TVR 2024 Nr. 37
Wirtschaftliche Handänderung, Verkauf einer Immobilien-GmbH.
§ 126 StG, § 127 StG, § 27 StV
Der Verkauf einer GmbH, deren Bilanz hauptsächlich aus Immobilien besteht und deren Betrieb nicht aktiv weitergeführt wird, ist als wirtschaftliche Handänderung zu qualifizieren, wenn der Verkaufspreis im Wesentlichen dem Wert der Liegenschaften gleichkommt.
Mit Kaufvertrag vom 17. Februar 2020 veräusserte der Rekurrent das gesamte Stammkapital von Fr. 20'000.-- der A GmbH (rückwirkend per 1. Januar 2020) an X zum Preis von Fr. 207'009.93. Die Gesellschaft bezweckte das Verlegen von Bodenbelägen und wies per 31. Dezember 2019 bei einer Bilanzsumme von Fr. 2'335'348.02 einen Immobilienbestand von Fr. 2'310'622.05 auf. Davon entfielen Fr. 80'622.05 auf den Geschäftssitz und Fr. 2'230'000.-- auf sechs Stockwerkeigentumseinheiten. Am 20. Februar 2020 wurde das Übernahmeobjekt in B GmbH umfirmiert. Gleichzeitig erfolgte eine Zweckänderung. Die B GmbH bezweckt nun die Vermittlung, Einkaufsberatung und das Betreiben von Immobilien, die Erbringung von Dienstleistungen in allen Bereichen des Bauwesens und die Übernahme von Generalunternehmeraufträgen im In- und Ausland. Zudem erfolgte ebenfalls gleichentags eine Sitzverschiebung. Am 15. Januar 2020 liess der Rekurrent am früheren Sitz der B GmbH die Einzelfirma C eintragen, welche das Verlegen von Bodenbelägen bezweckt. Am 7. Oktober 2021 gründete der Rekurrent wiederum neu eine A GmbH am gleichen Geschäftssitz. Die Veranlagungsbehörde erblickte in der Veräusserung sämtlicher Stammanteile der B GmbH eine wirtschaftliche Handänderung und verfügte am 7. August 2023 einen steuerbaren Grundstückgewinn von Fr. 208'500.-- mit einem Steuerbetrag von Fr. 83'400.--. Die dagegen erhobene Einsprache vom 6. September 2023 wies die Vorinstanz mit Entscheid vom 30. November 2023 ab. Die Steuerrekurskommission weist den dagegen erhobenen Rekurs ab.
Aus den Erwägungen:
4. Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken des Privatvermögens natürlicher Personen unterliegen der Grundstückgewinnsteuer (§ 126 Abs. 1 Ziff. 1 StG). Der Veräusserung von Grundstücken ist die Veräusserung von Anteilen an solchen gleichgestellt (§ 126 Abs. 2 StG). Die Steuerpflicht wird durch jede Veräusserung begründet, mit der Eigentum an einem Grundstück übertragen wird (§ 127 Abs. 1 Satz 1 StG). Als Veräusserung gelten auch Rechtsgeschäfte, die hinsichtlich der Verfügungsgewalt über Grundstücke wirtschaftlich wie eine Veräusserung im Sinne von Absatz 1 wirken (§ 127 Abs. 2 Ziff. 1 StG). Als Rechtsgeschäfte, die hinsichtlich der Verfügungsgewalt über Grundstücke wirtschaftlich wie Veräusserungen wirken, ist insbesondere eine Veräusserung einer beherrschenden Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft oder -genossenschaft anzusehen (§ 27 Abs. 1 Ziff. 1 der StV). Allgemein liegt eine wirtschaftliche Handänderung immer dann vor, wenn wesentliche Teile der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt über ein Grundstück vom bisherigen Verfügungsberechtigten (wirtschaftlichen Eigentümer) auf einen Dritten übergehen, ohne dass dabei die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse eine Änderung erfahren (fehlende grundbuchliche Mutation; Richner/Frei/Kaufmann/Rohner, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 4. Aufl., Zürich 2021, § 216 N 60).
4.1 In ständiger Rechtsprechung nimmt das Bundesgericht einen der Gewinn- oder Handänderungssteuer unterliegenden Übergang des Grundeigentums bei Rechtsgeschäften an, mit denen die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über eine Liegenschaft durch die Übertragung von Beteiligungsrechten an Immobiliengesellschaften übergeht. Bei der Qualifikation einer Gesellschaft als Betriebs- oder als Immobiliengesellschaft ist nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten, sondern auf objektive Merkmale abzustellen (Urteil des Bundesgerichts 2C_1044/2014 vom 26. November 2015 E. 2.3 und E. 2.4.3.). Ob eine Gesellschaft als Immobiliengesellschaft betrachtet werden kann, bestimmt sich somit in erster Linie nach dem Gesellschaftszweck. Besteht dieser ausschliesslich oder mindestens zur Hauptsache darin, Grundstücke, d.h. Liegenschaften, in das Grundbuch aufgenommene selbständige und dauernde Rechte, Bergwerke oder Miteigentumsanteile an Grundstücken zu erwerben, zu verwalten, zu nutzen und zu veräussern, so kann von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden. Bildet dagegen der Grundbesitz bloss die sachliche Grundlage für einen Fabrikations-, Handels- oder sonstigen Geschäftsbetrieb, so liegt keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft vor (BGE 104 Ia 251 E. 3a).
