleisten zu können, ist eine gewisse Schematisierung unabdingbar, wurden doch insgesamt 304 Kleinsiedlungen überprüft, was aber eine Einzelfallüberprüfung nicht ausschliesst. Bei allen Kleinsiedlungen wurde im Rahmen einer Triage detailliert überprüft, ob sie in materieller Hinsicht die Qualität einer Bau- oder Nichtbauzone aufweisen. Die entsprechenden Kriterien wurden im Projektbericht detailliert und nachvollziehbar sowie anhand von Beispielen erläutert. Zudem wurden verschiedene Typen von Kleinsiedlungen gebildet, die unter anderem individuell zu prüfen sind (Projektbericht Ziff. 5.5.2, S. 37 f.). Dass insbesondere das verfahrensbeteiligte Amt oder die Vorinstanz eine Ermessensunterschreitung begangen haben, ist somit nicht ersichtlich.

 

2.6 Zu prüfen ist daher weiter, ob die Kleinsiedlung "Kreuz" der verfahrensbeteiligten Gemeinde zu Recht in Anhang 2 der KSV aufgenommen wurde. Die Vorinstanz sowie das verfahrensbeteiligte Amt haben in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kleinsiedlung "Kreuz" abseits des Hauptsiedlungsgebiets der verfahrensbeteiligten Gemeinde liegt. Der Siedlungskörper ist mit lediglich neun Wohnbauten und insgesamt 14 Gebäuden vergleichsweise klein (vgl. Anhang 9 Projektbericht). Es handelt sich um einen Anwendungsfall der Fallgruppe 3, Typ B2. Damit werden die Vor­aussetzungen für eine ordentliche Bauzone nach Art. 15 RPG nicht erfüllt. Vielmehr sind die Voraussetzungen für eine Weilerzone nach Art. 18 RPG/Art. 33 RPV mit einer geschlossenen Baugruppe von 5 - 10 bewohnten Gebäuden, welche von der Hauptsiedlung räumlich klar getrennt sind (vergleiche hierzu Muggli, a.a.O. Art. 18, N. 24) geradezu exemplarisch erfüllt. Im Ergebnis ist es daher nicht zu beanstanden, wenn der Weiler „Kreuz“ gemäss § 2 Abs. 2 KSV i.V. mit Anhang 2 KSV einer Weilerzone nach Art. 18 RPG i.V. mit Art. 33 RPV im Sinne einer historisch gewachsenen Siedlung mit mindestens fünf Wohnbauten, geschlossenem Siedlungsbild und ausreichender Erschliessung zugeteilt werden soll.

 

2.7        

2.7.1 Die Beschwerdeführerin stellt sich aber auf den Standpunkt, massgebend sei das gesamte Erscheinungsbild. Die beiden Gebiete "Kreuz" und "Wiesental" mit dem dazwischenstehenden Ökonomiegebäude in der Landwirtschaftszone würden als eine einzige Siedlung in Erscheinung treten. Gehe man bei diesem Ökonomiegebäude als verbindendem Element aus, verfüge die Kleinsiedlung "Kreuz" zusammen mit dem Gebiet "Wiesental" über mindestens 12 Wohnbauten und 27 Gebäude, womit die beiden als Einheit der Bauzone zugewiesen werden könnten, auch wenn der Grenzwert von mindestens 13 Wohnbauten nicht ganz erreicht werde.

 

2.7.2 Die Vorinstanz wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Inselbauzone, wie sie das Gewerbegebiet "Wiesental" darstelle, heute kaum mehr ausgeschieden würde und auch kaum mehr genehmigungsfähig wäre. Für die rechtliche Beurteilung könne zudem das landwirtschaftlich genutzte Ökonomiegebäude in der Landwirtschaftszone zwischen den Dorfteilen "Kreuz" und "Wiesental" nicht massgebend sein.

 

