RBOG 1996 Nr. 22
Konkurshindernde Tatsachen nach neuem Recht
Art. 174 SchKG, § 240 i.V.m. § 230 aZPO (TG)
1. Der Schuldner hat gestützt auf § 231 i.V.m. § 240 ZPO im zweitinstanzlichen Verfahren die Möglichkeit, neue konkurshindernde Tatsachen geltend zu machen. Gemäss bisheriger steter Praxis der Rekurskommission können diese indessen nur dann zur Aufhebung des Konkursdekrets führen, wenn die Schuld zwischenzeitlich getilgt wurde, der Schuldner nur momentan illiquid, nicht für grössere Summen betrieben und die verspätete Zahlung auf ein Versehen zurückzuführen ist. Diese Bedingungen mussten bislang kumulativ erfüllt sein; fehlte auch nur eine der vier Voraussetzungen, konnte auf die Konkurseröffnung nicht verzichtet werden (RBOG 1993 Nr. 22 mit Hinweisen).
2. Gemäss Art. 174 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG in seiner Fassung vom 16. Dezember 1994, welche am 1. Januar 1997 in Kraft treten wird, kann das obere Gericht die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner mit der Einlegung des Rechtsmittels seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass er inzwischen die Schuld einschliesslich der Zinsen und Kosten getilgt hat. Damit gebietet der Bundesgesetzgeber der in diesem Bereich bestehenden Uneinheitlichkeit der kantonalen Rechtsprechungen zumindest teilweise Einhalt, indem er die Geltendmachung von Noven ausdrücklich vorsieht (Brönnimann, Novenrecht und Weiterziehung des Entscheids des Konkursgerichts gemäss Art. 174 ESchKG, in: Festschrift für Hans Ulrich Walder zum 65. Geburtstag, Zürich 1994, S. 436 f.). Umgekehrt sieht die Neuregelung davon ab, als Voraussetzung für die Zulassung von Noven einen Entschuldigungsgrund zu verlangen (Brönnimann, S. 442). Dagegen setzt die Novelle für die oberinstanzliche Aufhebung der Konkurseröffnung voraus, dass der Schuldner "seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht". Dies bedeutet eine sachlich gerechtfertigte Erschwerung der Stellung des Schuldners im Gegensatz zum Vorentwurf der Expertenkommission vom Dezember 1981, welcher noch umgekehrt und schuldnerfreundlicher formuliert hatte, das Konkurserkenntnis könne aufgehoben werden, "ausser wenn der Schuldner offensichtlich zahlungsunfähig sei". Damit soll die Zahlungsfähigkeit nunmehr zur Beweislast des Schuldners gehören, der sich allerdings auf die blosse Glaubhaftmachung beschränken darf. Ratio legis dieser Regelung soll in erster Linie die Verhinderung einer Konkurseröffnung infolge eines blossen Versehens oder Missgeschicks sein. Die Aufhebung des Konkursdekrets muss aber in jedem Fall wirtschaftlich sinnvoll sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn der schuldnerische Betrieb lebensfähig ist. Die Aufhebung des Konkurserkenntnisses im Falle eines ohnehin illiquiden Schuldners ist dagegen nicht gerechtfertigt (Brönnimann, S. 446).
3. Damit hat es, zumindest vorderhand, bei der bisherigen Rechtsprechung der Rekurskommission sein Bewenden. Eine sofortige Konkurseröffnung liegt im allgemeinen weder im öffentlichen Interesse noch in demjenigen der Beteiligten, wenn dem Schuldner keine Verantwortung für seinen pekuniären Engpass angelastet werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der primäre Grund für seine Zahlungsunfähigkeit nicht in seinerseits stets wachsenden Schulden, sondern vielmehr in Guthaben liegt, welche er rezessionsbedingt nicht einzutreiben vermag. Voraussetzung ist jedoch selbstverständlich, dass seine allgemeine finanzielle Situation nicht seit längerem und ohne Hoffnung auf Besserung als desolat bezeichnet werden muss. Vielmehr muss begründete Aussicht darauf bestehen, dass sich seine Verhältnisse nicht mehr und mehr zu seinen Ungunsten zuspitzen. Es muss deshalb Indizien dafür geben, dass sich seine Lage dann, wenn die ihm zustehenden Zahlungen eintreffen, stabilisiert. Seine Debitoren müssen folglich seine Kreditoren übersteigen. Er muss, gehen seine Guthaben innert nützlicher Frist ein, alsdann zusammen mit seinem sonstigen Verdienst in der Lage sein, seine Schulden zu decken und den laufenden Verbindlichkeiten nachzukommen (RBOG 1993 Nr. 22).
Rekurskommission, 25. Oktober 1996, BR 96 84