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TVR 2023 Nr. 13

Kündigung eines Anstellungsverhältnisses, Missbräuchlichkeit, Fürsorgepflicht der Schulgemeinde,


§ 16 RSV VS, § 17 RSV VS, § 19 RSV VS, § 22 RSV VS, Art. 336 a Abs. 1 OR


Im Hinblick auf eine vom Arbeitgeber vorgesehene Auflösung des öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisses sind bei einer langjährigen Anstellung und fortgeschrittenem Alter der betroffenen Lehrperson erhöhte Anforderungen an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu stellen. Wurden Alternativen zur Kündigung rechtsgenüglich geprüft, kann dem Arbeitgeber kein missbräuchliches bzw. unverhältnismässiges Verhalten vorgeworfen werden. § 22 RSV VS schliesst selbst für die Konstellation, in welcher die Lehrperson keinen Anlass zur Kündigung gegeben hat, (trotz der erhöhten Fürsorgepflicht gegenüber älteren Lehrpersonen) die Ausrichtung einer Abgangsentschädigung explizit aus, wenn eine zumutbare Anschlusslösung vorliegt. Damit würde es eine gesetzgeberisch nicht gewollte Überdehnung der Fürsorgepflicht darstellen, einer älteren Lehrperson, die - wie im vorliegenden Fall - durch ihr Verhalten begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat, aber über eine zumutbare Anschlusslösung verfügt, gestützt auf § 19 Abs. 1 RSV VS in Verbindung mit Art. 336a Abs. 1 OR eine Entschädigung auszurichten.


Der Verfahrensbeteiligte, Jahrgang 1959, war seit 1. August 1996 bei der Volksschulgemeinde A (Beschwerdeführerin) als Sekundarlehrer angestellt. Vom 1. August 2004 bis 31. Juli 2011 hatte er zusätzlich die Funktion als Schulleiter inne. Mit Entscheid vom 26. April 2021 kündigte die Beschwerdeführerin das Anstellungsverhältnis mit dem Verfahrensbeteiligten ordentlich per 31. Juli 2021 und begründete dies mit einem mehrfach unprofessionellen und das Kindeswohl gefährdenden Verhalten des Verfahrensbeteiligten gegenüber seinen Schülerinnen und Schülern, was eine Grenzüberschreitung darstelle. Dagegen erhob der Verfahrensbeteiligte am 14. Mai 2021 Rekurs bei der Personalrekurskommission. Diese hiess den Rekurs teilweise gut und stellte fest, dass die Kündigung der Anstellung des Verfahrensbeteiligten vom 26. April 2021 - zufolge Unverhältnismässigkeit und Verletzung der Fürsorgepflichten - missbräuchlich sei. Die Volksschulgemeinde A wurde verpflichtet, dem Verfahrensbeteiligten eine Entschädigung von Fr. 11'840.35 (entspricht einem Monatslohn) zu bezahlen. Dagegen erhob die Volksschulgemeinde A Beschwerde beim Verwaltungsgericht, welches die Beschwerde gutheisst und den angefochtenen Entscheid aufhebt.

Aus den Erwägungen:

2. Streitgegenstand bildet vorliegend in erster Linie die Frage, ob die Vorinstanz die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und dem Verfahrensbeteiligten zu Recht als missbräuchlich (zufolge Unverhältnismässigkeit und Verletzung der Fürsorgepflicht) qualifiziert hat. Ebenfalls strittig ist die Höhe der von der Vorinstanz zugesprochenen Entschädigung von Fr. 11'840.35 (entsprechend einem Monatslohn des Verfahrensbeteiligten).

3.

3.1 Die rechtlichen Grundlagen für die Kündigung einer an einer öffentlichen Volksschule tätigen Lehrkraft sind der RSV VS zu entnehmen (vgl. § 1 Abs. 1 RSV VS). Gemäss § 16 Abs. 1 RSV VS können Arbeitsverhältnisse von Lehrpersonen unter Vorbehalt abweichender Regelungen beidseitig unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf das Ende eines Semesters, das heisst auf den 31. Juli oder den 31. Januar, aufgelöst werden. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Kündigung. Die Kündigung darf nach § 17 Abs. 1 RSV VS nicht missbräuchlich sein. Die Kündigung durch die Schulgemeinde setzt einen sachlich zureichenden Grund voraus (§ 17 Abs. 2 Satz 1 RSV VS). Sachliche Gründe sind insbesondere: (1.) Vorliegen betrieblicher oder wirtschaftlicher Gründe, die der Weiterführung des Arbeitsverhältnisses entgegenstehen; (2.) Mängel in der Leistung oder im Verhalten; (3.) Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten; (4.) fehlende Eignung oder Wegfall bzw. Nichterfüllen gesetzlicher oder vereinbarter Anstellungsvoraussetzungen und (5.) fehlende Qualifikation für die Schulstufe oder das unterrichtete Fach (§ 17 Abs. 2 RSV VS). Bevor eine Kündigung aufgrund von Mängeln in der Leistung oder im Verhalten ausgesprochen wird, ist ein Gespräch zu führen und in der Regel eine Frist zur positiven Veränderung anzusetzen (§ 17 Abs. 3 RSV VS). Bei missbräuchlichen oder ohne sachlichen Grund ausgesprochenen Kündigungen gelten für die Folgen und die Verwirkung der Ansprüche die Bestimmungen des OR über die missbräuchliche Kündigung sinngemäss (§ 19 Abs. 1 RSV VS). Laut Art. 336a Abs. 1 OR hat die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten.