4.2 Demgegenüber ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei der Übertragung von Beteiligungen an Betriebsgesellschaften eine grundsteuerlich zu erfassende wirtschaftliche Handänderung am Grundeigentum nur ausnahmsweise und bei aussergewöhnlichen Verhältnissen anzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 2C_1044/2014 vom 26. November 2015 E. 2.5.3.). Denn bei der Übertragung einer Betriebsgesellschaft lässt sich die Transaktion objektiv nicht auf den Handwechsel an Grundstücken reduzieren, die Verfügungsmacht über die Grundstücke ist lediglich ein Ausfluss der viel weitergehenden Beherrschung des gesamten Unternehmens, die der Käufer mit dem Erwerb der Beteiligung erlangt (Richner/Frei/Kaufmann/Rohner, a.a.O., § 216 N. 94). Wird der Betrieb nach Veräusserung der Mehrheitsbeteiligung fortgeführt, liegt die Veräusserung von Beteiligungen an einer Betriebsgesellschaft und somit keine wirtschaftliche Handänderung vor. Es wird dabei aber vorausgesetzt, dass die bisherige Betriebsgesellschaft den Betrieb als Gesellschaft selbst (aktiv) weiterführt. Wird die aktive Betriebsführung auf eine andere Gesellschaft übertragen, handelt es sich bei der Gesellschaft, welche diese aktive Betriebsführung aufgibt, nicht mehr um eine Betriebsgesellschaft, auch wenn diese Gesellschaft weiterhin das Risiko des Betriebs trägt (Richner/Frei/Kaufmann/Rohner, a.a.O., § 216 N. 96a).
Dabei kommt es bei der steuerlichen Beurteilung des Rechtsgeschäfts nicht nur auf die Vorstellungen des Verkäufers an; ebenso massgebend sind die Absichten des Käufers. Der wirtschaftliche Gehalt des Rechtsgeschäfts - die Frage also, ob der vereinbarte Aktienpreis für einen Betrieb oder nur für den Grundbesitz bezahlt worden ist - lässt sich nur unter Einbezug der Vorstellungen beider Vertragsparteien beurteilen Richner/Frei/ Kaufmann/Rohner, a.a.O., § 216 N. 96b). So wurde der Gewinn aus dem Verkauf sämtlicher Aktien einer Gesellschaft, die in der eigenen Liegenschaft ein Hotel betrieb, als wirtschaftliche Handänderung qualifiziert, weil der Aktienkäufer von Anfang an entschlossen war, das bestehende Hotelgebäude abzubrechen und durch einen Neubau mit anderer Zweckbestimmung (Bankfiliale) zu ersetzen. Daher hatte der Hotelbetrieb auf den Preis der Aktien keinen oder doch nur einen untergeordneten Einfluss; der Verkaufspreis war zur Hauptsache durch den Bodenwert bestimmt (BGE 91 I 467 E. 2 S. 472 f.).
4.3 Ob eine wirtschaftliche Handänderung vorliegt, bestimmt sich nach den Verhältnissen, insbesondere der tatsächlichen Tätigkeit der Gesellschaft, zum Zeitpunkt der Veräusserung. Es wird also auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem die Verfügungsmacht übergeht bzw. auf die tatsächliche Ausübung der mit dem Grundeigentum verbundenen Befugnisse (Urteil des Bundesgerichts 2C_1044/2014 vom 26. November 2015 E. 2.4.3.). Bei der Übertragung der Mehrheitsbeteiligung an einer Immobiliengesellschaft ist dies im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Vorliegen der übereinstimmenden Willenserklärungen), wobei bei der Beurteilung auch die künftigen Absichten der Beteiligten einzubeziehen sind. Der Nachweis einer wirtschaftlichen Handänderung obliegt der Steuerbehörde. Diese hat aufzuzeigen und zu beweisen, dass die steuerpflichtige Person die eigentumsähnlichen Befugnisse an einer Liegenschaft durch Übertragung auf eine Drittperson ausgeübt hat und durch welchen Vorgang dies geschehen ist (Richner/Frei/Kaufmann/Rohner, a.a.O., § 216 N. 71 f. und N. 96a).
