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TVR 2024 Nr. 23

Planungsermessen der Gemeinde; kein Anspruch eines Einzelnen auf Erlass bestimmter planerischer Massnahmen.


§ 4 Abs. 1 PBG, Art. 1 RPG, Art. 3 RPG


  1. Der Gemeinde kommt im Rahmen der Ortsplanung insbesondere bezüglich Zonenzuweisung, Festsetzung der Gebäudelängen und Zuweisung zu Lärmempfindlichkeitsstufen ein relativ erheblicher Entscheidungsspielraum zu (E. 2.2, 3.2 und 4.4).

 

  1. Aus den Planungszielen und -grundsätzen von Art. 1 und 3 RPG lässt sich kein Anspruch des Einzelnen auf Erlass bestimmter planerischer Massnahmen, so etwa die Zuweisung einer bestimmten Fläche in die Freihaltezone bzw. in eine Nichtbauzone, ableiten (E. 2.7).


Die Politische Gemeinde Kreuzlingen (verfahrensbeteiligte Gemeinde) hat ihre Rahmennutzungsplanung einer Totalrevision unterzogen. Nach einer ersten öffentlichen Auflage von Zonenplan und Baureglement samt zugehörigem Planungsbericht wurde eine überarbeitete Fassung ebenfalls öffentlich aufgelegt. Die während der öffentlichen Auflage erhobenen Einsprachen wies die verfahrensbeteiligte Gemeinde ab. Dagegen wurde von mehreren Privatpersonen beim DBU (Vorinstanz) Rekurs erhoben, wobei unter anderem die Zuweisung eines Teils des nördlich der Bahnlinie gelegenen Gebiets "Seezälg/Kissingerguet" bis zur Grenze zur Politischen Gemeinde Bottighofen (nachfolgend "Gebiet Seezelg") zur Freihaltezone oder zu einer anderen Nichtbauzone beantragt wurde. Ausserdem wurde von den Rekurrenten die Anpassung des Baureglements ("BauR") hinsichtlich der maximal zulässigen Gebäudelänge in der Erholungs- und Freizeitzone (wie bisher 50 m statt neu 150 m) und betreffend die Zulässigkeit nur nicht störender Betriebe unter Beibehaltung der bisherigen Lärm-Empfindlichkeitsstufe (ES) II statt neu ES III beantragt. Die Vorinstanz wies den Rekurs mit Entscheid vom 14. Dezember 2022 ab und genehmigte gleichzeitig die Revision der Ortsplanung der verfahrensbeteiligten Gemeinde, bestehend aus Zonenplan und Baureglement. Dagegen liessen die Beschwerdeführer Beschwerde erheben. Das Verwaltungsgericht weist diese ab.

 

Aus den Erwägungen:

 

1.

1.1 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ergibt sich aus § 54 Abs. 1 Ziff. 3 bzw. Ziff. 5 VRG. (…) Die Beschwerdeführer sind Stockwerkeigentümer in der Liegenschaft A-Strasse, Kreuzlingen. Diese liegt - getrennt durch die Bahnlinie und zwei Wegparzellen - südlich der Wiese "Kissingerguet", deren Zuweisung in die Freihaltezone von den Beschwerdeführern beantragt wird. Durch die räumliche Nähe zur strittigen Zone sind sie durch die angefochtenen Entscheide in eigenen Interessen betroffen und zur vorliegenden Beschwerde legitimiert. (…)

 

1.2 Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist einerseits der ablehnende Rekursentscheid der Vorinstanz und andererseits der Genehmigungsentscheid der Vorinstanz, beides betreffend die Revision von Zonenplan und Baureglement der verfahrensbeteiligten Gemeinde. Nicht Verfahrensgegenstand ist der Gestaltungsplan "Seezelg II", über welchen vom Verwaltungsgericht im parallel geführten Beschwerdeverfahren VG.2023.1 befunden wird. (…) Die vorliegenden Beschwerdeführer sind gleichzeitig auch Beschwerdeführer im Verfahren VG.2023.1. Dementsprechend erweist es sich als sachgerecht und angezeigt, soweit erforderlich auch im vorliegenden Verfahren auf den Gestaltungsplan "Seezelg II" Bezug zu nehmen.

 

2.

