RBOG 1998 Nr. 6
Bei Streitigkeiten über die Erhebung der Einrede "kein neues Vermögen" im Rechtsvorschlag ist unter Vorbehalt des Gegenbeweises das Betreibungsprotokoll massgebend
Art. 8 Abs. 2 SchKG, Art. 75 Abs. 2 SchKG, Art. 9 ZGB
1. Die Schuldnerin verlangte, es sei im Zahlungsbefehl bzw. im Betreibungsprotokoll der Rechtsvorschlag mit der Einrede "kein neues Vermögen" zu ergänzen, was vom Betreibungsamt und auf Beschwerde hin von der Vorinstanz abgelehnt wurde; die Schuldnerin habe nicht nachweisen können, dass sie entgegen der erfolgten Protokollierung die Einrede "kein neues Vermögen" erhoben habe.
2. a) Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, muss er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich erklären (Art. 74 Abs. 1 SchKG). Bestreitet der Schuldner, zu neuem Vermögen gekommen zu sein, hat er dies im Rechtsvorschlag ausdrücklich zu erklären; andernfalls ist diese Einrede verwirkt (Art. 75 Abs. 2 SchKG). Das Betreibungsamt führt über seine Amtstätigkeiten sowie die bei ihm eingehenden Begehren und Erklärungen Protokoll (Art. 8 Abs. 1 SchKG). Die Protokolle und Register sind bis zum Beweis des Gegenteils für ihren Inhalt beweiskräftig (Art. 8 Abs. 2 SchKG, Art. 9 ZGB). Das Betreibungsamt berichtigt einen fehlerhaften Eintrag von Amtes wegen oder auf Antrag einer betroffenen Person (Art. 8 Abs. 3 SchKG). Die Erklärung des Schuldners, er erhebe Rechtsvorschlag, ist mithin vom Betreibungsbeamten gestützt auf Art. 8 Abs. 1 SchKG zu protokollieren (Walder, Der Rechtsvorschlag, in: SJZ 68, 1972, S. 18 Ziff. 2a; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A., § 18 N 12; Art. 10 VFRR; Kreisschreiben des Bundesgerichts Nr. 31 vom 12. Juli 1949 betreffend die Führung des Betreibungsbuchs in Kartenform, in: BGE 75 III 33).
b) Mit Art. 8 Abs. 2 SchKG ist nicht gesagt, dass nur das, was die Protokolle ausweisen, gültig sei, dass mithin das Protokoll konstitutiven Charakter habe (Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4.A., Art. 8a N 7). Die Protokolle stellen aber öffentliche Urkunden dar, welche authentisch Auskunft über den Geschäftsgang geben. Ihnen kommt als amtlichen Protokollen vorrangige Beweiskraft zu. Ihr Inhalt gilt als richtig, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist (Amonn/ Gasser, § 4 N 13). Der Beweis der Unrichtigkeit der öffentlichen Urkunde kann mit allen Beweismitteln geführt werden (Art. 9 Abs. 2 ZGB). Zu beweisen ist die Unrichtigkeit, mithin die Tatsache, dass der Urkundeninhalt falsch ist, nicht aber der richtige Sachverhalt. Allerdings ergibt sich aus der Natur der Sache, dass das Beweismass für den Gegenbeweis gegenüber öffentlichen Urkunden hoch anzusetzen ist, weshalb der Unterschied zu einer gesetzlichen Vermutung kaum ins Gewicht fällt (Schmid, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch I, Basel/Frankfurt a. M. 1996, Art. 9 N 30; Kummer, Berner Kommentar, Art. 9 ZGB N 64 f.). Unrichtig ist der Inhalt, wenn er die zu bezeugenden Erklärungen falsch oder unvollständig wiedergibt, oder wenn er die festzuhaltenden Tatsachen oder Rechtsfolgen falsch aufführt (Kummer, Art. 9 ZGB N 66). Der Schuldner trägt im Fall der mündlichen Erklärung des Rechtsvorschlags die Gefahr ihrer richtigen Protokollierung durch das Betreibungsamt (BlSchK 16, 1952, S. 110 f. mit Hinweisen).
