TVR 2024 Nr. 18
Handänderungssteuer; Steuerobjekt beim Kauf einer zuvor selbst bebauten Liegenschaft.
Tätigt der Käufer im Hinblick auf den Kauf einer Liegenschaft zuvor wertvermehrende Investitionen darauf, so ist die Handänderungssteuer vom Liegenschaftswert ohne diese wertvermehrenden Investitionen des Käufers zu erheben.
Mit Kaufvertrag vom 21. Dezember 2021 erwarb die A GmbH (Beschwerdeführerin) die Liegenschaft Nr. XX von ihrer Gesellschafterin und Geschäftsführerin zu Eigentum. Auf der Liegenschaft hatte die Beschwerdeführerin zuvor wertvermehrende Investitionen (Gebäudeumbau) von Fr. 1'353'705.-- getätigt. Der Kaufpreis betrug gemäss Kaufvertrag Fr. 1'320'000.-- und der Besitzantritt wurde rückwirkend per 1. Januar 2021 vereinbart. Das Grundbuchamt K erhob für das verfahrensbeteiligte Amt am 21. Dezember 2021 auf dem beurkundeten Kaufpreis eine Handänderungsteuer von Fr. 13'200.--. Diese Veranlagung erwuchs in Rechtskraft. Aufgrund einer Mitteilung des verfahrensbeteiligten Amtes betreffend die erhobene Grundstückgewinnsteuer korrigierte das Grundbuchamt K die Veranlagung vom 21. Dezember 2021 und erhob am 16. Juni 2022 eine Handänderungssteuer auf der Grundlage eines Kaufpreises von Fr. 3'050'000.--, was zu einer Nachsteuer von Fr. 17'300.-- führte. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Rekurs, welcher abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut und reduziert die Nachsteuer auf Fr. 3'762.95.
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Für den mit Kaufvertrag vom 21. Dezember 2021 abgeschlossenen Erwerb der Liegenschaft Nr. XX erhob das Grundbuchamt K für das verfahrensbeteiligte Amt am 21. Dezember 2021 auf dem verurkundeten Verkaufspreis von Fr. 1'320'000.-- eine Handänderungsteuer von Fr. 13'200.--. Diese Veranlagung ist in Rechtskraft erwachsen. Daher kann ein darüber hinausgehender Steuerbetrag für dieses Rechtsgeschäft nur verlangt werden, wenn die Voraussetzungen für eine ordentliche Nachsteuer nach § 204 Abs. 1 StG erfüllt sind. Diese Bestimmung lautet wie folgt: "Ergibt sich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, oder ist eine unterbliebene oder unvollständige Veranlagung auf ein Verbrechen oder Vergehen gegen die Steuerbehörde zurückzuführen, wird die nicht erhobene Steuer samt Zins als Nachsteuer eingefordert."
3.2 (Ausführungen darüber, dass sich das Grundbuchamt den für die Grundstückgewinnsteuer angenommenen Kaufpreis von Fr. 3'050'000.-- am 21. Dezember 2021 noch nicht als eigenes Wissen anrechnen lassen musste, somit also von Tatsachen oder Beweismitteln auszugehen war, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren)
3.3
3.3.1 Zu prüfen ist somit weiter, ob der bei der Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer zugrundegelegte Verkaufspreis von Fr. 3'050'000.-- eine Tatsache darstellt, aus der sich ergibt, dass die rechtskräftige Veranlagung der Handänderungssteuer vom 21. Dezember 2021 unvollständig war.
3.3.2 Die Kantone sind bei der Ausgestaltung und der Erhebung der Handänderungssteuer nicht durch eine Bundeskompetenz eingeschränkt. Die Kantone sind in Bezug auf die Definition der Bemessungsgrundlage der Handänderungssteuer auch nicht an harmonisierungsrechtliche Vorgaben gebunden. Bei der Definition sind die Kantone einzig an das Legalitätsprinzip gebunden und die Umschreibung der wichtigsten Merkmale der Bemessungsgrundlage der Handänderungssteuer hat entsprechend in einem Gesetz im formellen Sinne erlassen zu sein (Dolder/Frey, in: Zweifel/Beusch/Oesterhelt [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Immobiliensteuern, 2021, § 6 N. 8).
