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TVR 2024 Nr. 3

Asylsozialhilfe, Schutzstatus S, Pauschalbetrag für den Lebensunterhalt, Berücksichtigung von Einnahmen und Ausgaben im Ausland.


Art. 82 Abs. 1 AsylG, § 6 c Abs. 1 SHV, § 12 Abs. 1 VRG


  1. Es liegt im Ermessen der unterstützungspflichtigen Gemeinde, ob sie für den Lebensunterhalt den Tagessatz aufgrund der effektiven Kalendertage zuspricht oder einen monatlichen Pauschalbetrag ausbezahlt (E. 4.3.2).

 

  1. Ausgaben im Ausland - z.B. Miet- oder Hypothekarzinse - gehören in der Regel nicht zur unabdingbaren Existenzsicherung, weshalb sie im Unterstützungsbudget nicht zu berücksichtigen sind, selbst wenn das Aufenthaltsrecht (Schutzstatus S) rückkehrorientiert ist (E. 5.3).

 

  1. Sind Einnahmen im Ausland (Einkommen oder Renten) tatsächlich verfügbar bzw. kurzfristig realisierbar, sind sie grundsätzlich als Eigenmittel im Unterstützungsbudget zu berücksichtigen. Die tatsächliche Verfügbarkeit betrifft die Bedürftigkeit der Hilfesuchenden. Diese ist im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von der Sozialhilfebehörde hinreichend abzuklären (E. 5.4 und 5.5).


Die Eheleute C sind ukrainische Staatsangehörige. Das SEM gewährte ihnen den Schutzstatus "S". Sie wurden dem Kanton Thurgau zugewiesen. Das kantonale Sozialamt wies sie der Politischen Gemeinde Z zu. Diese sprach den Eheleuten C für den Lebensunterhalt pauschal Fr. 420.-- pro Person und Monat zu, abzüglich der ukrainischen Rente von monatlich total Fr. 200.--. Mit Rekurs beantragten die Eheleute C für den Lebensunterhalt Fr. 14.-- pro Person und Kalendertag sowie die Nichtanrechnung der ukrainischen Rente. Das DFS (Vorinstanz) hiess den Rekurs teilweise gut und wies die Sache betreffend Lebensunterhalt an die Politische Gemeinde Z zurück. Diese habe nicht begründet, weshalb sie den Tagessatz von Fr. 14.-- pro Person gemäss der Empfehlung im Leitfaden Asyl nur im Umfang von 30 Tagessätzen für jeden Monat zugesprochen habe. Ferner habe die Politische Gemeinde Z unzureichend abgeklärt, ob die ukrainischen Rentenleistungen tatsächlich, wie von den Eheleuten C behauptet, nicht verfügbar seien. Gegen den Rekursentscheid erhoben sowohl die Eheleute C als auch die Politische Gemeinde Z Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Die Eheleute C beantragten, die ukrainischen Renten seien so oder anders nicht zu berücksichtigen. Die Politische Gemeinde Z beanstandete die Rückweisung betreffend Lebensunterhalt und Rentenleistungen. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerden teilweise - so namentlich diejenige der Politischen Gemeinde Z betreffend Lebensunterhalt - gut (Aufhebung des Rekursentscheids und Bestätigung des Entscheids der Politischen Gemeinde Z); im Übrigen, so insbesondere betreffend ausländische Rente, werden die Beschwerden abgewiesen und der angefochtene Rekursentscheid bestätigt.

 

Aus den Erwägungen:

 

3.

3.1 Personen, die sich gestützt auf das AsylG in der Schweiz aufhalten und die ihren Unterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, erhalten die notwendigen Sozialhilfeleistungen, sofern nicht Dritte auf Grund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung für sie aufkommen müssen, bzw. auf Ersuchen hin Nothilfe (Art. 81 AsylG). Für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen und Nothilfe gilt kantonales Recht (Art. 82 Abs. 1 AsylG). Für Asylsuchende und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung ist die Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten. Der Ansatz für die Unterstützung liegt unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung (Art. 82 Abs. 3 AsylG und Art. 3 Abs. 2 AsylV 2). (…).

