TVR 2024 Nr. 10
Vergleichsvertrag, Vertragsmangel, Irrtum.
Werden Unklarheiten betreffend die Kausalität eines Schadensereignisses mit einem Vergleichsvertrag beseitigt, kann später nicht geltend gemacht werden, der Vergleichsvertrag sei unter falschen Annahmen zur Kausalität geschlossen worden. In diesem Fall stellt die Kausalität keinen für die Parteien feststehenden Umstand (caput non controversum) dar, welcher einem Grundlagenirrtum zugänglich wäre (E. 6)
Aufgrund einer Dammrutschung im Juli 2017 musste die dadurch beschädigte Kantonsstrasse K79, der darunterliegende Damm und die durch den Damm verlaufende Wasserleitung saniert werden. Gestützt auf einen Vergleichsvertrag vom November 2017 bezüglich sämtlicher wesentlicher Punkte der Sanierung (inklusive Kostenverteilung) erhob der Kanton Thurgau gegen die Politische Gemeinde Schönholzerswilen (Beklagte) beim Verwaltungsgericht eine Forderungsklage. Die Beklagte verneinte eine Schadenersatzpflicht gestützt auf den Vergleichsvertrag, wobei sie sich unter anderem auf einen Irrtum betreffend die Kausalität des Schadens berief.
Mit Vorentscheid vom 6. Juli 2022 (auszugsweise publiziert in TVR 2022 Nr. 5) hielt das Verwaltungsgericht fest, dass eine allfällige Forderung des Klägers gegenüber der Beklagten nicht verjährt sei.
Mit Endentscheid vom 28. Februar 2024 kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass die Kausalität im Vergleichsvertrag kein Punkt gewesen sei, von dessen Richtigkeit die Parteien ausgegangen seien, weshalb sich die Beklagte nicht auf einen Grundlagenirrtum berufen könne. Es verpflichtet die Beklagte zur Leistung von Fr. 251'882.40 zuzüglich Zins seit 29. Mai 2020.
Aus den Erwägungen:
1.2 Unabhängig davon, ob die geltend gemachte Forderung auf (verwaltungs-) vertraglicher oder haftpflichtrechtlicher Grundlage beruht, ergibt sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau zur Beurteilung der vorliegenden Klage aus § 64 Abs. 1 Ziff. 1 respektive § 64 Abs. 1 Ziff. 1a VRG. Sofern zwischen den Parteien tatsächlich ein (durchsetzbarer) Vertrag zu Stande gekommen sein sollte, wäre dieser Vertrag verwaltungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, Rz. 1304 ff.). (…)
2. (…)
3.
3.1 Mit Vorentscheid vom 6. Juli 2022 hat das Verwaltungsgericht bereits festgestellt, dass die Parteien einen mündlichen koordinationsrechtlichen (Vergleichs-)Vertrag bezüglich sämtlicher wesentlicher Punkte der Sanierung der Kantonsstrasse K79, des darunterliegenden Dammes und der durch den Damm verlaufenden Wasserleitung geschlossen haben und eine allfällige Forderung des Klägers gegenüber der Beklagten damit nicht verjährt ist. Der Entscheid vom 6. Juli 2022 wurde von den Parteien nicht angefochten und ist zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen.
3.2 (…) In Anbetracht der Vorbringen der Beklagten ist im Folgenden zunächst zu prüfen, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vergleichsvertrag an wesentlichen Mängeln leidet.
4. Der Irrtum ist in Art. 23 ff. OR geregelt. Gemäss Art. 23 OR ist der Vertrag für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat. Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: wenn der Irrende einen anderen Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR) und wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich (Art. 24 Abs. 2 OR). Gemäss Art. 25 OR ist die Berufung auf Irrtum unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht.
5. (…)
6.
6.1 Die Beklagte wendet weiter ein, dass sie auch einem Motivirrtum im Sinne eines von Gesetzes wegen wesentlichen Grundlagenirrtums nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR erlegen sei.
