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TVR 2024 Nr. 16

Tierhalteverbot bei "Animal Hoarding".


Art. 23 Abs. 1 lit. b TSchG


Unfähigkeit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 lit. b TSchG, Tiere zu halten oder zu züchten, liegt auch vor, wenn die betreffende Person die grundsätzlichen Verhaltensgebote und -verbote des Tierschutzgesetzes nicht zu befolgen vermag. Nebst offensichtlicher Verantwortungslosigkeit gegenüber Tieren kann auch falsch verstandene, übertriebene und verweichlichende Tierliebe sowie das "Animal Hoarding" zu einem Tierhalteverbot führen, ebenso fehlende Sozialisierung der Tiere sowie fehlendes Wissen bei der Tierhaltung und Tierzucht (E. 4.4.3).


Mit Entscheid vom 10. Mai 2022 sprach das Veterinäramt (verfahrensbeteiligtes Amt) gegenüber der Beschwerdeführerin ein Tierhalteverbot aus, wonach es ihr bis auf Weiteres untersagt sei, Tiere zu halten, zu züchten, mit Tieren zu handeln oder sich berufsmässig mit Tieren zu beschäftigen. Vier Hunde und sechs Katzen sowie neun Fische wurden definitiv beschlagnahmt und eingezogen. Gegen die Beschwerdeführerin wurde zudem ein tierseuchenrechtlicher Verweis ausgesprochen. Einem allfälligen Rechtsmittel gegen das Tierhalteverbot, die Beschlagnahme und die in Dispositiv-Ziffer 4 angedrohte Ungehorsamsstrafe betreffend das Tierhalteverbot wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Gegen den Entscheid vom 10. Mai 2022 erhob die Beschwerdeführerin bei der Vorinstanz Rekurs, den die Vorinstanz abwies. Das Verwaltungsgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab.

 

Aus den Erwägungen:

 

2.

2.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den Entscheid des verfahrensbeteiligten Amtes vom 10. Mai 2022 schützte, mit welchem gegen die Beschwerdeführerin ein Tierhalteverbot ausgesprochen wurde, wonach es ihr bis auf Weiteres untersagt sei, Tiere zu halten, zu züchten, mit Tieren zu handeln oder sich berufsmässig mit Tieren zu beschäftigen.

 

3. (…)

 

4.        

4.1 Ein generelles Tierhalteverbot ist ein Eingriff in die Eigentumsgarantie und ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Es ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte und bedarf daher einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Notwendig ist eine klare, unzweideutige Grundlage in einem Gesetz und nicht bloss in einer Verordnung (BGE 130 I E. 14.2; vgl. auch Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 10. Aufl. 2020, S. 115, 190).

 

4.2 Laut Art. 23 Abs. 1 TSchG kann die zuständige Behörde das Halten oder die Zucht von Tieren, den Handel oder die berufsmässige Beschäftigung mit Tieren auf bestimmte oder unbestimmte Zeit den Personen verbieten, die wegen wiederholter oder schwerer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Ausführungserlasse oder gegen Verfügungen bestraft worden sind (lit. a) oder die aus anderen Gründen unfähig sind, Tiere zu halten oder zu züchten (lit. b). Die Tierhaltebeschränkungen, welche das verfahrensbeteiligte Amt am 10. Mai 2022 gegen die Beschwerdeführerin aussprach, beruht demnach auf einem Gesetz im formellen Sinn. Eine genügende gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff war demnach vorhanden.

 

4.3 Jedes öffentliche Interesse, das nicht gegen andere Verfassungsnormen verstösst und nicht rein fiskalisch ist, kann grundsätzlich einen Eingriff in die Eigentumsgarantie rechtfertigen (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., S.  190). Zur Beschränkung der persönlichen Freiheit kommen in erster Linie polizeiliche Interessen in Betracht (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., S. 116). Der Tierschutz, gehört zweifellos zu denjenigen öffentlichen Interessen (Art. 80 BV), die sowohl einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit als auch in die persönliche Freiheit zu rechtfertigen vermögen, insbesondere dann, wenn es um die Beseitigung von Zuständen geht, in denen Tiere unsachgemäss gehalten werden.

