TVR 2024 Nr. 35
Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit beim Kauf eines Landwirtschaftsbetriebs; Eröffnungsbilanz.
§ 30 StG, Art. 27 DBG, Art. 959 OR, Art. 960 OR, Art. 960 a OR
In der Eröffnungsbilanz eines landwirtschaftlichen Gewerbes sind vorab die Verkehrswerte für die Land- und Waldflächen vom Gesamtkaufpreis in Abzug zu bringen. Der verbleibende Rest ist sodann im Verhältnis der Ertragswerte je Gebäude gemäss Ertragswertschätzung aufzuteilen.
Die Rekurrenten bzw. Beschwerdeführer (nachfolgend: Rekurrenten) sind Inhaber eines Landwirtschaftsbetriebes, den sie am 9. Januar 2019 zum Kaufpreis von Fr. 1'250'000.-- erworben haben. In der Eröffnungsbilanz per 1. Januar 2019 aktivierten die Rekurrenten Fr. 991'034.-- für Gebäude sowie Fr. 258'966.-- für Wald und Boden. Für diese Aufteilung des Kaufpreises haben die Rekurrenten das Verhältnis der Ertragswerte für Flächen und Gebäude gemäss Ertragswertschätzung vom 30. September 2008 berücksichtigt. Die Veranlagungsbehörde nahm eine abweichende Aufteilung des Kaufpreises vor und brachte zunächst die Verkehrswerte für Land- und Waldflächen vom Kaufpreis in Abzug. Den verbleibenden Wert teilte sie sodann im Verhältnis der Ertragswerte je Gebäude gemäss Ertragswertschätzung auf. Hieraus ergaben sich Bilanzwerte für Wald und Boden von Fr. 952'901.-- sowie für Gebäude von Fr. 297'099.--. Aufgrund der veränderten Bilanzwerte wurden die Abschreibungen auf Ökonomiegebäuden und Wohnhaus um Fr. 13'756.-- reduziert und das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf Fr. 16'485.-- erhöht. Die hiergegen gerichtete Einsprache der Rekurrenten wies die Vorinstanz am 8. September 2023 ab. Die Steuerrekurskommission heisst den dagegen erhobenen Rekurs und die Beschwerde teilweise gut und weist die Streitsache zur Neuentscheidung im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
Aus den Erwägungen:
4. Gemäss § 20 Abs. 1 StG sind alle Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit, insbesondere auch jene aus einem Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, steuerbar (vgl. auch Art. 18 Abs. 1 DBG). Nach § 30 Abs. 1 StG und Art. 27 Abs. 1 DBG können (bei selbständiger Erwerbstätigkeit) von den steuerbaren Einkünften die geschäfts- oder berufsmässig begründeten Kosten abgezogen werden. Dazu gehören insbesondere die Abschreibungen und Rückstellungen (§ 30 Abs. 2 Ziff. 2 StG und Art. 27 Abs. 2 lit. a DBG).
5. (…) Unstreitig können die Rekurrenten den für ihren Landwirtschaftsbetrieb bezahlten Kaufpreis von insgesamt Fr. 1'250'000.-- in der Eröffnungsbilanz per 1. Januar 2019 aktivieren. Sie bestreiten jedoch die von der Vorinstanz vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises. Danach wurden zunächst die Verkehrswerte für die Land- und Waldflächen vom Kaufpreis in Abzug gebracht. Der verbleibende Wert wurde sodann im Verhältnis der Ertragswerte je Gebäude gemäss Ertragswertschätzung aufgeteilt. Demgegenüber verlangen die Rekurrenten für die Aufteilung des gesamten Kaufpreises die Berücksichtigung des Verhältnisses der Ertragswerte für Flächen und Gebäude gemäss Ertragswertschätzung.
In einem ersten Schritt ist daher zu beurteilen, ob die Vorinstanz zu Recht vorab die Verkehrswerte für die Land- und Waldflächen vom Kaufpreis in Abzug gebracht hat. Ist dies zu bejahen, wären die von der Vorinstanz angewendeten Quadratmeterpreise für die Land- und Waldflächen zu überprüfen.
6. (…)
6.1 Die Bilanz stellt die Vermögens- und Finanzierungslage des Unternehmens am Bilanzstichtag dar. Sie gliedert sich in Aktiven und Passiven (Art. 959 Abs. 1 OR). Aktiven und Verbindlichkeiten werden in der Regel einzeln bewertet, sofern sie wesentlich sind und aufgrund ihrer Gleichartigkeit für die Bewertung nicht üblicherweise als Gruppe zusammengefasst werden (Art. 960 Abs. 1 OR). Die Bewertung muss vorsichtig erfolgen, darf aber die zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht verhindern (Abs. 2). Bestehen konkrete Anzeichen für eine Überbewertung von Aktiven oder für zu geringe Rückstellungen, so sind die Werte zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (Abs. 3).