6.2 Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass sie ihren Willen zum Abschluss des Vergleichsvertrags vom November 2017 aufgrund einer falschen Vorstellung zum Kausalverlauf, gestützt auf eine unzutreffende Parteibehauptung durch den vom Kläger beigezogenen Parteiexperten, gebildet habe. Erst im Hinblick auf die gerichtlich eingeklagte Forderung habe sie Abklärungen zur Kausalität bei einem eigenen beigezogenen Experten vorgenommen. Dieser eigene Parteiexperte habe darauf hingewiesen, dass die Ursache für den Leitungsbruch im (dem Kläger zurechenbarem) Schwerverkehr in den Tagen vor dem Ereignis liege. Angesichts dieser Expertenbeurteilung sei der damalige Vergleichsvertrag unter falschen Annahmen zur Kausalität geschlossen worden. Mit Abschluss des Vergleichsvertrags sei die Beklagte, wie durch das angerufene Gericht rechtskräftig festgestellt worden sei, von keiner rein vertraglichen Verpflichtung und stattdessen von der Haftung als Werkeigentümerin wegen der Verursachung der Dammrutschung ausgegangen. Erst anlässlich der internen Instruktionen zu der nach erhobener Verjährungseinrede hängigen gerichtlichen Klage sei im Hinblick auf die Klärung der Ursache der Dammrutschung festgestellt worden, dass ausserordentlicher Mehrverkehr von schweren Lastwagen in den Tagen vor dem Ereignis ursächlich sein könne. Der beigezogene Parteiexperte habe der Beklagten bestätigt, dass im zusätzlichen Schwerverkehr die wahrscheinlichste Ursache für das Leck in der Wasserleitung liege und die deshalb folgende Dammrutschung durch den Schwerverkehr (Abtransport Fräsgut aus Sanierung der Kantonsstrasse zwischen Mettlen und Hagenwil) in den Tagen vor dem Ereignis verursacht worden sei. Nachdem das Verwaltungsgericht mit Vorentscheid vom 6. Juli 2022 rechtskräftig beurteilt habe, dass zwischen den Parteien ein Vergleichsvertrag zustande gekommen sei und die Parteien anlässlich dieses Vergleichsvertrags eine verbindliche Kostenverteilung auf der damals nicht strittigen Kausalitätsbeurteilung durch den Parteiexperten des Klägers festgelegt hätten, stehe fest, dass dieser Vergleichsvertrag irrtumsbehaftet gewesen sei. Hinsichtlich der von den Parteien widersprechenden Auffassung zur Ursache der Hangrutschung halte die Beklagte weitergehend daran fest, dass die abschliessende Klärung durch einen gerichtlichen Experten anlässlich eines Gerichtsgutachtens zu erfolgen haben werde. Die von ihr abgegebene und vom Verwaltungsgericht als Zustimmung zum Vergleichsvertrag beurteilte Erklärung entspreche hinsichtlich dem Kausalzusammenhang einem falsch gebildeten Geschäftswillen. Bei zutreffender Kenntnis der Kausalität hätte die Beklagte keinesfalls für die Wiederherstellungskosten fremden Eigentums (Dammsanierung) aufkommen können und wäre dafür auch nicht aufgekommen. Die Voraussetzungen des bestimmten, subjektiv unzutreffenden Sachverhalts sowie der objektiv notwendigen Grundlage dieses Sachverhaltes zum Vertragsschluss seien gerichtlich beurteilt. Das Verwaltungsgericht habe anlässlich dem in Rechtskraft erwachsenen Vorentscheid vom 6. Juli 2022 festgestellt, dass der von den Parteien vereinbarte Kostenteiler auf der Beurteilung der Kausalität durch den Parteiexperten E von der Z AG abstelle. Angesichts dieser in Rechtskraft erwachsenen Feststellung des Verwaltungsgerichts stehe fest, dass die dem Kostenteiler zugrundeliegende pauschale Kausalitätsbeurteilung Grundlage des Vergleichsvertrages darstelle. Beide Parteien hätten die Parteibeurteilung des vom Kläger beigezogenen Experten E auch nicht hinterfragt, obwohl die Kausalitätsbeurteilung gemäss dem zwischenzeitlich von der Beklagten beigezogenen eigenen Parteiexperten auf unzutreffender Kausalitätsbeurteilung beruht habe. Gestützt auf die Parteibeurteilung von E seien die Parteien übereinstimmend von irrtümlich gegebener Kausalität ausgegangen. Wie sodann auch das angerufene Gericht rechtskräftig festgestellt habe, habe der Vergleichsvertrag nicht die Beilegung der damals unstrittigen Kausalität, sondern die Beilegung des Streits zum Quantitativ, insbesondere dem durch Sanierung erreichten Mehrwert betroffen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau