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RBOG 1997 Nr. 1

Aufteilung des Überschusses im vorsorglichen Massnahmeverfahren nach Art. 145 ZGB; Präzisierung von RBOG 1989 Nr. 2


Art. 137 Abs. 2 (Art. 145 aZGB) ZGB


1. Die Parteien anerkennen die von der Vorinstanz ermittelten Existenzminima und Einkommen. Strittig ist einzig, wie der Überschuss von Fr. 5'891.-- aufzuteilen bzw. ob vom Überschuss vorerst eine Sparquote von Fr. 1'125.-- abzuziehen und alsdann der restliche Überschuss hälftig aufzuteilen ist.

2. a) Im Eheschutz- oder Massnahmeverfahren, wo alle Familienmitglieder grundsätzlich vorbehaltlos an der gleichen Lebenshaltung partizipieren, wird abgesehen von einer Sparquote und unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs der ganze verbleibende Überschuss in der Regel nach Köpfen aufgeteilt (vgl. BGE 119 II 315, 318 mit Hinweisen; RBOG 1989 Nr. 2). Eine hälftige Teilung ist aber nicht zwingend. Entscheidend ist vielmehr, ob und in welchem Umfang der Berechtigte an der Lebensstellung des Verpflichteten teilhat, und ob er dabei mit der Konkurrenz von anderen Unterhaltsberechtigten rechnen muss (Hausheer/Spycher, Die verschiedenen Methoden der Unterhaltsberechnung, in: ZBJV 133, 1997, S. 161 f., 169 f.).

b) Die Rekurskommission äusserte sich zur Aufteilung des Überschusses im Rahmen der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für die Dauer des Scheidungsverfahrens verschiedentlich. In einem Fall erachtete sie einen Überschuss von Fr. 7'312.-- als derart hoch, dass sich eine hälftige Aufteilung desselben nicht rechtfertige. Vielmehr sei der Überschuss ungefähr in dem Verhältnis, in welchem die Eheleute für den Gesamtverdienst aufkämen, zu verlegen; die Ehefrau habe folglich Anspruch auf 1/3, der Ehemann auf 2/3. In einem anderen Fall blieb sie bei der hälftigen Aufteilung des Überschusses von Fr. 5'540.--. In jenem Verfahren hatte die Vorinstanz den Überschuss noch zu 2/3 dem Ehemann zugewiesen; im Rekursverfahren hatten beide Parteien übereinstimmend die hälftige Aufteilung verlangt.

c) Die Frage, ob vom Grundsatz der hälftigen Aufteilung des Überschusses abzuweichen ist, muss zusammenfassend aufgrund der konkreten Umstände jedes Einzelfalls beurteilt werden. Im Vordergrund steht dabei, dass - im Rahmen vorsorglicher Massnahmen nach Art. 145 ZGB - durch die Aufteilung des Überschusses die güterrechtliche Auseinandersetzung nicht vorweggenommen werden bzw. keine Vermögensverschiebung erfolgen soll. Vom Überschuss vorab abzuziehen ist daher eine allfällige Sparquote. Es bleibt aber zu beachten, dass die Parteien - soweit möglich - Anspruch auf Beibehaltung des früheren Lebensstandards haben. Getrennte Haushalte können daher eine bisherige Sparquote konsumieren. Des weitern ist stets im Auge zu behalten, dass die Bemessung der Unterhaltsbeiträge während der Dauer des Scheidungsprozesses im summarischen Verfahren erfolgt. Der Massnahmerichter kann und muss sich oft mit allgemeinen, insbesondere sofort verfügbaren Beweismitteln begnügen, da der Zweck der vorsorglichen Massregeln eine rasche Klärung der Verhältnisse und damit ein schnelles und wirksames Eingreifen des Massnahmerichters erfordert (Spühler/Frei-Maurer, Berner Kommentar, Ergänzungsband, Art. 145 ZGB N 418; Bühler/Spühler, Berner Kommentar, Art. 145 ZGB N 418). Gestützt auf diese Überlegungen entschied die Rekurskommission in einem nicht publizierten Entscheid, bei verhältnismässig hohen oder überdurchschnittlichen Einkommen sei der Unterhaltsanspruch der Ehefrau praxisgemäss nicht aufgrund des ansonsten üblichen schemenhaften Berechnungsmodus festzulegen; vielmehr dienten die betreibungsrechtlichen Existenzminima in solchen Fällen lediglich als Richtlinie.