 

3.2        

3.2.1 (…)

 

3.2.2 Zur Asyl-Sozialhilfe im Besonderen wird im kantonalen Recht festgehalten, dass der Regierungsrat in Absprache mit den Gemeinden besondere Vorschriften für die fürsorgerische Betreuung von Personen, die der Asylgesetzgebung unterstehen, erlassen kann (§ 1 Abs. 3 SHG). Diese Personen haben gestützt auf § 6c SHV nur Anspruch auf die Sicherung ihrer Existenz. Dazu gehören Geld- oder Naturalleistungen, die für ein menschenwürdiges Leben unabdingbar sind. Das Departement bezeichnet Art und Höhe dieser Leistungen. Gestützt auf § 2i SHV erlässt das Departement für die Unterstützung oder die Notfallhilfe von Asylsuchenden, Schutzbedürftigen mit und ohne Aufenthaltsbewilligung sowie von Personen mit einem Entscheid gestützt auf die Asylgesetzgebung Weisungen. Gestützt darauf hat das DFS den vom kantonalen Sozialamt erlassenen Leitfaden Asyl genehmigt (vgl. auch TVR 2017 Nr. 26 E. 3.3).

 

4. Strittig und zu prüfen ist, welcher Betrag den Eheleuten C für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts zusteht.

 

4.1 Die Politische Gemeinde Z hat den Eheleuten C mit Entscheid vom 29. September 2022 für den Lebensunterhalt pauschal je Fr. 420.-- pro Monat zugesprochen. Mit Rekurs beantragten die Eheleute C die Ausrichtung von monatlich Fr. 14.-- pro Kalendertag. Die Vorinstanz hiess den Rekurs insoweit gut, als sie den diesbezüglichen Entscheid der Politischen Gemeinde Z aufhob und die Sache an diese zurückwies. Begründend wurde festgehalten, es stehe der Politischen Gemeinde Z frei, die Ansätze im zulässigen Rahmen anzupassen oder eine monatliche Pauschalabgeltung vorzusehen, zumal die Ansätze im Leitfaden Asyl lediglich eine Empfehlung darstellen würden. Dies wäre aber entsprechend zu begründen. Die Politische Gemeinde Z gebe an, dass sich die Unterstützung jeweils auf Fr. 14.-- pro Tag belaufe. Folglich wäre den Eheleuten die Tagespauschale für jeden Tag auszurichten und der Unterstützungsbetrag je nach Kalendermonat anzupassen.

 

4.2        

4.2.1 Die Politische Gemeinde Z rügt die von der Vorinstanz festgehaltene Aufhebung und Rückweisung zum neuen Entscheid. Die zugesprochene Monatspauschale von je Fr. 420.-- sei nicht zu beanstanden und ihr Entscheid vom 29. September 2022 in diesem Punkt zu bestätigen. Begründend macht sie geltend, massgeblich sei das Entscheiddispositiv. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführe, stehe es der Politischen Gemeinde Z frei, eine monatliche Pauschalentschädigung vorzusehen, zumal sich diese vorliegend ohne weiteres im zulässigen Rahmen bewege. In ihrer Entscheidbegründung habe sie zwar auf die Empfehlungen gemäss Leitfaden Asyl (Fr. 14.--/Tag) Bezug genommen, das ändere jedoch nichts daran, dass der Entscheid auf eine (zulässige) Monatspauschale von je Fr. 420.-- laute. Es stehe in ihrem Ermessen, ihrer Praxis entsprechend für die Berechnung durchgehend 30 Tage anzuwenden, was im Übrigen der Praxis vieler Gemeinden entspreche. Die Vorinstanz greife in unzulässiger Weise in das Ermessen ein.

 

4.2.2 - 4.2.3 (…)

 

4.3        

4.3.1 Weder das SHG noch die SHV regeln, wie hoch die Unterstützungsbeiträge für den Lebensunterhalt sein müssen. Eine kantonal verbindliche Regelung besteht somit nicht. Gemäss Ziff. 8.6 Leitfaden Asyl sind für die Unterstützung von Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung die Kosten für Unterkunft, Krankenversicherung, Selbstbehalt und Franchise effektiv zu übernehmen. Die empfohlenen Unterstützungsansätze für den Lebensunterhalt betragen für Erwachsene Fr. 11.-- pro Tag sowie ein Taschengeld von Fr. 3.-- pro Tag, somit also total Fr. 14.-- pro Tag. Richtlinien - wie der Leitfaden Asyl - wenden sich an die Durchführungsstellen und sind für das Gericht nicht verbindlich. Diese soll es bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Ein Gericht soll daher nicht ohne triftigen Grund von Richtlinien abweichen, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (Urteil des Bundesgerichts 8D_1/2015 vom 31. August 2015 E. 5.3.3).