habe in E. 6.4.7 des Vorentscheids vom 6. Juli 2022 auf die Einigung der Parteien hinsichtlich prozentualer Aufteilung der Sanierungskosten hingewiesen und mit keinem Wort die damals nicht strittige Kausalität erwähnt. Damit würden die durch Vergleichsvertrag der Parteien beseitigten Fragen keinesfalls die (irrtümlich damals nicht strittige) Kausalität beinhalten. Bei der Kausalität handle es sich demnach um ein caput non controversum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR, was der Berufung auf Grundlagenirrtum zugänglich sei. Für die Beklagte sei im Übrigen auch klar gewesen, dass sie sich ausschliesslich zu einer ausservertraglichen haftpflichtrechtlichen Schadenerledigung habe äussern können und wollen, weitergehende Zugeständnisse hätten die Beklagte sowie deren Angestellte und beigezogene Hilfspersonen gar nicht abgeben können, was der Kläger nach Treu und Glauben habe wissen müssen. Damit seien beide Voraussetzungen zur Annahme eines wesentlichen Irrtums im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR erfüllt und zudem auch rechtskräftig gerichtlich beurteilt. Es könne festgestellt werden, dass der zwischen den Parteien im November 2017 abgeschlossene Vergleichsvertrag an einem wesentlichen Mangel im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR leide, womit der Vergleichsvertrag einseitig unverbindlich sei.
6.3
6.3.1 Der Kläger hält im Wesentlichen entgegen, mit dem Vorentscheid vom 6. Juli 2022 sei rechtskräftig entschieden worden, dass zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen sei. Das Vorliegen eines Grundlagenirrtums würde zur Ungültigkeit des Vertrags führen und dessen Zustandekommen damit verhindern. Sei rechtskräftig festgestellt, dass ein Vertrag zustande gekommen sei, schliesse dies also auch das Vorliegen eines (Grundlagen-)lrrtums aus. Da sich die Forderung des Klägers aus einem Vergleichsvertrag ergäben, seien sämtliche Ausführungen der Beklagten zur Kausalität im Rahmen des vorliegenden Verfahrens grundsätzlich unbeachtlich. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen würde, die Beklagte hätte sich tatsächlich in einem Irrtum betreffend die Kausalität des eingetretenen Schadens befunden, könne sie sich nicht darauf berufen. Denn derjenige, der von vornherein mit der Möglichkeit eines Irrtums rechne und den Irrtum (bei Vertragsschluss) folglich in Kauf nehme, könne sich hinterher nicht auf diesen berufen. Ein auf diese Weise selbstverschuldeter Irrtum berechtige nicht zur Irrtumsanfechtung. Der Beklagten seien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die verschiedenen Berichte der Z AG vorgelegen, welche mehrere Umstände aufgezeigt hätten, die zur Dammrutschung beigetragen hätten bzw. dazu hätten führen können. Unter diesen Umständen sei das Wasserleitungsleck als "primäre" Ursache bezeichnet worden, nicht aber als "einzige". Die Beklagte sei bei diesen Gesprächen nachweislich durch einen Schadenexperten begleitet und vertreten gewesen und es sei ihr auch bewusst gewesen, dass eine abschliessende Ermittlung der Ursachen für das Schadensereignis spätestens nach Abschluss der Sanierungsarbeiten nicht mehr möglich sein würde. In diesem Zeitpunkt und bei dieser Ausgangslage einen Vergleichsvertrag zu schliessen, mit welchem spätere Streitigkeiten über den eigetretenen Schaden und die Beteiligung der Beklagten daran ausgeschlossen werden sollten, bedeute mindestens die bewusste Inkaufnahme, dass die Ursachenaufzählung nicht abschliessend oder die bekannten Teilursachen allenfalls nicht korrekt gewichtet worden sein könnten. Dies schliesse die spätere Berufung auf einen Grundlagenirrtum jedenfalls von vornherein aus. Mit dem geschlossenen Vergleichsvertrag habe zwischen den Parteien auch die Unsicherheit bezüglich der Kausalitätsfrage aus der Welt geschafft werden sollen. Dass man in diesem Punkt keine absolute naturwissenschaftliche Gewissheit gehabt habe, sei beiden Seiten klar und gerade auch (unter anderem) Motivation und Grund für den erfolgten Vertragsschluss gewesen. Selbst wenn sich die Beklagte in einem Grundlagenirrtum befunden hätte und sich darauf berufen dürfte, wäre die Berufung darauf verspätet erfolgt. Bestritten