3.3.3 Eigentumsübertragungen von Grundstücken unterliegen der Handänderungssteuer (§ 137 Abs. 1 StG). Die Steuer wird von der Gesamtsumme der Leistungen erhoben, die dem Veräusserer zufliessen oder die der Erwerber zu dessen Gunsten gegenüber Dritten übernimmt (§ 139 StG). Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des relevanten Handänderungssteuerwertes sind alle Leistungen des Erwerbers zu berücksichtigen, was bedeutet, dass nebst dem bezahlten Erwerbspreis (bzw. dem beurkundeten Kaufpreis) auch noch weitere Leistungen zu berücksichtigen sind (Dolder/Frey, a.a.O., § 6 N. 9 ff.). Vor allem bei zivilrechtlichen aber auch bei gewissen wirtschaftlichen oder zivilrechtlichen gleichgestellten Handänderungen wird im Kanton Thurgau auf den Erwerbspreis abgestellt. In Bezug auf weitere Leistungen kennt der Kanton Thurgau die Praxis, dass solche zusätzlichen Leistungen bei der Berechnung des Handänderungswertes mitberücksichtigt werden (StP 139 Nr. 1, Ziff. 1). Im Kanton Thurgau soll der Handänderungswert grundsätzlich der Gesamtsumme der Leistungen, die dem Veräusserer zufliessen, entsprechen (vgl. § 139 Abs. 1 StG). Bei Bauten auf fremden Boden gilt grundsätzlich, dass die Abgabe stets vom Baulandpreis sowie zusätzlich von allen Werten zu beziehen ist, die im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs als Bestandteil oder Zugehör mit dem handändernden Grundstück verbunden sind und deshalb sachenrechtlich auf den Erwerber übergehen (vgl. StP 139 Nr. 1 Ziff. 1). Werden im Kanton Thurgau ein Grundstückskaufvertrag sowie ein Werkvertrag abgeschlossen, wird auf dem Werkpreis ebenfalls die Handänderungssteuer erhoben (Zusammenrechnungspraxis), wenn die Verträge so miteinander verknüpft sind, dass der eine ohne den anderen nicht zustande gekommen wäre. Diese Hinzurechnung des Werkpreises erfolgt unabhängig davon, wer Veräusserer des Grundstücks und wer Ersteller des Werkes ist. Die Zusammenrechnung erfolgt, wenn die Verkäuferin des Grundstücks und die Erstellerin des Werks zwar unterschiedliche (juristische) Personen sind, diese aber wirtschaftlich miteinander verbunden sind und als wirtschaftliche Einheit angesehen werden (StP 139 Nr. 1, Ziff. 2.2). Bedingen sich Kauf- und Werkvertrag, so gilt als massgebende Bemessungsgrundlage im Sinn der vorgenannten Bestimmung die Summe von Kauf- und Werkpreis. Dies gilt allerdings nur für diejenigen (allerdings am häufigsten auftretenden) Konstellationen, in denen der Ersteller des Werks und der Inhaber des Baulandes mehr oder weniger zusammenwirken und letztlich der Verkauf des (bereits bebauten) Grundstücks an einen Dritten erfolgt.