 

4.3.2 Die Politische Gemeinde Z hat im Entscheiddispositiv eine Unterstützungsleistung von Fr. 420.-- pro Person und Monat festgelegt. Dass dieser Betrag unter Anwendung des (lediglich) empfohlenen Tagessatzes von Fr. 14.-- pro Tag und Person 30 Tagessätzen entspricht, ändert nichts daran, dass mit dem Entscheiddispositiv eine Pauschale und nicht eine nach Kalendertagen zu bemessende Entschädigung zugesprochen wurde. Von einem Widerspruch zwischen dem einzig Rechtswirkungen entfaltenden Entscheiddispositiv und den Erwägungen kann keine Rede sein. So entsprach es dem klar erkennbaren Willen der Politischen Gemeinde Z, den Eheleuten C eine Pauschalentschädigung von je Fr. 420.-- zuzusprechen. Dass diese Pauschale im Rahmen der empfohlenen Ansätze liegt, ist unbestritten. Zutreffend ist aber auch, dass die Politische Gemeinde Z erst in ihrer Beschwerdeschrift eine Begründung für die Zusprache einer pauschalen statt einer nach Kalendertagen variablen monatlichen Entschädigung vorgebracht hat (Anlehnung an die eigene Praxis und auch die Praxis vieler anderer Thurgauer Gemeinden). Mit Blick auf das der Gemeinde zustehende Ermessen und die Geringfügigkeit des strittigen Differenzbetrages kann eine fehlende Begründung entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht zur Aufhebung des kommunalen Entscheids führen. Zu berücksichtigen ist, dass nur in sieben Kalendermonaten eines Jahres die nach Tagessätzen bemessene Unterstützung je Fr. 28.--, somit Fr. 196.-- pro Jahr, höher wäre; im Februar der Jahre 2022 oder 2023 wäre aber auch eine um Fr. 56.-- tiefere Entschädigung auszurichten gewesen. Es bedarf keiner weiter gehenden Begründung dafür, dass der Gemeinde im Umfang einer Differenz von jährlich lediglich Fr. 140.-- ohne weiteres ein Ermessensspielraum zu belassen ist, zumal dies pro Tag nicht einmal 40 Rappen weniger als der (bloss) empfohlene Tagessatz von Fr. 14.-- sind. Die Vorinstanz hat diesen Teil der Dispositiv-Ziff. 1 darum zu Unrecht aufgehoben, so dass die Beschwerde der Politischen Gemeinde Z diesbezüglich gutzuheissen ist.

 

5. Strittig ist, ob die Politische Gemeinde Z bei der Bemessung der Unterstützungsleistung einnahmenseitig zu Recht ukrainische Renten im Betrag von total Fr. 200.-- pro Monat berücksichtigt hat. Zu prüfen ist, ob die Eheleute C die ausländischen Rentengelder für Verbindlichkeiten in der Ukraine anstatt für den Lebensunterhalt in der Schweiz verwenden dürfen, weil ihr Aufenthaltsstatus rückkehrorientiert sei (dazu nachstehend E. 5.3). Sollte dies verneint werden, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Eheleute C überhaupt auf ihre ukrainischen Renten bzw. Konti zugreifen können (dazu nachstehend E. 5.4).