werde sodann auch, dass das Verwaltungsgericht in seinem Vorentscheid vom 6. Juli 2022 rechtskräftig festgestellt habe, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichsvertrags (ohne Unsicherheiten oder Restzweifel) von einer monokausalen Verursachung des Schadens durch die geborstene Wasserleitung ausgegangen seien. Ebenso bestritten werde, dass sich bei der Kausalitätsfrage um ein caput non controversum handle, welches einer Berufung auf einen Grundlagenirrtum zugänglich sein solle. Die Beklagte habe gewusst, dass bezüglich Kausalität keine abschliessende Gewissheit bestehe (bzw. wohl gar nicht habe bestehen können) und habe dies bewusst in Kauf genommen. Die Kausalität stelle mithin ein caput controversum unter mehreren dar, welches durch den Vergleichsvertrag habe geregelt werden sollen. Sofern ein Irrtum dennoch bejaht werden sollte, sei ferner darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Irrtum nicht nur ihrer Fahrlässigkeit zuzuschreiben, sondern diesen in Kauf genommen habe, womit die Berufung auf den Irrtum ausgeschlossen sein müsse.
6.3.2 Des Weiteren sei auch die Berufung auf einen Grundlagenirrtum verspätet erfolgt. (…)
6.3.3 Hinsichtlich des von der Beklagten beantragten Gutachtens wies der Kläger darauf hin, dass eine gutachterliche Feststellung, wonach die geborstene Wasserleitung nicht die (primäre) Ursache für den eingetretenen Schaden gewesen sei, nichts am Zustandekommen des Vergleichsvertrags, dessen Verbindlichkeit und damit der Irrelevanz der Kausalitätsfrage zu ändern vermögen würde. In diesem Sinne könne auf das Gutachten verzichtet werden. (…)
6.4
6.4.1 Auf einen Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) kann sich berufen, wer sich über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, der für diese Person notwendige Vertragsgrundlage war, und den sie zudem nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachten durfte. Neben der subjektiven Wesentlichkeit ist erforderlich, dass der zu Grunde gelegte Sachverhalt auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs, als notwendige Grundlage des Vertrags erscheint. Objektiv wesentlich ist danach eine falsche Vorstellung, die notwendigerweise beiden Parteien bewusst oder unbewusst gemeinsam und bei objektiver Betrachtung eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss des Vertrags gewesen ist. Dabei kommt es auf die Vorstellungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an und es sind die (unverhältnismässigen) Folgen einer einseitigen Unverbindlichkeit unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs unbeachtlich. Aus Art. 26 OR lässt sich ableiten, dass ein Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR auch dann vorliegen kann, wenn der Irrtum auf die Fahrlässigkeit des Irrenden zurückzuführen sein sollte. Durch Fahrlässigkeit wird dem Irrenden eine Berufung auf Grundlagenirrtum demnach grundsätzlich nicht abgeschnitten, sondern sie führt im Allgemeinen nur, aber immerhin, dazu, dass er seiner Gegenseite nach Massgabe von Art. 26 OR Schadenersatz zu leisten hat. Eine Schranke für die Berufung auf Grundlagenirrtum bildet allerdings der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 25 Abs. 1 OR), wobei Treu und Glauben bezüglich des Grundlagenirrtums in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR noch zusätzlich betont wird. Kümmert sich etwa eine Partei bei Vertragsschluss nicht um die Klärung einer bestimmten, sich offensichtlich stellenden Frage, kann dies bewirken, dass die Gegenseite daraus nach Treu und Glauben den Schluss ziehen darf, der entsprechende Umstand werde vom Partner nicht als notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet. Mit einer Berufung auf Grundlagenirrtum würde alsdann diese durch das Verhalten des Irrenden hervorgerufene berechtigte Erwartung enttäuscht. Die Geltendmachung eines Grundlagenirrtums ist in solchen Fällen deshalb ausgeschlossen. Ein fahrlässiges Verhalten kann somit, gerade in Verbindung mit weiteren Umständen, eine Berufung auf Grundlagenirrtum als treuwidrig und deshalb unzulässig erscheinen lassen (Urteil des Bundesgerichts 5A_497/2020 vom 30. Juni 2021 E. 4.1 mit Hinweisen).