3.3.4 Hiervon zu unterscheiden gilt es aber den Fall, dass der Erwerber eines Grundstückes vor der Eigentumsübertragung an ihn selbst (aber im Hinblick darauf) eine Liegenschaft mit eigenen Mitteln überbaut. In diesem Spezialfall des Bauens mit eigenen Mitteln des Erwerbers auf fremden Boden vermag die Zusammenrechnung von Grundstückspreis und Werkskosten nicht zu befriedigen (vgl. hierzu Reber/Reber, Zur Bemessung der Handänderungssteuer beim Verkauf von Bauland mit geplanten oder noch unvollendeten Neubauten, SJZ 94/1998 S. 412; Entscheid der Justizdirekteion des Kantons Bern vom 6. Juni 1985, publiziert in BVR 1985 S. 389; LGVE 1995 II Nr. 25 E. 4 mit Verweis auf BGE 53 I 187). Das Bundesgericht hat in BGE 53 I 187 ausgeführt, dass für die Handänderungssteuerpflicht der Wert des zu veräussernden Grundstücks, das heisst der Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Grundeigentum massgebend ist. Eine Werterhöhung, die durch den Erwerber selbst herbeigeführt wurde, kann nach Ansicht des Bundesgerichtes dann nicht in Betracht fallen, wenn derselbe zur Vornahme berechtigt war. Denn die Besteuerung einer solchen vom Erwerber herbeigeführten Wertvermehrung widerspricht dem Wesen der Handänderungssteuer als Verkehrssteuer, die nur die freiwilligen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Eigentümers bzw. des Veräusserers trifft. Dies gilt nach Ansicht des Bundesgerichtes insbesondere dann, wenn der in gutem Glauben befindliche Ersteller der Baute nach Art. 673 ZGB das Recht hat, die Abtretung des Eigentums an Grund und Boden gegen angemessene Entschädigung zu verlangen, weil der Wert der auf fremden Grund und Boden erstellten Baute den Wert des Bodens offenbar übersteigt, sodass bei der steuerlichen Behandlung eines solchen Verhältnisses alleine die wirtschaftliche Betrachtung ausschlaggebend sein muss. Aus wirtschaftlichem Blickwinkel ist mithin eine Wertvermehrung, die vom späteren Erwerber erschaffen und finanziert wurde, nicht Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung (LGVE 1995 II Nr. 25 E. 4). Auch aus zivilrechtlichem Blickwinkel ergibt sich nichts anderes: Zwar wird der Liegenschaftsveräusserer vor der Übertragung kraft Akzessionsprinzip Eigentümer der vom Erwerber auf seinem Grund erstellten Baute, da diese Bestandteil seines Grundstückes wird (Art. 671 ZGB). Falls der Wert der Baute den Wert des Bodens offenbar übersteigt, kann aber (wie ausgeführt) der gutgläubige Ersteller der Baute verlangen, dass ihm das Eigentum an Grund und Boden gegen angemessene Entschädigung zugewiesen wird (Art. 673 ZGB). Falls der Wert der Baute den Wert des Bodens nicht übersteigt, hat der Grundeigentümer für das Material eine angemessene Entschädigung zu leisten (Art. 672 ZGB). Entweder ist also der Kaufpreis für den Baugrund alleine als angemessene Entschädigung für die Zuweisung des Eigentums an Bau und Boden aufzufassen oder die angemessene Entschädigung des bauenden Materialeigentümers wird dergestalt mit dem Veräusserer verrechnet, dass der vereinbarte Kaufpreis als Preis für den blossen Baugrund betrachtet werden kann. Zur Bemessung der Handänderungssteuer ist daher nicht nur der Verkehrswert des Rohbaus im Zeitpunkt der Handänderung zu berücksichtigen, sondern ebenfalls die Ersatzforderung des bauenden Käufers gegenüber dem Veräusserer (Reber/Reber, a.a.O., S. 412 FN 7).
3.4
3.4.1 Der E-Mail der Beschwerdeführerin an das verfahrensbeteiligte Amt vom 29. April 2022 kann entnommen werden, dass die wertvermehrenden Investitionen der Beschwerdeführerin (Gebäudeumbau) Fr. 1'353'705.-- betrugen. Dieser Betrag figuriert auch in der Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer. Gemäss dem vom verfahrensbeteiligten Amt eingereichten Kontoblatt (…) wurden für diese Liegenschaft sogar Aktivierungen in der Höhe von Fr. 1'358'477.42 vorgenommen. Die Investitionen der Beschwerdeführerin wurden im offensichtlichen Einverständnis mit der damaligen Liegenschaftseigentümerin und Alleingesellschafterin sowie Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin getätigt. Durch die von der Beschwerdeführerin getätigten Investitionen hat somit eine entsprechende Werterhöhung im Vergleich zum Verkehrswert der Liegenschaft, der am 11. Mai 2020 auf Fr. 1'320'000.-- geschätzt und für die Handänderungssteuer als Liegenschaftsverkaufspreis zu Grunde gelegt wurde, stattgefunden. Die Besteuerung dieser von der Beschwerdeführerin herbeigeführten Wertvermehrung widerspricht im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung aber dem Wesen der Handänderungssteuer als Verkehrssteuer, die nur die freiwilligen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Eigentümers und Veräusserers trifft. Die Handänderungssteuer ist mithin vom Liegenschaftswert ohne diese wertvermehrenden Investitionen durch die Beschwerdeführerin zu erheben.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.66/E vom 14. August 2024