 

4.4

4.4.1 Eine staatliche Massnahme muss geeignet sein, um den im öffentlichen Interesse verfolgten Zweck herbeizuführen. Die Massnahme muss im Hinblick auf den angestrebten Zweck auch erforderlich sein, das heisst sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Beziehung nicht über das Notwendige hinausgehen. Anders ausgedrückt: eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel auch mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden könnte. Schliesslich sind immer auch die öffentlichen und die betroffenen privaten Interessen gegeneinander abzuwägen. Eine Anordnung ist unverhältnismässig, wenn deren negative Wirkungen im konkreten Fall schwerer ins Gewicht fallen als das öffentliche Interesse daran, dass die Anordnung getroffen wird (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., S. 96 f.). Daher stellt sich die Frage, ob die vom verfahrensbeteiligten Amt gegenüber der Beschwerdeführerin gestützt auf das TSchG angeordneten Massnahmen einer Verhältnismässigkeitsprüfung standhalten.

 

4.4.2 Das Tierschutzgesetz bezweckt, die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen (Art. 1 TSchG). Das Wohlergehen der Tiere ist nach Art. 3 lit. b TSchG namentlich gegeben, wenn Haltung und Ernährung so sind, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört sind und sie in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht überfordert sind (Ziff. 1), das artgemässe Verhalten innerhalb der biologischen Anpassungsfähigkeit gewährleistet ist (Ziff. 2), sie klinisch gesund sind (Ziff. 3) und Schmerzen, Leiden, Schäden und Angst vermieden werden (Ziff. 4). Nach Art. 4 Abs. 1 TSchG hat, wer mit Tieren umgeht, ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung zu tragen (lit.  a) und soweit es der Verwendungszweck zulässt, für ihr Wohlergehen zu sorgen (lit. b). Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten. Das Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren ist verboten (Art. 4 Abs. 2 TSchG). Gemäss Art. 6 Abs. 1 TSchG muss, wer Tiere hält oder betreut, sie angemessen ernähren, pflegen, ihnen die für ihr Wohlergehen notwendige Beschäftigung und Bewegungsfreiheit sowie soweit nötig Unterkunft gewähren. In Art. 3 TSchV wird umschrieben, was unter tiergerechter Haltung zu verstehen ist. Tiere sind so zu halten und mit ihnen ist so umzugehen, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird (Abs. 1). Unterkünfte und Gehege müssen mit geeigneten Futter-, Tränke-, Kot- und Harnplätzen, Ruhe- und Rückzugsorten mit Deckung, Beschäftigungsmöglichkeiten, Körperpflegeeinrichtungen und Klimabereichen versehen sein (Abs. 2). Fütterung und Pflege sind angemessen, wenn sie nach dem Stand der Erfahrung und den Erkenntnissen der Physiologie, Verhaltenskunde und Hygiene den Bedürfnissen der Tiere entsprechen (Abs. 3). Nach Art. 5 Abs. 1 TSchV muss die Tierhalterin oder der Tierhalter das Befinden der Tiere und den Zustand der Einrichtungen so oft wie nötig überprüfen. Sie oder er muss Mängel an den Einrichtungen, die das Befinden der Tiere beeinträchtigen, unverzüglich beheben oder geeignete Massnahmen zum Schutz der Tiere treffen. Die Pflege soll Krankheiten und Verletzungen vorbeugen. Die Tierhalterin oder der Tierhalter ist dafür verantwortlich, dass kranke oder verletzte Tiere unverzüglich ihrem Zustand entsprechend untergebracht, gepflegt und behandelt oder getötet werden. Die dafür notwendigen Einrichtungen müssen im Bedarfsfall innert nützlicher Frist zur Verfügung stehen. Die Tiere müssen für tierärztliche oder sonstige Behandlungen sicher fixiert werden können (Art. 5 Abs. 2 TSchV). Hunde müssen täglich ausreichend Kontakt mit Menschen und, soweit möglich, mit anderen Hunden haben (Art. 70 Abs. 1 TSchV). Hunde müssen täglich im Freien und entsprechend ihrem Bedürfnis ausgeführt werden. Soweit möglich sollen sie sich dabei auch unangeleint bewegen können. Können sie nicht ausgeführt werden, so müssen sie täglich Auslauf haben. Der Aufenthalt im Zwinger oder an der Laufkette gilt nicht als Auslauf (Art. 71 Abs. 1 und 2 TSchV). Aufzucht und Erziehung der Hunde sowie der Umgang mit ihnen müssen die Sozialisierung gegenüber Artgenossen und Menschen sowie die Gewöhnung an die Umwelt gewährleisten (Art. 73 Abs. 1 TSchV). Gemäss Anhang 1 Tabelle 11 Ziff. 11 der TSchV sind Hauskatzen erhöhte Ruheflächen, Rückzugsmöglichkeiten, geeignete Kletter- und Kratzgelegenheiten und Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten. Für Gruppen bis zu fünf Tieren: eine Kotschale pro Katze. Für Gruppen ab sechs Tieren: für 2 Katzen eine Kotschale, sofern diese mehrmals täglich gereinigt wird oder die Katzen Auslauf ins Freie haben, sonst eine Kotschale pro Katze.