3. a) In grundsätzlicher Hinsicht ist hervorzuheben, dass bei einem Überschuss von Fr. 5'891.-- eine überdurchschnittliche Einkommenssituation vorliegt. Es kann auch nicht bestritten werden, dass die Parteien während ihres Zusammenlebens einen hohen Lebensstandard pflegten. So wohnten sie zu zweit in einem 5 1/2-Zimmerhaus und gaben allein für Fahrzeuge während der 40monatigen Ehe rund Fr. 75'000.-- aus. Unbestritten ist auch, dass sie seit ihrer Heirat im Juli 1993 jeweils nicht das gesamte Einkommen benötigten, um sich ihren hohen Lebensstandard zu finanzieren. Aufgrund der Angaben der Parteien bei der Instruktionseinvernahme ermittelte die Vorinstanz ein Sparpotential auf seiten der Rekurrentin von rund Fr. 25'000.-- und auf seiten des Rekursgegners von Fr. 20'000.--. Die Rekurrentin bestreitet diese Annahme der Vorinstanz in grundsätzlicher Hinsicht nicht. Der Rekursgegner hingegen bringt vor, er habe während der Ehe Fr. 70'000.-- und die Rekurrentin Fr. 55'000.-- gespart. Die Differenz zur Betrachtungsweise der Vorinstanz liegt im wesentlichen darin, dass der Rekursgegner zusätzlich zum Sparpotential der Parteien je noch Autokäufe von Fr. 25'000.-- bei der Rekurrentin und Fr. 50'000.-- bei sich selbst berücksichtigt wissen will, und dass die Vorinstanz das eingebrachte Gut der Rekurrentin von DM 50'000.-- im Verhältnis 1:1 in Schweizer Franken umrechnete.

Es ist fraglich, ob der Aufwand für den Fahrzeugpark der Parteien zum Ersparten hinzugerechnet werden kann, da der Ersparnischarakter bei der Anschaffung von Fahrzeugen eher geringfügig ist. Die Ausgaben für die Fahrzeuge sind im Privathaushalt eher dem hohen Lebensstandard zuzuordnen. Alsdann fallen sie bei der Ermittlung des Sparpotentials nicht in Betracht. Es kommt hinzu, dass eine detaillierte Überprüfung im summarischen Verfahren weder möglich noch angezeigt ist. Immerhin gab der Rekursgegner in der Instruktionseinvernahme selbst an, die Rekurrentin habe ca. Fr. 70'000.-- bis Fr. 80'000.-- in die Ehe eingebracht, während die Vorinstanz lediglich von DM bzw. Fr. 50'000.-- ausging. Es bleibt somit dabei, dass während der 40monatigen Ehe eine Sparquote von etwa Fr. 45'000.-- bzw. Fr. 1'125.-- pro Monat anzunehmen ist.

b) Die Lösung der Vorinstanz, vom Überschuss vorab diese Sparquote in Abzug zu bringen, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass sich diese Sparquote nicht unbesehen auf die Situation bei getrennter Ehe übertragen lässt. Zum einen dürfte den Parteien die Motivation zur weiteren Äufnung von Ersparnissen für ein gemeinsames Zusammenleben fehlen. Von der Sparquote abzuziehen sind sodann Auslagen, die üblicherweise während der Ehe nicht anfielen. Dazu gehören insbesondere die beidseitigen Anwaltskosten und die Kosten des Scheidungsverfahrens. Auf seiten der Rekurrentin sind sodann die Kosten für den Wohnungswechsel zu berücksichtigen. Auch wenn sich diese Mehrausgaben nicht exakt beziffern lassen, ist doch mit grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die während ungetrennter Ehe realisierte Sparquote von Fr. 1'125.-- während der Dauer des Scheidungsverfahrens zufolge der Mehrkosten auf einen Betrag reduziert, der zu gering ist, um noch Berücksichtigung zu finden. Bereits unter diesem Aspekt besteht somit keine Gefahr, dass mit einer hälftigen Aufteilung des Überschusses eine (ungerechtfertigte) Vermögensverschiebung stattfindet.

Rekurskommission, 5. Mai 1997, ZR 97 21

Eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wurde vom Bundesgericht am 15. September 1997 abgewiesen.


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