Gemäss Art. 960a Abs. 1 OR müssen die Aktiven bei ihrer Ersterfassung höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden. Sowohl im Umlauf- wie im Anlagevermögen gilt für die Ersterfassung somit der Grundsatz der Einbuchung zum Kostenwert (Anschaffungs- oder Herstellungskosten einschliesslich Nebenkosten). Eine Erfassung über dem Kostenwert ist eine gravierende Fehlbuchung. Steuerrechtlich ist einer solchen Einbuchung durch eine Bilanzberichtigung Rechnung zu tragen. Eine Erfassung unter dem Kostenwert ist zwar wegen der Hinzufügung des Begriffs "höchstens" im Gesetz nicht ausdrücklich verboten. Wer aber 100 für eine Anschaffung aufwendet und bloss 85 aktiviert, verstösst gegen die ordnungsmässige Rechnungslegung, wenn die zum Verschwinden gebrachte Differenz (nämlich 15) zwischen den aufgewendeten Mitteln und der Buchung nicht als Aufwand erfasst wird. Für eine Aufwandbuchung gibt es aber in der Periode des Erwerbs regelmässig keinen sachlichen Grund. Eine willkürliche Unterbewertung bei Ersterfassung ist daher nicht zulässig und widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemässer Rechnungslegung (Peter Böckli, OR-Rechnungslegung, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2019, Rz. 854, S. 218; Tobias Hüttche, in: Pfaff/Glanz/
Stenz/Zihler [Hrsg.], Rechnungslegung nach Obligationenrecht, 2. Aufl., Zürich 2019, Art. 960a N. 10, S. 508; Julia von Ah, in: Klöti-Weber/
Schudel/Schwarb [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 5. Aufl., Muri-Bern 2023, § 27 N. 82, S. 416 mit Hinweisen).
6.2 Für hochwertige Wirtschaftsgüter ist die Einzelbewertung (vgl. Art. 960 Abs. 1 OR) die Regel. Bei der Bewertung von Liegenschaften bildet normalerweise die einzelne Bodenparzelle die Bewertungseinheit, wobei Boden, da grundsätzlich nicht abnutzbar, sowie Gebäude und Bauten als Abschreibungsobjekte getrennt zu bewerten sind (Urteil des Bundesgerichts 2A.22/2004 vom 5. Oktober 2004 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Das Merkblatt A/2001 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) betreffend Abschreibungen auf dem Anlagevermögen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sieht denn auch vor, dass bei Übernahme oder Kauf der ganzen oder einzelner Teile der Liegenschaft zu Verkehrswerten der Boden gesondert zu bewerten ist.
Werden mehrere Vermögenswerte gesamthaft erworben und ist nur ein Gesamtkaufpreis vereinbart, so ist es nach dem Grundsatz der Einzelbewertung erforderlich, diesen auf die erworbenen Vermögenswerte aufzuteilen. Soweit für alle Vermögenswerte Verkehrswerte ermittelbar sind, ist der Gesamtkaufpreis nach deren Verhältnis auf diese zu verteilen. Ist nur für einzelne Vermögenswerte ein Verkehrswert ermittelbar, so sind die Anschaffungskosten residual (d.h. bleibend bzw. zurückbleibend) zu ermitteln, also durch Abzug von deren vorsichtig ermitteltem Verkehrswert vom Gesamtkaufpreis (Hüttche, a.a.O., Art. 960a N. 44, S. 517).
7. Vorliegend ist das von den Rekurrenten zu einem Gesamtkaufpreis von Fr. 1'250'000.-- erworbene landwirtschaftliche Gewerbe in der Bilanz in Boden sowie in Gebäude und Bauten aufzuteilen, weil ordentliche Abschreibungen auf dem Boden allein - als nicht abnutzbares Wirtschaftsgut - unzulässig sind (im Gegensatz zu den Gebäuden). Die Aufteilung hat grundsätzlich nach Massgabe der einzelnen Verkehrswerte zu erfolgen. Da vorliegend der Wert des Bodens (im Gegensatz zum Verkehrswert von Betriebsgebäuden und Wohnhaus) relativ einfach zu ermitteln ist, ist - in Übereinstimmung mit der Vorinstanz - dieser ermittelte Verkehrswert vorab vom Gesamtkaufpreis in Abzug zu bringen. Der verbleibende Wert ist sodann im Verhältnis der Ertragswerte je Gebäude gemäss Ertragswertschätzung aufzuteilen.
Diese Vorgehensweise entspricht denn auch den Vorgaben der Schweizerischen Steuerkonferenz, welche die 26 kantonalen Steuerbehörden sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung zusammenschliesst (vgl. Auszug aus dem Ausbildungskurs II B der Schweizerischen Steuerkonferenz, Einkommen aus Landwirtschaft, Modul 15, S. 20 oben).