2.1 Die Beschwerdeführer beantragen in zonenrechtlicher Hinsicht die Zuweisung eines - im Wesentlichen die Liegenschaft Nr. XX umfassenden - Teils des östlichen Gebiets "Seezelg" in eine Freihaltezone oder in eine Nichtbauzone. (…) Sie (die betroffene Fläche) betrifft den östlichen Teil des Perimeters des Gestaltungsplans "Seezelg II" und reicht im Osten bis an die Grenze zur politischen Gemeinde Bottig­hofen, im Norden bis an das Bodenseeufer, im Süden bis an die Bahnlinie und endet im Westen vor den im Gestaltungsplan vorgesehenen Fussballfeldern. Die gemäss Gestaltungsplan "Seezelg II" in den Baubereichen B1 und B2 vorgesehenen Fussballfelder und Tribünen- und Garderobengebäude liegen ausserhalb der Fläche, für welche von den Beschwerdeführern eine Zuweisung zur Freihaltezone oder zu einer Zone des Nichtbaugebiets beantragt wird. (…)

 

2.2        

2.2.1 Laut § 4 Abs. 1 PBG erlässt die Gemeinde den Rahmennutzungsplan bestehend aus Zonenplan und Baureglement. Bei der Nutzungsplanung als Gestaltungsaufgabe kommt der zuständigen Planungsbehörde ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. So ist es etwa im Sinne von § 4 Abs. 1 PBG grundsätzlich Sache der Gemeinde, über die für sie richtig erscheinende Zonierung einer Liegenschaft in ihrem Ermessen zu entscheiden (TVR 2016 Nr. 17 E. 4.3.2). Gleiches gilt auch für das Baureglement. Es ist der Gemeinde überlassen, unter mehreren verfügbaren und zweckmässigen Lösungen eine gestalterische Massnahme auszuwählen (Art. 2 Abs. 3 RPG). Die Gemeinde besitzt daher eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit (Urteil des Bundesgerichts 1C_479/2017 vom 1. Dezember 2017 E. 7.1), welche durch die Gemeindeautonomie geschützt ist (TVR 2020 Nr. 17 E. 2.2, Urteil des Bundesgerichts 1C_893/2013, 1C_895/2013 vom 1. Oktober 2014 E. 3.2).

 

2.2.2 Das Bundesrecht verlangt nach Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG die volle Überprüfung der angefochtenen Verfügungen und Nutzungspläne durch wenigstens eine Beschwerdebehörde. Eine solche volle Überprüfung bedeutet nach langjähriger Rechtsprechung die Prüfung, ob Rechtsverletzungen einschliesslich Überschreitung, Unterschreitung oder Missbrauch des Ermessens vorliegen, die Prüfung, ob der rechtserhebliche Sachverhalt unrichtig oder unvollständig festgestellt wurde, und die Prüfung, ob eine Massnahme unangemessen ist. Mit der Pflicht zur vollen Überprüfung wird aber nicht ausgeschlossen, dass sich die Rechtsmittelinstanz eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, wenn der unteren Instanz im Zusammenhang mit der Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe oder bei der Handhabung des Planungsermessens ein Beurteilungsspielraum oder Ermessensbereich zusteht. Vielmehr wird dies in Art. 2 Abs. 3 RPG von übergeordneten gegenüber nachgeordneten Behörden sogar ausdrücklich verlangt. Die Rechtsmittel­instanzen sollen insbesondere bei Planüberprüfungen nicht ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens des Planungsträgers setzen. Daraus folgt, dass eine Planung genehmigt werden muss, sofern sie den einschlägigen Normen entspricht. Sind mithin mehrere zweckmässige Lösungen denkbar, obliegt es nicht dem Departement, der Gemeinde eine davon vorzuschreiben (vgl. TVR 2017 Nr. 18 E. 2.3, TVR 2022 Nr. 11 E. 3.3, je mit weiteren Hinweisen).

