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RBOG 1995 Nr. 21

Das Betreibungsamt darf Verwaltungsmassnahmen für eine Liegenschaft des Schuldners nicht einem Gläubiger übertragen


Art. 16 ff. VZG, Art. 94 VZG


1. Die Bank X ist Grundpfandgläubigerin der Konkursitin. Das Betreibungsamt zeigte der Mieterin Z an, dass die Mietzinsen rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt bezahlt werden könnten. Mangels Zahlung wurde gegen Z die Betreibung angehoben; letztere erhob Rechtsvorschlag. Da mit der Mieterin kein schriftlicher Mietvertrag bestand, musste die Forderung auf dem Prozessweg eingeklagt werden. Zu diesem Zweck trat sie das Betreibungsamt zur selbständigen Geltendmachung an die Bank X ab. Zur Einleitung des Verfahrens erschien die Bank X vor der Schlichtungsbehörde für Mietsachen als Vertreterin der Konkursitin bzw. des Betreibungsamts. Z erhob Beschwerde. Strittig ist, ob das Betreibungsamt berechtigt ist, der Bank X die Mietzinsforderung gegenüber Z abzutreten bzw. sich durch die Bank X im Prozess vertreten zu lassen.

2. a) Die Vorinstanz begründete im angefochtenen Entscheid die Berechtigung des Betreibungsamts, der Bank X die Zinsforderung gegenüber Z abzutreten, mit den Vorschriften in Art. 16 Abs. 3, Art. 17 f. und Art. 94 Abs. 2 VZG sowie mit Art. 131 Abs. 1 SchKG. Auf diese Bestimmung kann sich die hier zur Diskussion stehende Abtretung indessen nicht stützen. Art. 131 Abs. 1 SchKG gehört zu den Regeln über das Verwertungsverfahren (Art. 116 ff. SchKG). Wird eine Geldforderung des Schuldners in Anwendung von Art. 131 Abs. 1 SchKG einem Gläubiger angewiesen, erfolgt dies an Zahlungsstatt. Der Gläubiger tritt in diesem Fall bis zur Höhe seiner Forderung in die Rechte des betriebenen Schuldners ein.

Von dieser Rechtsfolge kann vorliegend indessen nicht die Rede sein; der Zweck der Abtretung bestand hier einzig darin, der Grundpfandgläubigerin den Inkassoauftrag zu erteilen. Folgerichtig ersuchte diese denn auch im Namen der Konkursitin und nicht in ihrem eigenen um Durchführung einer Schlichtungsverhandlung. Der Hinweis im Schreiben des Betreibungsamts, die Mietzinsforderung werde der Bank X "zur selbständigen Geltendmachung abgetreten", ist deshalb nicht ganz zutreffend: Es ging lediglich darum, eine Drittperson mit der formellen Durchsetzung des Anspruchs zu betrauen, nicht hingegen darum, die Bank X nunmehr als Klägerin den Prozess führen zu lassen.

b) Nach Art. 17, 18 und 94 VZG ist das Betreibungsamt bis zum ordentlichen Abschluss des Grundpfandverwertungsverfahrens befugt, die den Grundpfandgläubigern nach Art. 806 ZGB verfallenen Mietzinsforderungen auf dem Betreibungsweg einzufordern. Besteht zwar eine Zinssperre, ist aber das Verwertungsbegehren noch nicht gestellt, richtet sich die Zuständigkeit des Betreibungsamts für Verwaltungshandlungen zunächst allein nach Art. 17 und 18 VZG. Nach Stellung des Verwertungsbegehrens kommt Art. 94 VZG zur Anwendung. Der Unterschied zwischen diesen Bestimmungen ist allerdings primär systematischer Natur (vgl. LGVE 1982 I Nr. 55).

Art. 17 VZG regelt die ordentlichen Verwaltungsmassnahmen des Betreibungsamts, wogegen sich Art. 18 VZG zu den ausserordentlichen Verwaltungsmassnahmen äussert. Zu den ordentlichen Massnahmen gehören alle diejenigen, die zur Erhaltung des Grundstücks und seiner Ertragsfähigkeit sowie zur Gewinnung der Früchte und Erträge nötig sind, wie beispielsweise die Anordnung und Bezahlung kleinerer Reparaturen, die Ausweisung von Mietern, die Neuvermietung oder das Inkasso von Mietzinsen. Wenn die Massnahmen mit grösseren Kosten verbunden oder sonstwie aussergewöhnlich sind, fallen sie unter Art. 18 VZG (LGVE 1982 I Nr. 55; BlSchK 17, 1953, S. 24). In analoger Weise regelt Art. 94 VZG die Pflichten des Amts während der Zinsensperre nach gestelltem Verwertungsbegehren (vgl. LGVE 1985 I Nr. 40).

3. Nach Angaben der Konkursitin beläuft sich der monatlich von Z geschuldete Mietzins auf Fr. 650.--. Da die Zahlungen nicht eingingen, war das Betreibungsamt verpflichtet, die zu deren Erhalt erforderlichen Massnahmen zu treffen. Hiefür musste es zwar keineswegs selbst tätig werden: Sowohl Art. 16 Abs. 3 als auch Art. 94 Abs. 2 VZG gestatten ihm, die notwendigen Massnahmen auf seine Verantwortung einem Dritten zu übertragen. Fraglich ist aber, wer "Dritter" im Sinne dieser Bestimmungen sein kann.

Als "Dritter" wird in aller Regel derjenige bezeichnet, welcher nicht in irgendeiner Funktion bereits in ein Verfahren involviert ist, mit der Streitsache somit bislang nichts zu tun hatte. Macht das Betreibungsamt von den Befugnissen gemäss Art. 16 und Art. 94 VZG Gebrauch, betraut es einen Dritten mit betreibungsamtlichen Aufgaben. Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG schliesst aus, dass ein Beamter oder Angestellter Amtshandlungen in eigener Sache vornimmt. Der Zweck dieser Bestimmung liegt auf der Hand: Sie dient der Vermeidung einer unabdingbaren Interessenkollision (vgl. BGE 104 III 2).

Wendet man diese Ueberlegungen auf die hier zur Diskussion stehende Frage an, erscheint es als unzulässig, einem Gläubiger die Verwaltungsaufgaben des Betreibungsamts zu übertragen, und sei dies auch "bloss" als Vertreter desselben. Um nicht eine Interessenkollision heraufzubeschwören, ist unvermeidlich, dass diejenige Person, welche die Schulden des Konkursiten eintreibt, aus dem Ergebnis dieser ihrer Bemühungen keinerlei Nutzen ziehen kann. Dass ein Gläubiger mit weit grösserem Nachdruck als ein unbeteiligter Dritter versucht, weitere Mittel flüssig zu machen, ist nachvollziehbar: Er ist letztlich in eigener Sache tätig. Exakt dies will das Gesetz jedoch dadurch, dass es die Verwaltung und Bewirtschaftung des Grundstücks - nebst dem Betreibungsamt - ausdrücklich nur einem Dritten gestattet, ausschliessen. Diese Aufgabe einem Gläubiger zu übertragen, würde wohl Kostenersparnisse mit sich bringen; dieser Vorteil vermag jedoch den Nachteil der bereits von Gesetzes wegen verpönten Interessenkollision nicht aufzuwiegen. Die Bank X den Forderungsprozess gegen Z führen zu lassen, geht somit nicht an.

Rekurskommission, 10. Juli 1995, BS 95 19


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