 

4.4.3 Verstösst ein Tierhalter gegen die genannten Verhaltensregeln (E. 4.4.2 hiervor), so kann die zuständige Behörde Massnahmen nach Art. 23 Abs. 1 und 24 Abs. 1 TSchG ergreifen. Für ein Tierhalteverbot gemäss Art. 23 Abs.  1 TSchG ist zu beachten, dass Unfähigkeit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 lit. b TSchG dann vorliegt, wenn die betreffende Person die grundsätzlichen Verhaltensgebote und -verbote des Tierschutzgesetzes nicht zu befolgen vermag. Das Verbot der Tierhaltung nach Art. 23 Abs. 1 lit. b TSchG als solches hat die Wahrung oder die Wiederherstellung des Tierwohls zum Ziel. Es kommt nicht auf ein Verschulden des Pflichtigen an, sondern lediglich auf das Bestehen eines rechtswidrigen Zustands; es ist eine restitutorische Massnahme, die nicht auf die Bestrafung des Halters, sondern auf den Schutz und die Wiederherstellung der tierschutzrechtlich korrekten Haltebedingungen ausgerichtet ist (Urteil des Bundesgerichts 2C_958/2014 vom 31.März 2015 E. 2.1). Das Bundesgericht spricht - wie soeben erwähnt - davon, dass der Tierhalter die grundsätzlichen Verhaltensgebote und -verbote des Tierschutzgesetzes nicht zu befolgen vermag. Etwas anders formuliert kann gesagt werden, die Persönlichkeit des Tierhalters muss es ihm verunmöglichen, dass er in der Lage ist, die Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung einzuhalten. Nebst offensichtlicher Verantwortungslosigkeit gegenüber Tieren kann auch falsch verstandene, übertriebene und verweichlichende Tierliebe sowie das "Animal Hoarding" zu einem Tierhalteverbot führen, ebenso fehlende Sozialisierung der Tiere sowie fehlendes Wissen bei der Tierhaltung und Tierzucht (vgl. Goetschel/Ferrari, GAL Tierleitfaden 1.1, 2018, S. 38 f.). Bei der Beurteilung der Fähigkeit bzw. Unfähigkeit eines Tierhalters müssen auch folgende Prüfpunkte miteinbezogen werden:

 

                   a.      Ausmass/Erheblichkeit der Tierschutzverstösse,

                   b.      Uneinsichtigkeit/Einsichtigkeit des Tierhalters,

                   c.      Fehlender/vorhandener Wille zur tatsächlichen und längerfristigen Verbesserung der betrieblichen Zustände,

                   d.      Ausbleiben/Umsetzen von Massnahmen, die das Wohlergehen der Tiere in bemängelten Punkten hätte verbessern können,

                   e.      Reaktion oder Ausbleiben einer Reaktion auf verfügte Auflagen der kantonalen Veterinärbehörden

                            (vgl. Niklaus/Käser/Lotz, Tierschutzrecht in a nutshell, 2022, S. 96).

 

Dass dem so ist, muss aufgrund von Indizien feststehen. Sind solche Indizien in genügender Anzahl oder Ausprägung vorhanden, kann es zum Schutz der Tiere zu einem präventiven Tierhalteverbot kommen, ohne dass es je zu einer Sanktionierung wegen Verstoss gegen die Tierhaltevorschriften gekommen wäre (TVR 2022 Nr. 2 E. 4.5.2).

 

4.5        

4.5.1 Gegen die Beschwerdeführerin wurden vom Veterinäramt des Kantons Zürich bereits vor dem 10. Mai 2022 mehrere Verfügungen erlassen.