3. a) Das Protokoll in der fraglichen Betreibung enthält zwar den Vermerk, dass Rechtsvorschlag erhoben wurde; es fehlt aber der Hinweis auf die Einrede des fehlenden neuen Vermögens. Vorbehältlich des Gegenbeweises ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin lediglich den allgemeinen Rechtsvorschlag nach Art. 74 SchKG erhob und damit die Einrede des fehlenden neuen Vermögens verwirkt ist.
b) Die Ausführungen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, den Inhalt des Betreibungsprotokolls als unrichtig erscheinen zu lassen. Gegen die Erhebung der Einrede "kein neues Vermögen" spricht die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin das Gläubigerexemplar des Zahlungsbefehls in der Rubrik "Rechtsvorschlag" ohne einen Zusatz unterzeichnete. Es liegt somit eine schriftliche Erklärung vor, welche überdies mit dem entsprechenden Betreibungsprotokoll übereinstimmt. Dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Unterzeichnung des Gläubigerexemplars mündlich den entsprechenden Einwand "kein neues Vermögen" erhoben habe, behauptete sie selbst nicht.
Hingegen führte die Beschwerdeführerin aus, es habe mit Bezug auf eine andere Forderung desselben Gläubigers ein Vermittlungsvorstand stattgefunden, an welchem sie mehrfach auf einen früheren Konkurs hingewiesen und ihr fehlendes Vermögen erwähnt habe; die als Friedensrichterin amtende Betreibungsbeamtin habe eine entsprechende Protokollierung unterlassen. Allerdings ist die Sachdarstellung der Betreibungsbeamtin glaubwürdig, wonach eine derartige Erklärung ("kein neues Vermögen") im Zusammenhang mit der unterschriftlich erfolgten Klageanerkennung ebenfalls ins Protokoll des Vermittlungsvorstands aufgenommen worden wäre: Zwar hätte es sich nicht um eine eigentliche Erklärung zum Rechtsbegehren im Sinn von § 119 Abs. 1 ZPO gehandelt, die ohnehin nur bei Unterzeichnung durch die Beschwerdeführerin Rechtsverbindlichkeit hätte entfalten können (RBOG 1943 Nr. 12); erfolgen aber schon mit der Klageanerkennung solche Mitteilungen, wird sich jeder Gläubiger die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmassnahmen genau überlegen, woran das Betreibungsamt aus begreiflichen Gründen interessiert ist. Ausgehend davon, dass am Vermittlungsvorstand über die Frage des neuen Vermögens nicht diskutiert wurde, lag demnach unter keinem Titel eine Erklärung der Beschwerdeführerin gegenüber dem Betreibungsamt vor, sie verfüge nicht über neues Vermögen.
Selbst wenn indessen am Vermittlungsvorstand über diese Frage diskutiert worden wäre, wäre der Einwand im Rahmen einer anderen Klage und nicht im Zusammenhang mit der fraglichen Betreibung erhoben worden. Beim Vermittlungsvorstand ging es nicht um dieselbe Angelegenheit wie bei der fraglichen Betreibung, was sich schon aus den verschiedenen Forderungssummen ergibt. Da es einem Schuldner freisteht, ob er die Einrede erheben will oder nicht, muss er auch unmissverständlich kundtun, auf welche Betreibung sich gegebenenfalls ein entsprechender Einwand bezieht. Es ist denkbar und rechtlich möglich, die Einrede des fehlenden neuen Vermögens in der einen Betreibung zu erheben, in einer anderen aber aus irgendwelchen Gründen darauf zu verzichten. Alsdann ist es nicht Sache des Betreibungsbeamten, den Schuldner entsprechend zu befragen, ausser die Äusserungen des Schuldners seien missverständlich. Wenn somit ein Schuldner gegenüber dem Friedensrichter, der auch die Funktion eines Betreibungsbeamten ausübt, äussert, er habe kein neues Vermögen, muss der Friedensrichter bzw. Betreibungsbeamte daraus nicht schliessen, es werde mit Bezug auf ein anderes Betreibungsverfahren, welches nicht Gegenstand des Vermittlungsvorstands ist, die Einrede "kein neues Vermögen" erhoben.
Rekurskommission, 6. April 1998, BS 98 4