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TVR 2024 Nr. 1

Verletzung des Stimmrechts; Gebot der Sachlichkeit und Transparenz; kein schwerer Verfahrensmangel, Feststellung der Rechtsverletzung im Dispositiv.


Art. 34 BV, § 27 Abs. 2 StWG, § 100 Abs. 2 StWG


In einer Abstimmungsbotschaft ist dem Gebot der Sachlichkeit und Transparenz hinreichend Rechnung zu tragen. Mögliche Rechtswidrigkeiten (potentielle Unvereinbarkeiten mit höherrangigem Recht) sind wichtige Elemente für die Meinungsbildung, auf welche die Stimmberechtigten in der Abstimmungsbotschaft hinzuweisen sind.


Die Politische Gemeinde Kesswil (verfahrensbeteiligte Gemeinde) hat ihre Ortsplanung einer Totalrevision unterzogen. Mit Entscheid Nr. XX genehmigte das DBU diese Ortsplanungsrevision nur teilweise. Es wies die verfahrensbeteiligte Gemeinde konkret an, wie der Zonenplan anzupassen sei (Dispositiv-Ziff. 2f). Diese Anweisung blieb unangefochten. In der Folge passte die verfahrensbeteiligte Gemeinde ihren Rahmennutzungsplan an, wobei es die Anweisungen des DBU gemäss Entscheid Nr. XX nur teilweise umsetzte. Die Beschwerdeführer erhoben gegen die Anpassungen im planungsrechtlichen Verfahren Einsprache und - nach Abweisung derselben - Rekurs beim DBU. Nach Erhalt der Abstimmungsunterlagen für die Urnenabstimmung zur Nachführung bzw. Anpassung des Zonenplans erhoben die Beschwerdeführer Stimmrechtsrekurs gegen die Abstimmungsbotschaft. Am 18. Juni 2023 wurde die Vorlage von den Stimmberechtigten an der Urne mit 209 Ja- (73.33%) zu 76 Nein-Stimmen (26.67%) bei einer Stimmbeteiligung von 44.51% angenommen. Den Stimmrechtsrekurs wies das DIV (Vorinstanz) am 11. August 2023 ab, soweit es darauf eintrat.

Das Verwaltungsgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut. Es stellt eine Verletzung des Stimmrechts fest, hebt indes die Urnenabstimmung nicht auf, weil kein schwerer Mangel vorlag und die Rechtsverletzung nicht geeignet war, das Resultat entscheidend zu beeinflussen.

 

Aus den Erwägungen:

 

2.

2.1 Angefochten ist der Entscheid der Vorinstanz vom 11. August 2023 betreffend Stimmrechtsrekurs. Strittig und zu prüfen ist, ob die Abstimmungsbotschaft zur Urnenabstimmung vom 18. Juni 2023 die Abstimmungsfreiheit gemäss Art. 34 Abs. 2 BV verletzt. Die Beschwerdeführer rügen, den Stimmberechtigten seien wesentliche Informationen vorenthalten worden.

 

2.2 Stimmberechtigte können nach § 97 Abs. 1 StWG wegen Verletzung des Stimm- und Wahlrechts einschliesslich Rechtsverletzungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Abstimmungen oder Wahlen Rekurs erheben. § 100 Abs. 1 StWG beschränkt die Rechtsfolgen einer Stimmrechtsbeschwerde auf die Aufhebung einer Wahl oder Abstimmung, wenn die gerügten Rechtsverletzungen nach Art und Umfang geeignet waren, das Resultat entscheidend zu beeinflussen. Bei nicht entscheidbeeinflussenden Rechtsverletzungen bleibt es bei einer formellen Feststellung der Rechtsverletzung (§ 100 Abs. 2 StWG).

 

2.3 Die in der BV verankerte Garantie der politischen Rechte (Art. 34 Abs. 1 BV) schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe (Art. 34 Abs. 2 BV). Geschützt wird namentlich das Recht der Stimmberechtigten, weder bei der Bildung noch bei der Äusserung des politischen Willens unter Druck gesetzt oder in unzulässiger Weise beeinflusst zu werden. Die Stimmberechtigten sollen ihre politische Entscheidung gestützt auf einen gesetzeskonformen sowie möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen können. Die Abstimmungsfreiheit gewährleistet die für den demokratischen Prozess und die Legitimität direktdemokratischer Entscheidungen erforderliche Offenheit der Auseinandersetzung. Aus Art. 34 Abs. 2 BV wird namentlich eine Verpflichtung der Behörden auf korrekte und zurückhaltende Information im Vorfeld von Abstimmungen abgeleitet (BGE 143 I 78 E. 4.3; BGE 140 I 338 E. 5; BGE 145 I 1 E. 4.1).