 

5.1 (…)

 

5.2     

5.2.1 In ihrer Beschwerde vom 16. April 2023 anerkennen die Eheleute C den Grundsatz, dass allfällige Einnahmen aus der Ukraine bei der Bemessung von Sozialhilfeleistungen anzurechnen seien. Gleichzeitig machen sie aber geltend, dass ihre Renten für laufende Ausgaben in der Ukraine verwendet werden dürften. Der zeitlich beschränkte Schutzstatus S sei klar rückkehrorientiert, so dass Verbindlichkeiten zum Erhalt der Wohnung in der Ukraine zwingend notwendig und bei der Bemessung der Sozialhilfeleistungen angerechnet werden müssten. Die Vorinstanz habe im angefochtenen Entscheid nicht berücksichtigt, dass es sich nicht um beliebige Verbindlichkeiten, sondern um zwingende Kosten für den Erhalt der ukrainischen Wohnung handle, so dass die Prüfung dieses Punktes beantragt werde.

 

5.2.2 Die Politische Gemeinde Z macht ihrerseits in ihrer Beschwerde geltend, dass sie die Eheleute C mehrfach um weitere Informationen betreffend Rente bzw. Zahlungsflüssen auf dem ukrainischen Konto angehalten habe. Diese hätten sich aber auf die Behauptung beschränkt, dass physisch keine gültigen Bankkarten existierten bzw. alles über eine Handy-App oder einen SMS-Dienst ablaufe. Sie seien aber nicht bereit gewesen, irgendwelche näheren Angaben wie nur schon den Namen eines involvierten Finanzinstituts zu machen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie die Sozialhilfebehörde Z unter diesen Umständen weitere Abklärungen tätigen könnte. Es sei unbestritten und ausgewiesen, dass Renteneinnahmen existierten, diese zur Begleichung von Verbindlichkeiten in der Ukraine eingesetzt würden, offenbar ein regelmässiger Zahlungsfluss stattfinde und die Eheleute C zumindest einen elektronischen Zugang dazu hätten. Dies seien gewichtige Indizien dafür, dass ein Zugriff auf die Renten bestehe oder dieser zumindest erlangt werden könnte, wenn die Eheleute C dies wollen würden. Es werde darum beantragt, den erstinstanzlichen Entscheid zu bestätigen und den Abzug zuzulassen.

 

5.2.3 Die Vorinstanz hielt mit Vernehmlassung vom 12. Mai 2023 fest, die Bemühungen der Politischen Gemeinde Z würden sich darauf beschränken, dass die Aushändigung von Bankkarten verlangt worden sei, die gemäss Aussage der Eheleute C physisch nicht existieren bzw. sich zumindest nicht in der Schweiz befinden würden. Dies sei in Anbetracht der vorliegend geltenden Untersuchungsmaxime ganz offensichtlich ungenügend. Dass zu irgendeinem Zeitpunkt genauere Auskünfte eingefordert oder Auflagen bzw. Weisungen betreffend die Klärung dieses Sachverhalts verfügt worden wären, mache die Politische Gemeinde Z nicht geltend und sei aus den vorliegenden Akten auch nicht ersichtlich.

 

5.2.4 In ihrer Replik reichte die Politische Gemeinde Z eine Gesprächsnotiz vom 2. Mai 2023 betreffend ein Telefonat mit der Privat Bank in Kiew ein. Daraus ergebe sich, dass den Eheleuten C verschiedene Möglichkeiten offen stünden, die abgelaufenen Bankkarten zu reaktivieren und/oder von der Schweiz aus auf das Konto zuzugreifen. Mit Duplik vom 6. Juni 2023 entgegneten die Eheleute C, dass im Zeitpunkt der Antragstellung (Anfang August 2022) ein Zugriff auf ihr Konto in der Ukraine nicht möglich gewesen sei. Die Beweiskraft des Telefonats einer Mitarbeiterin des zuständigen Sozialamtes mit einem Bankmitarbeiter in Kiew werde in Frage gestellt.

 