 

2.3 Das zonenrechtliche Begehren der Beschwerdeführer ist nicht isoliert danach zu prüfen, welche Nutzungen und baulichen Massnahmen in der Erholungs- und Freizeitzone aufgrund des Zonenbeschriebs, der Höchst- und Mindestmasse und des einzuhaltenden Gewässer- und Waldabstandes theoretisch möglich wären. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang vielmehr der Inhalt des Gestaltungsplans "Seezelg II", auch wenn dieser auf der Grundlage des bisherigen Zonenplans/Baureglements basiert bzw. zu beurteilen ist. Wie dem von den Beschwerdeführern eingereichten Plan entnommen werden kann, ist im südlichen Bereich der (von den Beschwerdeführern) rot schraffierten Fläche eine Feriensiedlung geplant. Ein Vergleich der gesamten Fläche, die der Erholungs- und Freihaltezone zugeschieden ist, mit dieser schraffierten Fläche ergibt, dass sich der Widerstand der Beschwerdeführer offensichtlich in erster Linie gegen die geplante Feriensiedlung richtet. Diese Feriensiedlung mit Gemeinschaftsinfrastrukturanlagen ist gemäss Gestaltungsplan "Seezelg II" in den vier Baubereichen A1-A4 vorgesehen. Diese Baubereiche sind versetzt, mehr oder weniger parallel zur Bahnlinie platziert, wobei pro Baubereich nur ein Gebäude realisiert werden kann. Für die ca. 71 Wohnungen sind gemäss Gestaltungsplan 69 (maximal 75) Parkplätze eingerechnet, welche in einem Parkgeschoss im Baubereich A1 und als Parkplätze im Aussenbereich erstellt werden sollen. Der Baubereich A5 ist für die Erstellung einer Transformatorenstation vorgesehen. Die nördliche Hälfte des Teilgebiets A bleibt bis zum Seeufer frei von Bebauung, wobei dieser Sektor, für welchen Aufwertungsmassnahmen geplant sind, für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben soll. Der Abstand der Baubereiche A1- A5 zum Seeufer beträgt 70 m und mehr.

 

2.4 Soweit die Beschwerdeführer mit Verweis auf den regierungsrätlichen Genehmigungsentscheid betreffend die bisherige Zonenplanung (…), auf den Konzeptbericht Stadtentwicklungsplan des Stadtrates der verfahrensbeteiligten Gemeinde vom 7. April 2009 und auf den kommunalen Richtplan 2019 geltend machen, diese Planungsinstrumente sprächen gegen eine Überbauung des bislang unbebauten Teils des Gebiets "Seezelg", ist dies überholt. Auch ist nicht auf eine theoretische Betrachtungsweise, was in der Erholungs- und Freizeitzone an baulichen Massnahmen möglich wäre, abzustellen, sondern auf den Inhalt des Gestaltungsplans "Seezelg II". Aus den Akten des Verfahrens VG.2023.1, welche den Beschwerdeführern ebenfalls bekannt sind, ergibt sich Folgendes: Im Vorfeld zum Erlass des Gestaltungsplans erfolgten während mehrerer Jahre raumplanerische Abklärungen und es wurde ein mehrstufiges Workshopverfahren durchgeführt, an welchem aktenkundig zwei renommierte Architekturbüros zusammen mit der Grundeigentümerin und unter Einsetzung der kommunalen Stadtbildkommission als Fachgremium sowie unter Einbezug einer Stellungnahme der Vorinstanz das Basisprojekt für ein (Reka-)Feriendorf erarbeiteten. Dieses abgestufte, von blossen Grundeigentümerinteressen abstrahierte Verfahren ist begrüssenswert und der besonderen Situation dieses noch unüberbauten, relativ nahe am Bodenseeufer gelegenen Bereichs angemessen. Die Beschwerdeführer gehen auf diese fachliche Herangehensweise und deren Ergebnisse weder im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch im Verfahren VG.2023.1 substantiiert ein. Sie beanstanden denn auch den Amtsbericht des kantonalen Hochbauamtes vom 11. Juni 2021 zum Gestaltungsplan "Seezelg II", welcher dem Projekt hervorragende Qualitäten bescheinigte, vor allem mit Zweifeln an der Unabhängigkeit des Hochbauamtes. Das Hochbauamt gab seine Beurteilung des strittigen Gestaltungsplanes unter Berücksichtigung der von § 24 Abs. 2 PBG geforderten gesamthaft besseren Siedlungsgestaltung als kantonale Fachbehörde ab. Dass diese Stellungnahme parteiisch und nicht fachlich bzw. objektiv erfolgt wäre, ist nicht erkennbar. Die Ausführungen des kantonalen Hochbauamtes, welche anlässlich des Gerichtsaugenscheins vom 6. September 2023 bestätigt wurden, sind nachvollziehbar. Diese Stellungnahme ist auch im vorliegenden Zonenplanrevisionsverfahren zu würdigen, zumal sich der Widerstand der Beschwerdeführer bzw. ihr Umzonungsantrag (…), wie erwähnt, im Wesentlichen gegen die Feriensiedlung richtet und die Beibehaltung der schon im bisher gültigen Zonenplan massgebenden Erholungs- und Freizeitzone eigene Grundeigentümerinteressen der Beschwerdeführer nicht direkt betrifft, nachdem sich ihre Beschwerde vielmehr gegen die Zonierung fremder, nicht direkt anstossender Liegenschaften richtet.