 

2.4 Bei Sachabstimmungen im eigenen Gemeinwesen kommt den Behörden eine gewisse Beratungsfunktion zu. Diese nehmen sie mit der Redaktion der Abstimmungserläuterungen, aber auch in anderer Form wahr (BGE 145 I 1 E. 5.2.1; BGE 143 I 78 E. 4.4). Nach der Rechtsprechung ist die Behörde in ihren Abstimmungserläuterungen oder Abstimmungsbotschaften zwar nicht zur Neutralität verpflichtet - und darf eine Abstimmungsempfehlung abgeben -, wohl aber zur Sachlichkeit. Informationen im Vorfeld einer Abstimmung unterliegen den Geboten der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit (BGE 140 I 338 E. 5.1 mit Hinweisen). Dem Erfordernis der Sachlichkeit genügen Informationen, wenn die Aussagen wohl abgewogen sind und beachtliche Gründe dafür sprechen, wenn sie ein umfassendes Bild der Vorlage mit Vor- und Nachteilen abgeben und den Stimmberechtigten eine Beurteilung ermöglichen oder wenn sie trotz einer gewissen Überspitzung nicht unwahr und unsachlich bzw. lediglich ungenau und unvollständig sind. Aus der Pflicht zur objektiven Information folgt nicht, dass sich die Behörde in der Abstimmungserläuterung mit jeder Einzelheit der Vorlage zu befassen hätte oder dass sie sämtliche Einwendungen erwähnen müsste, die gegen die Vorlage erhoben werden könnten. Das ist schon deshalb entbehrlich, weil der behördliche Bericht keineswegs das einzige Informationsmittel im demokratischen Meinungsbildungsprozess darstellt und die Stimmberechtigten von den für oder gegen die Vorlage sprechenden Argumenten auch noch über andere Quellen Kenntnis erhalten können und sollen. Im Sinne einer gewissen Vollständigkeit verbietet das Gebot der Sachlichkeit indessen, in den Abstimmungserläuterungen für den Entscheid der Stimmbürgerschaft wichtige Elemente zu unterdrücken, für die Meinungsbildung bedeutende Gegebenheiten zu verschweigen oder Argumente von gegnerischen Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiederzugeben (BGE 139 I 2 E. 6.2; BGE 138 I 61 E. 6.2). Behördliche Informationen zu eigenen Vorlagen müssen geeignet sein, zur offenen Meinungsbildung beizutragen, und dürfen nicht in dominanter und unverhältnismässiger Art im Sinne eigentlicher Propaganda eine freie Willensbildung der Stimmberechtigten erschweren oder geradezu verunmöglichen (BGE 145 I 1 E. 5.2.1; BGE 140 I 338 E. 5.1). Behördlichen Abstimmungserläuterungen, die den Stimmberechtigten - wie vorliegend - zusammen mit dem Abstimmungsmaterial zugestellt werden, kommt bei der Willensbildung der Stimmberechtigten grundsätzlich ein grosses Gewicht zu (Urteil des Bundesgerichts 1C_343/2022 vom 30. Dezember 2022 E. 3.4). Wird eine Vorlage der Abstimmung unterbreitet, welche möglicherweise rechtswidrige Bestandteile enthält, wie etwa eine potentielle Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht, so stellt dieser Umstand eine wichtige Information für die Stimmberechtigten dar. Die Behörden haben über die mögliche Rechtswidrigkeit der Abstimmungsvorlage bzw. die Notwendigkeit einer Auslegung in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht daher zu informieren (Hangartner/Kley/Braun Binder/Glaser, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. 2023, Rz. 2488 mit Hinweis auf Urteil des Bundesgerichts 1C_105/2019 vom 16. September 2020 E. 9.3 [= BGE 147 I 183]).