5.3        

5.3.1 Anspruch auf Sozialhilfe hat, wer bedürftig ist. Die Sozialhilfe dient der Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts (§ 8 SHG). Personen, die - wie vorliegend die Eheleute C - der Asylgesetzgebung unterstehen, haben Anspruch auf die Sicherung ihrer Existenz. Dazu gehören Geld- oder Naturalleistungen, die für ein menschenwürdiges Leben unabdingbar sind (§ 6c Abs. 1 SHV). Die Existenzsicherung muss sich dabei auf die gegenwärtige Notlage vor Ort beschränken. Denn als bedarfsorientierte Sozialleistung wird die Sozialhilfe für eine gegenwärtige Notlage ausgerichtet. Sie hat weder vergangene noch künftige Bedarfe abzudecken (Wizent, Sozialhilferecht, 2. Aufl. 2023, Rz. 427 f., nachfolgend "Wizent, Sozialhilferecht" zitiert). Zu sichern ist das für ein menschenwürdiges Leben Unabdingbare. Dies ist auch gemäss Art. 12 BV (Recht auf Hilfe in Notlagen) zu gewährleisten und umfasst im Sinne einer Überbrückungshilfe einen minimalen allgemeinen Lebensunterhalt, mithin Nahrung, Kleidung, Obdach und eine medizinische Grundversorgung. Darüber hinaus ist elementaren spezifischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen (Wizent, Sozialhilferecht, Rz. 234 ff.; BGE 142 I 1 E. 7.2.1).

 

5.3.2 Ein Bedarf im Ausland, wie beispielsweise Miet- oder Hypothekarzinse, gehört somit nicht zur unabdingbaren Existenzsicherung und kann daher nicht berücksichtigt werden. Daran ändert nichts, dass das Aufenthaltsrecht der Eheleute C rückkehrorientiert ist. Soweit sie daher beantragen, es sei auf die Anrechnung der Rentengelder zu verzichten, selbst wenn ein Zugriff bestünde, ist ihre Beschwerde abzuweisen.

 

5.4 Zu prüfen bleibt, ob die Eheleute auf ihre Rentengelder in der Ukraine zugreifen können bzw. ob die Vorinstanz die Sache zu Recht an die Politische Gemeinde Z zur weiteren Untersuchung dieser Frage zurückgewiesen hat.

 

5.4.1 Eigenmittel gehen der Sozialhilfe grundsätzlich vor (§ 8 SHG). Damit wird das in der Sozialhilfe geltende Subsidiaritätsprinzip zum Ausdruck gebracht (vgl. BGE 141 I 153 E. 4.2; Urteil des Bundesgerichts 8C_824/2015 vom 19. Mai 2016 E. 12.2). Für die Beurteilung der Bedürftigkeit sind die tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Eigenmittel massgebend (sogenanntes Tatsächlich- und Gegenwärtigkeitsprinzip) und dem aktuellen Bedarf gegenüberzustellen (Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Ein Handbuch, 2014, S. 211 und S. 215, nachfolgend "Wizent, Bedürftigkeit" zitiert; Wizent, Sozialhilferecht, Rz. 399 ff. und Rz. 427 f.; BGE 146 I 1 [= Pra 2020 Nr. 55] E. 8.2; Urteil des Bundesgerichts 8C_717/2022 vom 7. Juni 2023 [zur Publikation vorgesehen] = Pra 2023 Nr. 65 E. 10.1.2). Zu den tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Mitteln zählen grundsätzlich auch Einnahmen im Ausland (Einkommen oder Renten). Die SKOS hält in diesem Zusammenhang etwa fest, würden die Bedürftigen geltend machen, nicht (vollumfänglich) auf ihre Konten im Ausland zugreifen zu können, seien sie aufzufordern, alles Notwendige zu unternehmen, um die Gelder verfügbar zu machen. Sei ein Zugriff aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich, dürften die Zuflüsse nicht als Einnahmen angerechnet werden (vgl. SKOS, Sozialhilfe für ukrainische Flüchtlinge [Status S], Fragen und Antworten, "2. Unterstützung mit Sozialhilfe, Wie sind Einnahmen zu berücksichtigen", abrufbar unter https://skos.ch/themen/gefluechtete-aus-der-ukraine).

 