6.4.2 Bei einem Vergleich kommt ein GrundIagenirrtum nur insoweit in Betracht, als es sich nicht um die zur Zeit seines Abschlusses bestrittenen und unsicheren Punkte handelt, die gerade verglichen und nach dem Willen der Parteien dadurch endgültig geregelt werden sollten (sogenanntes caput controversum); andernfalls würden gerade die Fragen wieder aufgerollt, derentwegen die Parteien den Vergleich geschlossen haben. So kann eine Fehleinschätzung der Prozesschancen keinen Grundlagenirrtum darstellen (Schwenzer/Fountoulakis, in: Lüchinger/Oser [Hrsg.] Basler Kommentar Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, Art. 24 N. 26). Eine Anpassung der getroffenen Vereinbarung kann nur verlangt werden, wenn erhebliche tatsächliche Änderungen Teile des Sachverhalts betreffen, welche im Zeitpunkt der Vereinbarung als feststehend angesehen wurden (BGE 142 III 518 E. 2.6.1; sogenanntes caput non controversum). Als Sachverhalt, dessen irrtümliche Würdigung die Unverbindlichkeit des getroffenen Abkommens zu begründen vermag, kommen nur (rechtliche oder tatsächliche) Umstände in Betracht, die von beiden Teilen oder doch von einer Partei (der irrenden) mit Wissen der Gegenpartei dem Vergleich als feststehend zugrunde gelegt wurden. Solche Umstände (die das "caput non controversum" bilden) gibt es. Gegenstand eines Grundlagenirrtums können zum Beispiel sein: Der Bestand einer Forderung, den die Parteien, die sich nur über die Höhe vergleichen, als gegeben voraussetzen; die Gültigkeit eines eingereichten Strafantrages gegen dessen "Rückzug" eine Partei in den Vergleich einwilligt; oder auch ein medizinischer Befund, von dessen Richtigkeit die Vergleichsparteien ausgehen, weil er in einem Gutachten festgestellt wurde. Bezweckt der Vergleich aber gerade, die aus einem unsicheren Befund entstehende Ungewissheit zu beseitigen, so ist diesbezüglich ein Grundlagenirrtum ausgeschlossen (Gauch, Der aussergerichtliche Vergleich, in: Innominatverträge, Festgabe Walter R. Schluep, Zürich 1988, S. 3 ff. und S. 22).
6.5
6.5.1 Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Verwaltungsgericht im Vorentscheid vom 6. Juli 2022 nicht rechtskräftig beurteilt, dass "die Parteien anlässlich dieses Vergleichsvertrags eine verbindliche Kostenverteilung auf der damals nicht strittigen Kausalitätsbeurteilung durch den Parteiexperten des Klägers festgelegt" hätten. Das Verwaltungsgericht hat in E. 6.4.2 des Vorentscheids vom 6. Juli 2022 einzig festgehalten, dass weder in der E-Mail vom 14. November 2017 noch in derjenigen vom 21. Oktober 2019 Einwände hinsichtlich der Kausalität vorgebracht worden sind. Auch aus der in E. 6.7.2 des Vorentscheids vom 6. Juli 2022 enthaltenen Formulierung, wonach "die Parteien einen mündlichen koordinationsrechtlichen (Vergleichs-)Vertrag bezüglich sämtlichen wesentlichen Punkten der Sanierung der Kantonsstrasse K79, des darunterliegenden Dammes und der durch den Damm verlaufenden Wasserleitung geschlossen haben", ergibt sich nicht, dass der Vergleichsvertrag auf "unstrittiger Kausalität" beruht haben soll, sondern einzig, dass alle sich stellenden Fragen mit dem Vertrag gelöst werden sollten. Zur Frage, ob die Kausalität im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichsvertrags (Zeitraum zwischen dem 8. und 23. November 2017, […]) ein caput non controversum oder ein caput controversum dargestellt hat, musste sich das Verwaltungsgericht im Vorentscheid vom 6. Juli 2022 nicht äussern, zumal die Beklagte zu diesem Zeitpunkt auch keine entsprechenden Einwände vorgebracht hatte.