5. (…)
5.1 und 5.2 (…)
5.3 Unbestritten ist, dass die B GmbH bis zum Verkaufszeitpunkt einen Betrieb geführt hat. Der Rekurrent verlegte gemäss eigener Darstellung persönlich keramische Wand- und Bodenplatten und erzielte damit Umsätze, welche die hauptsächliche Ertragsgrundlage für die Gesellschaft bildeten. Er bezog dafür einen Lohn aus der GmbH. Der Käufer X amtet als Geschäftsführer der Y AG. Diese bezweckt die Erbringung von Dienstleistungen in allen Bereichen des Immobilienwesens und die Übernahme von Generalunternehmeraufträgen. Der Rekurrent bestätigt selbst, dass er mit dem Verkauf seiner Anteile aus den Diensten der B GmbH ausschied und seinen Beruf als Bodenleger für keramische Beläge ohne Unterbruch zunächst als Selbständigerwerbender (Einzelfirma C) und später als Mitarbeiter der neu gegründeten A GmbH ausübte. Er hatte nicht vor, für die B GmbH tätig zu werden. Mit dem Kauf der B GmbH übernahm der Käufer weder einen Mitarbeiter oder einen Auftrag, noch führte er bestehende Geschäftsbeziehungen fort (wie etwa mit dem Zulieferer der Platten). Auch stellte er keinen neuen Plattenleger ein. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die B GmbH nach der Geschäftsübernahme Platten verkauft oder verlegt hat. Auch der bisherige Geschäftssitz der B GmbH diente nach dem Verkauf der Anteile nicht mehr als Grundlage für den Betrieb. Mit der Übernahme erfolgte zeitgleich ein Sitzwechsel, wo sich der Sitz der dem Käufer gehörenden Y befindet. Die Liegenschaft am ehemaligen Geschäftssitz wurde am 13. April 2023 verkauft. Zudem findet der Plattenhandel oder -verkauf weder im neuen Namen noch der neuen Zwecksetzung der B GmbH seinen Niederschlag. Diese Umstände deuten darauf hin, dass der bisherige Betrieb der B GmbH für den Käufer von keinerlei Interesse war.
Dass der bisherige Betrieb der B GmbH nicht fortgeführt wurde, widerspiegelt sich auch in deren Erfolgsrechnung. Fielen im Jahr 2019 und damit vor Verkauf der Gesellschaft noch Lohnkosten von Fr. 129'455.45 an, wurden im Jahr 2020 keinerlei Löhne mehr ausbezahlt. Ein Lohnaufwand von Fr. 0.-- ist auch nicht durch den Ausbruch der Corona-Pandemie zu rechtfertigen. Vielmehr ist dadurch erstellt, dass im Jahr 2020 kein Mitarbeiter für die B GmbH arbeitete, auch nicht zu Beginn des Jahres vor dem grossflächigen Ausbruch der Pandemie in der Schweiz. Die vom Rekurrenten erwähnte Homepage der B GmbH ist aktuell nicht mehr auffindbar (Stand April 2024). Während die B GmbH im Jahr 2019 einen Umsatz aus Produktion von Fr. 104'186.29 generierte, erzielte sie im Jahr 2020 überhaupt keinen Umsatz. Zwar wies sie im Jahr 2021 wieder einen Umsatz von Fr. 41'542.-- aus, jedoch scheint wenig glaubhaft, dass der Umsatz auf dem bisherigen Geschäftsbereich der B GmbH gründet. Im Jahr 2022 sank der Umsatz denn auch bereits wieder auf Fr. 5'000.--. Hinzu kommt, dass diesem Umsatz beträchtliche Mietzinseinnahmen gegenüberstehen. Die Mietzinseinnahmen der Wohnungen der B GmbH beliefen sich im Jahr 2019 auf Fr. 87'768.75, im Jahr 2020 auf Fr. 97'951.00, im Jahr 2021 auf Fr. 98'856.00 und im Jahr 2022 auf Fr. 96'516.00. Auch ein Blick auf die Bilanzsumme der B GmbH deutet darauf hin, dass für den Käufer nicht deren Betrieb, sondern lediglich deren Immobilien von Interesse waren. So wies die B GmbH per 31. Dezember 2019 bei einer Bilanzsumme von Fr. 2'335'348.02 einen Immobilienbestand von Fr. 2'310'622.05 auf.
Unter all diesen genannten Umständen muss davon ausgegangen werden, dass der Verkaufspreis der Stammanteile dem Käufer im Wesentlichen dem Wert der Liegenschaften gleichkam. Ein Interesse am Betrieb der B GmbH bestand nicht. Eine vom Rekurrenten behauptete Zusammenarbeit mit dem Käufer hätte auch ohne Verkauf der Firma realisiert werden können. Für den Käufer waren lediglich die Immobilien von Interesse. Der Betrieb wurde nicht in aktivem Zustand übergeben und nicht weitergeführt. Vielmehr führte der Rekurrent seinen Betrieb unter neuem Namen selbst nahtlos weiter. Daran ändern auch die Investitionen in einen Show Room und eine Ausstellungsfläche nichts. (…)
5.4 Zusammenfassend ist der Verkauf der B GmbH an X als wirtschaftliche Handänderung zu qualifizieren, welche beim Rekurrenten die Grundstückgewinnsteuer auslöst. (…)
Entscheid der Steuerrekurskommission STRE.2024.5 vom 25. Juli 2024