 

2.5 Selbst wenn Mängel vor einer Abstimmung oder bei deren Durchführung festzustellen sind, ist die Abstimmung nach der Rechtsprechung nur dann aufzuheben, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich sind und das Ergebnis beeinflusst haben können. Dabei sind insbesondere die Grösse des Stimmenunterschieds, die Schwere der Verfahrensmängel und deren Auswirkungen auf die Abstimmung insgesamt zu berücksichtigen (BGE 145 I 207 E. 4.1 = Pra 2019 Nr. 74). Die Beschwerdeführer müssen in einem solchen Fall zwar nicht nachweisen, dass sich der Mangel auf das Ergebnis der Abstimmung entscheidend ausgewirkt hat. Es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige Auswirkung im Bereich des Möglichen liegt. Erscheint allerdings die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umständen als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht fällt, so kann von der Aufhebung der Abstimmung abgesehen werden (BGE 145 I 1 E. 4.2 mit Hinweisen).

 

2.6 Nach § 12 Abs. 1 GemG richten sich Abstimmungen und Wahlen nach dem StWG. Nach § 27 Abs. 2 StWG hat die Botschaft zur Abstimmung eine sachliche Erläuterung der Vorlage zu enthalten. Diese Bestimmung enthält das Gebot der Sachlichkeit und hat eine hinreichende Information der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu gewährleisten (vgl. Botschaft des Regierungsrats zum StWG vom 23. April 2013, S. 14).

 

2.7        

2.7.1 Die Unterbreitung einer angeblich materiell rechtswidrigen Behördenvorlage berührt in der Regel nicht das Stimmrecht. Dies gilt insbesondere, wenn geltend gemacht wird, eine Planungsvorlage widerspreche dem übergeordneten Raumplanungsrecht (Urteil des Bundesgerichts 1C_100/2019 vom 16. Mai 2019 E. 1.2 mit Hinweisen). Hierfür ist der Rechtsmittelweg im Sinne des PBG zu beschreiten. Ergibt sich aus dem kantonalen Recht kein Anspruch auf materielle Prüfung vor der Abstimmung, besteht kein Rechtsschutzinteresse an der Prüfung einer allfälligen Unrechtmässigkeit der Vorlage. Der Umstand einer allfälligen Unrechtmässigkeit der zur Abstimmung unterbreiteten Vorlage führt in der Regel für sich allein zu keiner direkten Verletzung der freien und unverfälschten Willenskundgabe (BGE 139 I 195 E. 1.3.2). Die Stimmrechtsbeschwerde will einzig den Rechtsschutz in Bezug auf die demokratische Beteiligung und Willensbildung sicherstellen und soll lediglich dort erhoben werden können, wo ein direkter Zusammenhang mit der Ausübung des Stimmrechts besteht. Wenn das kantonale Recht indessen vorsieht, dass Abstimmungsvorlagen materiell vorzuprüfen sind, können die Stimmberechtigten mit Stimmrechtsbeschwerde geltend machen, die vorgenommene Überprüfung halte vor den massgeblichen Kriterien nicht stand und verletze somit die politischen Rechte (Urteile des Bundesgerichts 1C_495/2010 vom 24. März 2011 E. 2.2 und 1C_254/2011 vom 25. Oktober 2011 E. 3.1.1 mit Hinweis auf BGE 128 I 190 E. 1.3). Eine solche Pflicht zur Vorprüfung von Abstimmungsvorlagen kennt im Kanton Thurgau weder das StWG noch das kommunale Recht. Auf den Erlass des Rahmennutzungsplans (Zonenplan und Baureglement) durch die Gemeinde bzw. das Stimmvolk (§ 2 Abs. 2 GemG; Art. 10 Abs. 2 lit. b der Gemeindeordnung der verfahrensbeteiligten Gemeinde; vgl. Janser, Wegweiser durch das Thurgauer Planungs- und Baugesetz, 2021, § 4, S. 9 und 11) folgt das Genehmigungs- (Art. 26 Abs. 3 RPG und § 5 Abs. 3 PBG) und allenfalls ein Anfechtungs- bzw. Rechtsmittelverfahren. Die Unrechtmässigkeit einer Abstimmungsvorlage kann somit nachträglich geprüft und der Rechtsschutz nach der Abstimmung gewährt werden (BGE 139 I 195 E. 1.3.2). Es liegt in der Natur der Sache, dass zur Abstimmung auch Vorlagen gebracht werden, die sich später als materiell rechtswidrig erweisen.