6.5.2 Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst auf die Berichte von E von der Z AG und die im Vorgang zum Vertragsschluss durchgeführten Besprechungen einzugehen. Bereits im Protokoll zur ersten Besprechung vom 18. Juli 2017 hat E auf den vermehrten Schwerverkehr in den zehn Tagen vor der Rutschung hingewiesen. An dieser Besprechung nahm auch der damalige Gemeindepräsident als Vertreter der Beklagten teil. Im Rahmen des geotechnischen Berichts vom 21. August 2017 führte E sodann aus, dass die Einwirkung aus dem Wasserleitungsbruch mit Sicherheit als Auslöser der Rutschung bezeichnet werden könne. Am 12. September 2017 fand eine weitere Besprechung statt, an welcher nun auch B als Schadeninspektor des Haftpflichtversicherers der Beklagten teilnahm. Unmittelbar im Anschluss an diese Besprechung wandte sich B mit E-Mail vom 13. September 2017 an den damaligen Gemeindepräsidenten der Beklagten und teilte ihm folgendes mit:
"Besten Dank für das aufschlussreiche Gespräch gestern.
Im Anschluss zur Besprechung bin ich vor Ort gewesen und habe den Schaden am Damm und dem Strassenbelag angeschaut.
Dabei musste ich feststellen, dass der Strassenbelag bereits arg in Mitleidenschaft gezogen war und bereits viele Risse geflickt wurden.
Die Risse, mit Bitumen repariert, sind auch auf Google Streetview (Aufnahmedatum 2013) zu sehen. Dies sagt mir zum Einen, dass die Risse bereits vor dem Hangrutsch waren (= Vorschaden) und dass vermutlich gewisse Erdbewegungen bestehen mussten, da die reparierten/gestopften Risslinien auf dem Damm gegenüber der restlichen Strasse eindeutig zunehmen. Entsprechend müssten wir an der nächsten Sitzung besprechen, in welchem Umfang wir uns an der Reparatur/Erneuerung des Strassenbelages noch beteiligen. Ob sich der Koffer/Boden unter der Strasse bereits vor dem Schadenereignis absenkte, würde ich als Laie zwar nicht behaupten, jedoch stelle ich aufgrund der vielen Risse doch mal ein Fragezeichen."
Zusätzlich zu berücksichtigen ist auch das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 23. November 2017. Wie das Verwaltungsgericht bereits in E. 6.4.3 des Vorentscheids vom 6. Juli 2022 dargelegt hat, hielt der Gemeinderat anlässlich dieser Sitzung unter dem Titel "Diskussion" folgendes fest:
"Gemeindebeitrag an Strassensanierungskosten des Kantons: Die Ausgangslage ist nicht klar; das Abrutschen der Strasse kann durch die kaputte Wasserleitung verursacht oder mindestens gefördert worden sein. Andererseits kann der Wasserleitungsbruch auch durch das langsame seitliche abdriften der Strasse verursacht worden sein, wurden in der Strasse doch schon seit längerem Risse festgestellt". Unter dem Titel "Beschluss" wurde schliesslich erwähnt: "Der Gemeinderat beschliesst einstimmig, keinen Beitrag an die Sanierungskosten des Kantons zu leisten."