3.2 Das Anstellungsverhältnis einer Lehrperson ist öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. § 6 Abs. 1 RSV VS). Die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsvertrags durch den staatlichen Arbeitgeber hat den allgemeinen Grundsätzen staatlichen Handelns, das heisst den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Rechtsgleichheit, des öffentlichen Interesses, der Verhältnismässigkeit und von Treu und Glauben zu entsprechen (TVR 2016 Nr. 11 E. 3.2). Das aus Art. 9 BV fliessende Willkürverbot sowie der verfassungsmässige Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebieten, dass eine Kündigung in pflichtgemässer Ermessensausübung nur gestützt auf sachliche Gründe ausgesprochen werden kann und zudem eine in der konkreten Situation angemessene Massnahme sein muss. Die Verwaltungsbehörde muss die Massnahme wählen, welche genügt (Urteil des Bundesgerichts 8C_974/2009 vom 2. Juni 2010 E. 5.1.1). Die Missbräuchlichkeit einer Kündigung kann sich nicht nur aus den Kündigungsmotiven, sondern auch aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Selbst wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_775/2021 vom 21. November 2022 E. 4.3 mit weiteren Hinweisen).

3.3 Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit muss die Kündigung ein geeignetes Mittel zur Problemlösung und ferner in dem Sinn erforderlich sein, dass weniger einschneidende Massnahmen nicht ebenfalls zum Ziel führen würden, und letztlich muss eine Abwägung der Interessen die Kündigung als gerechtfertigt erscheinen lassen. Eine Kündigung muss damit immer ultima ratio sein (Raess-Eichenberger, Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in: Donatsch/Gächter [Hrsg.], Zürcher Lehrpersonalrecht, 2012, S. 147, Hänni, Beendigung öffentlicher Dienstverhältnisse, in: Münch/Metz [Hrsg.], Stellenwechsel und Entlassung, 2. Aufl. 2012, § 8 N. 8.11). Sie ist damit ausgeschlossen, wenn dem Arbeitgeber mildere Massnahmen zur Verfügung stehen, um die eingetretene Störung des Arbeitsverhältnisses in zumutbarer Weise zu beheben. Diese Grundsätze sind auch für die ordentliche Auflösung des Dienstverhältnisses zu beachten (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6550/2007 vom 29. April 2008 E. 6 mit weiteren Hinweisen).

4. (Darstellung des von der Beschwerdeführerin kritisierten Verhaltens des Verfahrensbeteiligten gegenüber den Schülerinnen und Schülern, der Vorfälle, der geführten Gespräche und der Abmahnungen seitens der Schulleitung mit anschliessender Einsetzung eines Coachings zur Unterstützung des Verfahrensbeteiligten; Feststellung, dass die formellen Vorgaben von § 17 Abs. 3 RSV VS, inklusive Gewährung des rechtlichen Gehörs, eingehalten wurden)

5.

5.1 Die Vorinstanz prüfte weiter, ob ein sachlicher Kündigungsgrund vorlag. (…) Die Vorinstanz erachtete die beiden Vorfälle "Schülerin X" und "Schüler Y" als sachlichen Kündigungsgrund. In beiden Fällen habe sich der Verfahrensbeteiligte nachweislich unangemessen gegenüber Schülerinnen/Schülern verhalten. Es sei unbestritten, dass der Verfahrensbeteiligte grundsätzlich ein sehr erfahrener und guter Lehrer sei. Jedoch machten die wiederholt vorkommenden Aussetzer seine ansonsten gute Arbeit sozusagen zunichte. Beim Verfahrensbeteiligten komme hinzu, dass er diese Aussetzer seit Jahren regelmässig gehabt habe. Die Beschwerdeführerin habe ihn deswegen immer wieder kritisiert und ihn zur Besserung ermahnt. Das Verhalten des Verfahrensbeteiligten sei aber nicht besser geworden, sondern habe sich mit den Jahren sogar akzentuiert. Die Kündigung der Anstellung des Verfahrensbeteiligten sei unter diesen Umständen nicht missbräuchlich gewesen (…).