 

4.5.2 In der Verfügung des Veterinäramtes des Kantons Zürich vom 26. November 2012 wurde festgehalten, dass dieses Amt zwei Meldungen erhalten habe, wonach die Beschwerdeführerin ihren sechs Hunden zu wenig Auslauf biete und sie sie jeweils nur kurz in den Garten lasse. Die Schilderung des Tagesablaufs der Beschwerdeführerin mit ihren Hunden sei unkonkret und erscheine unglaubwürdig, insbesondere da sie pro Tag neun Spaziergänge hätte machen müssen, nachdem sie gemäss ihren Angaben jeweils nur mit zwei Hunden aufs Mal hinausgegangen sei. (...) Der Beschwerdeführerin wurde in der Verfügung des Veterinäramtes Zürich vom 26. November 2012 die Auflage erteilt, dass ihre Hunde maximal vier Stunden am Stück alleine und ohne Anwesenheit einer menschlichen Betreuungsperson gehalten werden dürften. Jeder Hund müsse drei Mal täglich ausgeführt werden, einmal davon für mindestens eine Stunde am Stück.

 

4.5.3 Sodann existiert eine Beschlagnahmeverfügung des Veterinäramtes des Kantons Zürich vom 29. Oktober 2013. Dem Amt war zuvor am 15. Mai 2013 eine Meldung zugegangen, wonach die Beschwerdeführerin ihre Hunde vorwiegend im Auto halte. Diese würden nur selten ausgeführt. Die Beschwerdeführerin habe keinen festen Wohnsitz mehr. Gemäss einer weiteren (telefonischen) Meldung vom 31. Mai 2013 lebe die Beschwerdeführerin mit ihren Hunden momentan im Auto. Die Hunde erhielten kaum Auslauf im Freien. (...) Weitere Abklärungen ergaben dann, dass die Beschwerdeführerin auf unbestimmte Zeit inhaftiert worden war. Die Beschwerdeführerin war nicht in der Lage, innerhalb einer Woche eine geeignete Unterkunft für ihre Tiere (fünf Hunde, drei Katzen) zu organisieren und machte gegenüber dem Veterinäramt auch zum Teil unwahre Angaben. Die Tiere wurden daher beschlagnahmt. (...).

 

4.5.4 Einer weiteren Verfügung des Veterinäramtes Zürich vom 27. September 2021 lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin gemäss Strafbefehl vom 8. Oktober 2013 unter anderem wegen der nicht artgerechten Haltung von sechs Hunden in einem Personenwagen im Zeitraum vom 15. bis 31. Mai 2013, unzureichendem Auslauf sowie dem Verstoss gegen die Verfügung vom 26. November 2012 mit Busse bestraft worden war. Sodann wurde in der Verfügung vom 27. September 2021 festgehalten, dass aufgrund einer Meldung aus der Öffentlichkeit betreffend Tierhaltung im Keller am 4. Januar 2018 eine Kontrolle der Tierhaltung der Beschwerdeführerin in A erfolgt sei. Diese hatte ergeben, dass in ihrem Coiffeursalon sechs Hunde, eine Katze, ca. 30 Zierfische und drei Schildkröten festgestellt wurden. Der Hund "Nero" war bei Kontrollbeginn in einer Transportboxe gehalten worden. Die Beschwerdeführerin bestritt, dass sie im Gebäude einen Kellerraum besitze. Aufgrund von weiteren Meldungen aus der Öffentlichkeit betreffend Tierhaltung im Keller erfolgten weitere Abklärungen und am 11. Januar 2018 wurde eine erneute Kontrolle durchgeführt. Dabei wurden sechs Hunde und 15 Katzen festgestellt. (...) Am 16. Juni 2021 erfolgte eine weitere Meldung betreffend die Katzenhaltung der Beschwerdeführerin und es wurden eine Katze und ihre vier Welpen vorsorglich beschlagnahmt. Am 22. Juni 2021 erfolgte eine angemeldete Kontrolle der Tierhaltung der Beschwerdeführerin an ihrem damaligen Wohnort. Dabei wurden 22 Katzen, zwei Hunde, ca. 38 Fische und zwei Schildkröten festgestellt. Bei der Katzenhaltung wurde eine unkontrollierte Vermehrung sowie eine Bestandesproblematik festgestellt. Es wurden diverse Katzenwelpen beschlagnahmt, welche alle hochgradig abgemagert waren und teilweise wochenlanger intensiver Pflege bedurften. Ein Katzenwelpe verstarb trotz Pflege. Die Katzen litten zum Teil an einer Durchfallproblematik aufgrund von Giardien. (...) Gestützt auf diesen Sachverhalt wurde gegen die Beschwerdeführerin mit Verfügung des Veterinäramtes Zürich vom 27. September 2021 ein umfassendes Katzen- und Hundehalterverbot mit sofortiger Wirkung und auf unbestimmte Zeit ausgesprochen, mit Ausnahme der kastrierten Katzen "Bubu", "Shila", "Diva", "Candela", "Eisbär", "Prinzessin", "B-Hörnli", "Bijou", "Django", "Giggo" und der beiden Hunde "Kiara" und "Bambu".