 

2.7.2 Die Vorinstanz wies den Rekurs ab, soweit darauf eingetreten werden könne. Sie hielt fest, es sei fraglich, ob überhaupt ein Stimmrechtsrekurs vorliege (E. 3b). Die Beschwerdeführer hätten ausschliesslich planungs- bzw. baurechtliche Argumente ins Feld geführt (E. 6 f.). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführer machen zwar auch im Stimmrechtsverfahren geltend, die Abstimmungsvorlage widerspreche dem Genehmigungsentscheid Nr. XX des DBU vom 31. Mai 2021. Ihren Stimmrechtsrekurs und ihre Stimmrechtsbeschwerde begründen sie aber damit, dass wichtige Elemente für die Meinungsbildung verschwiegen worden seien. Sie halten zu Recht fest, dass die Bindungswirkung des Genehmigungsentscheids Nr. XX nicht Streitgegenstand ist. Darüber wird im von den Beschwerdeführern beim DBU erhobenen Rechtmittelverfahren bzw. im noch von Amtes wegen folgenden Genehmigungsverfahren (Art. 26 RPG, § 5 Abs. 2 und 3 PBG) zu entscheiden sein, wobei der Genehmigungsentscheid anfechtbar ist. Mithin ist vorliegend nicht zu prüfen, ob die Abstimmungsvorlage dem Genehmigungsentscheid Nr. XX des DBU vom 31. Mai 2021 widerspricht und ein planungsrechtlich rechtswidriger Antrag zur Abstimmung zugelassen wurde. Vorliegend zu beurteilen ist, ob die Stimmberechtigten hinreichend informiert wurden. Entgegen der Auffassung der verfahrensbeteiligten Gemeinde ist es zulässig, beide Verfahrenswege (Stimmrechts- und planungsrechtlicher Rekurs) zu beschreiten, zumal sich nicht identische Rechtsfragen stellen.

 

3.

3.1 Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, den Stimmberechtigten sei in der Abstimmungsbotschaft eine entscheidende Information vorenthalten worden, indem verschwiegen worden sei, dass das DBU die verfahrensbeteiligte Gemeinde im Genehmigungsentscheid Nr. XX vom 31. Mai 2021 in Dispositiv-Ziff. 2f angewiesen habe, die nicht genehmigten Einzonungsflächen (Änderungen Nrn. 19 und 21) einer geeigneten Nichtbauzone und die nicht genehmigte Wohnzone W2b (Änderung Nr. 21a) der Dorfzone D2 zuzuweisen. Dies sei mangels Beschwerdeerhebung rechtskräftig geworden. Sie machen demnach geltend, die erteilten Informationen seien unrichtig, irreführend oder unvollständig gewesen, was eine zuverlässige und unverfälschte Willensbildung und -äusserung der Stimmberechtigten im Sinne von Art. 34 Abs. 2 BV verhindert habe. Sie gehen davon aus, wäre darüber korrekt informiert worden, wäre die Vorlage nicht angenommen worden.

 

3.2 - 3.3 (…)

 

3.4        

3.4.1 In der Abstimmungsbotschaft wurde somit ausgeführt, welche ursprünglich beschlossenen Zonenplanänderungen nicht genehmigt wurden (Dispositiv-Ziff. 2a bis e des Genehmigungsentscheids Nr. XX des DBU vom 31. Mai 2021). Die Gründe der Nichtgenehmigung wurden indes nicht erläutert. Ebenso unerwähnt blieben - was die Beschwerdeführer rügen - die Anweisungen gemäss Dispositiv-Ziff. 2f. Nicht erwähnt wurde ferner, dass der Einspracheentscheid der verfahrensbeteiligten Gemeinde vom 7. März 2023 (versandt am 5. Mai 2023) noch nicht rechtskräftig war. Auch auf den Inhalt des Vorprüfberichts vom 18. Juli 2022 wurde nicht eingegangen, obwohl das ARE unter anderem festhielt, es irritiere, dass den Anweisungen im Genehmigungsentscheid nur teilweise Folge geleistet werde und nicht nachvollziehbar sei, weshalb die nicht genehmigte Wohnzone W2b auf Parzelle Nr. X entgegen der Anweisung des DBU der Landwirtschaftszone zugewiesen werde. Zonenplan und Gestaltungsplan würden sich so widersprechen (Ziff. 3.2). In der Abstimmungsbotschaft wurde lediglich ausgeführt, dass gestützt auf den Vorprüfbericht noch diverse Anpassungen vorgenommen worden seien (Ziff. 5.2 der Abstimmungsbotschaft). Um welche Anpassungen es sich dabei handelte, wurde vom Gemeinderat nicht erläutert. (…). In der Abstimmungsbotschaft wurde festgehalten, dass von einem Einzonungspotential von 1'238 m2 (1'403 m2 Auszonungen gegenüber 165 m2 Einzonungen) ausgegangen werde. Darauf basieren die von der verfahrensbeteiligten Gemeinde vorgenommenen Änderungen. Die verfahrensbeteiligte Gemeinde legt in ihren Eingaben [im Beschwerdeverfahren] dar, dass sie davon ausgeht, nicht der Ort der Einzonung, sondern die nach Auffassung des DBU nicht erfüllte Flächenbilanz der WMZ-Zonen hätte zur Nichtgenehmigung geführt. Nachdem diese Frage bereinigt worden sei, könne der Genehmigungsentscheid Nr. XX der neuen Zonenplanänderung nicht entgegenstehen.