 

2.5 Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, es sei bei der strittigen Beibehaltung der Erholungs- und Freizeitzone die von Art. 3 RPV geforderte Interessenabwägung unterblieben, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. So hat bereits die verfahrensbeteiligte Gemeinde in ihrem Einspracheentscheid vom 23. März 2023 darauf verwiesen, dass parallel zur Revision von Zonenplan und Baureglement auch das Verfahren zum Erlass des Gestaltungsplans "Seezelg II" durchgeführt werde. Die Beschwerdeführer ergriffen auch in jenem Verfahren Rechtsmittel und hatten folglich davon Kenntnis, dass beim Erlass des Gestaltungsplans sowohl die Frage nach der Berücksichtigung der Ziele und Grundsätze der Raumplanung nach Art. 1 und 3 RPG als auch die Frage, ob Abweichungen von der Regelbauweise in den Baubereichen A1 bis A4 durch eine gesamthaft bessere Siedlungsgestaltung im Sinne von § 24 Abs. 2 PBG gerechtfertigt sind, beurteilt wurden. Der vorerwähnte Fachbericht des kantonalen Hochbauamtes vom 11. Juni 2021 hat dies nachvollziehbar und zutreffend bestätigt, wie sich im Beschwerdeverfahren VG.2023.1 ergeben hat. Bei dieser Prüfung stand die Nutzung des auch vorliegend strittigen östlichsten Planungsgebiets im Vordergrund. Damit wurde - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - eine umfassende und konkret auf die von den Beschwerdeführern beanstandete Realisierung einer (Reka-)Feriensiedlung im Gestaltungsplanverfahren gerichtete Beurteilung durchgeführt. Dabei ist es ohne weiteres vertretbar, dass die verfahrensbeteiligte Gemeinde die für das Gebiet "Seezelg" vorgenommene raumplanerische Interessenabwägung angesichts der Fülle von planerischen Entscheiden im Rahmen einer Zonenplan-Totalrevision nicht derart detailliert darstellte, wie wenn es sich um eine isolierte Zonenplananpassung gehandelt hätte. Den Beschwerdeführern waren die gegeneinander abgewogenen Interessen aus den Rechtsmittelverfahren betreffend den Gestaltungsplan "Seezelg II" bekannt. Von einer fehlenden Interessenabwägung im Sinne von Art. 3 RPV ist somit nicht auszugehen.

 

2.6 Die Beschwerdeführer halten daran fest, dass das Gebiet "Seezälg/Kissingerguet" bei Beibehaltung der Erholungs- und Freizeitzone und gleichzeitiger Realisierung der Reka-Feriensiedlung zerschnitten und sich in diesem überbauten Gebiet östlich und westlich Freihaltezonen bilden würden; faktisch entstünde dann - so die Beschwerdeführer - eine gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unzulässige Kleinstbauzone. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Die Beschwerdeführer gehen zu Unrecht davon aus, dass es sich bei unüberbauten Teilen der Bauzone um "Freihaltezonen" handle und dass ein überbautes Grundstück, welches von mindestens zwei unüberbauten Grundstücken der Bauzone umgeben ist, eine "Kleinstbauzone" darstellen würde. Dies ist unzutreffend. So hielt auch das ARE in seiner Stellungnahme vom 9. Februar 2023 nachvollziehbar fest, dass das Gebiet mehrseitig an eine Bauzone grenze. Daran würde auch das Ausscheiden einer Freihaltezone - wie es von den Beschwerdeführern gefordert werde - nichts ändern. Unter Einbezug der umliegenden Gebiete werde jedenfalls deutlich, dass das Gebiet "Seezälg/Kissingerguet" von grossflächigem Siedlungsgebiet umgeben sei; im Norden liege der See. Die Darstellung des ARE ist nachvollziehbar und schlüssig. Von einer unzulässigen "Kleinstbauzone" kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht ausgegangen werden.