5.2 Auch diese Erwägungen der Vorinstanz sind schlüssig und nachvollziehbar. Eine weitergehende Abklärung der Vorfälle hätte, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, nicht zu entscheidrelevanten Erkenntnissen geführt, zumal die wesentlichen Vorkommnisse im Grundsatz unbestritten blieben. Trotz der förmlichen Verwarnung und des eingesetzten Coachings verbesserte sich das Verhalten des Verfahrensbeteiligten gegenüber seinen Schülerinnen und Schülern nicht oder zumindest nicht dauerhaft. Nach weiteren Vorfällen lag der sachliche Kündigungsgrund des Mangels im Verhalten im Sinne von § 17 Abs. 2 Ziff. 2 RSV VS vor, womit die Kündigung unter diesem Gesichtspunkt von der Vorinstanz zu Recht nicht als missbräuchlich erachtet wurde.

6.

6.1 Die Vorinstanz stellte alsdann aber fest, dass die Beschwerdeführerin gegen-über dem Verfahrensbeteiligten ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei, weshalb die Kündigung vom 26. April 2021 nicht verhältnismässig und daher in dieser Hinsicht missbräuchlich gewesen sei. Dies wird von der Beschwerdeführerin bestritten.

6.2
6.2.1 In E. 5.4 des angefochtenen Rekursentscheids führte die Vorinstanz aus, der Verfahrensbeteiligte sei seit rund 25 Jahren bei der Beschwerdeführerin angestellt und im Zeitpunkt der Kündigung 62 Jahre alt gewesen. Er habe somit kurz vor der ordentlichen Pensionierung gestanden. Aufgrund dieser Ausgangslage sei der Beschwerdeführerin gegenüber dem Verfahrensbeteiligten eine erhöhte Fürsorgepflicht zugekommen. Auch wenn der Verfahrensbeteiligte mit seinem Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben habe, hätte die Beschwerdeführerin nach Auffassung der Vorinstanz vor der Kündigung nach sozialverträglicheren Möglichkeiten suchen können und müssen. So wäre beim Verfahrensbeteiligten beispielsweise eine Frühpensionierung in Betracht gekommen. Die Schule könne nicht von vornherein davon ausgehen, dass der Verfahrensbeteiligte diesen Ausweg ausgeschlagen hätte. Die Schule hätte diese Lösung zumindest vorschlagen und mit dem Verfahrensbeteiligten besprechen können. Eine andere Lösung wäre gewesen, dem erfahrenen Verfahrensbeteiligten in der Schulverwaltung eine Aufgabe zu bieten. Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Rekursverfahrens zwar geltend gemacht, dass eine solche Aufgabe erst hätte geschaffen werden müssen. Doch aus den Personalakten gehe nicht hervor, dass sie diese Frage vor dem Rekurs überhaupt geprüft habe. Ausschlaggebend sei jedenfalls, dass die Beschwerdeführerin sogleich die Kündigung ausgesprochen habe, ohne zuvor andere Lösungsmöglichkeiten, insbesondere eine frühzeitige Pensionierung, zu prüfen. Damit sei die Kündigung nicht verhältnismässig. Die Beschwerdeführerin sei - so die Vorinstanz - ihrer (im vorliegenden Fall erhöhten) Fürsorgepflicht nicht genügend nachgekommen, weshalb die Kündigung vom 26. April 2021 in diesem Sinne missbräuchlich gewesen sei (…). Gestützt darauf sprach die Vorinstanz dem Verfahrensbeteiligten eine Entschädigung in Höhe von Fr. 11'840.35 (entsprechend einem Monatslohn) zu (…).