 

4.6        

4.6.1 Dem Entscheid des verfahrensbeteiligten Amtes vom 10. Mai 2022 kann entnommen werden, dass sich auch dieses bereits 2019 mit der Beschwerdeführerin und ihrer Tierhaltung befassen musste. Anlässlich einer Kontrolle vom 18. Juni 2019 wurden insgesamt dreizehn Katzen und acht Hunde festgestellt, wobei letztere alle mit ausländischen Mikrochips gekennzeichnet, jedoch durch die Tierhalterin nicht in der Hundedatenbank AMICUS auf die aktuelle Adresse registriert worden waren. Die Hunde wurden durch die Kontrollpersonen bezüglich Körpergewicht als an der oberen Grenze des Normbereiches und die langhaarigen Hunde bezüglich Fellpflege als in einem leicht ungepflegten Zustand beurteilt. Die Katzen, die im Freien gehalten wurden, verfügten nicht über adäquate Rückzugsmöglichkeiten im Sinne eines tierschutzkonformen Witterungsschutzes. Auch bei den Katzen war die Fellpflege teilweise ungenügend. Am 2. Oktober 2019 ging ein Entscheid der Politischen Gemeinde B beim Veterinäramt Thurgau ein, wonach es der Beschwerdeführerin untersagt sei, an ihrer Wohnadresse mehr als drei Hunde und vier Katzen zu halten. (...)

 

4.6.2 Laut einer Tierschutzmeldung vom 22. Dezember 2021 hielt die Beschwerdeführerin in ihrem Coiffeursalon in C zwei Hunde tagsüber und teilweise auch nachts alleine eingesperrt. (...) Aufgrund der Tierschutzmeldung erfolgte am 5. Januar 2022 eine unangemeldete Kontrolle der Tierhaltung durch das Veterinäramt im Coiffeursalon der Beschwerdeführerin. Angetroffen wurden die Hunde "Kiara" und "Bambu". (...) Die Frage, ob die Hunde alleine über Nacht im Salon verbleiben würden, verneinte die Beschwerdeführerin. Insbesondere die Hündin "Kiara" wies einen reduzierten Allgemeinzustand auf und war sichtlich geschwächt, wobei nach Auffassung der Kontrollperson der geschwächte Allgemeinzustand von "Kiara" vermutlich nicht alleine durch das starke Medikament bedingt sei und die Hündin deshalb tierärztlich abgeklärt werden müsse.

 

4.6.3 Anlässlich einer Kontrolle am 13. Januar 2022 in einer Wohnung in C, die die Beschwerdeführerin offenbar mit ihrem ehemaligen Lebenspartner gemietet hatte, fanden die Kontrollpersonen des verfahrensbeteiligten Amtes folgende, von der Beschwerdeführerin gehaltene Tiere vor: Hündin "Mira", Katzen "B-Hörnchen", "Candela", "Diva", "Eisbär", "Prinzessin" sowie "Giggio". In der Wohnung herrschte ein deutlicher Gestank nach Fäkalien. Am Boden des Wohnzimmers lagen mehrere Tücher, wobei eines mit Urin durchtränkt und mit zahlreichen Kothaufen der Hündin verschmutzt war. Auch befanden sich weitere Kothaufen an verschiedenen Orten des Wohnzimmers. Im danebenliegenden Zimmer befand sich ein Ober- und ein Unterteil einer Transportbox, welche mit Fäkalien verschmutzter Einstreu versehen waren und offensichtlich als Kotkisten dienten, sowie Plastikteller, in denen sich Wasser oder Trockenfutter befanden. Ebenfalls lagen diverse Kissen sowie vereinzelt Klo- und Haushaltspapier am Boden. Auf einem blauen Teppich im Badezimmer lagen ebenfalls vereinzelte Kotkegel, wahrscheinlich von den Katzen. Die Hündin "Mira" war stark verängstigt und wich vom Sofa in eine Ecke des Wohnzimmers. Mit viel Geduld konnte ihr ein Halsband umgelegt werden, als man sie jedoch damit führen wollte, sprang sie mehrmals panikartig gegen die bodentiefen Fenster des Wohnzimmers. Die sechs Katzen hatten sich alle in die Rückzugsmöglichkeiten oder auf die erhöhten Liegeflächen zurückgezogen. Einzig der Bengal-Mix Kater "B-Hörnchen" war neugierig und liess sich einfach einfangen. Die restlichen Katzen kamen nicht hervor und konnten nur mit grösserem Aufwand aus ihren Verstecken geholt werden. (...)