Wie den Ausführungen von B im E-Mail vom 13. September 2017 sowie dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 23. November 2017 entnommen werden kann, gingen weder B noch der Gemeinderat der Beklagten echtzeitlich von einer eindeutig geklärten Kausalität der Dammrutschung aus. Daran vermag auch der in Ziff. 29 der Duplik vom 25. September 2023 vorgebrachte Einwand der Beklagten, wonach die im geotechnischen Bericht vom 21. August 2017 genannten weiteren möglichen Ursachen nicht nachvollziehbar diskutiert, nicht beurteilt und anlässlich der zusammenfassenden Beurteilung vom Parteiexperten schlicht übergangen worden seien, nichts zu ändern. Sowohl die E-Mail von B vom 13. September 2017 als auch das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 23. November 2017 wurden zeitlich erst nach dem geotechnischen Bericht vom 21. August 2017 verfasst und verdeutlichen damit, dass trotz der Ausführungen im geotechnischen Bericht vom 21. August 2017 seitens der Beklagten und ihrem Haftpflichtversicherer weiterhin erhebliche Bedenken hinsichtlich der Kausalität bestanden. Demzufolge handelt es sich bei der Kausalität auch nicht um einen Befund, von dessen Richtigkeit die Parteien ausgingen, weil er in einem Gutachten festgestellt wurde, sondern um den bei Gauch (a.a.O., S. 3 ff. und S. 22) erwähnten Fall, in welchem der Vergleich bezweckte, die aus einem unsicheren Befund entstehende Ungewissheit zu beseitigen. So hat der Haftpflichtversicherer in der E-Mail vom 28. April 2020 auch explizit erwähnt, dass die Grundsatzdiskussion bezüglich der Schadensursache vermieden worden sei. Alle Ungewissheiten bezüglich der Kausalität sollten dementsprechend mit der getroffenen Vereinbarung aus der Welt geschaffen werden. Wie das Verwaltungsgericht bereits in E. 6.6.3 des Vorentscheids vom 6. Juli 2022 dargelegt hat, lag eine einvernehmliche Lösung der von der Beklagten im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 23. November 2017 als unklar bezeichneten Ausgangslage durchaus auch im Interesse der Beklagten.
6.5.3 Im Ergebnis stellte die Kausalität somit nicht eine für die Parteien feststehende Ursache (caput non controversum) dar, welche einem Grundlagenirrtum zugänglich wäre. An dieser Stelle ist zudem darauf hinzuweisen, dass ein Expertengutachten zu den Ursachen und Ursachenanteilen des Ereignisses vom 13. Juli 2017 die Frage, ob die Kausalität zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Zeitraum zwischen dem 8. und 23. November 2017, […]) für beide Parteien feststand, nicht zu beeinflussen vermag. In diesem Sinne kann auf die Einholung eines solchen Gutachtens verzichtet werden. Dies hat umso mehr zu gelten, als die Beklagte in keiner Weise dargelegt hat, inwiefern die Ursachen und Ursachenanteile des Ereignisses vom 13. Juli 2017 nach der zwischenzeitlich erfolgten Sanierung zum heutigen Zeitpunkt überhaupt noch eruiert werden könnten.
6.6 Selbst wenn die Kausalität einem Grundlagenirrtum zugänglich wäre, könnte sich die Beklagte mit Blick auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht darauf berufen. In Ziff. 21 ihrer Duplik vom 25. September 2023 hielt sie fest, es sei "unkritisch auf den diesbezüglich nicht nachvollziehbaren Bericht [der Z AG] abgestellt worden". Basierend auf dieser Angabe sowie der Aktenlage geht hervor, dass die Beklagte und im Besonderen auch der sie als Mitarbeiter des Haftpflichtversicherers vertretende B sich im Rahmen des Vertragsschlusses nicht weiter um die Klärung einer bestimmten, sich aus ihrer Sicht nun offensichtlich stellenden Frage (die Kausalität) gekümmert haben, womit der Kläger nach Treu und Glauben den Schluss ziehen durfte, dass die Kausalität von der Beklagten nicht als abschliessend zu klärende Grundlage des Vertrags betrachtet wurde (Urteil des Bundesgerichts 5A_497/2020 vom 30. Juni 2021 E. 4.1, Schwenzer/Fountoulakis, a.a.O., Art. 24 N. 23). Mit einer Berufung auf einen Grundlagenirrtum würde die durch das Verhalten der Beklagten hervorgerufene berechtigte Erwartung enttäuscht. Die Geltendmachung eines Grundlagenirrtums ist in einem solchen Fall ausgeschlossen (Urteile des Bundesgerichts 4A_162/2014 vom 26. August 2014 E. 1.2 und 4A_408/2007 vom 7. Februar 2008 E. 3.2).
6.7 (…)
6.8 Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Beklagte neben einem Erklärungsirrtum auch nicht auf einen Grundlagenirrtum berufen kann. Folglich stellen sich auch keine Fragen im Zusammenhang mit dem von der Beklagten behaupteten Dahinfallen des Vertrags. Ebenso wenig ist weiter auf die Frage einzugehen, ob die Beklagte den Irrtum rechtzeitig geltend gemacht hat.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2021.131/E vom 28. Februar 2024