 

3.4.2 Diese Auffassung der verfahrensbeteiligten Gemeinde hätte den Stimmbürgern mitgeteilt werden müssen, um den Geboten der Sachlichkeit und der Transparenz hinreichend Rechnung zu tragen. Mögliche Rechtswidrigkeiten (potentielle Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht) sind nämlich wichtige Elemente, auf welche die Stimmberechtigten hinzuweisen sind. Es ist ihnen zuzutrauen, entsprechende behördliche Informationen in ihren Entscheid für eine Zustimmung oder Ablehnung der Abstimmungsvorlage einfliessen zu lassen und die Begründung der Behörde kritisch zu hinterfragen (vgl. BGE 147 I 183 E. 9.3). Die Abstimmungsvorlage vermag vorliegend dem Gebot der Sachlichkeit daher nicht zu genügen, weil ein wichtiges Element für die Meinungsbildung unterdrückt wurde. Auch unter Berücksichtigung des Vorprüfberichts des ARE vom 18. Juli 2022 hätte der Gemeinderat die Anweisungen gemäss Dispositiv-Ziff. 2f des Entscheids des DBU Nr. XX vom 31. Mai 2021 erwähnen und begründen sollen, weshalb er davon abweicht und dies als zulässig erachtet. Für die Beurteilung der Rechtsfolge dieser Rechtsverletzung sind aber insbesondere die Grösse des Stimmenunterschieds, die Schwere dieses Verfahrensmangels und dessen Auswirkungen auf die Abstimmung insgesamt zu berücksichtigten (BGE 145 I 207 E. 4.1 = Pra 2019 Nr. 74). Der Verfahrensmangel wiegt insbesondere daher nicht besonders schwer, weil in der Abstimmungsbotschaft immerhin ausgeführt wurde, welche ursprünglich beschlossenen Zonenplanänderungen nicht genehmigt wurden. Zudem wurde die bloss teilweise Genehmigung des Zonenplans unter expliziter Nennung der von der Nichtgenehmigung betroffenen Parzellen im Amtsblatt publiziert und hätte der Entscheid Nr. XX des DBU vom 31. Mai 2021 bei der verfahrensbeteiligten Gemeinde eingesehen werden können (…). Auch bestanden neben der Abstimmungsbotschaft weitere Informationsquellen und über die Ortsplanrevision wurde auch in den Medien berichtet. Angesichts des deutlichen Stimmenunterschieds von 209 Ja- zu 76 Nein-Stimmen erscheint zudem die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den festgestellten, nicht besonders schwerwiegenden Mangel der Botschaft anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umständen als derart gering, dass sie nicht ernsthaft in Betracht fällt. Von der Aufhebung der Abstimmung ist daher abzusehen (BGE 145 I 207 E. 4.1 [= Pra 2019 Nr. 74] und 145 I 1 E. 4.2; Urteil des Bundesgerichts 1C_632/2017 vom 5. März 2018 E. 5 ff.). Gestützt auf § 100 Abs. 2 StWG ist die von der verfahrensbeteiligten Gemeinde begangene Rechtsverletzung aber formell festzustellen. In diesem Sinne ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, im Übrigen jedoch abzuweisen.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.110/E vom 20. März 2024

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