5.4.2 Im Verwaltungsverfahren und damit auch im Sozialhilferecht gilt der Untersuchungsgrundsatz. Danach hat die Verwaltung von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen (vgl. § 12 Abs. 1 VRG). Es spielt keine Rolle, ob es um Umstände geht, welche den Leistungsanspruch mindern oder erhöhen. Zur Feststellung der Tatsachen sind alle erforderlichen und geeigneten Abklärungen vorzunehmen oder zu veranlassen. Die Untersuchungspflicht endet (erst) dort, wo keine Anhaltspunkte vorzufinden sind, die der Sozialhilfebehörde weitere Sachverhaltsabklärungen nahelegen (Wizent, Sozialhilferecht, Rz. 1078). Der Untersuchungsgrundsatz wird durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert (Breitschmid, Verfahren und Rechtsschutz, in: Häfeli [Hrsg.], Das Schweizerische Sozialhilferecht, 2008, S. 343 f.; Urteil des Bundesgerichts 8C_824/2015 vom 19. Mai 2016 E. 9.2). Gemäss § 25 Abs. 1 SHG hat der Hilfsbedürftige über seine Verhältnisse wahrheitsgetreu Auskunft zu geben und die erforderliche Akteneinsicht zu gestatten. An die Mitwirkungspflicht dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Von der betroffenen Person sollen nicht Unterlagen verlangt werden, die sie nicht hat oder die sie auch mit vernünftigem Aufwand nicht beschaffen kann (Urteil des Bundesgerichts 8C_82/2021 vom 11. November 2021 E. 6.1; Ursprung/Riedi Hunold, Verfahrensgrundsätze und Grundrechtsbeschränkungen in der Sozialhilfe, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht, ZBl, 2015, S. 411). Die Sozialhilfebehörde darf die Mitwirkungspflicht auch nicht dazu verwenden, die eigenen, zumutbaren Abklärungen auf die bedürftige Person zu überwälzen. Es ist zudem ihre Aufgabe, die Hilfesuchenden darüber aufzuklären, welche Angaben für die richtige Behandlung eines Unterstützungsgesuchs und für die laufende Unterstützung benötigt werden (Wizent, Sozialhilferecht, Rz. 1082 und 1082).

 

5.4.3 Nach einem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz obliegt es derjenigen Partei, welche aus einem bestehenden Sachverhalt Rechte ableiten will, den Beweis dafür zu erbringen und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen (Urteile des Bundesgerichts 8C_580/2009 vom 15. Dezember 2009 E. 3.2 und 8C_851/2013 vom 15. Januar 2014 E. 4.2; vgl. auch Breitschmid, a.a.O., S. 344 f.). Dieser Grundsatz gilt auch im Sozialhilferecht (TVR 2020 Nr. 26 E. 3.2). Bei begünstigenden Verfügungen (z. B. Unterstützungsaufnahme) trägt somit grundsätzlich die gesuchstellende Person die Folgen der Beweislosigkeit, während bei einer Verfügung, die zum Nachteil der unterstützten Person in ihre Rechte eingreift (z. B. Kürzung oder Einstellung der laufenden Leistungen, Rückerstattung), die Sozialhilfebehörde beweisbelastet ist (Wizent, Sozialhilferecht, Rz. 1085 und Rz. 1087 f. mit weiteren Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 8C_495/2022 vom 23. Dezember 2022 E. 4.2; TVR 2020 Nr. 26). Die Hilfesuchenden tragen die objektive Beweislast dafür, dass sie wegen fehlender eigener Mittel ganz oder teilweise auf Sozialhilfe angewiesen sind. Gegenstand des zu erbringenden Beweises bildet die Bedürftigkeit. Da folglich das Fehlen hinreichender Mittel dargetan werden muss, hat die betroffene Person eine so genannt negative Tatsache zu beweisen. Der entsprechende Beweis ist dadurch zu erbringen, dass positive Sachumstände nachgewiesen werden, aus welchen die negative Tatsache gefolgert werden kann. Die Sozialhilfebehörde ist verpflichtet, anhand positiver Sach­umstände (beispielsweise Kündigung des Arbeitsverhältnisses, Vermögensentwicklung auf dem Sparkonto, Gesundheitszustand, familiäre Pflichten etc.) abzuklären, ob eine Bedürftigkeit vorliegt. Die gesuchstellende Person ihrerseits ist zur Mitwirkung angehalten, indem sie die notwendigen Aussagen macht respektive die erforderlichen Dokumente zu den Akten reicht. Können etwa wegen mangelhafter Mitwirkung der betroffenen Person erhebliche Zweifel an der Bedürftigkeit nicht beseitigt werden, kann zufolge der allgemeinen Beweislastregel, wonach zu Ungunsten derjenigen Person zu entscheiden ist, die aus der unbewiesen gebliebenen Tatsache hätte Rechte ableiten können, eine (teilweise oder volle) Leistungseinstellung oder Leistungsverweigerung gerechtfertigt sein. Die Sozialhilfebehörde darf im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes jedoch nicht vorschnell von einem Wegfall oder einem Nichtbestehen der Bedürftigkeit ausgehen, sondern muss die zumutbaren Abklärungen treffen. Da es naturgemäss leichter ist, das "Haben" zu beweisen als das "Nicht-Haben", sind die Schwelle der rechtsgenüglichen Beweiserbringung sowie die Anforderungen an die Vollständigkeit des Gesuchsdossiers vernünftig anzusetzen (Urteile des Bundesgerichts 8C_1/2013 vom 4. März 2014 E. 4.2.2 und 8C_50/2015 vom 17. Juni 2015 E. 3.2.1 f.; TVR 2017 Nr. 28 E. 3.4.3).