 

4.6.4 Am 20. Januar 2022 wurde der Coiffeursalon der Beschwerdeführerin geräumt. In den Räumlichkeiten befanden sich noch Fische, weshalb am selben Tag eine Kontrolle des verfahrensbeteiligten Amtes erfolgte. Es wurde ein Aquarium mit insgesamt neun Fischen (6 Barsche und 3 Welse) festgestellt. (...)

 

4.6.5 Mit E-Mail vom 22. Januar 2022 reichte die Tierarztpraxis P den Tierarztbericht vom 14. Januar 2022 von "Kiara" und "Bambu" ein. Diesem waren unter anderem folgende Auffälligkeiten in Bezug auf den Allgemeinzustand der Hunde zu entnehmen: Hund "Bambu": Mittelgradiger Zahnstein, leichte schorfige Veränderungen am seitlichen Nasenspiegel und eine offene Wunde an der linken Hinterpfote; Hund "Kiara": Etwas Zahnstein, Schorfige Veränderungen am seitlichen Nasenspiegel, nicht infizierte Liegeschwiele an der linken Hintergliedmasse, auf der Höhe des Sprunggelenks, Hinweise auf eine Blasenentzündung, schlechte Blutwerte (unter anderem stark erniedrigte rote Blutkörperchen) mit Hinweis auf geschädigte Nieren. Die Leishmaniose sei nicht unter Kontrolle. (...) Die Hündin "Kiara" musste am 14. März 2022 euthanasiert werden.

 

4.6.6 Am 26. Januar 2022 ging beim verfahrensbeteiligten Amt der tierärztliche Bericht zur Untersuchung der sechs vorsorglich beschlagnahmten Katzen ein. Festgestellt wurden unter anderem Zahnstein und Zahnfleischentzündung, erhöhte Körpertemperatur und verfilzte Fellknoten am gesamten Körper, vermehrtes Ohrenschmalz, voluminöses Abdomen sowie Ohren beidseits mit schwarzem Sekret versehen.

 

4.6.7 Am 27. Januar 2022 ging beim Veterinäramt eine E-Mail ein. Die Verfasserin teilte mit, dass die Beschwerdeführerin mit vier Hunden und zwei Wasserschildkröten drei Nächte bei ihr verbracht habe. Die Beschwerdeführerin sei seit einer Woche weg. Sie habe die Hunde mitgenommen, jedoch die Schildkröten zurückgelassen. Sie habe erfolglos versucht, die Beschwerdeführerin zu kontaktieren, um die Schildkröten abzuholen.

 

4.6.8 Am 27. Januar 2022 wurde die Beschwerdeführerin von der Kantonspolizei auf der Strasse angehalten, als diese mit vier Hunden in einem Auto unterwegs war. Das verfahrensbeteiligte Amt wurde informiert und begab sich vor Ort. Im Auto der Beschwerdeführerin wurden die Hunde "Kiara", "Bambu", "Roski" und "Snoop" festgestellt. In Bezug auf die Hunde, "Roski" und "Snoop" teilte sie mit, dass sie diese nur betreue und sie nicht ihr gehören würden. Sie habe sie am Vortag übernommen und werde sie noch am selben Abend zu ihren Besitzerinnen zurückbringen. "Roski" sei auf L und "Snoop" auf M registriert. Gestützt auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin dem Veterinäramt nicht mitteilen konnte oder wollte, wo sie die Tiere unterbringen werde und wo sie aktuell wohnhaft sei, wurden die Hunde vorsorglich beschlagnahmt. In der Folge ergab sich schliesslich, dass der Hund "Roski" auf den Namen von L und der Hund "Snoop" auf den Namen von M registriert worden war, Halterin der Tiere war jedoch die Beschwerdeführerin.

 

4.7        

4.7.1 - 4.7.3 (...)