6.2.2 und 6.2.3 (…)

6.3
6.3.1 Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführerin angesichts der über 25-jährigen Anstellung des Verfahrensbeteiligten und seines Alters von 62 Jahren im Zeitpunkt der Kündigung eine erhöhte Fürsorgepflicht zukam. Fraglich ist allerdings, in welchem Ausmass seitens der Beschwerdeführerin Alternativen zur Kündigung zu prüfen bzw. dem Verfahrensbeteiligten anzubieten gewesen wären und inwieweit sie ihm Unterstützung hätte gewähren müssen. Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nicht gehalten war, für den Verfahrensbeteiligten eine Stelle als Lehrperson in einer anderen Schulgemeinde zu suchen. Vielmehr konnte es nur darum gehen, Möglichkeiten für eine Weiterführung des Anstellungsverhältnisses bei der Beschwerdeführerin, allenfalls mit einem geänderten Aufgabenfeld oder in anderer Funktion, zu finden. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass solche Alternativen geprüft worden seien, auch wenn dies nicht in den Akten dokumentiert worden sei. So sei in der Schulbehörde eine Versetzung des Verfahrensbeteiligten diskutiert und auch mit den Schulleitern thematisiert, schliesslich aber wieder verworfen worden. Diese Darstellung erscheint angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin mehrfach versucht hat, den Verfahrensbeteiligten trotz Fehlverhaltens weiterhin als Lehrperson zu beschäftigen (z.B. mittels Coaching), als glaubhaft. In diesem Zusammenhang ist aber vor allem auch zu beachten, dass - wie die Beschwerdeführerin überzeugend darlegt - für eine weitere Anstellung des Verfahrensbeteiligten in derselben Schulgemeinde überhaupt keine realistischen Alternativen bestanden. So erscheint es nachvollziehbar, dass angesichts der Grösse der Beschwerdeführerin - mit nur einem Oberstufenschulhaus und lediglich drei Jahrgangsklassen - alle Schulstufen, die Lehrkräfte und die Schulverwaltung sehr eng zusammenarbeiten müssen und ein gegenseitiges Ausweichen letztlich nicht möglich ist. Zudem musste die Beschwerdeführerin davon ausgehen, dass eine Weiterbeschäftigung des Verfahrensbeteiligten als Lehrperson die Problematik mit seinem nicht mehr akzeptierbaren Verhalten gegenüber den Schülerinnen und Schülern nicht gelöst hätte. Angesichts der Erfahrungen mit dem früheren Coaching wäre eine erneute Begleitung in dieser Form nicht erfolgversprechend gewesen. Auch eine Tätigkeit des Verfahrensbeteiligten in der Administration bzw. in der Hauswartung kam aus nachvollziehbaren Gründen für die Beschwerdeführerin nicht in Frage (…). Das Verhalten des Verfahrensbeteiligten gab bereits seit dem Jahr 2013 zu Beanstandungen Anlass und wurde auch im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche thematisiert. Offensichtlich lag der Beschwerdeführerin daran, die Problematik im Verhalten des Verfahrensbeteiligten seinen Schülerinnen und Schülern gegenüber anzugehen und zu lösen. So wurde der Verfahrensbeteiligte insbesondere in Form von Coachings unterstützt, was jedoch, wie dargelegt, nicht zu einer dauerhaften und nachhaltigen Verbesserung des beanstandeten Verhaltens des Verfahrensbeteiligten führte. Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdeführerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie habe den Verfahrensbeteiligten nicht in rechtsgenüglicher Weise unterstützt, weil sie keine Versetzung des Verfahrensbeteiligten ermöglicht hat. Mangels zumutbarer Alternativen hätte somit lediglich noch die Frühpensionierung des Verfahrensbeteiligten zur Diskussion gestanden.

6.3.2 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann der Beschwerdeführerin aber auch nicht vorgeworfen werden, dem Verfahrensbeteiligten nicht konkret und detailliert die Möglichkeit einer frühzeitigen Pensionierung aufgezeigt zu haben. Die Beschwerdeführerin durfte aufgrund der Gespräche mit dem Verfahrensbeteiligten davon ausgehen, dass eine Frühpensionierung von diesem nicht erwünscht war. So ergibt sich z.B. aus der Aktennotiz zu dem am 23. März 2021 geführten Gespräch, dass der Verfahrensbeteiligte erklärt hatte, er freue sich darauf, seine letzten drei Jahre als Lehrer noch in Angriff nehmen zu können. Nach der Auflösung seines Anstellungsverhältnisses bei der Beschwerdeführerin trat der Verfahrensbeteiligte denn auch per 1. August 2021 eine (vorerst befristete) Anstellung als Oberstufenlehrer bei der Schule B an, wo er offenbar bis zum aktuellen Zeitpunkt noch tätig ist (…). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Frühpensionierung in erster Linie um ein Recht der Lehrperson handelt, welches von ihr einseitig aus-geübt werden kann. So sieht § 14 Abs. 1 RSV VS vor, dass die Lehrperson das Recht hat, zwischen dem vollendeten 58. Altersjahr und dem vollendeten 65. Altersjahr zurückzutreten, wobei sich die Altersleistungen nach dem Reglement der Pensionskasse richten. Laut § 14 Abs. 2 RSV VS erfolgt die Erklärung des Altersrücktrittes in Form einer Kündigung und unter Beachtung der Kündigungsfristen. Angesichts der Äusserung des Verfahrensbeteiligten, weiterhin als Lehrer tätig sein zu wollen, ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin nicht von sich aus und in offensiver Weise das Thema Frühpensionierung aufgriff, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, den Verfahrensbeteiligten unter Druck zu setzen. Die Ausübung des Rechts auf Frühpensionierung lag ausschliesslich in der Verantwortung des Verfahrensbeteiligten. Nicht ersichtlich ist, dass die Beschwerdeführerin, hätte der Verfahrensbeteiligte dieses Recht ausüben wollen, sich dieser Lösung widersetzt hätte. Angesichts des Bildungsstandes sowie der früheren Tätigkeit des Verfahrensbeteiligten als Schulleiter kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er keine Kenntnis von seinem Recht auf Frühpensionierung hatte. Es hätte somit dem Verfahrensbeteiligten oblegen, bei Bedarf die Beschwerdeführerin auf eine Frühpensionierung anzusprechen oder dieses Recht einfach auszuüben, zumal ihm die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits mit der Verwarnung vom 1. Oktober 2019 angedroht worden war. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht kann daher der Beschwerdeführerin auch in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen werden.