 

5.5 Im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes hat die Politische Gemeinde Z die Bedürftigkeit der Eheleute C abzuklären und sie hierfür aufzufordern, alle notwendigen Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen. Die Beweislast dafür, dass auf die ukrainischen Rentengelder kein Zugriff besteht, tragen die Eheleute C. Sie bringen zwar vor, dass sie im Zeitpunkt der Unterstützungsaufnahme nicht auf ihr Bankkonto zugreifen konnten und nach wie vor nicht können. Dass sie indessen über die Rentengelder tatsächlich nicht verfügen können oder diese nicht kurzfristig realisierbar sind, ist noch nicht hinreichend belegt. Soweit die Politische Gemeinde Z geltend macht, es sei ihr aufgrund einer unkooperativen Haltung der Eheleute C unmöglich, den Sachverhalt betreffend die Erhältlichkeit der ukrainischen Renten weiter abzuklären, ist ihr nicht zu folgen. Mit der eingereichten Gesprächsnotiz vom 2. Mai 2023 hat sie selber den Nachweis dafür erbracht, dass sie den Sachverhalt durchaus ohne Zutun der Eheleute C zumindest teilweise hätte abklären können. Die Politische Gemeinde Z hat die Eheleute C zudem nie (schriftlich) aufgefordert, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Nach dem Namen des Finanzinstituts hat sie sich offenbar erst im April 2023 und damit im Nachgang zum Rekursverfahren erkundigt. Stattdessen führte die Politische Gemeinde Z ein unübersichtliches Verfahren ausschliesslich per E-Mail und forderte die Eheleute C einzig auf, die Kreditkarten einzureichen, obwohl ihr zuvor mitgeteilt worden war, dass die Karten nicht physisch vorhanden seien. Nachdem somit der Sachverhalt noch nicht hinreichend erstellt ist, ist die Politische Gemeinde Z ihrer Untersuchungspflicht bisher nicht genügend nachgekommen. Sie wird weitere Sachverhaltsabklärungen in Bezug auf den Zugriff auf die Rentengelder vornehmen müssen und darüber neu zu befinden haben. Wenn tatsächlich kein Zugriff möglich sein sollte, hat rückwirkend auf den Zeitpunkt des Unterstützungsbeginns eine Nachzahlung der zu Unrecht angerechneten Rentengelder zu erfolgen (vgl. Wizent, Sozialhilferecht, Rz. 430 und Urteil des Bundesgerichts 8C_21/2022 vom 14. November 2022 E. 4.4). Sollten sich die Eheleute C weigern, die notwendigen Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen einzureichen und bestehen erhebliche Zweifel am fehlenden Zugriff, wird über die Leistungsverweigerung bzw. die einnahmenseitige Berücksichtigung der Rentengelder ebenfalls im Rahmen eines formellen Entscheids zu befinden sein (Art. 83 Abs. 1 lit. b AsylG und § 25 Abs. 1 und 3 SHG; vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_1/2013 vom 4. März 2014 E. 6.2). Die von der Vorinstanz verfügte Rückweisung an die Politische Gemeinde Z zu weiteren Abklärungen und zum neuen Entscheid ist daher nicht zu beanstanden. Die Beschwerde der Politischen Gemeinde Z ist diesbezüglich somit abzuweisen.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.41/E, VG.2023.42/E vom 21. Februar 2024

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