Die von den Rekurrenten verlangte Aufteilung des gesamten Kaufpreises proportional zum Ertragswert erweist sich demgegenüber nicht als sachgerecht und würde zu einem überhöhten Abschreibungspotential auf den Gebäuden führen. Zudem würde sie auch der Konzeption von Art. 66 Abs. 1 BGBB zuwiderlaufen. Danach darf bei Grundstücken, die dem BGBB unterstellt sind, der aufgrund der aktuellen Marktsituation (Angebot und Nachfrage) ermittelte Marktwert höchstens dem gesetzlich zulässigen Erwerbspreis gemäss Art. 66 BGBB entsprechen. Der Erwerbspreis gilt als übersetzt, wenn er die Preise für vergleichbare landwirtschaftliche Gewerbe oder Grundstücke in der betreffenden Gegend im Mittel der letzten fünf Jahre um mehr als 5 Prozent übersteigt. Diese Konzeption, welche für die Bestimmung der Preisgrenze den Verkehrswert in Betracht zieht und dabei auf die Vergleichspreise der letzten fünf Jahre abstellt, hat der Gesetzgeber anderen Konzeptionen vorgezogen, die den um einen bestimmten Faktor erhöhten Ertragswert als Preisgrenze festlegen wollten (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A.22/2001 vom 8. Januar 2002 E. 2a mit Hinweisen). Dementsprechend erachtete das Bundesgericht zur Ermittlung des höchstzulässigen Preises die sogenannte Faktormethode, welche den Koeffizienten von Verkehrswert und Ertragswert als Multiplikator des Ertragswertes berücksichtigt, als zulässig (Urteil des Bundesgerichts 2C_234/2015 vom 19. August 2015 E. 5.5). Ebenso wenig als bundesrechtswidrig erachtete es jedoch auch die - im konkreten, durch das Bundesgericht zu beurteilenden Fall - vom Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau angewandte Methode, wonach nicht nur der Koeffizient von Verkehrswert und Ertragswert als Multiplikator des Ertragswertes, sondern mit gleicher Gewichtung auch der durchschnittliche Quadratmeterpreis berücksichtigt wurde (Urteil des Bundesgerichts 2C_234/2015 vom 19. August 2015 E. 5.1 und 5.6). Kann jedoch von Gesetzes wegen für die Ermittlung des Höchstpreises eines landwirtschaftlichen Gewerbes nicht einfach auf den Ertragswert bzw. ein bestimmtes Vielfaches davon abgestellt werden, so kann es auch nicht zulässig sein, den ermittelten Höchstwert bzw. den gesamten Kaufpreis für die Erstbilanzierung proportional zu den jeweiligen Ertragswerten für Flächen und Gebäude aufzuteilen.
8.1 Sind die Verkehrswerte für die Land- und Waldflächen zu Recht vorab vom Kaufpreis in Abzug gebracht worden, sind nunmehr die von der Vorinstanz angewendeten Quadratmeterpreise für die Land- und Waldflächen zu überprüfen.
8.2 Die Vorinstanz ging vorliegend zur Bestimmung des Landwertes vom gesetzlichen Maximalpreis bei Waldparzellen von Fr. 100.-- pro Are bzw. Fr. 1.-- pro m2, sowie von rund Fr. 800.-- pro Are bzw. Fr. 8.-- pro m2 bei Landwirtschaftsland aus. Diese Beträge entsprechen den gesetzlichen Maximalpreisen pro m2, welche vorliegend zur Anwendung kämen, wenn - aufgrund einer Ausnahmebestimmung - die Betriebsfläche verkleinert und Wald oder Kulturland gesondert verkauft würden. Es erscheint der Steuerrekurskommission jedoch nicht als sachgerecht, zur Bestimmung des Landwertes von diesen maximalen Quadratmeterpreisen auszugehen. Grundsätzlich gilt für ein landwirtschaftliches Gewerbe wie das vorliegende das Realteilungs- und Zerstückelungsverbot (Art. 58 BGBB). Von diesem Verbot kann zwar unter bestimmten Bedingungen abgewichen werden, dies bedarf jedoch der Bewilligung (Art. 59 und 60 BGBB). Diesen Umstand gilt es vorliegend als wertmindernd zu berücksichtigen, weshalb die gesetzlichen Maximalpreise pro m2 entsprechend zu reduzieren sind. Die effektive Höhe der jeweiligen Reduktion ist durch die Vorinstanz als Fachbehörde zu ermitteln.
Entscheid der Steuerrekurskommission STRE.2023.117 und STRE.2023.118 vom 28. Mai 2024