 

2.7 Aus dem Umstand, dass östlich des strittigen Bereichs auf dem Gebiet der Politischen Gemeinde Bottighofen eine Freihaltezone samt Seeuferschutzzone ausgeschieden ist, können die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten ableiten. Wie dargelegt (vgl. E. 2.2. vorstehend) kommt den Gemeinden bei der Ortsplanung Autonomie zu (§ 4 PBG). Zwar steht der Rekursinstanz im Rechtsmittelverfahren gegen Nutzungspläne volle Überprüfungsbefugnis im Sinne von Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG zu. Das kantonale Recht regelt den Sachbereich Nutzungsplanung jedoch nicht abschliessend, weshalb der kommunalen Planungsbehörde eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zukommt. Wie die Vorinstanz zutreffend folgert, lässt sich aus den Planungszielen und -grund­sätzen von Art. 1 und 3 RPG kein Anspruch des Einzelnen auf Erlass bestimmter planerischer Massnahmen ableiten. Die Rekursinstanz darf auch nicht einfach das Ermessen der Gemeinde als Planungsträgerin durch ihr eigenes Ermessen ersetzen (vgl. TVR 2022 Nr. 11 E. 3.3, TVR 2020 Nr. 17 E. 2.2, TVR 2017 Nr. 18 E. 2.3). Auch das Verwaltungsgericht als erste gerichtliche Instanz hat die Gemeindeautonomie zu wahren. Das Verwaltungsgericht ist zudem nicht obere Planungsbehörde. Dass die Politische Gemeinde Bottighofen östlich des vorliegend strittigen Gebiets eine Freihaltezone erlassen hat, hat keine Bindung der verfahrensbeteiligten Gemeinde in dem Sinne zur Folge, dass sie auf ihrem Hoheitsgebiet ebenfalls eine Freihaltezone zu erlassen hätte. Anlässlich des Augenscheins vom 6. September 2023 konnte im Übrigen festgestellt werden, dass sich anschliessend an die mit 9'996 m2 relativ kleine Bottighofer Freihaltezone eine grossflächige Wohn- und Arbeitszone 2.4 von 29'796 m2 befindet, welche mit vier neueren, markant in Erscheinung tretenden Gebäuden überbaut ist, die sich in einem weit geringeren Abstand zum Seeufer befinden, als das von den Beschwerdeführern beanstandete Reka-Feriendorf.

 

2.8 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Abweisung des Begehrens der Beschwerdeführer um Zuweisung der fraglichen Fläche gemäss Plan mit der rot schraffierten Fläche in die Freihaltezone bzw. in eine Nichtbauzone durch die verfahrensbeteiligte Gemeinde nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde erweist sich diesbezüglich als unbegründet.

 

3.

3.1 Zu prüfen ist weiter das Begehren der Beschwerdeführer, wonach die maximale Gebäudelänge in der Erholungs- und Freizeitzone wie bisher auf 50 m statt - wie im revidierten Baureglement vorgesehen - auf 150 m zu begrenzen sei.

 

3.1.1 Die Beschwerdeführer machen zur Begründung dieses Begehrens geltend, es seien in diesem sensiblen Bereich (insbesondere im weitgehend unüberbauten Gebiet "Seezälg/Kissingerguet"), welcher sich beinahe entlang des gesamten Seeufers erstrecke, neu Hochbauten mit einer Länge zulässig, die in diesem Ausmass einzig in einer Arbeitszone denkbar seien. Die bisher geltende Beschränkung auf 50 m reiche aus, um Anlagen für die Erholung zu erstellen, da nur zwei Bauten mit Bestandesschutz eine Gebäudelänge von über 50 m aufwiesen. Auch diesbezüglich fehle eine ausreichende planungsrechtliche Interessenabwägung. Daran ändere nichts, dass für das Gebiet "Seezälg/Kissingerguet" neu eine Gestaltungsplanpflicht gelte.

