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RBOG 1998 Nr. 26

Eventualmaxime und Novenrecht bei neuen Tatsachen, die sich im Beweisverfahren ergeben


§ 146 Abs. 1 ZPO, § 146 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO, § 231 (§ 230 aZPO) ZPO


1. Die Berufungsklägerin reparierte bei der Berufungsbeklagten ein Gerät. Letztere verweigerte die Bezahlung der Rechnung. Strittig ist, ob der Auftrag von ihr selbst oder von einem Dritten erteilt wurde. Während die Berufungsklägerin in der Klagebegründung behauptet hatte, sie sei von A, welcher als Stellvertreter der Berufungsbeklagten gehandelt habe, zur Reparatur aufgefordert worden, machte sie anlässlich der Beweisverhandlung geltend, die Berufungsbeklagte habe sie direkt aufgeboten. Nach Auffassung der Berufungsbeklagten hätte die Vorinstanz die im Beweisverfahren vorgetragenen, der ursprünglichen Darstellung der Berufungsklägerin widersprechenden Sachverhaltsschilderungen aufgrund von § 146 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigen dürfen.

2. a) Gemäss § 146 Abs. 1 ZPO sind die Parteien mit allen bis zum Schluss ihres letzten Vortrags in der Hauptverhandlung nicht angebrachten Anträgen, tatsächlichen Behauptungen, Bestreitungen und Einreden ausgeschlossen. In § 146 Abs. 2 ZPO werden sodann die Ausnahmen genannt, nämlich diejenigen Umstände, die es den Parteien erlauben, auch noch nach ihrem letzten Vortrag in der Hauptverhandlung Behauptungen vorzutragen und Anträge zu stellen.

b) § 146 ZPO beschlägt offensichtlich einzig die Parteivorträge: Es wird in dieser Bestimmung nur erwähnt, bis zu welchem Zeitpunkt resp. unter welchen Bedingungen Noven zulässig sind. Nicht anwendbar ist § 146 ZPO demgegenüber auf sich in einem Beweisverfahren ergebende neue Tatsachen; weder in dieser Vorschrift noch in einer anderen in der ZPO enthaltenen Bestimmung wird festgehalten, Noven, die im Rahmen einer Beweisverhandlung zutage träten, könnten nicht berücksichtigt werden. Tatsachen, die erstmals im Lauf eines Beweisverfahrens aufgrund der Aussagen der befragten Personen zur Sprache kommen, sind nie - auch dann nicht, wenn eine Person wegen ihrer nahen Beziehung zu einer Partei nicht als Zeuge, sondern als Partei befragt wird - unzulässige Noven; sie sind vielmehr einerseits stets zu berücksichtigen und berechtigen die Parteien andererseits aufgrund von § 146 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO gegebenenfalls auch zur Änderung ihrer Vorbringen und Anträge (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.A., § 115 N 7). Die Vorinstanz wäre deshalb auch nicht an ihren ursprünglich gefassten Beweisbeschluss gebunden gewesen; sie hätte diesen aufgrund der neuen Erkenntnisse anlässlich der Beweisverhandlung ohne weiteres ändern können (§ 185 ZPO). Dass sie dies nicht tat, ist nicht zu beanstanden, nachdem die Rechtslage ihres Erachtens genügend klar war; ebensowenig zu rügen ist aber entgegen der Auffassung der Berufungsbeklagten auch, dass sich die Vorinstanz mit der aus der Beweisverhandlung resultierenden neuen Sachlage befasste und diese in ihre Überlegungen einbezog. Sie durfte vielmehr unter keinen Umständen ausser acht lassen, dass die Berufungsklägerin aufgrund der Zeugen- und Parteiaussagen im Beweisverfahren ihren Anspruch auf Bezahlung der strittigen Rechnung nun damit begründete, die Berufungsbeklagte habe ihr direkt den Reparaturauftrag erteilt. Demgemäss stellt diese im Berufungsverfahren aufrechterhaltene Behauptung auch kein unzulässiges Novum dar.

Rekurskommission, 29. Mai 1998, ZB 98 7


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