6.3.3 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Regelung von § 22 RSV VS. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung kann einer Lehrperson, deren Arbeitsverhältnis durch die Schulgemeinde gekündigt oder auf Veranlassung der Schulgemeinde im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst wird, ohne dass sie dazu durch ihre Leistungen oder ihr Verhalten begründeten Anlass geben hat, eine Abgangsentschädigung ausgerichtet werden, wenn sie bis zur Auflösung während mindestens fünf Jahren im thurgauischen Schuldienst gestanden hat und im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses das 55. Altersjahr vollendet und das 63. Altersjahr noch nicht vollendet hat. Selbst in dieser Konstellation, in welcher die ältere Lehrperson - im Gegensatz zum Verfahrensbeteiligten - durch ihr Verhalten keinen begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat, wird nach § 22 Abs. 2bis Satz 1 RSV VS aber keine Abgangsentschädigung ausgerichtet, wenn eine zumutbare Anschlussbeschäftigung vorliegt. Der Verfahrensbeteiligte hat im Anschluss an die Auflösung seines Anstellungsverhältnisses bei der Beschwerdeführerin eine Anschlussbeschäftigung bei der Schule B gefunden (zu einem Pensum von 84%), die wohl als zumutbar zu qualifizieren ist, zumal er gemäss dem Internet-Auftritt der Schule B noch immer dort angestellt ist. Wenn § 22 RSV VS selbst für die Konstellation, wo die Lehrperson keinen Anlass zur Kündigung gegeben hat, trotz der erhöhten Fürsorgepflicht gegenüber älteren Lehrpersonen die Ausrichtung einer Abgangsentschädigung explizit ausschliesst, wenn eine zumutbare Anschlusslösung vorliegt, würde es eine gesetzgeberisch nicht gewollte Überdehnung der Fürsorgepflicht darstellen, einer älteren Lehrperson, die - wie es beim Verfahrensbeteiligten der Fall ist - durch ihr Verhalten begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat, aber über eine zumutbare Anschlusslösung verfügt, gestützt auf § 19 Abs. 1 RSV VS i. V. mit Art. 336a Abs. 1 OR eine Entschädigung auszurichten.

6.4 Zusammenfassend kann daher der Beschwerdeführerin - entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Verfahrensbeteiligten - keine Verletzung ihrer (erhöhten) Fürsorgepflicht gegenüber dem Verfahrensbeteiligten vorgeworfen werden. Unter den gegebenen Umständen kann die Kündigung vom 26. April 2021 daher weder als unverhältnismässig noch als missbräuchlich qualifiziert werden. Das Vorgehen der Beschwerdeführerin war auch in formeller Hinsicht korrekt. Die Voraussetzungen für die Zusprache einer Entschädigung wegen missbräuchlicher oder ohne sachlichen Grund ausgesprochener Kündigung nach § 19 Abs. 1 RSV VS sind nicht erfüllt. Dem Verfahrensbeteiligten wurde von der Vorinstanz zu Unrecht eine entsprechende Entschädigung in Höhe von Fr. 11'840.35 zugesprochen. Die Beschwerde erweist sich daher als begründet. Sie ist gutzuheissen und der angefochtene Rekursentscheid vom 8. Juli 2022 ist aufzuheben.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2022.93/E vom 17. Mai 2023

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