 

3.1.2 - 3.1.4 (…)

 

3.2 Auch hinsichtlich der Festlegung von Höchst- und Mindestmassen ist auf die den Gemeinden im Bereich der Nutzungsplanung zustehende Autonomie hinzuweisen (vgl. E. 2.2 vorstehend). Es steht in der Verantwortung und im Ermessen der kommunalen Planungsbehörde, welche eine Nutzungsplanrevision erarbeitet, gemessen am Zonenzweck eine adäquate maximale Gebäudelänge festzulegen. Die Vorinstanz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erhöhung der zulässigen Gebäudelänge auf 150 m auf sachlichen Gründen beruhe, nachdem bereits zwei bestehende Gebäude in der Erholungs- und Freizeitzone die bisher geltende Maximallänge von 50 m überschreiten. Es steht ebenfalls in der Verantwortung und im Ermessen der kommunalen Planungsbehörde, die Entwicklung eines derart grossflächigen Gebietes wie im "Seezälg/Kissingerguet" zu planen und mit dem Bedarf auf Sport- und Freizeitanlagen in Übereinstimmung zu bringen. Es ist weder willkürlich noch rechtswidrig, dies damit zu begründen, dass das Bedürfnis nach längeren Bauten im Bereich von Sport- und Erholungsanlagen eine erhebliche Erhöhung der maximal zulässigen Gebäudelänge erforderlich machen könne. Dass die Beschwerdeführer dies anders sehen, ändert nichts daran, dass sich aus den Planungszielen und -grundsätzen von Art. 1 und 3 RPG kein Anspruch des Einzelnen auf Erlass bestimmter planerischer Massnahmen ableiten lässt (vgl. E. 2.7 vorstehend). Wie das ARE zutreffend festgestellt hat, wurde von der verfahrensbeteiligten Gemeinde mit Erlass des Gestaltungsplans "Seezelg II" der Nachweis erbracht, dass sich die Befürchtungen der Beschwerdeführer, eine Verdreifachung der zonengemäss zulässigen Gebäudelänge führe zu einer masslosen Verbauung des strittigen Gebietes mit übergrossen Gebäuden, nicht bestätigen. Der Gestaltungsplan sieht Hochbauten mit einer Gebäudelänge von deutlich unter 100 m und die Freihaltung einer massgeblichen Fläche entlang des Seeufers vor. Es ist nicht ersichtlich, welche eigenen Grundeigentümerinteressen der Beschwerdeführer dem entgegenstehen sollten, zumal sich die Beanstandungen im vorliegenden Beschwerdeverfahren auf die Anrufung öffentlicher Interessen beschränken. Wie auch im Beschwerdeverfahren VG.2023.1 betreffend den Gestaltungsplan "Seezelg II" festgestellt werden konnte, sieht der Gestaltungsplan einen angemessenen Mix aus qualitätsvoller Bebauung und öffentlich zugänglichen, ökologisch aufzuwertenden Freiräumen vor. Die Voraussetzungen von § 24 Abs. 2 PBG für ein Abweichen von der Regelbauweise sind - bereits auf Grundlage der aktuell noch geltenden Rahmennutzungsplanung - als erfüllt zu taxieren. Es trifft somit nicht zu, dass die Erhöhung der maximalen Gebäudelänge dazu dienen soll, eine nach altem Recht unzulässige Bebauung nachträglich zu legitimieren Die Beschwerde erweist sich auch diesbezüglich als unbegründet.

 

4.

4.1 Die Beschwerdeführer beantragen weiter, dass in der Erholungs- und Freizeitzone nur nicht störende Nutzungen zulässig sein sollen bzw. dass wie bisher die Lärmempfindlichkeitsstufe LS II statt der neu einzuführenden LS III gelten solle; auf die Zulassung mässig störender Bauten und Anlagen und die Zuweisung zur LS III sei zu verzichten.

 

4.1.1 Zur Begründung dieses Begehrens machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 43 Abs. 1 LSV geltend. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die neu geplante Zuweisung eine Abweichung von der gesetzlich vorgeschriebenen Grundregel rechtfertigen solle. In der Erholungs- und Freizeitzone gehe es nicht nur um die Realisierung von Sportanlagen und Freizeitnutzungen, sondern sie beinhalte auch einen Erholungszweck.