 

4.7.4 Ausgangspunkt ist die Verfügung des Veterinäramtes des Kantons Zürich vom 27. September 2022. Die Beschwerdeführerin war vor dem Erlass dieser Verfügung schon mehrfach mit der Tierschutzgesetzgebung in Konflikt geraten, weshalb sie nicht nur strafrechtlich verurteilt, sondern ihr gegenüber auch ein umfassendes Katzen- und Hundehalteverbot mit sofortiger Wirkung und auf unbestimmte Zeit, mit Ausnahme der kastrierten Katzen "Bubu", "Shila", "Diva", "Candela", "Eisbär", "Prinzessin", "B-Hörnli", "Bijou", "Django", "Giggo" und der beiden Hunde "Kiara" und "Bambu" ausgesprochen worden war. Das verfahrensbeteiligte Amt führte im Entscheid vom 10. Mai 2022 in E. 2.2 zutreffend aus, dass die Beschwerdeführerin diverse Tierarten (Hunde, Katzen, Fische, Wasserschildkröten) mit unterschiedlichen Bedürfnissen hielt und dies im Kanton Thurgau an unterschiedlichen Orten (Coiffeursalon, Wohnung in C). Die beschlagnahmten Hunde der Tierhalterin wurden alle aus dem Ausland importiert und waren teilweise krank (unter anderem Leishmaniose und anatomische Veränderungen) oder verhaltensauffällig (Hund "Mira"). Umso anspruchsvoller ist deren Betreuung, sowohl was den zeitlichen, pflegerischen wie auch den finanziellen Aufwand anbelangt. Anlässlich der Kontrolle vom 5. Januar 2022 wurden die Hunde "Kiara" und "Bambu" im Coiffeursalon gehalten, ohne dass die Beschwerdeführerin anwesend war. Diese konnte erst nach mehrmaligen Versuchen telefonisch kontaktiert werden. Die Haltungsbedingungen der Hunde im Coiffeursalon waren zwar soweit tierschutzkonform. Allerdings ist aufgrund der eingegangenen Meldungen, wonach die Hunde auch in der Nacht im Coiffeursalon gesehen und gehört wurden, davon auszugehen, dass die Tiere öfters und über einen längeren Zeitraum alleine gelassen wurden. Dies Vermutung liegt umso näher, als die Beschwerdeführerin bereits früher Tiere in ihrem CoiffeursaIon in Winterthur gehalten und dies sogar noch geleugnet hatte. Da es sich bei "Kiara" und "Bambu" um betagte Hunde handelte und "Kiara" gesundheitlich deutlich beeinträchtigt war, wäre es umso wichtiger gewesen, dass sie engmaschig durch die Beschwerdeführerin betreut und nicht über Nacht alleine gelassen worden wären. Gemäss den unbestritten gebliebenen Ausführungen im Entscheid des verfahrensbeteiligten Amtes vom 10. Mai 2022 behauptete die Beschwerdeführerin am 5. Januar 2022 zudem, die Hunde zwei Mal am Tag während ca. 30-45 Minuten auszuführen und abends einen kürzeren Spaziergang mit ihnen zu machen. In ihrer Stellungnahme gab sie an, dass sie die Hunde jeweils drei Mal am Tag (während jeweils einer Stunde) ausführen würde. Diese Angaben sind widersprüchlich und unglaubwürdig. Dies, weil es insbesondere der Hündin "Kiara" aufgrund ihres betagten Alters und beeinträchtigten Gesundheitszustandes kaum möglich war, überhaupt so häufig und so lange zu gehen (die Beschwerdeführerin teilte selber mit, dass sie schwer für Spaziergänge zu motivieren sei) und dies auch für den betagten Hund "Bambu" wohl zu anstrengend gewesen sein dürfte. Die von der Beschwerdeführerin angegebene Frequenz und Dauer von täglichen Spaziergängen würde somit zu einer Überforderung der Hunde führen, was verboten ist. Hingegen wären die Hunde "Snoop" und "Rosky" durchaus in der Lage gewesen, die von der Beschwerdeführerin angegeben Spaziergänge durchzuführen. Diese wären eher unterfordert, wenn ihnen dies nicht ermöglicht würde. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie die Beschwerdeführerin den unterschiedlichen Bedürfnissen all ihrer Hunde artgerecht nachkommen wollte. Dies war in Anbetracht der Umstände kaum möglich. Der fünften Hündin "Mira", die die Beschwerdeführerin auch noch hätte ausführen müssen, hat sie keine tierschutzkonforme Haltung geboten. Die Tatsache, dass die Hündin nie nach draussen kam und sich in der Wohnung versäubern musste, geht gegen das artspezifische Verhalten von Hunden, welche ihre Hinterlassenschaften nicht an dem Ort machen, an dem sie sich mehrheitlich aufhalten, fressen und schlafen. Die Hündin "Mira" zeigte ein extrem ängstliches Verhalten gegenüber Menschen. Die Beschwerdeführerin hielt die Hündin gemäss eigenen Angaben seit ca. einem Jahr und hat trotz der offensichtlichen Verhaltungsstörungen der Hündin keine Fachperson aufgesucht, um mit der Hündin zu trainieren und zu versuchen, ihr aus ihren Angstzuständen und der unweigerlich damit einhergehenden Überforderung zu helfen. Die Beschwerdeführerin konnte "Mira" gemäss ihren eigenen Angaben in dieser Zeit nie ein Halsband anlegen und sie auch nicht ausführen, so dass die Hündin keine andere Bewegung als diejenige im Garten hatte. Entsprechend konnte die Hündin auch nicht lernen, mit verschiedenen Umgebungsreizen umzugehen und sich daran zu gewöhnen. Die Beschwerdeführerin hat diese Situation wiederholt als normal beurteilt und sieht keinerlei Fehler in ihrem Vorgehen. Gemäss einer E-Mail vom 24. März 2022 ist es aber mit der notwendigen Betreuung tatsächlich gelungen, die Hündin "Mira" innert kürzester Zeit ohne Aggressionsverhalten an die Leine zu bringen. Ebenso ungenügend waren die Haltebedingungen der Katzen in der Wohnung in C. Aufgrund des Ausmasses der Verunreinigungen mit den Fäkalien der Tiere ist unglaubwürdig, dass diese einzig in den Stunden, in denen die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Wohnung war (Mittwochnachmittag, den 12. Januar 2022, bis Donnerstag, den 13. Januar 2022, um ca. 14.00 Uhr) erfolgten. Zudem standen den Katzen im Zimmer, in welchem sie sich befanden, zu wenig Kotkisten zur Verfügung. Was den Pflege- und Gesundheitszustand der Katzen betrifft, ist die Beschwerdeführerin ihren Pflichten ebenfalls nicht nachgekommen. Das Fell der Katze "Diva" wies grossflächig Knoten auf, so dass sie geschoren werden musste, um sicherzustellen, dass die Haut unter den Verfilzungen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Zudem wurde bei zwei Katzen dunkles Ohrenschmalz festgestellt, welches behandelt wurde, um eine Ohrenentzündung zu verhindern.