2.8 Anlässlich des Augenscheins vom 15. Dezember 2021 konnte festgestellt werden, dass das Ökonomiegebäude in der Landwirtschaftszone (Gebäude Nr. 347 auf Liegenschaft Nr. 1615, GB Amlikon-Bissegg), welches ein vergleichsweise grosses Volumen aufweist und direkt an der Strasse steht, die Gebiete "Kreuz" und "Wiesental" aus verschiedenen Blickwinkeln optisch in einem gewissen Mass verbindet. Der Abstand zwischen diesem Gebäude (…) und dem Gebäude Nr. 263, Liegenschaft Nr. 1899, Grundbuch Amlikon-Bissegg, welches zum Weiler "Wiesental" zu zählen ist, beträgt weniger als 50 m. Einzig aufgrund des optischen Eindrucks könnte von einem beinahe durchgehenden Siedlungsgebiet gesprochen werden. Allerdings unterscheiden sich die beiden Weiler siedlungstypisch stark. Bei der Kleinsiedlung "Kreuz" handelt es sich um eine Ansammlung von Einfamilienhäusern um einen Hof und um ein ehemaliges Käsereigebäude. Die Wohnnutzung ist dominant. Demgegenüber handelt es sich beim Gebiet "Wiesental" um ein Gewerbegebiet, welches im Wesentlichen der Gewerbezone zugewiesen wird. Das Gebiet "Wiesental" besteht hauptsächlich aus der vollständig in der Gewerbezone liegenden, 27'749 m2 umfassenden Gewerbeliegenschaft Nr. 1616, Grundbuch Amlikon-Bissegg, die nach wie vor für gewerbliche Zwecke genutzt wird. Die Dorfzone, in welcher die Gebäude des Weilers "Kreuz" (auch die Liegenschaft Nr. X) grösstenteils liegen, weist hingegen lediglich eine Fläche von ca. 12'000 m2 auf (…). Bemerkenswert ist zudem, dass im Jahr 1999 die Kleinsiedlung "Kreuz" der Dorfzone D2 und das Gebiet "Wiesental" der Arbeitszone "Gewerbe" zugewiesen wurden. Bereits damals ging die verfahrensbeteiligte Gemeinde offenbar von einem sehr unterschiedlichen Siedlungstypus aus. Es ist daher nachvollziehbar, wenn die Vorinstanz und das verfahrensbeteiligte Amt sich dagegen aussprachen, dass die aus heutiger Sicht raumplanerisch fragwürdige Inselbauzone "Wiesental" sowie ein dazwischenliegendes Landwirtschaftsgebäude in der Landwirtschaftszone der Kleinsiedlung "Kreuz" Bauzonenqualität verleihen sollen. Massgebend ist letztlich nicht die räumliche Wirkung beziehungsweise die optische Wahrnehmbarkeit, sondern die rechtliche Zuordnung. Das Bundesgericht hielt im Urteil 1C_252/2012 vom 12. März 2013 E. 6.1 fest, landwirtschaftliche oder andere primär für die Freilandnutzung bestimmte Bauten gäben in der Regel kein oder nur ein wenig gewichtiges Argument für die Zuteilung zu einer Bauzone ab. Die Siedlungen "Kreuz" und "Wiesental" werden durch ein Gebiet in rechtskräftig ausgeschiedener Landwirtschaftszone getrennt. Der Weiler "Kreuz" ist überdies vollständig von der Landwirtschaftszone umgeben, woran die teilweise Überbauung in Richtung Gebiet "Wiesental" mit einem voluminösen Landwirtschaftsgebäude nichts ändert. Ein Siedlungszusammenhang mit anderen Dörfern oder Dorfteilen in der näheren Umgebung, welche überwiegend der Dorfzone zugewiesen sind, ist ebenfalls nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist daher nicht zu beanstanden, wenn das verfahrensbeteiligte Amt und die Vorinstanz zum Schluss gelangten, die Gebiete "Kreuz" und "Wiesental" müssten unabhängig voneinander beurteilt werden und folglich die Kleinsiedlung "Kreuz" die Voraussetzungen für eine Zuweisung zu einer Bauzone nicht erfülle. Die Beurteilung der Vorinstanz und des verfahrensbeteiligten Amtes, die Aufnahme der Kleinsiedlung "Kreuz" in Anhang 2 KSV als Kleinsiedlung, die voraussichtlich einer Zone nach Art. 33 RPV zuzuweisen sein wird, sei richtig, erweist sich als sachgerecht und ist nicht zu beanstanden.  

 

2.9 Neubauten in Kleinsiedlungen nach Anhang 2 KSV, wozu die Kleinsiedlung "Kreuz" und damit auch die Liegenschaft Nr. X der Beschwerdeführerin gehört, sind gemäss § 5 Abs. 4 KSV nur zulässig, wenn sie landwirtschaftlich begründet oder standortgebunden sind, was bei den projektierten Einfamilienhäusern nicht der Fall ist. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG kommt ebenfalls nicht in Frage. Das verfahrensbeteiligte Amt hat daher seine Zustimmung zum Baugesuch zu Recht verweigert.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2021.137/E vom 23. Februar 2022


JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.