 

4.1.2 und 4.1.3 (…)

 

4.2 Vorweg ist festzuhalten, dass von den Beschwerdeführern nicht konkret ausgeführt wird, inwiefern sie mit der Zuweisung der Erholungs- und Freizeitzone in die ES III in eigenen Interessen betroffen wären. Hinzuweisen ist zudem auf den Umstand, dass sich das Stockwerkeigentum der Beschwerdeführer unmittelbar südlich der Bahnlinie befindet, die für sich betrachtet bereits eine relevante Lärmquelle darstellt. Inwiefern die geplante Feriensiedlung geeignet ist, Lärmimmissionen zu verursachen, welche neben dem Bahnlärm verstärkt wahrnehmbar sein könnten, ist fraglich, kann jedoch dahingestellt bleiben. Das Stockwerkeigentum der Beschwerdeführer befindet sich in der Wohn- und Arbeitszone WA 105. Darin sind mässig störende Betriebe zulässig und es gilt die ES III (Art. 4a und Art. 8 BauR). Die Beschwerdeführer haben aufgrund des Standorts ihres Stockwerkeigentums nur (aber immerhin) einen Schutz vor unzumutbaren Lärmimmissionen, soweit diese oberhalb der Immissionsgrenzwerte der ES III liegen sollten. Dieser Schutz gilt unabhängig davon, welcher ES die Erholungs- und Freizeitzone zugewiesen ist. Im Rahmen des Gestaltungsplanverfahrens wurde zudem ein Lärmgutachten erstellt, mit welchem bestätigt wurde, dass mit geeigneten Massnahmen von der Einhaltung der Lärmgrenzwerte auszugehen ist (vgl. hierzu auch Urteile des Bundesgerichts 1C_99/2022, 1C_101/2022 vom 25. April 2023 E. 11.1 und 1C_471/2021 vom 10. Oktober 2022 E. 5.3). Allerdings ist für die vorliegend strittige Frage der Zuweisung der Erholungs- und Freizeitzone zur ES II oder ES III die lärmrechtliche Situation auf der sich in einer anderen Zone befindenden Liegenschaft Nr. YY (mit der Stockwerkseigentumseinheit der Beschwerdeführer) grundsätzlich nicht ausschlaggebend.

 

4.3 Nach Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV gilt die ES II in Zonen, in denen keine störenden Betriebe zugelassen sind, namentlich in Wohnzonen sowie Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen. Die Empfindlichkeitsstufe III gilt in Zonen, in denen mässig störende Betriebe zugelassen sind, namentlich in Wohn- und Gewerbezonen (Mischzonen) sowie in Landwirtschaftszonen (Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV).

 

4.4 Gemäss Art. 14 des neuen BauR dient die Erholungs- und Freizeitzone der Erholung und der Freizeitgestaltung; es sind mässig störende Bauten und Anlagen zulässig, die einem grösseren Personenkreis zu diesem Zwecke dienen. Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass in dieser Zone nicht nur Freizeiteinrichtungen bestehen, sondern z.B. das Seeufer auch der Erholung diene. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass einerseits grosse Bereiche dieser Zone bereits Freizeiteinrichtungen mit einem erhöhten Lärmpotential aufweisen (z.B. westlich des Hafens die Bodensee-Arena) und dass andererseits gerade diese Zone für entsprechende Nutzungen (z.B. Fussballspiele) vorgesehen ist. Dies entspricht ohne weiteres dem in Art. 14 des neuen BauR definierten Zweck. Auch das Bundesgericht erachtete es mit Urteil 1C_63/2010 vom 14. September 2010 (im Zusammenhang mit einem Sondernutzungsplan für einen See- bzw. Uferbereich) als zulässig, dass eine Grün- und Freizeitzone an einem Seeufer der ES III zugeteilt werde (vgl. URP 2017, Bd. 2, S. 146 ff., 186). Angesichts der gemäss dem neuen BauR in der Erholungs- und Freizeitzone vorgesehenen Nutzungen, die zumindest teilweise mit lärmintensiveren Aktivitäten verbunden sind, erweist sich die Zuweisung dieser Zone in die ES III als sachgerecht. Die Festsetzung der ES III für die Erholungs- und Freizeitzone stellt einen Entscheid der verfahrensbeteiligten Gemeinde dar, der von der kommunalen Planungsautonomie gedeckt ist (vgl. E. 2.2 vorstehend). Dieser planerische Entscheid ist begründet und nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist auch in dieser Hinsicht unbegründet.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.14/E vom 10. Juli 2024

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