 

4.7.5 Wie in E. 4.4.3 (hiervor) ausgeführt, erfordert der Tatbestand von Art. 23 Abs. 1 lit. b TSchG, dass die Persönlichkeit des Tierhalters es ihm verunmöglicht, in der Lage zu sein, die Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung einzuhalten. Hierfür sind, nachdem seitens des Veterinäramtes des Kantons Zürich am 27. September 2021 bereits ein beschränktes Tierhalteverbot erlassen worden war, mit den oben beschriebenen Tatbeständen ausreichend Indizien vorhanden, um nun ein umfassendes Tierhalteverbot auszusprechen. Die Beschwerdeführerin bringt sich - möglicherweise aus falsch verstandener Tierliebe - immer wieder in Situationen, in denen sie überfordert und nicht mehr in der Lage ist, ihren Tieren eine vorschriftsgemässe und notwendige Betreuung und Pflege zukommen zu lassen. Nach dem am 27. September 2021 vom Veterinäramt des Kantons Zürich erlassenen, auf Katzen und Hunde beschränkten Tierhalteverbot hätte der Beschwerdeführerin klar sein müssen, dass sie sich nun klaglos verhalten muss. Dies war nicht der Fall. Vielmehr missachtete sie das Tierhalteverbot, indem sie auch noch die Hunde "Snoop" und "Rosky" hielt. Um die Behörden zu täuschen, stiftete sie zudem Drittpersonen an, unwahre Angaben über die tatsächliche Haltereigenschaft dieser beiden Hunde zu machen. Die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin verunmöglicht es ihr offensichtlich, die Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung einzuhalten. Die Voraussetzungen von Art. 23 Abs. 1 lit b TSchG sind erfüllt und das erlassene, vollständige Tierhalteverbot ist auch verhältnismässig, nachdem am 27. September 2021 bereits ein beschränktes Tierhalteverbot erlassen worden war, die Beschwerdeführerin aber erneut gegen die Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung verstiess und auch das ausgesprochene Tierhalteverbot mittels Anstiftung zu unwahren Angaben zu umgehen versuchte und so missachtete. Soweit die Beschwerdeführerin das ausgesprochene Tierhalteverbot anficht, ist daher die Beschwerde abzuweisen.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.101/E vom 5. Juni 2024

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